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Die Gaben der drei Tiere

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Es waren einmal drei Schuhmacher, welche von Dorf zu Dorf wanderten. Eines Tages kamen sie durch einen Wald und sahen drei Wege vor sich; da wählte der jüngste den mittelsten Weg und seine Gefährten wählten die nach rechts und links. Nach einiger Zeit begegnete der, welcher den Mittelweg eingeschlagen hatte, einem Löwen, einem Adler und einer Ameise, welche um einen toten Esel stritten. Der junge Mann machte drei Teile aus dem Esel und gab jedem der Tiere einen, dann setzte er seinen Weg fort. Als er sich entfernt hatte, sagte der Löwe zu den beiden andern: »Wir sind sehr ungezogen gewesen, daß wir diesem Mann nicht gedankt haben, der unsere Beute so gut verteilt hat; jeder soll ihm ein Geschenk machen.« Und sie liefen hinter ihm her, um ihn wieder einzuholen. Der junge Schuhmacher nahm seine Beine auf den Buckel, denn er glaubte, der Löwe wäre zornig und wolle ihn verschlingen. Als der Löwe ihn erreicht hatte, sagte er zu ihm: »Da du uns so gut gedient hast, so nimm hier ein Haar von meinem Barte; so oft du es in der Hand hältst, kannst du dich in einen Löwen verwandeln.« Dann kam der Adler und sagte zu ihm: »Hier ist eine meiner Federn; sooft du sie in der Hand hältst, kannst du dich in einen Adler verwandeln.« Als die Ameise kam, sagten der Löwe und der Adler zu ihr: »Und du? Was willst du diesem jungen Manne geben?« »Ich weiß es nicht«, entgegnete sie. »Du hast sechs Füße,« sagte der Löwe, »während ich deren nur vier habe; gib ihm einen, dann bleiben dir immer noch fünf.« Die Ameise gab also dem Schuhmacher einen ihrer Füße und sagte zu ihm: »So oft du diesen Fuß in der Hand hältst, kannst du dich in eine Ameise verwandeln.« Im gleichen Augenblick verwandelte sich der junge Mann in einen Adler, um zu erproben, ob die Tiere die Wahrheit geredet hätten.
Gegen Abend kam er in eine Ortschaft und trat in die Hütte eines Hirten, um dort zu nächtigen. Der Hirt sagte zu ihm: »Es lebt hier ganz in der Nähe in einem Schloß eine Prinzessin, die von einer Bestie mit sieben Köpfen und von einem Riesen bewacht wird. Wenn du sie erlösen kannst, so wird sie dir ihr königlicher Vater zur Frau geben. Aber du mußt wissen, daß dieser schon ganze Armeen ausgesandt hat, um die Bestie zu töten, jedoch alle sind vernichtet worden.«
Am folgenden Morgen wandte sich der junge Mann zu dem Schlosse. Als er dort war, verwandelte er sich in eine Ameise und krabbelte an der Mauer empor. Ein Fenster stand halb offen; er drang in die Kammer, nahm seine menschliche Gestalt wieder an und suchte die Prinzessin auf. »Was sucht Ihr hier, mein Freund?« sagte diese zu ihm, »und wie habt Ihr in das Schloß gelangen können?« Der junge Mann antwortete, er komme, um sie zu erlösen. »Hütet Euch,« sagte die Prinzessin, »das wird Euch nicht gelingen. Viele andere haben das Abenteuer schon unternommen, manche haben der Bestie sogar sechs Köpfe abgeschlagen, aber keiner hat ihr den letzten abtrennen können. Je mehr man abschlägt, desto schrecklicher wird sie, und wenn es einem nicht glückt, ihr auch den siebenten abzutrennen, so wachsen die andern wieder.«
