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Der Hund und der Wolf

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Es war einmal eine Bauernfamilie, welche unter ihren Haustieren auch einen Hofhund namens Sultan hatte. Als der Hund alt geworden war, jagte ihn der Bauer fort, indem er meinte, daß derselbe seinen Dienst nicht mehr pünktlich versehen könne. Ganz niedergeschlagen, mit gesenktem Kopf, verließ der Hund das Dorf und klagte für sich: „So belohnt man meine Treue in dem beschwerlichen Dienst; nachdem ich hier meine jungen und kräftigen Jahre in Arbeit zugebracht habe, jagt man mich im schwachen Alter davon und gönnt mir nicht die Ruhe.“ So trauernd ging er weiter und irrte viele Tage umher, ohne eine leidliche Unterkunft zu finden. Von dieser langen Wanderung abgemagert und schwach geworden, langte er bei einem Wald an.

Da kam aus dem Wald ein Wolf heraus, rannte auf den armen Hund los und schrie: „Halt! alter Kerl, nun bist du in meiner Gewalt; mache dich also bereit.“

Als unser Sultan den Wolf so reden hörte, erschrak er und sprach: „Lieber Freund, schau mich nur zuerst recht an, und dir vergeht gewiß der Appetit auf mich; an mir findest du den schlechtesten Braten, welchen du je gehabt hast, denn ich bin nichts als Haut und Bein. Aber ich wüßte Rat.“

Der Wolf sprach: „Von dir bedarf ich keines Rats, elender Wicht. Ohne daß du mir ihn sagst, weiß ich, wie er lauten würde: nämlich, ich solle dir das Leben schenken. Nein, es bleibt beim alten, kurz und gut, ich fresse dich!“

Hierauf erwiderte der Hund: „Mir fällt gar nicht ein, so von dir zu denken, denn ich will nicht länger leben. Beiß zu, solange du noch gute Lust hast, aber ich rate dir nur zum besten. Wäre es nicht wohl getan, wenn du mich früher mästen und, nachdem ich fett geworden, erst dann fressen würdest? Das Futter ginge dabei nicht verloren, denn du findest auf einmal alles an mir. Das wäre dann ein tüchtiges Stück Braten, was meinst du, Bruder Wolf?“

Der Wolf sprach: „Ich bin’s zufrieden, wenn die Fütterung nicht lange dauert; folge mir in meine Hütte.“

Der Hund tat dies, und beide gingen nun tiefer in den Wald.

Bei der Hütte angelangt, kroch Sultan hinein, der Wolf aber ging fort, um für den schwachen Hund einiges Wild zu erjagen.

Als derselbe zurückkam, warf er seine Beute dem Sultan vor, und dieser ließ es sich wohl schmecken.

Am anderen Tag kam der Wolf und sprach zum Hund: „Gestern hast du gefressen, heute will ich fressen.“

Der Hund erwiderte: „Aber was fällt dir denn ein, lieber Wolf? Das gestrige Futter habe ich kaum im Magen gespürt.“

Der Wolf ärgerte sich zwar, mußte aber zufrieden sein und abermals in den Wald gehen, um für den Hund neues Wild zu erjagen. Mit einer ähnlichen Entgegnung fertigte unser Sultan so lange den Wolf ab, wie er sich noch nicht stark genug fühlte, um es mit demselben aufzunehmen. Der Wolf jagte fortwährend und brachte seine Beute dem Hund; selbst aß er jedoch wenig oder gar nichts, damit nur Sultan genug bekomme. So kam es, daß der Hund immer mehr an Fleisch und Kraft zunahm, dem Wolf erging es aber gerade umgekehrt.

