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Eine ähnliche Geschichte wird im Kirchspiel Trefeglwys nahe bei Llanidlons in der Grafschaft Montgomery erzählt. Daselbst ist nämlich eine kleine Schäferhütte, welche vom Volk, wegen des merkwürdigen Zankes der einstens daselbst Statt gefunden hat, Twt y Cwmrws, »der Zankplatz« genannt wird. In dieser Hütte wohnte vor Zeiten ein Mann und seine Frau; diese gebar ihm Zwillinge, welche beide Eltern mit der größten Liebe und Zärtlichkeit pflegten. Einige Monate nach der Geburt dieser Zwillinge riefen dringende Besorgungen die Mutter in ein Nachbarhaus; wiewol sie nun allerdings nicht weit zu gehn hatte, so fiel es ihr doch schwer aufs Herz, die Kinder auch nur eine Minute allein zu laßen, da Niemand im Häuschen war und in der Nachbarschaft die Tylwyth Têg spuken sollte. Allein es konnte ihr Nichts helfen; sie verriegelte also die Thüre, gieng und kehrte so rasch als menschenmöglich zurück, war aber auf dem Heimwege nicht wenig erschreckt, da sie – obwol es heller Mittag war – einige von »den alten Elfen in blauen Röckchen« sah. Sie vermuthete schon nichts Gutes; und um so größer war ihre Freude, als sie, beim Nachhausekommen Alles fand, wie sie’s verlaßen hatte.
Aber nach längerer Zeit fiengen die guten Leute sich zu wundern an, daß ihre Zwillinge gar nicht wachsen wollten, sondern immer so kleine Zwerge blieben. Der Mann sagte: »das sind gar meine Kinder nicht!«, die Frau aber behauptete: »das sind deine Kinder doch!« und daraus entstand jener lange Zank zwischen beiden Eheleuten, wonach der Platz bis auf den heutigen Tag noch heißt.
Eines Abends, da die Frau sehr schweren Herzens war, beschloß sie zu einem Gwr Cyfarwydd oder weisen Mann zu gehn und ihn um Rath zu fragen, da sie wußte, daß diesem alle Dinge bekannt seien.
Nun war es grade an der Zeit, daß man bald Roggen und Hafer einbrachte. Da sagte der weise Mann zu ihr: »wenn du das Mittagseßen für die Schnitter bereitest, so nimm die leere Schaale eines Hühnereies und fülle Suppe hinein und trag‘ es zur Thüre hinaus, als ob Du es den Schnittern zum Mittagseßen bringen wolltest, und dann höre darauf, was die Zwillinge sagen werden. Wenn die Kinder Dinge sprechen, die über den Kinderverstand hinaus sind, so geh‘ ins Haus zurück und nimm die Kinder und wirf sie in das Waßer des Llyn Ebyr, welcher nicht weit von deiner Hütte ist; wenn sie aber Nichts Besonders sagen, so thu‘ ihnen auch kein Leides!«
Da nun der Erntetag kam, that die Frau, was der weise Mann ihr vorgeschrieben hatte, und als sie aus dem Hause war, hörte sie, wie ein Kind zu dem andern sagte:
Aber nach längerer Zeit fiengen die guten Leute sich zu wundern an, daß ihre Zwillinge gar nicht wachsen wollten, sondern immer so kleine Zwerge blieben. Der Mann sagte: »das sind gar meine Kinder nicht!«, die Frau aber behauptete: »das sind deine Kinder doch!« und daraus entstand jener lange Zank zwischen beiden Eheleuten, wonach der Platz bis auf den heutigen Tag noch heißt.
Eines Abends, da die Frau sehr schweren Herzens war, beschloß sie zu einem Gwr Cyfarwydd oder weisen Mann zu gehn und ihn um Rath zu fragen, da sie wußte, daß diesem alle Dinge bekannt seien.
Nun war es grade an der Zeit, daß man bald Roggen und Hafer einbrachte. Da sagte der weise Mann zu ihr: »wenn du das Mittagseßen für die Schnitter bereitest, so nimm die leere Schaale eines Hühnereies und fülle Suppe hinein und trag‘ es zur Thüre hinaus, als ob Du es den Schnittern zum Mittagseßen bringen wolltest, und dann höre darauf, was die Zwillinge sagen werden. Wenn die Kinder Dinge sprechen, die über den Kinderverstand hinaus sind, so geh‘ ins Haus zurück und nimm die Kinder und wirf sie in das Waßer des Llyn Ebyr, welcher nicht weit von deiner Hütte ist; wenn sie aber Nichts Besonders sagen, so thu‘ ihnen auch kein Leides!«
Da nun der Erntetag kam, that die Frau, was der weise Mann ihr vorgeschrieben hatte, und als sie aus dem Hause war, hörte sie, wie ein Kind zu dem andern sagte:
Ich weiß, daß vor dem Huhn das Ei,
Die Eichel vor der Eiche sei;
Doch nie sah ich ein Mittagsmahl
Für Schnitter in ’ner Eierschaal!
Da kehrte die Mutter eilig in ihr Haus zurück, nahm die beiden Wechselbälge und warf sie in den Llyn (oder Teich). Sogleich kamen die Feen in ihren blauen Röckchen, um ihre Zwerge zu holen; die Mutter aber fand zu Haus ihre eigenen Kinder wieder, die inzwischen stark und kräftig gewachsen waren, und damit hatte der lange Zank zwischen ihr und ihrem Manne ein fröhliches Ende.
[Julius Rodenberg: Märchen aus Wales]