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Es waren einmal drei Brüder: ein Sergeant, ein Korporal und ein Gefreiter, welche in einem Walde Posten standen. Eines Tages, als die Reihe gerade am Gefreiten war, ging eine alte Frau in der Nähe vorüber und sprach zu ihm: »Gefreiter, erlaubst du, daß ich mich an deinem Feuer wärme?« »Nein, denn wenn meine Brüder aufwachten, würden sie dich töten.« »Laß mich zum Feuer, ich werde dir auch eine kleine Börse geben!« »Was soll ich mit deiner Börse machen?« »Du mußt wissen, Gefreiter, daß sich diese Börse niemals leert: sooft man die Hand hineinsteckt, findet man fünf Louisdor darin.« »Also gib sie mir!«
Am folgenden Tage stand der Korporal Posten und dieselbe Alte trat zu ihm: »Korporal, erlaubst du, daß ich mich an deinem Feuer wärme?« »Nein, denn wenn meine Brüder aufwachten, würden sie dich töten.« »Laß mich zum Feuer, ich werde dir auch ein kleines Pfeifchen geben!« »Was soll ich mit deinem Pfeifchen machen?« »Du mußt wissen, Korporal, daß du mit meinem Pfeifchen in einem Augenblick fünfzigtausend Infanteristen und fünfzigtausend Kavalleristen kommen lassen kannst.« »Also gib es mir!«
Am nächsten Tage sah der Sergeant, während er Posten stand, gleichfalls die Alte kommen. »Sergeant, erlaubst du, daß ich mich an deinem Feuer wärme?« »Nein, denn wenn meine Brüder aufwachten, würden sie dich töten.« »Laß mich zum Feuer, ich werde dir auch einen schönen kleinen Hut geben!« »Was soll ich mit deinem Hute machen?« »Du mußt wissen, Sergeant, daß man mit meinem Hut überall hingetragen wird, wohin man will.« »Also gib ihn mir!«
Eines Tages spielte der Gefreite mit einer Prinzessin Karten; diese hatte einen Spiegel, in welchem sie das Spiel des Gefreiten sehen konnte: da gewann sie ihm seine Börse ab. Er kehrte ganz traurig in den Wald zurück und pfiff unterm Gehen. Die Alte fand sich auf dem Wege ein. »Du pfeifst, mein Freund,« sagte sie zu ihm, »aber du bist nicht vergnügt.« »So ist es!« erwiderte er. »Du hast deine Börse verspielt.« »Ja!« »Gut; sage deinem Bruder, er solle dir seine Pfeife leihen; mit dieser Pfeife kannst du vielleicht deine Börse zurückerlangen.« »Lieber Bruder,« sagte der Gefreite zum Korporal, »ich glaube, wenn ich deine Pfeife hätte, so könnte ich meine Börse wiederbekommen.« »Und wenn du auch meine Pfeife verlierst?« »Fürchte nichts!« Der Gefreite nahm die Pfeife und kehrte zurück, um mit der Prinzessin Karten zu spielen. Vermittelst ihres Spiegels gewann sie wieder die Partie und der Gefreite sah sich genötigt, ihr seine Pfeife zu geben. Leise pfeifend kam er in den Wald zurück. »Du pfeifst, mein Freund,« sagte die Alte zu ihm, »aber du bist nicht vergnügt.« »So ist es!« erwiderte er. »Du hast deine Pfeife verspielt.« »Ja!« »Gut! bitte deinen Bruder, dir seinen Hut zu leihen; vermittelst dieses Hutes kannst du vielleicht deine Börse und deine Pfeife zurückerlangen.« »Lieber Bruder,« sagte der Gefreite zum Sergeanten, »ich glaube, wenn ich deinen Hut hätte, so könnte ich meine Börse und meine Pfeife wiederbekommen.« »Und wenn du auch noch meinen Hut verlierst?« »Fürchte nichts!« Der Gefreite kehrte zurück, um mit der Prinzessin Karten zu spielen, und sie gewann ihm seinen Hut ab.
Recht bekümmert kam er wieder und fand die Alte im Walde. »Du pfeifst, mein Freund,« sagte sie zu ihm, »aber du bist nicht vergnügt.« »So ist es!« erwiderte er. »Du hast auch noch deinen Hut verspielt.« »Ja!« »Gut! nimm, da sind Äpfel, du wirst sie um einen Louisdor das Stück verkaufen: nur die Prinzessin wird sie erwerben können.« Der Gefreite ging und bot seine Äpfel vor dem Palaste feil. Die Prinzessin schickte ihre Kammerfrau, sie solle sehen, was es da gäbe. »Gnädige Prinzessin!« sagte die Kammerfrau, »es ist ein Mann, der Äpfel verkauft.« »Wie teuer verkauft er sie?« »Einen Louisdor das Stück!« »Das ist sehr teuer, aber es tut nichts.« Sie kaufte fünf davon, gab zwei ihrer Kammerfrau und aß die drei andern: sogleich wuchsen ihnen Hörner, zwei der Kammerfrau und drei der Prinzessin. Man ließ einen der geschicktesten Ärzte kommen, um die Hörner abzuschneiden, aber je mehr er schnitt, desto größer wurden die Hörner.