Der junge Mann ließ sich nicht einschüchtern, sondern ging im Garten spazieren und befand sich alsbald der Bestie mit den sieben Köpfen gegenüber, welche zu ihm sprach: »Was willst du hier, kleiner Erdenwurm? Aus Erde bist du entnommen und zu Erde sollst du wieder werden!« »Ich komme, um mit dir zu kämpfen.« Die Bestie gab ihm ein Schwert und der junge Mann verwandelte sich in einen Löwen. Die Bestie machte gewaltige Sprünge, um ihn zu ermüden; nach Verlauf von zwei Stunden jedoch trennte er ihr einen Kopf ab. »Du wirst müde sein,« sagte nun die Bestie zu ihm, »ich bin es auch, verschieben wir lieber das Geschäft auf morgen!« Der junge Mann ging zur Prinzessin und sagte ihr, daß er schon einen Kopf abgeschlagen habe; darüber war sie sehr froh. Am folgenden Tage ging er wieder in den Garten und die Bestie sprach zu ihm: »Was willst du hier, kleiner Erdenwurm? Aus Erde bist du entnommen und zu Erde sollst du wieder werden.« »Ich komme, um mit dir zu kämpfen.« Die Bestie gab ihm wieder ein Schwert, und nach vierstündigem Kampfe trennte er ihr zwei weitere Köpfe ab. Dann ging er zur Prinzessin und sagte ihr, nun seien schon drei abgeschlagen. »Versuche nur, sie alle abzutrennen,« sagte die Prinzessin zu ihm, »wenn es dir nicht gelingt, den siebenten abzuschlagen, so bist du verloren.« Am andern Tage ging er wieder in den Garten: »Was willst du hier, kleiner Erdenwurm? Aus Erde bist du entnommen und zu Erde sollst du wieder werden.« »Ich komme, um mit dir zu kämpfen.« Nach achtstündigem Kampfe schlug er der Bestie drei Köpfe ab und eilte dann zur Prinzessin, um es ihr mitzuteilen. »Versuche nun, ihr den letzten abzutrennen,« sagte sie zu ihm, »dann spalte vorsichtig diesen Kopf und du wirst darin drei Eier finden. Darauf mußt du die Türe des Riesen öffnen und ihm eines dieser Eier ins Gesicht werfen; sogleich wird er krank werden; dann mußt du ihm ein weiteres Ei an den Kopf werfen und er wird tot umfallen. Schließlich mußt du das letzte gegen eine Mauer werfen und es wird eine Kutsche daraus entstehen, die mit vier Rossen bespannt und von drei Lakaien begleitet ist. Du wirst dich an meiner Seite in dieser Kutsche befinden, aber mit andern Kleidern als denen, welche du in diesem Augenblick trägst.« Der junge Mann kehrte in den Garten zurück: »Was willst du hier, kleiner Erdenwurm? Aus Erde bist du entnommen und zur Erde sollst du wieder werden.« »Ich komme, um mit dir zu kämpfen.« Sie kämpften zehn Stunden lang; die Bestie wurde immer schrecklicher, aber endlich trennte ihr der junge Mann den siebenten Kopf ab. Er spaltete ihn in zwei Teile und fand darin drei Eier, wie es die Prinzessin gesagt hatte. Dann ging er und klopfte an die Türe des Riesen. »Was willst du hier, du Staub von meinen Händen, du Schatten meines Schnurrbarts?« sagte der Riese zu ihm. Der junge Mann warf ihm ohne zu antworten eines der Eier ins Gesicht und der Riese wurde krank; dann warf er ihm ein zweites an den Kopf und der Riese fiel tot um. Er schleuderte nun das dritte gegen eine Mauer und sogleich erschien eine Kutsche, die mit vier Rossen bespannt und von drei Lakaien begleitet war. Die Prinzessin saß in der Kutsche und der Schuhmacher befand sich neben ihr; sie gab ihm ein Taschentuch, dessen vier Ecken mit Gold bestickt waren. Alsbald wußte es die ganze Stadt, daß die Prinzessin erlöst war.
Aber es war da ein junger Mann, welcher die Prinzessin liebte und schon versucht hatte, die Bestie mit den sieben Köpfen zu töten. Als die Prinzessin und der Schuhmacher sich einschifften, um sich zum König zu begeben – denn sie mußten das Meer überschreiten -, da reiste dieser junge Mann mit ihnen.
