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Es war ein Hampelmann. Er war rot und aus Papier. Sonst nichts. Bloß so zum Spaß. Auf dem Rücken hatte er eine Schnur und wenn man dran zog, hampelte er mit armen und Beinen. Es sah sehr komisch aus und alle, die an ihm zogen, lachten. Der Hampelmann lachte nicht, denn es ermüdete ihn, den ganzen Tag Arme und Beine zu bewegen, wenn andere an ihm zupften. Das ist kein leichter Beruf. Aber er ist sehr verbreitet. Der Hampelmann war auch traurig, dass er nur aus Papier war, sonst aus nichts, und eigentlich überhaupt nur so gemacht war – bloß so zum Spaß.
Dazu störte ihn die rote Farbe. Rot ist so auffallend und passt gar nicht, wenn man immer hampeln muss. Rosa hätte es sein müssen, dachte er, das würde besser passen. Denn er gehörte einem kleinen Mädchen, das ein rosa Kleid trug. Der Hampelmann liebte das Mädchen und hätte es gerne geheiratet. Es war so sehr freundlich. Abe es ging nicht. Er war ja aus Papier und das kleine Mädchen konnte es nicht mal merken, wie es geliebt wurde, denn die Liebe eines Hampelmanns saß wie jede richtige Liebe im Herzen und sein Herz war im Papier, grad auf der Stelle, wo die Leute immer an der Schnur zogen. Darum tat es auch besonders weh. Nur das kleine Mädchen konnte dran herumziehen. Das schadete nichts.
„Es ist ein roter Teufel“ ,sagte der Bruder des kleines Mädchens. Das Mädchen verzog den Mund. „Das ist er gar nicht“ ,sagte es, „es ist ein ganz richtige Hampelmann und ein sehr feiner. Ich liebe ihn sehr.“ Der Hampelmann wäre vor Freude rot geworden, aber er war ja so schon rot. Da erübrigt sich das. „Der kann nichts wie hampeln. Wenn er ein Bein verliert, schenke es mir“ ,sagte der Junge. „Er verliert keine Beine!“ ,sagte das Mädchen empört.
„Man könnte ihm eins ausreißen“ ,schlug der Knabe mit höflicher Bosheit vor. „Dann hab ich das Bein und er stirbt vielleicht und wird ein richtiger Teufel in der Hölle. Die Hölle ist auch rot. Ich weiß das.“ Das kleine Mädchen fasste den Hampelmann fester. „Wenn du dem Hampelmann ein Bein ausreißt, kommst du selbst in die Hölle, pass mal auf“ ,sagte es. „Oder wenn du nicht in die Hölle kommst, verstecke ich deinen Federkasten und sage dir nicht, wo er ist. Ätsch!“ – „Er wird ein Teufel, ein Teufel, ein Teufel!!“ ,schrie der Junge vergnügt und tanzte auf einem einzigen Bein – gleichsam symbolisch. Es war grausig.
Dem Hampelmann schlug das Herz im Papier, so dass es an der Schnur zog – und die arme und Beine hampelten vor Entsetzen. „Du bist hässlich“ ,sagte das kleine Mädchen, „wenn der Hampelmann einmal stirbt, wird er ein Engel und kein Teufel. Alle werden Engel. Bloß die nicht, die anderen die Beine herausreißen. Die werden Teufel, da hast du’s!“
Das war ein furchtbares Argument, gegen das nicht aufzukommen war. Man musste auf die Zukunft hoffen und ihr alle weiteren schauerlichen Pläne vertrauensvoll überlassen. „Du wirst schon sehen“ ,höhnte der Junge, „du meinst wohl, jeder der kaputt geht, wird ein Engel? Quatsch!“
Das kleine Mädchen brachte den Hampelmann in den Puppenschrank. Da war er vorläufig am sichersten. Denn den Puppenschrank durfte der Bruder nicht anrühren. Sonst bekam er Prügel. Es war eine Art Asylrecht und aus der Notwendigkeit entstanden – wie wenige Gesetze. Im Schrank waren viele Puppen.
