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Die sieben Brüder

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Es waren einmal ein Mann und eine Frau, welche sieben Buben hatten und wiederum ein Kind bekommen sollten. Eines Tages sprach der Mann zu seiner Frau, er würde sie töten, wenn sie nicht diesmal ein Mädchen erhalten würden. Der älteste Sohn hatte von einem Versteck aus alles mit angehört, was sein Vater gesagt hatte. Am Morgen sprach er zu seiner Mutter, er hätte alles gehört, und seine Brüder und er seien entschlossen, bis zur Geburt des kleinen Kindes davonzugehen; aber allabendlich wollten sie kommen und nach dem Schornstein sehen, ob es ein Mädchen oder ein Knabe sei. Um dies kenntlich zu machen, sollte man einen Spinnrocken mit Flachs auf den Schornstein stecken, wenn es ein Mädchen, und einen mit Hanf, wenn es ein Knabe sei.
Acht Tage darauf brachte die Frau ein kleines Mädchen zur Welt und sagte zu ihrer Nachbarin, sie solle einen Spinnrocken mit Flachs auf den Schornstein stecken. Die Nachbarin fand aber keinen Spinnrocken mit Flachs und steckte einen mit Hanf auf, denn sie glaubte, das sei dasselbe. Als die Brüder am Abend kamen, um von weitem zu spähen, gerieten sie in arge Verzweiflung, als sie auf dem Dache einen Spinnrocken mit Hanf erblickten; sie fingen an zu weinen und glaubten, daß ihre Mutter jetzt schon tot sein müsse. Gleich am andern Morgen machten sie sich auf und gingen weit fort in eine wilde Gegend, wo sie das Land bebauten.
Das kleine Mädchen wuchs rasch heran. Ihr Vater schickte sie auf ein Feld, um die Schafe zu hüten; dabei empfahl er ihr, sie solle gut acht geben, daß die Schafe nicht auf das Nachbarfeld gingen, denn daraus würden ernsthafte Zwischenfälle entstehen. Eines Tages unterhielt sich das junge Mädchen mit andern Schäferinnen, und die Schafe zogen Nutzen daraus, indem sie auf den verbotenen Acker gingen. In diesem Augenblick ging der Flurwächter vorüber und sagte dem Kind, daß er es anzeigen würde. In seinem Zorn fügte er hinzu, sie sei ein böses kleines Mädchen und sei schon bei seiner Geburt die Ursache der Auswanderung ihrer Brüder gewesen.
Abends fragte sie ihre Mutter, ob es wahr sei, daß sie sieben Brüder habe; da erzählte ihr die Mutter die Geschichte von den verwechselten Spinnrocken. Als der Vater zurückkam, schlug er sie so heftig, daß sie das Haus mit einem kleinen Körbchen, das ihr Abendbrot enthielt, verließ. Als sie einen Wald durchquerte, begegnete sie einer alten Frau, welche sagte, sie hätte Hunger. Das junge Mädchen gab ihr sein Essen; die Alte dankte ihm und sagte, es sei ein gutes Kind, und sie wolle tun, um was es sie bitten werde. »Ich möchte wissen,« sagte es, »wo meine sieben Brüder sind.« »Deine sieben Brüder?« erwiderte jene, »wenn du willst, so werde ich dir zeigen, wo sie sind.« Sie zog einen roten Apfel aus der Tasche. Diesen, sagte sie zu dem Mädchen, brauche es nur auf die Erde zu legen, dann würde er es dorthin führen, wo seine Brüder wären. »Aber«, fügte sie hinzu, »gib wohl acht, denn am Waldrande wohnt ein Tier, welches ihn dir wird nehmen wollen; und wenn du ihn nicht mehr hast, so bist du genötigt, aufs Geratewohl deine Brüder zu suchen.« Das junge Mädchen ging ganz zufrieden weiter, aber als es zur Wohnung des Tieres kam, welches gerade ruhig schlief, da warf es einen Stein nach ihm. Um sich zu rächen, nahm das Tier den Apfel weg. Die Hirtin setzte sich nieder und fing an zu weinen, aber bald merkte sie, wie sich etwas auf ihre Schulter stützte. Sie drehte sich um und bemerkte die Alte, welche ihr vorwarf, daß sie das Tier aufgeweckt habe; aber da sie nicht nachtragend war, gab sie ihr einen neuen Apfel, begleitete sie bis zum Ausgange des Waldes und wünschte ihr alles Gute.