Während der Überfahrt sagte er eines Tages zum Schuhmacher: »Da, schau diesen schönen Fisch im Wasser!« Der Schuhmacher beugte sich über die Brüstung, um ihn zu sehen, da warf ihn der andere ins Meer, wo er lebendig von einem Walfisch verschluckt wurde. Dann sagte der junge Mann zur Prinzessin: »Wenn du nicht sagst, daß ich dich erlöst habe, so werde ich dich töten.« Das junge Mädchen versprach zu tun, was er von ihr verlangte. Als sie bei ihrem königlichen Vater angekommen war, sagte sie, der junge Mann habe sie erlöst, und es wurde bestimmt, daß die Hochzeit in drei Tagen stattfinden sollte.
Indessen stand ein Bettler auf einer Brücke und spielte Geige. Die Walfische hören gern Musik; der, welcher den Schuhmacher verschluckt hatte, kam also, um zu lauschen. Der Bettler sprach zu ihm: »Wenn du mir den Kopf des Schuhmachers zeigen willst, so werde ich noch eine Viertelstunde spielen.« »Das will ich gern tun«, entgegnete der Walfisch. Nach einer Viertelstunde hörte der Bettler auf zu spielen. »Bist du schon fertig?« »Ja, aber wenn du mir ihn bis zu den Schenkeln zeigen willst, so werde ich noch eine halbe Stunde spielen.« »Ich verlange nichts Besseres!« Nach einer halben Stunde hörte der Bettler auf zu spielen. »Bist du schon fertig?« »Ja, aber wenn du mir ihn bis zu den Knien zeigen willst, so werde ich noch dreiviertel Stunden spielen.« »Ich will es gern.« Nach dreiviertel Stunden sprach der Walfisch: »Bist du schon fertig?« »Ja, ich bin fertig, es scheint, daß dir die Zeit nicht lang vorkommt. Aber wenn du mir den Schuhmacher vom Kopf bis zu den Füßen zeigen willst, so werde ich noch eine Stunde spielen.« »Gern«, sagte der Walfisch. Und er zeigte ihn dem Bettler ganz und gar. Sogleich verwandelte sich der Schuhmacher in einen Adler und flog davon. Der Bettler aber machte sich schleunigst aus dem Staube, und daran tat er wohl, denn im gleichen Augenblick schlug der Walfisch aus Wut darüber, daß ihm der Schuhmacher entkommen war, so gewaltig mit dem Schweife um sich, daß er die Brücke wegfegte.
An dem Tage, welcher für die Hochzeit der Prinzessin bestimmt war, sollten alle Bettler neue Kleider sowie Speise und Trank erhalten. Der Schuhmacher kam mit seinen zerknitterten und durchnäßten Kleidern ins Schloß; er setzte sich ans Feuer, um sich zu trocknen, und zog aus seiner Tasche das Tuch mit den vier goldgestickten Ecken, welches ihm die Prinzessin gegeben hatte. Eine Magd erblickte es und sagte eilends zu ihrer Herrin: »Ich habe eben einen Bettler gesehen, welcher ein Taschentuch mit vier goldgestickten Ecken hat: dieses Taschentuch muß Euch gehören.« Die Prinzessin wollte den Bettler sehen und erkannte ihr Taschentuch; dann sagte sie zu ihrem Vater, dieser Bettler wäre der junge Mann, der die Bestie mit den sieben Köpfen getötet hätte. Der König suchte denjenigen auf, der seine Tochter heiraten wollte, und sagte zu ihm: »Nun, lieber Schwiegersohn, wollt Ihr nicht nachsehen, ob alles für das Feuerwerk bereit ist?« »Gern«, erwiderte der junge Mann. Als sie in der Kammer waren, in welcher sich die Feuerwerkskörper befanden, legte der König Feuer an und der junge Mann mußte ersticken. Die Prinzessin verheiratete sich nach drei Tagen, wie bestimmt worden war, aber mit dem Schuhmacher.

[Ernst Tegethoff: Französische Volksmärchen]

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