„Vertragt euch“ ,sagte das kleine Mädchen, „und tretet ihm nicht auf die Beine. Sie sind so lang.“ Die Puppen rückten höflich zusammen und machten den langen Beinen Platz. Aber es war kaum nötig. Der Hampelmann hatte sie schon bescheiden zusammengefaltet. Er war dankbar für das Asyl, das ihm geboten wurde. Die Puppen waren auch so freundlich und erkundigten sich nach Einzelheiten seiner ermüdenden Tätigkeit. Nur eine besonders vornehme Puppe, die ganz in Seide angezogen war, rümpfte die bemalte Porzellannase und sagte: „Es ist wirklich unpassend, Leute, die bloß aus Papier sind, hier zu uns zu setzen. Ich habe gerade an den Puppen genug, die nur in Wolle oder Musselin gekleidet sind und nicht aus dem allerersten Laden stammen.“
Die anderen Puppen schwiegen bedrückt. Der Nussknacker war leider beruflich im Speisezimmer beschäftigt. Sonst hätte er der vornehmen Puppe auf den Bauch getreten. Das tat er in solchen Fällen immer und sagte ihr dazu, dass sie nur einen hohlen Porzellankopf habe. Der Nussknacker war ein Philosoph und er nannte das seine Methode. Nicht alle Methoden der Philosophen sind gut. Aber diese ist bei vornehmen Puppen wirklich die allerbeste. Doch der Nussknacker war nicht da und so setzte niemand der vornehmen Puppe den hohlen Porzellankopf zurecht.
Dem armen Hampelmann wurde ganz schwach. Er hatte sich so über das Asyl gefreut und war so dankbar gewesen. Abe er war zu feinfühlig und darum konnte er nicht bleiben. Leute, an denen zu viel gezupft worden ist und die viel gehampelt haben, werden sehr feinfühlig in allen Dingen – mehr als gut tut.
So wurde er sehr traurig und beschloss, zu dem kleinen Mädchen zu gehen, das er liebte, und um Hilfe zu bitten. Er schob die langen Beine nach vorn und hastete an die Schranktür. Die kleinen Puppen halfen bedrückt und bedauernd sie zu öffnen und der Hampelmann hüpfte hinaus. Die langen Beine schlugen klatschend auf.
Das kleine Mädchen war nicht da. Aber der Junge hörte die Beine klatschen und kam triumphierend angelaufen. Er dachte: Es lohnt nicht, wenn ich ihm ein Bein ausreiße, man nimmt es mir wieder weg. Da nahm er den Hampelmann und warf ihn in den Kamin. Der Kamin brannte, denn es war Winter und draußen fielen die Flocken. Das Feuer im Kamin freute sich sehr. Es macht keine Unterschiede und man kann ihm das nicht Übel nehmen. Es beleckte den Hampelmann mit lauter roten Zungen und das vertrug er nicht. Denn er war ja nur aus Papier gemacht – bloß so zum Spaß.
Er krümmte ein paar Male die langen Arme und Beine, mit denen er so viel gehampelt hatte. Dann zerfiel er zu Asche und mit ihm die Schnur, an er ihn alle Leute immer so viel gezupft hatten. Das war noch das Beste dabei.
Das kleine Mädchen kam dazugelaufen. Es brachte den Nussknacker in den Puppenschrank zurück. Aber für den armen Hampelmann war es zu spät. „Ich habe deinen Hampelmann in den Kamin geschmissen“ ,schrie der Junge, „er ist aber doch kein Engel geworden, trotzdem er ganz futsch ist. Bäh!“ Das kleine Mädchen weinte bitterlich.
Der Junge bekam Prügel und der Nussknacker trat der vornehmen Puppe in den Bauch, als er hörte, was geschehen war. So schwebte zwar über dem Trauerfall die Stimmung ausgleichender Gerechtigkeit der höheren Mächte, aber die Tränen des kleinen Mädchens waren doch bitter genug, denn es war der erste Hampelmann, der ihm zu Asche geworden war. Draußen war es Winter und die Flocken fielen auf die Erde.
„Ich werde den Hampelmann immer im Herzen behalten“ ,sagte das kleine Mädchen. „Dann ist er nicht futsch und nicht gestorben. Denn ich sterbe ja nicht. Bloß die alten Leute sterben. Ich will aber nicht alt werden. Man darf dann wohl alles durcheinander essen, was man will, aber man stirbt später. Ich finde, es hat keinen Witz.“
Das dachte das kleine Mädchen natürlich bloß so. Es wird auch groß werden und alles durcheinander essen und dann sterben. Nur das, was es im Herzen hatte, wird nicht sterben und darum wird auch der Hampelmann leben bleiben, was eine große Beruhigung ist.
