»Ich habe da schon einen im Auge. Es ist der Sohn des Bauern, der dort am Ende des Dorfes wohnt.« »Der scheint auch mir ein guter Junge zu sein, und ich habe nichts einzuwenden.« Das Mädchen, das noch wach war, hatte alles gehört, und als der Vater und die Mutter am nächsten Tag auf dem Feld waren, um Bohnen zu lesen, setzte sie sich an das Fenster und sagte, als ihr Bräutigam vorüberkam: »Komm herein, Manuel. Weißt du was? Mein Vater will mich mit dir verheiraten.« Der Junge trat in das Haus und sagte: »Auch ich will. Dann wollen wir nicht warten.« Das Mädchen war töricht und fackelte nicht lange. Als der junge Mann gegangen war, trug das Mädchen das Abendessen zum Feld und sagte voller Freude: »Vater, ich habe den Sohn des Bauern vom Ende des Dorfes schon geheiratet!«
Der Vater wunderte sich und sowie er erfuhr, was vorgefallen war, fing er vor Verzweiflung an zu schreien und wollte sie schlagen. Am nächsten Tag setzte sie sich ganz traurig ans Fenster, und sobald sie den Jungen vorüberkommen sah, rief sie ihm zu: »Komm herein, Manuel. Meinem Vater gefällt unsere Heirat nicht, da ist es nötig, daß wir wieder voneinander scheiden.« »Dann laß uns nicht lange warten. Auf gleiche Weise, wie die Dinge miteinander verbunden werden, werden sie voneinander wieder gelöst.«
Wieder trug das Mädchen das Abendessen auf das Feld und erzählte alles seinem Vater und sagte, daß sie schon wieder geschieden sei. Die Verzweiflung des Vaters war noch größer, und diesmal gab er ihr eine tüchtige Tracht Prügel. Als er zu dem Bauern ging, um wegen der Verheiratung seiner Tochter mit ihm zu sprechen, hatte der Junge sich schon in eine andere verliebt und die Hochzeit war schon festgesetzt. Das Mädchen war weder traurig noch froh und erwartete den Hochzeitstag. Nun war es in jener Gegend Sitte, daß man im Hause des Trauzeugen ein Essen gab, bevor die Brautleute sich vermählten. Als man bei Tisch saß, erschien das Mädchen, das sich hatte scheiden lassen; sie war mit allem Gold, das sie besaß, geschmückt, ergriff ein Glas und brachte folgenden Trinkspruch aus:
Ich trinke auf den Bräutigam,
der sich verheiratet
und wieder scheiden läßt.
Und bei jeder Gelegenheit wiederholte sie dies. Die Braut, die das vernahm, fragte den Jungen, was das bedeutete. Er erzählte ihr alles und da sagte sie: »Sie ist wirklich ziemlich töricht, nicht wahr? Ich trage unter dem Herzen ein Kind von unserem Abt., und weder mein Vater, noch meine Mutter wissen davon.«
Der junge Mann kam da gerade noch rechtzeitig zur Besinnung und sagte zu den Gästen: »Meine Herrschaften, ich möchte Ihnen eine Frage stellen. Soll der, der einen goldenen Schlüssel besaß und sich, als er diesen verlor, eines silbernen bediente, den goldenen Schlüssel fortwerfen, wenn er ihn wiederfindet?« Die Gäste antworteten: »Eher soll er den goldenen Schlüssel behalten.« »Nun, genau das will ich tun.« Und der Sohn des Bauern ging zur Tür hinaus und vermählte sich mit dem unschuldigen Mädchen, über das die andere gespottet hatte.
[Portugal: T. Braga: Contos tradicionaes do povo portuguez]