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Die Warze und die Kobolde

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Einst lebte in einem Dorfe ein herzensguter, fröhlicher Mann, der sich mühevoll seinen Lebensunterhalt verdiente, dabei aber immer lustig und guter Dinge war. Auf der rechten Wange hatte er eine große, häßliche Warze, die ihn sehr verunzierte, doch machte er sich nicht viel daraus, und wenn ihn die Leute dann und wann wohl darüber neckten, so fing er mit ihnen zu lachen an und kränkte sich nicht darüber.

Sein Nachbar indessen, der merkwürdiger Weise dieselbe Verunstaltung auf der linken Wange hatte, war anderer Natur, er war zänkisch, und Niemand hätte wagen dürfen, in seiner Gegenwart auf die häßliche Warze anzuspielen. Deshalb hatte dieser Nachbar auch wenig Freunde, während der andere freundliche Mann von allen im Dorfe geliebt wurde.

Eines Tages nun nahm dieser, wie er dies öfter that, seine Axt und ging in den Wald, um Holz zu fällen, das er verkaufen wollte. Er wanderte tief in den Wald hinein, und als er den hohen Taikoberg bestieg, da fing es so gewaltig zu regnen an und der Sturm heulte so sehr, daß er nicht weiter kommen konnte und unter den breiten Aesten der dicken Bäume Schutz suchte. Stundenlang hoffte er, das Unwetter werde nachlassen, und er könne dann den Heimweg antreten; doch sein Hoffen war vergebens, es regnete und stürmte fort und fort, und so mußte er sich entschließen, die Nacht im Walde zu bleiben; denn die Sonne ging bereits unter, und es begann rings umher zu dunkeln. Als er sich nach einem Plätzchen umschaute, das ihn einigermaßen vor Regen und Sturm schützen konnte, denn weit und breit war keine Hütte zu sehen, da gewahrte er ganz in der Nähe einen hohlen Baum. Geschwind ging er darauf zu und stieg in die weite Höhlung. Ja, nun war er geborgen; hier konnte er es ganz gut aushalten. Der gute alte Mann lachte vor Freuden, und zufrieden, wie er von Natur war, machte er es sich so bequem in seinem Verstecke, wie er nur konnte.

