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Der Zauberschwamm

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Vor langer, langer Zeit gab es einmal einen schrecklich kalten Winter. Der starke Frost hatte die Bäume gespalten und das Winterkorn erfrieren lassen. Die Krähen fielen tot von den Bäumen und alle Bächlein waren zugefroren. Die Menschen litten große Not.
In dieser eisigen Kälte zog Kiran, ein alter Mann, mit Max, seinem Ziegenbock, durch die Lande. Max war weißgescheckt und trug einen langen, grauen Spitzbart. Für Kiran war Max mehr als eine Ziege, er war sein bester Freund und das Einzige, was er noch besaß. Vor ein paar Tagen hatte er noch eine kleine Herberge besessen, richtete für die müden Fremden die Betten und stand in der Küche und kochte für sie. Dann tauchten Räuber und Plünderer auf, vom Hunger getrieben und verscheuchten ihn.
Seit drei Tagen schon war er unterwegs. Die Angst vor den Räubern trieb ihn immer weiter, doch jetzt brauchte er dringend einen Unterschlupf vor der grimmigen Kälte. Außerdem waren sie hungrig und müde. Gegen Abend tauchte vor ihnen ein schlossartiges Gebäude auf mit Giebeln und Türmchen, wohl ein großer Gutshof, umgeben von riesigen Wäldern und Feldern, alles im Eise erstarrt. Egal, wem es gehören mochte, er würde um einen Schlafplatz für Max und sich bitten! Endlich einmal ausruhen und vor der Kälte geschützt sein, war der einzige Wunsch von ihm. Vielleicht gab es auch einen Kanten Brot, um den Hunger zu stillen! Mutig pochte Kiran an die große Eingangstüre. Keine Schritte waren zu hören, nichts rührte sich. Er drückte auf die Klinke, die Türe ließ sich öffnen. Im fahlen Licht des Mondes sah er, die Räuber hatten auch hier gewütet. Keiner schien hier mehr zu wohnen! An den Wänden sah man weiße Flecken, wo einst die Ahnenbilder hingen. In den Räumen stand kein einziges Möbelstück. Keine Bediensteten liefen umher. Statt Glas in den Fenstern hingen dort dicke Eiszapfen. Kiran brach einen Zapfen ab und leckte gemeinsam mit Max daran, um ihren Durst zu stillen. Danach suchte er sich eine windgeschützte Stelle in einem riesengroßen Zimmer, kuschelte sich an Max und schloss die Augen.
Im Traum erschien ihm ein Zwerglein. Es hatte einen Rucksack auf dem Rücken, einen grünen Hut mit breiter Krempe auf dem Kopf und in der Hand einen Wanderstab.
„Ich bin Krobs, der Wanderzwerg. Ich habe dich hierher geführt, um dem Gutsbesitzer Adelwin zu helfen. Er ist ein guter Mann und hat immer für seine Arbeiter gesorgt, bis diese Räuberbande kam und ihm alles nahm. Jetzt nagt er selber am Hungertuch. Er sitzt wie du auf dem blanken Boden, hat weder Bett noch Tisch. Du musst dafür sorgen, dass er alles zurückbekommt, was er einst besaß. Ich schenke dir einen Zauberschwamm. Du musst ihn in kleine Würfel schneiden, dann bohrst du im Garten kleine Löcher in das Eis, steckst die Würfel hinein und ihr werdet in kurzer Zeit das ernten können, worauf der Gutsbesitzer und du Appetit habt. Frage ihn, was er gerne essen möchte, denn ihr könnt nur einen einzigen Wunsch äußern. Der Duft des Gekochten wird über die Wälder und Felder ziehen. Den Räubern wird das Wasser im Munde zusammen laufen und sie werden Stück für Stück des Geraubten zurückbringen, nur um etwas Essen zu bekommen.“
Beim ersten Sonnenstrahl öffneten Kiran und der Ziegenbock die Augen.
„Hast du auch so einen eigenartigen Traum gehabt wie ich?“, wollte er von Max wissen. Doch da bemerkte er einen Schwamm in seiner Hand. Sollte es doch kein Traum gewesen sein?
Plötzlich hörte er von draußen Schritte auf der großen Treppe.
„Ah, Besuch“, sagte der Gutsherr freundlich zu Kiran, als er ihn sah und schwang einen mageren Hasen vor seinem Gesicht hin und her.
„Entschuldigen Sie bitte mein Eindringen…! Ich bin Kiran.“
„Ich bin der Herr des Hauses, der Besitzer dieses Gutshofes. Du darfst mich ruhig Adelwin nennen und duzen. Kannst du kochen?“