Am sechsten Tag trat der Wolf vor den Hund und sprach: „Nun glaube ich, daß du reif bist.“

Sultan antwortete: „O ja, und zwar fühle ich mich so wohl, daß ich es mit dir aufnehmen werde, im Falle du mich nicht freiläßt.“

Der Wolf sprach: „Du scherzt! Bedenke, ich habe dich sechs volle Tage hindurch gefüttert, ja selber nichts gegessen, und sollte nun so leer ausgehen? Das geht nimmermehr!“

Hierauf erwiderte Sultan: „Einesteils hast du wohl recht; jedoch wie glaubst du zu meiner Auffressung berechtigt zu sein? „

„Dies ist ja das Recht des Starken über den Schwachen“, gab der Wolf zur Antwort.

„Wohlan“, entgegnete der Hund, „so hast du über dich selbst das Urteil gesprochen. Bei diesen Worten machte er einen kühnen Sprung, und ohne daß sich’s der Wolf versah, lag er am Boden, von Sultan überwältigt.

„Weil du mich am Leben gelassen, so will ich dich ebenfalls nicht gleich verderben und lege das Leben in dein Glück; wähle dir noch zwei Genossen, wie ich es auch tue, und erscheine morgen mit denselben hier im Wald, wo wir dann unseren Streit schlichten wollen.“

Beide trennten sich nun, um Mitkämpfer zu suchen. Der Worf ging erzürnt tiefer in den Wald; der Hund eilte dem nächsten Dorf zu. Der Wolf fand nach langem Zureden an dem mürrischen, brummigen Bär und dem schlauen Fuchs zwei Kameraden.

Unser Sultan lief zuerst ins Pfarrhaus und bewog dort die große, graue Katze, mitzugehen. Von da richtete er seine Schritte auf den Hof des Ortsrichters und fand an dem mutigen Hahn den zweiten Mitkämpfer.

Kaum dämmerte es, und der Hund war schon mit seinen Bundesgenossen auf der Reise. Es fehlte wenig, so hätte er seine Feinde noch in tiefem Schlaf überrascht.

Der Wolf war am ersten erwacht, weckte seine Kameraden und sprach dann zum Bären: „Du kannst auf Bäume klettern, nicht wahr? Sei so gut, steige da auf diese hohe Tanne, und schau, ob du nicht unsere Feinde erblickst.“

Der Bär tat dies, und als er oben war, schrie er herunter: „Flieht, unsere Feinde sind schon da, ganz in der Nähe, und welch mächtige Feinde! Es reitet einer stolz einher und trägt sehr viele scharfe Säbel bei sich, welche in der Morgensonne stark glänzen; hinter diesem schreitet bedächtig einer und zieht eine lange Eisenstange nach sich. O wehe uns!“

Bei diesen Worten erschrak der Fuchs so gewaltig, daß er es für das ratsamste hielt, sich aus dem Staub zu machen. Der Bär kletterte eiligst vom Baum herab und verkroch sich in ein dichtes Gestrüpp, so daß von ihm nur die äußerste Schwanzspitze hervorschaute.

Jetzt kamen die Feinde heran. Der Wolf, welcher sich von seinen Genossen verlassen sah, wollte das Weite suchen, doch Sultan kam ihm zuvor. Ein Sprung, und der Hund hielt den Wolf am Genick und machte ihm den Garaus. Unterdessen bemerkte die Katze die im Gebüsch sich bewegende Schweifspitze des Bären, und in der Hoffnung, eine Maus zu erhaschen, schnappte sie nach derselben. Erschreckt fuhr der Bär aus seinem Versteck hervor und flüchtete sich in aller Eile auf einen Baum und glaubte hier vor den Feinden sicher zu sein; indessen täuschte er sich, denn es war ja noch der Hahn da.

Als der Hahn den Bären auf dem Baum erblickte, sprang er auf den nächsten Ast und so fort immer höher. Der Bär war außer sich, und vor Schreck fiel er herab und blieb maustot liegen. So endete dieser Kampf.

Die Nachricht von der Heldentat Sultans und seiner Genossen verbreitete sich weit umher und auch in jenes Dorf, in dem Sultan früher gedient hatte. Die Folge davon war, daß die Bauernfamilie ihren treuen Hofhund wieder zu sich nahm und verpflegte.

Quelle: Fabel aus dem südlichen Böhmen

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