Denn wer einmal im Herzen eines Menschenkindes war, der bleibt ewig leben und es ist auch ganz gleich, dass er nur ein armer Hampelmann war, der sein Leben lang gehampelt hat, wenn andere ihn an der Schnur zogen, und der überhaupt nur aus Papier gemacht war – bloß so zum Spaß…
Dazu störte ihn die rote Farbe. Rot ist so auffallend und passt gar nicht, wenn man immer hampeln muss. Rosa hätte es sein müssen, dachte er, das würde besser passen. Denn er gehörte einem kleinen Mädchen, das ein rosa Kleid trug. Der Hampelmann liebte das Mädchen und hätte es gerne geheiratet. Es war so sehr freundlich. Abe es ging nicht. Er war ja aus Papier und das kleine Mädchen konnte es nicht mal merken, wie es geliebt wurde, denn die Liebe eines Hampelmanns saß wie jede richtige Liebe im Herzen und sein Herz war im Papier, grad auf der Stelle, wo die Leute immer an der Schnur zogen. Darum tat es auch besonders weh. Nur das kleine Mädchen konnte dran herumziehen. Das schadete nichts.
„Es ist ein roter Teufel“ ,sagte der Bruder des kleines Mädchens. Das Mädchen verzog den Mund. „Das ist er gar nicht“ ,sagte es, „es ist ein ganz richtige Hampelmann und ein sehr feiner. Ich liebe ihn sehr.“ Der Hampelmann wäre vor Freude rot geworden, aber er war ja so schon rot. Da erübrigt sich das. „Der kann nichts wie hampeln. Wenn er ein Bein verliert, schenke es mir“ ,sagte der Junge. „Er verliert keine Beine!“ ,sagte das Mädchen empört.
„Man könnte ihm eins ausreißen“ ,schlug der Knabe mit höflicher Bosheit vor. „Dann hab ich das Bein und er stirbt vielleicht und wird ein richtiger Teufel in der Hölle. Die Hölle ist auch rot. Ich weiß das.“ Das kleine Mädchen fasste den Hampelmann fester. „Wenn du dem Hampelmann ein Bein ausreißt, kommst du selbst in die Hölle, pass mal auf“ ,sagte es. „Oder wenn du nicht in die Hölle kommst, verstecke ich deinen Federkasten und sage dir nicht, wo er ist. Ätsch!“ – „Er wird ein Teufel, ein Teufel, ein Teufel!!“ ,schrie der Junge vergnügt und tanzte auf einem einzigen Bein – gleichsam symbolisch. Es war grausig.
Dem Hampelmann schlug das Herz im Papier, so dass es an der Schnur zog – und die arme und Beine hampelten vor Entsetzen. „Du bist hässlich“ ,sagte das kleine Mädchen, „wenn der Hampelmann einmal stirbt, wird er ein Engel und kein Teufel. Alle werden Engel. Bloß die nicht, die anderen die Beine herausreißen. Die werden Teufel, da hast du’s!“
Das war ein furchtbares Argument, gegen das nicht aufzukommen war. Man musste auf die Zukunft hoffen und ihr alle weiteren schauerlichen Pläne vertrauensvoll überlassen. „Du wirst schon sehen“ ,höhnte der Junge, „du meinst wohl, jeder der kaputt geht, wird ein Engel? Quatsch!“
Das kleine Mädchen brachte den Hampelmann in den Puppenschrank. Da war er vorläufig am sichersten. Denn den Puppenschrank durfte der Bruder nicht anrühren. Sonst bekam er Prügel. Es war eine Art Asylrecht und aus der Notwendigkeit entstanden – wie wenige Gesetze. Im Schrank waren viele Puppen.