Schon fielen ihm vor Müdigkeit die Augen zu und der Schlaf stellte sich ein, da hörte er ganz in seiner Nähe das Geräusch von Schritten, und sofort wurde er wieder wach und munter. Vorsichtig lugte er durch eine Spalte des Baumes und sah zu seinem nicht geringen Erstaunen eine ganze Schaar sonderbarer Kobolde, welche die merkwürdigsten Sprünge machten und gar wunderlich aussahen. Viele waren über und über von rother Farbe, andere wieder waren schwarz, mit sonderbaren rothen Kleidern behängt, manche hatten keinen Mund und wieder andere hatten nur ein Auge. Es waren ihrer wohl über hundert, und der alte Mann war halb todt vor Grauen und Furcht. Indessen hielt er sich mäuschenstill und wartete athemlos der Dinge, die da kommen würden. Die gespenstischen Wesen hatten auch einen Oberkobold; den sah der arme Mann jetzt ganz deutlich, und das Ungeheuer, das einen großen Schnabel statt der Nase im Gesichte hatte, versammelte die Menge gerade unter dem hohlen Baume, in dem der Alte saß. Hier setzte sich der Oberkobold nieder, schlug die Beine unter und hieß die Andern sich zu beiden Seiten in zwei langen Reihen niedersetzen. Dies geschah denn auch sogleich, und kaum war es geschehen, so fingen die Kobolde zu schmausen an. Sie tranken den Wein wie gebildete Menschen und hielten ein so regelrechtes Gastmahl, daß der Lauscher sich nicht wenig darüber verwunderte. Doch als die Schale mit Wein immer wieder die Runde gemacht hatte, da schien der Oberkobold trunken zu werden, das konnte man aus seinen Geberden merken. Den alten Mann, der alles genau beobachtete und allmählich seine Furcht verlor, belustigte dies nicht wenig, aber es sollte noch besser kommen. Einer aus der Gesellschaft trat, nachdem die Mahlzeit beendet war, aus der Reihe hervor, machte mit allem erdenklichen Ceremoniell seine Verbeugungen vor dem Oberkobold und führte dann einen Tanz auf, so spaßhaft und komisch, daß es gar nichts lächerlicheres geben konnte. Und kaum hatte dieser den Anfang gemacht, so fingen sie alle an zu tanzen, schlugen sich über und waren überaus possirlich. Der alte Mann, den dies über alle Maßen belustigte, konnte sich nun nicht mehr halten; er vergaß ganz und gar, daß er nicht zu der Schar gehörte und sprang mit den tollsten Sprüngen mitten zwischen sie. Die Kobolde umringten ihn sogleich und stürzten von allen Seiten herbei, doch ihn schien dies gar nicht zu kümmern; er tanzte fort und fort, und als er in die Nähe des Oberkoboldes kam, da führte er den spaßhaften Tanz eines Trunkenboldes auf, zu dem er laut zu singen anfing. Als die Gesellschaft dies sah und hörte, da lachte sie, daß es im Walde wiederhallte, und der Oberkobold sowohl als seine Genossen gaben das größte Entzücken zu erkennen. Als der alte Mann seinen Tanz beendet hatte, sagten sie: »Wie lange schon halten wir in diesem Walde unsere Feste, und noch nie haben wir etwas so spaßhaftes gesehen, wie heute den Tanz dieses fröhlichen Alten! Er muß wiederkommen und an unseren Vergnügungen theilnehmen!« »Das will ich gern thun,« sagte der alte Mann eifrig, denn es fing ihm doch wieder an unheimlich zu werden, »und das nächste Mal will ich es viel besser machen; heute habt ihr von meinen Künsten nur eine schwache Probe gesehen!« »Ach, wenn er heute uns verspricht, wiederzukommen,« schrien die Kobolde, »so wird er doch sein Wort nicht halten, das wissen wir vorher.« »So soll er ein Pfand hier lassen,« sprach der Oberkobold; »geschwind, nehmt ihm die schöne Warze aus dem Gesicht!« »Nein, nicht die Warze,« rief der alte Mann, »alles andere, nur die nicht! Ich habe die Warze nun schon so lange Jahre, von der kann ich mich nicht trennen!« »Nun, dann gerade wollen wir sie behalten, damit wir sicher sind, daß du sie wieder holst,« sprachen die Kobolde, griffen ihm mit den Händen ins Gesicht, und fort war die Warze. Als der Tag grauete, zogen die Kobolde ab und der alte Mann war ganz allein. Ungläubig befühlte er sein Gesicht – die Warze war und blieb fort.

Freudig eilte er heim und erzählte seiner Frau die wunderbare Begebenheit, und als die Leute ihn sahen, da wünschten sie ihm Glück dazu, daß er die häßliche Warze nicht mehr zu tragen brauchte.

Aber der neidische Nachbar nebenan, der ergrimmte bei der Nachricht und war nun doppelt ärgerlich über sein Gebrechen. Er ging zu dem glücklichen Alten, der die Warze verloren hatte, und ließ sich haarklein den ganzen Hergang erzählen, und als er sich alles genau gemerkt, da machte er sich auf und ging in den Wald. Bevor der Abend kam, fand er auch die beschriebene Stelle und versteckte sich in den hohlen Baum. Und gerade so, wie es der alte Mann erzählt, kam es auch diesmal. Die Kobolde zogen herbei, lagerten sich, schmausten und tranken, und als der Tanz begann, da riefen sie: »Wo ist der spaßige alte Mann? Kommt er noch nicht?« »Hier ist er,« sprach zitternd vor Furcht der neidische Nachbar, und als die Kobolde vor Freude schrien, da fing er auch wirklich zu tanzen an, obgleich er gar nicht tanzen konnte. Und als er seine unbeholfenen Sprünge machte, da sprach der Oberkobold: »Du tanzest heute viel schlechter, als das vorige Mal; höre damit auf, ich kann es nicht mehr ansehen! Gebt ihm sein Pfand wieder,« befahl er den anderen Kobolden, »und laßt ihn fortgehen!«

Die Kobolde warfen ihm die Warze ins Gesicht, genau an die Stelle, an der sie sein Nachbar getragen, und sie blieb ihm fest an der rechten Wange haften. Nun hatte er zwei große Warzen, und als er voll Kummer in das Dorf zurückkehrte, da mußte er noch den Spott der Menschen ertragen und wünschte von Herzen, daß er nie in den Wald zu den Kobolden gepilgert wäre. Ja, ja, das konnte er auch bleiben lassen!

David Brauns: Japanische Märchen und Sagen

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