Des Nachts als schon Alles schlief, hörte der Bauer in der Kammer ein Gepolter und gleich darauf eine durchdringende Stimme, halb wie eines Menschen, halb wie eines Huhnes Stimme: »Gevatter, ich hab‘ Euch Kartoffeln gebracht!« Der Bauer sprang aus dem Bette und lief ganz verwundert in die Kammer, um zu sehen, was das sei. Er öffnet die Thür und sieht ein feuriges Huhn, das auf einigen Kartoffelhaufen umherfliegt, von einem auf den andern. Ehe er jedoch von seinem Schrecken zu sich kam, war es verschwunden.
In der folgenden Nacht hörte er wieder ein Gepolter und den Ruf: »Gevatter, ich hab‘ Euch Weizen gebracht, Korn und Gerste!« Der Bauer stand nicht mehr auf, er fürchtete sich; aber bei Tage fand er wirklich in der Kammer drei Getreidehaufen, einen Haufen Weizen, einen Haufen Korn und einen Haufen Gerste. »Das könnt‘ ich brauchen – den Teufel im Haus! O daß ich die Bestie nicht dort gelassen!« sprach der Bauer bei sich. Er nahm Schaufel und Besen, und warf und kehrte all‘ das Getreide auf den Mist sammt den Kartoffeln. Er war ein ehrlicher Mann und achtete auf einen guten Leumund, und darum hatte er Angst, die Nachbarn könnten Etwas davon erfahren; doch wußte er sich keinen Rath.
Allein die Nachbarn erfuhren es dennoch; sie bemerkten, wie des Nachts ein Feuerbüschel in des Bauers Haus flog, ohne es anzuzünden, und bei Tage sahen sie das schwarze Huhn unter den übrigen Hühnern auf dem Hofe umher laufen. Da ging gleich im ganzen Dorfe das Gerede, der Bauer halte es mit dem Teufel. Einigen schien das sonderbar, weil sie ihn von jeher als einen ehrlichen Mann kannten; sie beschlossen daher, ihn vor solchem Unglück zu warnen. Sie gingen zu ihm, und er entdeckte ihnen aufrichtig Alles, was und wie es geschehen war, und bat, sie möchten ihm rathen, auf welche Art er des Uebels los werden könnte. »Wie, rathen? Schlagt die Bestie todt!« sagte ein junger Bauer, und ergriff selbst ein Scheit Holz und schleuderte es nach dem Huhne. Aber in demselben Augenblicke sprang ihm das Huhn auf den Rücken, und puffte auf ihn los, wie mit einem Scheit Holz, daß ihm grün und gelb vor den Augen wurde, und bei jedem Schlage rief es: »Ich bin Rarasch – Rarasch – Rarasch!«
Hierauf riethen einige dem Bauer, er möchte sein Haus verkaufen und fortziehen, Rarasch werde dann zurückbleiben. Der Bauer griff das sogleich auf und suchte einen Käufer; allein Niemand wollte das Haus mit dem Rarasch kaufen. Der Bauer nahm sich vor, sich um jeden Preis von Rarasch zu befreien. Er verkaufte sein Getreide, sein Vieh und Alles, was er entbehren konnte, kaufte sich ein anderes Haus in einem anderen Dorfe und zog fort. Und als er schon zum letzten Mal mit seinem Wagen gekommen, um Bottiche, Mulden, Eggen und anderes derartiges Geräthe aufzuladen, ging er, und zündete selbst sein strohgedecktes Haus an zwei Enden an. Es stand für sich, und Niemand konnte Schaden leiden. »Verbrenn‘ dort, Teufel!« sprach der Bauer bei sich, und schnalzte mit der Peitsche; »für den Platz werd‘ ich wohl noch etwas erhalten.«
»He, he, he!« meldete sich was hinten im Wagen. Der Bauer schaut hin – auf der Sensenstange saß das schwarze Huhn, schlug mit Flügeln, und begann zu singen:
»Wir wandern fort, wir ziehen aus,
Wir ziehen in ein and’res Haus,
Wir ziehen aus, wir wandern fort,
Und stehlen an einem andern Ort.«
Dem Bauer war, als ob ihn der Schlag getroffen; er wußte nicht, was anzufangen. Da fiel ihm bei, ob sich Rarasch nicht bewegen ließe, selbst fortzugehen, wenn er ihn füttern würde. Sogleich befahl er seinem Weibe, ihm täglich einen Teller guter Milch zu geben und drei Stück Kuchen dazu. Rarasch befand sich wohl; doch schien es nicht daß er Lust fühle, sich fortzupacken. Eines Abends kommt der Knecht vom Felde nach Hause, und sieht auf der Stiege die drei Stück Kuchen, welche die Bäuerin für Rarasch hingelegt. Er schleicht hinzu, nimmt eins nach dem andern und ißt sie auf. »Besser, ich esse sie, als die Bestie,« denkt er bei sich; »wer wird auch etwas davon erfahren!« Aber in dem Augenblicke saß ihm Rarasch schon auf dem Rücken und schrie: »Ein Stück, zwei Stück, drei Stück Kuchen hat der Knecht gegessen!« Und dabei versetzte er ihm jedesmal einen Puff, daß der Knecht später noch lange daran dachte.