„Vertragt euch“ ,sagte das kleine Mädchen, „und tretet ihm nicht auf die Beine. Sie sind so lang.“ Die Puppen rückten höflich zusammen und machten den langen Beinen Platz. Aber es war kaum nötig. Der Hampelmann hatte sie schon bescheiden zusammengefaltet. Er war dankbar für das Asyl, das ihm geboten wurde. Die Puppen waren auch so freundlich und erkundigten sich nach Einzelheiten seiner ermüdenden Tätigkeit. Nur eine besonders vornehme Puppe, die ganz in Seide angezogen war, rümpfte die bemalte Porzellannase und sagte: „Es ist wirklich unpassend, Leute, die bloß aus Papier sind, hier zu uns zu setzen. Ich habe gerade an den Puppen genug, die nur in Wolle oder Musselin gekleidet sind und nicht aus dem allerersten Laden stammen.“
Die anderen Puppen schwiegen bedrückt. Der Nussknacker war leider beruflich im Speisezimmer beschäftigt. Sonst hätte er der vornehmen Puppe auf den Bauch getreten. Das tat er in solchen Fällen immer und sagte ihr dazu, dass sie nur einen hohlen Porzellankopf habe. Der Nussknacker war ein Philosoph und er nannte das seine Methode. Nicht alle Methoden der Philosophen sind gut. Aber diese ist bei vornehmen Puppen wirklich die allerbeste. Doch der Nussknacker war nicht da und so setzte niemand der vornehmen Puppe den hohlen Porzellankopf zurecht.
Dem armen Hampelmann wurde ganz schwach. Er hatte sich so über das Asyl gefreut und war so dankbar gewesen. Abe er war zu feinfühlig und darum konnte er nicht bleiben. Leute, an denen zu viel gezupft worden ist und die viel gehampelt haben, werden sehr feinfühlig in allen Dingen – mehr als gut tut.
So wurde er sehr traurig und beschloss, zu dem kleinen Mädchen zu gehen, das er liebte, und um Hilfe zu bitten. Er schob die langen Beine nach vorn und hastete an die Schranktür. Die kleinen Puppen halfen bedrückt und bedauernd sie zu öffnen und der Hampelmann hüpfte hinaus. Die langen Beine schlugen klatschend auf.
Das kleine Mädchen war nicht da. Aber der Junge hörte die Beine klatschen und kam triumphierend angelaufen. Er dachte: Es lohnt nicht, wenn ich ihm ein Bein ausreiße, man nimmt es mir wieder weg. Da nahm er den Hampelmann und warf ihn in den Kamin. Der Kamin brannte, denn es war Winter und draußen fielen die Flocken. Das Feuer im Kamin freute sich sehr. Es macht keine Unterschiede und man kann ihm das nicht Übel nehmen. Es beleckte den Hampelmann mit lauter roten Zungen und das vertrug er nicht. Denn er war ja nur aus Papier gemacht – bloß so zum Spaß.
Er krümmte ein paar Male die langen Arme und Beine, mit denen er so viel gehampelt hatte. Dann zerfiel er zu Asche und mit ihm die Schnur, an er ihn alle Leute immer so viel gezupft hatten. Das war noch das Beste dabei.
Das kleine Mädchen kam dazugelaufen. Es brachte den Nussknacker in den Puppenschrank zurück. Aber für den armen Hampelmann war es zu spät. „Ich habe deinen Hampelmann in den Kamin geschmissen“ ,schrie der Junge, „er ist aber doch kein Engel geworden, trotzdem er ganz futsch ist. Bäh!“ Das kleine Mädchen weinte bitterlich.
Der Junge bekam Prügel und der Nussknacker trat der vornehmen Puppe in den Bauch, als er hörte, was geschehen war. So schwebte zwar über dem Trauerfall die Stimmung ausgleichender Gerechtigkeit der höheren Mächte, aber die Tränen des kleinen Mädchens waren doch bitter genug, denn es war der erste Hampelmann, der ihm zu Asche geworden war. Draußen war es Winter und die Flocken fielen auf die Erde.
„Ich werde den Hampelmann immer im Herzen behalten“ ,sagte das kleine Mädchen. „Dann ist er nicht futsch und nicht gestorben. Denn ich sterbe ja nicht. Bloß die alten Leute sterben. Ich will aber nicht alt werden. Man darf dann wohl alles durcheinander essen, was man will, aber man stirbt später. Ich finde, es hat keinen Witz.“
Das dachte das kleine Mädchen natürlich bloß so. Es wird auch groß werden und alles durcheinander essen und dann sterben. Nur das, was es im Herzen hatte, wird nicht sterben und darum wird auch der Hampelmann leben bleiben, was eine große Beruhigung ist.
Denn wer einmal im Herzen eines Menschenkindes war, der bleibt ewig leben und es ist auch ganz gleich, dass er nur ein armer Hampelmann war, der sein Leben lang gehampelt hat, wenn andere ihn an der Schnur zogen, und der überhaupt nur aus Papier gemacht war – bloß so zum Spaß…
Quelle:
Manfred Kyber