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Der Hase und die Schildkröte

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Das Laufen führt zu nichts, geht nur rechtzeitig fort. Schildkröte und Langohr sind dafür ein Beweis. »Wetten wir,« sagte sie, »daß Ihr das Ziel nicht halb so schnell wie ich erreicht.« »Nicht halb? Seid Ihr verrückt?« versetzte das leichtfüßige Geschöpf, »Gevatterin, Ihr müßt purgieren mit Nieswurz, jeden Tag vier Löffel voll!« »Toll oder nicht, ich wette noch einmal.«
Und so geschah’s, sie alle beide legten den Einsatz nahe an das Ziel. Zu wissen, worin er bestand, darauf kommt es nicht an, auch nicht auf welchen Richter sie sich einigten. Vier Sprünge brauchte unser Hase nur zu machen, solche, versteht sich, wie er macht, wenn er die Hunde, die ihm folgen, weit zurückläßt und die weite Heide sie durchmessen läßt. Er hatte also, sag‘ ich, Zeit zu grasen, zu schlafen und zu lauschen, ob der Wind ihm kein verdächtiges Geräusch zutrage.
So wandelte denn das Reptil voraus in langsam feierlichem Senatorenschritt. Rüstig geht es dahin und eilt mit Weile. Indessen er mißachtet solchen Sieg, glaubt aus der Wette wenig Ruhm zu ziehn und denkt, daß es sich besser für ihn schickt, wenn möglichst spät er aufbricht. Er ruht sich, grast und unterhält sich mit allem andern, nur nicht mit der Wette. Doch endlich, als er sah, daß schon sein Gegner fast den Lauf vollendet, entflieht er wie ein Pfeil. Doch seine Mühe war umsonst: als erster läuft das Reptil durchs Ziel.
»Nun?« sprach es, »hatte ich nicht recht? Wozu dient deine Schnelligkeit? Du wolltest den Sieg mir nehmen? Und was tätest du, wenn du, wie ich, ein Haus auf einem Rücken mit dir schleppen müßtest?«

[Ernst Tegethoff: Französische Volksmärchen]

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