Die Alte sprach zum Gefreiten: »Nimm, hier sind zwei Flaschen mit Wasser, das eine dient dazu, die Hörner wachsen zu lassen, das andere sie wegzunehmen. Geh und such die Prinzessin auf!« Der Gefreite begab sich in den Palast und meldete sich als ein bedeutender Arzt. Er benutzte für die Kammerfrau das Wasser, welches die Hörner abfallen ließ, aber für die Prinzessin nahm er die andere Flasche und ihre Hörner wurden noch länger. »Gnädige Prinzessin,« sagte er zu ihr, »Ihr müßt etwas auf dem Gewissen haben.« »Nein, wirklich nichts!« »Ihr seht indes, daß die Hörner Eurer Kammerfrau abgefallen sind, während die Euren noch wachsen.« »Ach, ich habe wohl so eine dumme kleine Börse …« »Was wollt Ihr mit der dummen kleinen Börse anfangen, gnädige Prinzessin? Gebt sie mir!« »Ihr werdet sie mir doch wiedergeben?« »Ja, gnädige Prinzessin, ich werde sie Euch sicherlich wiedergeben.« Sie gab ihm die Börse und er ließ eines der drei Hörner abfallen. »Gnädige Prinzessin, Ihr müßt noch etwas auf dem Gewissen haben.« »Nein, wirklich nichts! … Ich habe wohl so eine dumme kleine Pfeife …« »Was wollt Ihr mit der dummen kleinen Pfeife anfangen, gnädige Prinzessin? Gebt sie mir!« »Ihr werdet sie mir doch wiedergeben?« »Ganz sicher!« Er ließ das zweite Horn abfallen, aber es blieb immer noch eines. »Ihr müßt noch etwas auf dem Gewissen haben.« »Nichts mehr, wirklich! … ich habe wohl so einen dummen kleinen Hut …« »Was wollt Ihr mit dem dummen kleinen Hut anfangen, gnädige Prinzessin? Gebt ihn mir!« »Ihr werdet ihn mir doch wiedergeben?« »Ja, ja, ich werde ihn Euch wiedergeben! … Kraft meines kleinen Hutes, ich will bei meinen Brüdern sein!« Sogleich verschwand er und ließ die Prinzessin mit ihrem letzten Horne sitzen. Als ich sie gestern sah, hatte sie es noch.
Am folgenden Tage stand der Korporal Posten und dieselbe Alte trat zu ihm: »Korporal, erlaubst du, daß ich mich an deinem Feuer wärme?« »Nein, denn wenn meine Brüder aufwachten, würden sie dich töten.« »Laß mich zum Feuer, ich werde dir auch ein kleines Pfeifchen geben!« »Was soll ich mit deinem Pfeifchen machen?« »Du mußt wissen, Korporal, daß du mit meinem Pfeifchen in einem Augenblick fünfzigtausend Infanteristen und fünfzigtausend Kavalleristen kommen lassen kannst.« »Also gib es mir!«
Am nächsten Tage sah der Sergeant, während er Posten stand, gleichfalls die Alte kommen. »Sergeant, erlaubst du, daß ich mich an deinem Feuer wärme?« »Nein, denn wenn meine Brüder aufwachten, würden sie dich töten.« »Laß mich zum Feuer, ich werde dir auch einen schönen kleinen Hut geben!« »Was soll ich mit deinem Hute machen?« »Du mußt wissen, Sergeant, daß man mit meinem Hut überall hingetragen wird, wohin man will.« »Also gib ihn mir!«
Eines Tages spielte der Gefreite mit einer Prinzessin Karten; diese hatte einen Spiegel, in welchem sie das Spiel des Gefreiten sehen konnte: da gewann sie ihm seine Börse ab. Er kehrte ganz traurig in den Wald zurück und pfiff unterm Gehen. Die Alte fand sich auf dem Wege ein. »Du pfeifst, mein Freund,« sagte sie zu ihm, »aber du bist nicht vergnügt.« »So ist es!« erwiderte er. »Du hast deine Börse verspielt.« »Ja!« »Gut; sage deinem Bruder, er solle dir seine Pfeife leihen; mit dieser Pfeife kannst du vielleicht deine Börse zurückerlangen.« »Lieber Bruder,« sagte der Gefreite zum Korporal, »ich glaube, wenn ich deine Pfeife hätte, so könnte ich meine Börse wiederbekommen.« »Und wenn du auch meine Pfeife verlierst?« »Fürchte nichts!« Der Gefreite nahm die Pfeife und kehrte zurück, um mit der Prinzessin Karten zu spielen. Vermittelst ihres Spiegels gewann sie wieder die Partie und der Gefreite sah sich genötigt, ihr seine Pfeife zu geben. Leise pfeifend kam er in den Wald zurück. »Du pfeifst, mein Freund,« sagte die Alte zu ihm, »aber du bist nicht vergnügt.« »So ist es!« erwiderte er. »Du hast deine Pfeife verspielt.« »Ja!« »Gut! bitte deinen Bruder, dir seinen Hut zu leihen; vermittelst dieses Hutes kannst du vielleicht deine Börse und deine Pfeife zurückerlangen.« »Lieber Bruder,« sagte der Gefreite zum Sergeanten, »ich glaube, wenn ich deinen Hut hätte, so könnte ich meine Börse und meine Pfeife wiederbekommen.« »Und wenn du auch noch meinen Hut verlierst?« »Fürchte nichts!« Der Gefreite kehrte zurück, um mit der Prinzessin Karten zu spielen, und sie gewann ihm seinen Hut ab.
