Ein Bauer hatte drei Söhne, der jüngste hieß Hans und galt für sehr einfältig. Eines Tages traten die beiden ältesten vor ihren Vater hin und sprachen ›Wir sind lange genug zu Hause gewesen, gib jedem von uns zehn Thaler und eine Kiepe voll Brot und Fleisch, so wollen wir in die Fremde wandern.‹ Der Vater gewährte ihre Bitte. Da wollte Hans auch zehn Thaler und eine Kiepe voll Brot und Speck, und da er nicht nachließ, so mußte der Vater ihm willfahren. So zogen die Drei eines Morgens vom Hause weg. Die beiden ältesten waren ärgerlich, daß der dumme Hans mit ihnen ging, und eilten so, daß er nicht nachkommen konnte. Da rief er ›Was hab ich hier gefunden!‹ und die Brüder kehrten um. Das that er mehrere Male, bis sie ihm nicht mehr glaubten und ihres Weges weitergingen. Nun war er bald ganz allein und wußte nicht, wo aus, wo ein. Es wurde dunkel, und aus Furcht vor Wölfen stieg er auf eine Eiche. Da sah er durch die Nacht ein Licht leuchten, stieg rasch herab und lief dem Lichte nach. Er kam in ein großes Schloß mit vielen erleuchteten Zimmern, aber kein Mensch war darin. In einem der vorderen Zimmer war ein Tisch gedeckt und mit köstlichen Speisen besetzt. In einer Hinterstube fand er in einer Wiege einen Kalbskopf liegen, und als Hans ›guten Abend!‹ rief, schwenkte der Kalbskopf die Ohren und antwortete ›Schönen Dank!‹ Hans fuhr erschrocken zurück. Da sagte der Kalbskopf ›Gott sei Dank, daß du kommst! Bleib hier und iß und trink! Du sollst mir Neues erzählen, wies in der Welt aussieht.‹ Hans ließ sich das gesagt sein, er gab Bescheid auf alle Fragen, aß und trank tüchtig und legte sich dann in einer der Stuben zu Bette. Am Morgen waren seine Kleider und Schuhe schön gebürstet und Essen und Trinken hatte er vollauf wie am ersten Abend. Den Tag über mußte er an der Wiege sitzen und dem Kalbskopf erzählen. So blieb er ein Jahr dort, da dachte er an seine Eltern daheim und sagte dem Kalbskopf, daß er sie wohl sehen möchte. Damit war der Kalbskopf einverstanden, aber er sagte ›Dir fehlt es an Kleidern, Geld und einem Pferde, auch kennst du den Weg nicht. Nimm diesen Stab und schlag auf jene Lade, da findest du Kleider und Waffen in Menge drin; er wird dir den Stall öffnen, in dem du Pferde zur Auswahl findest, und ebenso jene Kiste, in der findest du Geld und eine Pfeife. Weißt du den Weg nicht, dann blase auf der Pfeife und du wirst gleich wieder auf dem rechten Wege sein.‹ Hans that wie ihm geheißen war. Er nahm sich einen schönen Jägerrock mit goldenen Tressen, einen dreieckigen Hut, einen Degen und ein Gewehr, aus dem Stalle einen schönen Schimmel, füllte seine Taschen mit Geld und nahm die Pfeife. Dann ritt er von dannen, nachdem er dem Kalbskopf versprochen hatte, bald wiederzukommen.
Seine Brüder waren nur wenige Tage von Hause weg gewesen; die Kiepe war bald leer, das Geld bald ausgegeben, und sie mußten, wenn sie nicht verhungern wollten, den Weg nach Hause suchen, wo sie denn tüchtig ausgelacht wurden. Da kommt eines Tages ein stolzer Reiter geritten. ›Kennt ihr mich nicht?‹ rief er, ›ich bin ja der Hans.‹ Da war großer Jubel und große Verwunderung; nur die beiden Brüder sahen scheel drein. Des Nachts verabredeten sie, sie wollten in die Dachluke steigen, den Hans erschlagen und ihm sein Geld abnehmen. Aber er erwachte, schoß nach ihnen und traf den einen in den Schenkel. An der Wunde wurde am andern Morgen der Thäter erkannt.
Nach einiger Zeit machte sich Hans wieder nach dem Schlosse auf und wurde vom Kalbskopf freudig empfangen. Eines Morgens sagte dieser zu ihm ›In der Küche steht ein Haublock und in der Speisekammer liegt ein Beil. Sieh her, ich hab hier am Hinterkopf ein böses Gewächs, das mich krank macht. Trag mich auf den Block und hau mir mit dem Beil das Gewächs ab.‹ Hans nahm den Kalbskopf bei den Ohren aus der Wiege und bemerkte mit Schrecken an dessen Hinterkopfe ein schlangenartiges, blaues Gewächs. Aber er faßte sich ein Herz, trug ihn nach dem Block, und kaum hatte er den Hieb gethan, da stand eine wunderschöne Prinzessin vor ihm, das ganze Schloß war voll von Menschen, der Haublock eine alte Kammerfrau, das Beil ein alter Kutscher. ›Ich war verwünscht,‹ sprach die Prinzessin, ›du hast mich erlöst und sollst nun mein Mann sein.‹ Wer war glücklicher als Hans? Er ließ seine Eltern zu sich kommen, auch seinen Brüdern verzieh er, und lebte in Glück und Freude bis an sein Ende.
Karl (Friedrich Adolf Konrad) Bartsch 1832–1888
[Märchen und Legenden aus Meklenburg]