Kiran nickte und sprang auf die Füße. „Meinst du den Hasen? Das lohnt sich nicht, der besteht ja nur aus Knochen.“
„Wie ich“, lächelte der Gutsherr.
“Eine gute Weißkohlsuppe wäre mir jetzt auch lieber. Eine Weißkohlsuppe mit ein wenig Hasenfleisch!“, wiederholte er.
Da dachte Kiran an das, was der Zwerg im Traum zu ihm gesagt hatte.
„Ruhe dich etwas aus“, sagte er zu dem Gutsherrn. „Ich werde sehen, was sich machen lässt!“

Kiran eilte in die Küche und suchte nach einem Messer. Er schnitt den Schwamm in winzige Würfelchen, eilte in den Garten des Gutsherren, bohrte kleine Löcher in den gefrorenen Boden und steckte in jedes Loch ein Stückchen von dem Schwamm. Weißkohl wollte der Herr, also bat er um Weißkohl und reichliche Ernte und dass der Zwerg ihn nicht belogen hatte!
Danach bereitete er den Hasen vor. In der Küche unter dem Herd fand er genügend Holz und im Küchenschrank einen riesigen Topf. Während das Feuer im Ofen prasselte, eilte er zurück in den Garten, um nachzusehen, wie weit die Ernte vorangeschritten war. Drei Mal lief er und nichts hatte sich gezeigt. Beim vierten Mal traute seinen Augen nicht. Weißkohlköpfe, groß, glatt und rund standen dicht bei dicht. Wenn er einen Kohlkopf abschnitt, wurde er sofort durch einen neuen ersetzt.
Er rannte in die Küche und begann zu kochen. Danach weckte er Adelwin, den Besitzer des Hauses zum Essen. Der kräftige Geruch eines herzhaften Kohlgerichts mit dem Fleisch eines mageren Hasen zog durch alle Räume, entwich durch die kaputten Fenster und blieb im Wald bei den Räubern hängen.

Nicht weit vom Gutshof entfernt, mitten im Wald, saßen sieben Räubergesellen zwischen den gestohlenen Möbeln und hungerten und froren. Alles, was sie an Lebensmitteln erbeutet hatten, war aufgebraucht. Da rochen sie den Duft der Kohlsuppe und ihre Mägen begannen so laut zu knurren, dass sie sich selbst davor erschraken. Wie auf Kommando packten sie den gestohlenen Besitz auf ihre Karren und machten sich auf den Weg.
Adelwin, Kiran und der Ziegenbock Max saßen gesättigt auf dem Fußboden des großen Zimmers, als sie draußen im Hof Gerumpel und Gepumpel von herannahenden Karren hörten. Dann wurde laut gegen die Eingangstüre geklopft.
Kiran, der Koch, wollte aufspringen, aber der Gutsherr befahl ihm, sitzen zu bleiben. Er ging selbst und öffnete. Erstaunt blickte er in sieben geknickte Räubergesichter, die verschämt auf den Boden blickten.
„Herr! Wir sind Räuber und Diebe“, sprach der Anführer, „aber wir bereuen unsere Taten und bitten um Verzeihung. Für einen Teller warme Suppe stellen wir wieder alles an Ort und Stelle und geloben, uns in Zukunft zu bessern! Uns plagt nicht nur seit Tagen unser schlechtes Gewissen sondern auch der Hunger! Wir waren nicht immer Räuber und Diebe. Die schlechten Zeiten sind es, die uns zu dem gemacht haben, was wir heute sind!“
Der Gutsbessitzer war kein Unmensch. Er bat alle zu Tisch.

Bis der schreckliche Winter vorbei war, gab es täglich Weißkohl auf verschiedene Arten zubereitet, denn davon stand genug im Garten. Auch für die Menschen in den Dörfern ringsherum wurde gesorgt. Kiran blieb als Koch auf dem Hof und auch die Räuber durften bleiben. Sie mussten auf den Feldern arbeiten und taten es gerne. Der Wanderzwerg Krobs ist Kiran nie wieder erschienen, aber seitdem glaubt er an Zwerge, besonders solche, mit Zauberschwamm.

 
 
Quelle: Marianne Schaefer

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