Recht bekümmert kam er wieder und fand die Alte im Walde. »Du pfeifst, mein Freund,« sagte sie zu ihm, »aber du bist nicht vergnügt.« »So ist es!« erwiderte er. »Du hast auch noch deinen Hut verspielt.« »Ja!« »Gut! nimm, da sind Äpfel, du wirst sie um einen Louisdor das Stück verkaufen: nur die Prinzessin wird sie erwerben können.« Der Gefreite ging und bot seine Äpfel vor dem Palaste feil. Die Prinzessin schickte ihre Kammerfrau, sie solle sehen, was es da gäbe. »Gnädige Prinzessin!« sagte die Kammerfrau, »es ist ein Mann, der Äpfel verkauft.« »Wie teuer verkauft er sie?« »Einen Louisdor das Stück!« »Das ist sehr teuer, aber es tut nichts.« Sie kaufte fünf davon, gab zwei ihrer Kammerfrau und aß die drei andern: sogleich wuchsen ihnen Hörner, zwei der Kammerfrau und drei der Prinzessin. Man ließ einen der geschicktesten Ärzte kommen, um die Hörner abzuschneiden, aber je mehr er schnitt, desto größer wurden die Hörner.
Die Alte sprach zum Gefreiten: »Nimm, hier sind zwei Flaschen mit Wasser, das eine dient dazu, die Hörner wachsen zu lassen, das andere sie wegzunehmen. Geh und such die Prinzessin auf!« Der Gefreite begab sich in den Palast und meldete sich als ein bedeutender Arzt. Er benutzte für die Kammerfrau das Wasser, welches die Hörner abfallen ließ, aber für die Prinzessin nahm er die andere Flasche und ihre Hörner wurden noch länger. »Gnädige Prinzessin,« sagte er zu ihr, »Ihr müßt etwas auf dem Gewissen haben.« »Nein, wirklich nichts!« »Ihr seht indes, daß die Hörner Eurer Kammerfrau abgefallen sind, während die Euren noch wachsen.« »Ach, ich habe wohl so eine dumme kleine Börse …« »Was wollt Ihr mit der dummen kleinen Börse anfangen, gnädige Prinzessin? Gebt sie mir!« »Ihr werdet sie mir doch wiedergeben?« »Ja, gnädige Prinzessin, ich werde sie Euch sicherlich wiedergeben.« Sie gab ihm die Börse und er ließ eines der drei Hörner abfallen. »Gnädige Prinzessin, Ihr müßt noch etwas auf dem Gewissen haben.« »Nein, wirklich nichts! … Ich habe wohl so eine dumme kleine Pfeife …« »Was wollt Ihr mit der dummen kleinen Pfeife anfangen, gnädige Prinzessin? Gebt sie mir!« »Ihr werdet sie mir doch wiedergeben?« »Ganz sicher!« Er ließ das zweite Horn abfallen, aber es blieb immer noch eines. »Ihr müßt noch etwas auf dem Gewissen haben.« »Nichts mehr, wirklich! … ich habe wohl so einen dummen kleinen Hut …« »Was wollt Ihr mit dem dummen kleinen Hut anfangen, gnädige Prinzessin? Gebt ihn mir!« »Ihr werdet ihn mir doch wiedergeben?« »Ja, ja, ich werde ihn Euch wiedergeben! … Kraft meines kleinen Hutes, ich will bei meinen Brüdern sein!« Sogleich verschwand er und ließ die Prinzessin mit ihrem letzten Horne sitzen. Als ich sie gestern sah, hatte sie es noch.
[Ernst Tegethoff: Französische Volksmärchen]