Des nächsten Morgens, als der Bauer aufstand und den Knecht zur Arbeit wecken ging, fand er ihn ganz zerschlagen, daß er sich kaum rühren konnte. Und als er von ihm gehört, was geschehen, ging er zu Rarasch, und bat ihn, er möchte ihn verlassen, sonst würde kein Knecht bei ihm dienen wollen.
»He, he, he!« kicherte Rarasch und sprach: »Bringst Du mich wieder dorthin, wo Du mich genommen, komm‘ ich nicht mehr zu Dir.« Der Bauer nahm auf der Stelle seinen Mantel, und trug das Huhn wieder unter den Birnbaum, wo er’s gefunden, und nachher hatte er vor Rarasch Ruhe bis an sein Ende.
2.
In Libenic in der Schäferei hielt sich Rarasch gleichfalls auf, dort aber hießen sie ihn Schotek. Er sah wie ein kleiner Knabe aus, nur hatte er an Händen und Füßen Klauen, und die Leute erzählten sich viele lustige Streiche von ihm. Gern hetzte er die Hunde, Katzen, Truthühner. Den Knechten und Mägden that er nichts Gutes, und wenn sie etwas Geheimes zusammen hatten, verrieth er’s gleich; d’rum war auch das Gesinde übel auf ihn zu sprechen. Aber der Schafmeister ließ nichts auf ihn kommen; denn die ganze Zeit hindurch, wo Schotek da war, erkrankte kein einziges Schaf. Im Winter des Abends saß Schotek gewöhnlich hinter dem Ofen und wärmte sich, und wenn die Magd Spreu brühen kam, sprang er immer vom Ofen in den Bottich und rief: »Hops in die Spreu!«
Einst jedoch richtete er sich übel zu. Die Magd brachte wie gewöhnlich den Spreubottich, hatte aber früher kochendes Wasser hineingegossen und nur oben Spreu darauf gethan. »Hops in die Spreu!« rief Schotek, war aber in demselben Augenblicke schon wieder aus dem Bottich, und schrie und heulte vor Schmerz. Das Gesinde lachte, daß Alles zitterte. Allein Schotek rächte sich dafür an der Magd. Als sie einst die Leiter hinan auf den Boden stieg, verwickelte er sie so in die Sprossen, daß man ihr zu Hilfe kommen mußte und Mühe hatte, sie wieder loszumachen.
Im Sommer schliefen die Leute des Schafmeisters auf dem Boden. Einst des Nachts kam Schotek auch dahin, kroch zur Hälfte auf die Leiter, und hetzte die Hunde, die unten im Hofe lagen. Er streckte ihnen einen Fuß nach dem andern entgegen und rief beständig: »Hier ein Fuß, da ein Fuß, bei welchem fangt Ihr mich früher?« Die Hunde bellten wie besessen. Die Knechte verdroß es bereits, daß er ihnen keine Ruhe lasse, und Einer stand auf, nahm ein Bündel Heu, und schleuderte den lieben Schotek mit dem Bündel von der Leiter hinab. Die Hunde fuhren alsbald auf ihn los, und begrüßten ihn schlecht; kaum entkam er ihren Zähnen. Der Knecht wußte, daß Rache seiner harre, und darum nahm er sich vor Schotek in Acht, und wich ihm schon von Weitem aus; allein es half ihm nichts. Einst weidete er auf den Gemeindegründen bei der Wiese, und setzte sich auf der Wiese neben einem Heuschober hin. Plötzlich entsteht ein Geräusch über seinem Kopfe, und eh‘ er sich’s versieht, ist er mit Heu überschüttet, das ihm zwischen den Haaren kleben bleibt. Der Knecht erhebt ein Geschrei, die Mäher laufen herzu; doch welche Mühe sie auch anwenden, sie können das Heu nicht aus seinen Haaren schaffen, so fest ist es mit den Haaren verschlungen. Der arme Knecht mußte sich den Kopf kahl scheeren lassen. Und als er dann wieder die Heerde auf die Weide trieb, und auf den Gemeindegründen unter einen wilden Birnbaum kam, saß Schotek oben, und schabte ihm Rübchen, indem er ihm zurief: »Kahlkopf! Kahlkopf! Kahlkopf! He, he, he!«
3.