Das junge Mädchen wanderte lange, lange, immer hinter dem roten Apfel her. Acht Tage später hatte es eine wilde Gegend erreicht, und die Kugel führte es an ein plump aus Brettern gezimmertes Haus. Sie trat ein und sah auf dem Tisch sieben Teller stehen, die waren mit dampfender Suppe gefüllt. Und da sie hungerte, so setzte sie sich nieder und aß zwei Teller leer; dann stieg sie auf den Speicher und versteckte sich, doch zweifelte sie nicht, daß sie im Hause ihrer sieben Brüder sei. Als die Brüder heimkehrten, sprach der eine: »Wer hat mir meine Suppe gegessen?« »Und wer die meine?« sprach der andere, »das muß irgendein wildes Tier sein.« Am nächsten Tage gewahrte der jüngste der Brüder, welcher stets zu Hause blieb, um die Suppe herzurichten, daß wieder zwei Teller fehlten, nachdem er hinausgegangen war, um seine Brüder zu holen. Am folgenden Tage versteckte er sich in dem Augenblick, da er sonst seine Brüder zu rufen pflegte, hinter der Tür. Das junge Mädchen stieg vom Speicher herab und begann zu essen. Der Knabe zeigte sich ihr und fragte sie um ihre Geschichte. Da erzählte sie ihm alles. Der jüngste Bruder wollte seine sechs älteren Brüder überraschen; er ließ also seine Schwester wieder auf den Speicher klettern und holte seine Brüder zum Mittagessen. Bei Tisch sagte der Älteste, es sei ein Unglück, daß es in diesem Lande keine Frauen gebe, die man heiraten könne; wenn sie eine Frau im Haus hätten, so könnten sie mehr Geld verdienen, weil dann alle sieben an die Arbeit gehen könnten. »Freut euch,« sprach der Jüngste, »ihr glaubtet, daß wir einen Bruder hätten, aber es war eine Schwester: die Nachbarin hat den rechten Spinnrocken nicht gefunden und hat denjenigen aufgesteckt, den sie nicht hätte nehmen sollen.« Er holte nun seine Schwester und alle waren sehr vergnügt.
Gleich am andern Morgen gaben die Brüder ihrer Schwester Aufträge; namentlich empfahl ihr der Älteste, sie solle acht geben, daß sie das Feuer nicht verlöschen lasse, denn in diesem Lande gab es keine Zündhölzer, und man war genötigt, glühende Kohlen bei der Menschenfresserin zu holen, welche vielleicht versuchen würde, ihr schlechte Streiche zu spielen. Eines Tages ließ das junge Mädchen das Feuer ausgehen. Sie wagte nicht, vor ihre Brüder zu treten, sondern lief geschwind zur Menschenfresserin, welche ihr die Glut gab, ohne ein Wort zu sagen. Dann aber begann sie mit ihr zu plaudern und sagte ihr, sie käme sehr gut mit den Brüdern aus; namentlich seien drei darunter, welche die Haare schön gekämmt trügen; diese würden aber noch hübscher sein, wenn man sie gegen den Strich kämmen würde. Am nächsten Tage kämmte das junge Mädchen seine drei Brüder gegen den Strich, und augenblicklich wurden sie in Schafe verwandelt. Das junge Mädchen wußte nicht, was es zu den andern Brüdern sagen sollte, aber bald darauf ging der Mann der Menschenfresserin vorüber und fragte es nach der Ursache seines Kummers. Das Mädchen erzählte, wie die Menschenfresserin seine Brüder in Schafe verwandelt habe. Der Menschenfresser erbot sich, sie zu entwandeln, aber unter der Bedingung, daß die Jungfrau jeden Morgen ihren kleinen Finger durch das Schlüsselloch stecken wollte. Sie war damit einverstanden, und ihre Brüder wurden wieder zu Menschen. Aber das junge Mädchen siechte von Tag zu Tag mehr dahin. Die Brüder fragten es, was es habe, und nun gestand es schließlich eines Tages, daß der Menschenfresser es am kleinen Finger sauge. Da zogen die Brüder aus und brachten den Menschenfresser um. Dann schlugen sie wieder den Weg in ihre Heimat ein, wo sie ihre Eltern wiederfanden.

[Ernst Tegethoff: Französische Volksmärchen]

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