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Die Lügenprobe

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Es war einmal ein König, der hatte eine Tochter, die konnte so gewaltig lügen, daß Keiner es darin mit ihr aufnehmen konnte. Da ließ der König bekannt machen, daß Der, welcher so lügen könne, daß die Prinzessinn Nichts mehr dagegen zu lügen wüßte, sie und das halbe Reich haben sollte. Es kamen darauf Viele an den Hof und machten den Versuch; denn Alle wollten gern die Prinzessinn und das halbe Reich haben; aber sie kamen alle schlecht davon. Nun waren aber auch drei Brüder, und die wollten ebenfalls ihr Glück versuchen. Zuerst kamen die beiden ältesten; aber es ging ihnen nicht besser, als all den Übrigen. Zuletzt machte Aschenbrödel sich auf, und als er ankam, traf er die Prinzessinn im Stall. »Guten Tag!« sagte er. »Schönen Dank«, sagte sie: »Ihr habt doch nicht einen so großen Stall, als wir; denn wenn der Hirt an dem einen Ende steht und auf dem Bockshorn bläst, kann man’s nicht hören am andern Ende.« – »Das ist auch was Rechtes!« sagte Aschenbrödel: »unsrer ist weit größer; denn wenn eine Kuh an dem einen Ende trächtig wird, kalbt sie erst an dem andern.« – »Haha!« sagte die Prinzessinn: »Aber Ihr habt doch nicht einen so großen Ochsen, als wir; denn wenn auf jedem Horn Einer sitzt mit einer Meßstange, so können sie doch einander nicht ablangen.« – »Da kommst Du schön an!« sagte Aschenbrödel: »Wir haben einen Ochsen, der ist so groß, daß wenn Einer auf jedem Horn sitzt und auf dem Haberrohr bläst, sie einander doch nicht hören können.« – »Na so!« sagte die Prinzessin: »Aber Ihr habt doch nicht so viel Milch, als wir; denn wir melken unsre Milch in große Eimer und tragen sie in große Kessel hinein und machen Käse, so groß wie Tonnen.« – »Und wir«, sagte Aschenbrödel: »wir melken unsre Milch in große Küben und fahren sie mit dem Wagen ins Haus und gießen sie in große Braupfannen und machen Käse, so groß wie Häuser; und dann haben wir ein buntscheckiges Mutterpferd, das den Käse zusammentritt; einmal aber fohlte es in dem Käse, und als wir sieben Jahr davon gegessen hatten, trafen wir auf ein großes buntscheckiges Pferd; mit dem sollte ich mal nach der Mühle fahren, aber da brach ihm eine Rippe entzwei; nun wußte ich keinen andern Rath, sondern nahm eine Tanne und setzte sie ihm ein statt der Rippe, und eine andre Rippe hat’s nachher nicht gehabt, so lange wir es hatten. Nun schoß aber die Tanne auf und wuchs aus dem Rücken heraus und ward so groß, daß ich daran zum Himmel hinaufklettern konnte. Da kam ich zu der Jungfrau Maria, die saß da und spann Borstenstricke von Mehlbrei. Wie ich nun da stand und zusah, brach unten die Tanne ab, und nun konnte ich nicht wieder herunter; aber die Jungfrau Maria ließ mich an einem der Stricke hinabgleiten, und da kam ich in einem Fuchsloch an; da saßen meine Mutter und Dein Vater und flickten Schuh; aber eh‘ ich’s mir versah, schlug meine Mutter Deinen Vater, daß ihm die Perrücke vom Kopf flog.« – »Das lügst Du«, sagte die Prinzessinn: »denn das hat mein Vater nie gethan.«

[Norwegen: P. [C.] Asbjørnsen/Jörgen Moe: Norwegische Volksmärchen]

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