Einen armen Bauer traf ein großes Unglück: der Hagel richtete sein Feld so arg zu, daß kein einziger Halm ganz blieb. Der Bauer ging traurig bei seinem Felde umher, sein Zustand grenzte an Verzweiflung. Da begegnet ihm ein Bursche, der ihn anhält und fragt: »Wollt Ihr mich nicht als Knecht in Euren Dienst nehmen?« Der Bauer blickt ihn an und spricht: »Werde selbst nichts zu essen haben. Da sieh meine heurige Ernte!« und dabei zeigt er auf das vom Hagel heimgesuchte Feld. »Nehmt mich nur auf,« redet ihm der Bursche zu, »Ihr werdet es nicht bereuen.« Es war Rarasch. Der Bauer ließ sich endlich bereden und nahm ihn auf.
Als sie nach Hause kamen, sagte der Knecht: »Herr, ich will in die Mühle fahren!« – »Was willst Du denn mahlen? Hab‘ ja kein Körnchen Getreide,« entgegnete der Bauer. – »Ihr habt auf der Emporscheune oben Stroh. Gebt mir nur zwölf Säcke.« – »Nun, wenn Du aus dem Stroh etwas herauszudreschen meinst, in Gottes Namen!« Der Knecht ging, schnitt das Stroh zu Häckerling, füllte den Häckerling in die Säcke, lud diese auf den Wagen und fuhr. Es war schon spät Abends und hübsch dunkel, als er in die Mühle kam. Der Müller hatte auf dem Schüttboden zwölf in Säcke gefüllte Scheffel Getreide, das er den Mahlgästen weggestohlen: er wollte damit Morgens auf den Markt. Rarasch schüttete das Getreide in seine Säcke, und in des Müllers Säcke schüttete er den Häckerling. Dann mahlte er, bezahlte das Mahlgeld und fuhr nach Hause.
Der Bauer hatte zwei Pferde; sie waren jedoch so schlecht, daß sie kaum die Füße schleppten. »Herr,« sagte eines Tages der Knecht zu ihm, »wollt Ihr für die Mähren nicht bessere Pferde kaufen?« – »Ei warum nicht!« entgegnete der Bauer, »aber wie?« – »Dafür laßt mich sorgen!« Der Bauer willigte ein. Der Knecht ging, schlug die beiden alten Pferde todt und zog ihnen die Haut ab. Dann nahm er die Häute auf die Schulter und begab sich geraden Weges in das Wirthshaus. Es war schon Abend, als er hinkam. Im Wirthshaus gab’s Lärm und Rauch genug, auf dem langen Tische brannte ein Licht, und dabei standen viele Gläser, volle und leere; bei dem einen saß der Lohgerber des Ortes. »Kauft die Häute da!« sagte der Knecht zu dem Lohgerber. »Das möcht‘ ich wohl, hab‘ aber kein Geld bei mir.« – »Ich will mit Euch nach Hause gehen, wir wollen des Handels schon einig werden,« erwiederte der Knecht. Der Lohgerber erhob sich und ging.
Der Lohgerber hatte eine hübsche Frau, und wenn er des Abends nicht zu Hause war, pflegte sie der Herr Amtmann zu besuchen; die Lohgerberin briet ihm Hühner, ohne das ihr Mann davon wußte. Eben heute saß der Amtmann wieder bei ihr, als der Lohgerber außen an das Thor klopfte. »Wer ist’s?« – »Ich bin’s, mach‘ auf!« Die Lohgerberin erschrak. »Um des Himmels willen, mein Mann!« Der Amtmann sprang in den alten, leeren Schrank, die Lohgerberin versperrte ihn, zog den Schlüssel ab, steckte das Huhn in die Röhre und ging dann öffnen. Der Lohgerber trat ein, und musterte die Häute: »Nun, was ist der Preis?« – »Gebt mir da den alten Schrank dafür!« – »Wenn er Euch recht ist, meinethalben!« – »Um des Himmels willen, Mann,« schrie die Lohgerberin, »gieb nicht den alten Schrank her! Er ist ein Andenken der seligen Großmutter, der Segen kommt aus unsrem Hause!« – »Wirst Du schweigen?« donnerte der Lohgerber. »So viel Wesen mit dem alten Rumpelkasten!« Und der Bursche trug den Schrank davon.
Er trug ihn vor das Dorf bis auf die Brücke bei der Mühle. Die Mühlräder klapperten und das Wasser unter dem Wehr rauschte. Der Bursche stellte den Schrank auf die Brustlehne und sprach: »Du stehst nicht dafür, daß ich Dich weiter trage.« Dann klopfte er an den Schrank: »He, Brüderchen, kannst Du schwimmen?« Der Amtmann im Schrank begann zu bitten, er solle ihn hinauslassen, er wolle ihm hundert Stück Ducaten geben. »Her damit!« sagte der Bursche, öffnete den Schrank, und der Amtmann zählte ihm die Ducaten auf den Hut. »Danke Gott, daß Du so wohlfeil weggekommen,« sagte der Bursche, und strich das Geld zusammen. »Ein andermal kriech‘ nicht in fremde Schränke, daß Dir nichts Aergeres widerfahre!« Der Herr Amtmann verschwor sich, das Haus des Lohgerbers in seinem ganzen Leben nie mehr zu betreten.
Hierauf nahm Rarasch den Schrank und trug ihn wieder zu dem Lohgerber. »Damit Eurer Frau nicht das Herz wehthue,« sprach er, »so bring‘ ich den Schrank wieder. Ich hab‘ mich anders besonnen. Gebt mir lieber Geld, oder stellt mir die Häute zurück!« Der Lohgerber ward mit ihm Handels einig und ging in die Kammer, um das Geld zu holen. »Die Schaale ist rein, der Teufel hat den Kern geholt!« raunte der Bursche der Lohgerberin zu. – »Um des Himmels willen, Ihr habt ihm doch nichts angethan?« – »Nein, doch soll’s geschehen,« sprach der Bursche, »wenn Ihr den Schrank noch einmal vor Eurem Manne versperrt.« Indessen kam der Lohgerber und zählte das Geld auf den Tisch. »Fürwahr, Ihr habt eine wackere Frau,« sagte der Bursche zu ihm. »Ich soll Euch zureden, Ihr möchtet hübsch zu Hause bleiben und nicht in’s Wirthshaus gehen; sie würde manchmal gern ein Hühnchen für Euch braten. Heut‘ hat sie eins für Euch gebraten, fürchtet sich aber, Ihr möchtet böse sein.« – »Hm, was sollt‘ ich böse sein!« meinte der Lohgerber. – »Nun, so geht Frau, geht, und bringt ihm das Huhn aus der Röhre!« Die Lohgerberin mußte gehen und das Huhn bringen, das sie für den Amtmann gebraten. Der Lohgerber war froh, daß seine Frau ihn so lieb habe, und nahm sich vor, nicht mehr in’s Wirthshaus zu gehen; und die Lohgerberin war froh, daß sie so gut weggekommen, und verschwor sich, niemals wieder für wen Hühner zu braten, ohne daß ihr Mann davon wüßte.
So verschaffte Rarasch dem Bauer Geld. Der Bauer kaufte sich junge Pferde, richtete seine Wirthschaft gehörig ein, und solang er den Burschen bei sich hatte, gebrach es ihm an Nichts. Aber der Bursche war auch nicht wählerisch, er aß Alles gern, was er bekam; nur Erbsen wollte er nicht essen, und zwar deshalb, weil auf jedem Erbsenkorn ein Kelch ist.
[Tschechien: Joseph Wenzig: Westslawischer Märchenschatz]