Da ist einmal eine schlimme Pest und nach ihr eine große Teuerung in ganz Westfalen entstanden, so dass die Armen das Korn nicht mehr bezahlen konnten und das ganze Land voller Bettelleute war. Bei dem Bäcker aber war keine Not. Er buck sein Brot immer kleiner und ließ es sich immer teurer bezahlen und seine Scheuern und Böden waren voll Getreide bis zum Hahneballen hinauf, aber er verkaufte es darum doch nicht, sondern hoffte, dass bis zum Winter die Kornpreise um das Doppelte steigen würden.
Da lag er einst um die Mittagszeit auf seinem Bett, um von der Morgenarbeit etwas auszuruhen, als langsam an die Türe geklopft wurde. Er rief herein und siehe, vor ihm in Lumpen gehüllt stand eine elende magere Frau und bat um eine Gabe. Es war seine Schwester, die er aber nicht erkannte, so hatte sie sich in den letzten Jahren verändert. Da er nun glaubte, es sei ein gewöhnliches Bettelweib, so hetzte er in Wut über diese Störung seiner Mittagsruhe seinen großen Hund auf sie, der unter dem Bett lag. Die Frau aber rief ihn nun mit flehender Stimme bei seinem ‚Taufnamen und bat ihn, er möge sie, die an der Pest alle ihre Kinder verloren habe, doch nicht von sich stoßen, sondern ihr eine Ruhestätte in seinem Hause gönnen und sie vor dem Hungertode schützen. Da erwiderte der böse Bruder mürrisch: „Gut denn, ein Plätzchen in meinem Hause sollst du haben, ich weiß aber nicht, ob es nach deinem Geschmacke sein wird, und Nahrung sollst du auch haben!“ Damit führte er sie auf den Hof und wies auf eine große leerstehende Hundehütte, zog ein Stück Weizenbrot aus der Tasche und reichte es ihr. Die arme Verhungerte griff gierig danach und biss hinein, aber das Brot war so hart, dass die Zähne eines großen Hundes dazu gehörten, um es zu zermalmen. Nach wenigen Augenblicken gab sie es auf und stürzte vor Schwäche zu Boden. Aber ihr harter Bruder ließ sie unbekümmert liegen und wahrscheinlich wäre sie auf dem F’leck gestorben, hätte sich nicht eine alte Magd ihrer angenommen und hätte sie durch Einflößen einiger Tropfen kräftigen Bieres wieder zu sich gebracht. Diese steckte ihr auch einige Bissen genießbaren Brotes zu und so gewann die arme Frau wieder so viel Kräfte, um zu ihrer Hütte zurückschleichen zu können. Hier sank sie auf ihr elendes Strohlager und betete zu Gott, er möge sie doch von ihren Leiden erlösen. Und Gott erhörte sie, denn sie schloss ihre Augen, um nie wieder aufzuwachen.
Am andern Tage ist aber in der Stadt Dortmund ein gefährlicher Aufruhr ausgebrochen, der die Reichen und Begüterten in der Stadt bedrohte. Das Volk litt große Not und begann deshalb die Häuser derer zu stürmen und zu plündern, die immer noch im Überfluss schwelgten. Auch auf des reichen Bäckers Haus stürmten die Armen los, man drohte es zu plündern und ihn selbst totzuschlagen. Der Bäcker hatte bei dem ersten Aufruhrgeschrei sogleich Türen und Fenster verrammelt, er selbst aber flüchtete sich in den festen Keller seines Hauses, wo seine Schätze lagen und der ihm einige Sicherheit gewähren konnte, da er nicht gleich zu finden war. Einen Sack kleiner Brote und einen großen Krug voll Wasser nahm er in aller Eile mit sich. Er hoffte auf diese Weise ohne Mangel zu leiden, mehrere Tage ausharren. zu können, bis die Ruhe wieder hergestellt wäre. Kaum hatte er die eiserne, mit schweren Riegeln versehene Türe hinter sich geschlossen, hörte er, wie das Volk die Türe seines Hauses sprengte, hineinströmte, sich darin zerstreute und alles zusammenschlug. Er hatte sich auf seine Geldsäcke gesetzt und wartete so von Stunde zu Stunde, bis es wieder ruhig werden wollte.
Die Angst ließ ihn den Hunger vergessen; als aber der Morgen anbrach, da verlangte die Natur ihr Recht, hungrig griff er in den Sack, worin die Brote waren, zog eins heraus und wollte hineinbeißen. Aber wehe! es war durch ein Wunder zu Stein geworden und große Blutstropfen hingen wie Schweißperlen daran. Schaudernd warf er es von sich und ergriff ein zweites Brot, allein auch dieses war verwandelt wie das erste. Er versuchte es mit einem dritten und vierten, immer dasselbe, sie waren alle zu Stein geworden. Da ließ er den Sack fallen und nahm den Wasserkrug zur Hand, er wollte wenigstens seinen Durst löschen. Entsetzlich! das Wasser war zu Blut geworden. Da fielen ihm alle seine Sünden ein, die er sein Lebtage gegen andere Menschen begangen, er fiel auf die Knie und betete und versprach, er wolle bereuen und für die kommenden Tage ein besserer Mensch werden, ein Wohltäter und Vater der Armen sein.
Als er aber nach beendigtem Gebete wieder in den Sack griff und abermals dieselben schrecklichen Wunderzeichen fand, da ergriff ihn schwere Verzweiflung, er wollte seinem Leben selbst ein Ende machen und seinen Kopf an den harten Steinwänden des Kellers zerschmettern, aber auch diese Wohltat wurde ihm nicht zu Teil. Nach dem dritten Versuch stürzte er betäubt zu Boden. Viele Stunden lag er so; endlich erwachte er wieder. So begannen abermals Hunger und Durst ihn aufs Grimmigste zu plagen, aber den Keller wagte er nicht zu verlassen, denn im Hause hörte er das Geschrei des wütenden Pöbels, welcher sein Leben wollte. Inmitten seiner Geldsäcke gab er am Abend des andern Tages elendiglich seinen Geist unter großen Qualen auf.
Als nach einigen Tagen die Ruhe wieder hergestellt war, wollte die Magd dem Bäcker die gute Nachricht bringen. Als sie aus seinem Versteck im Keller keine Antwort hörte, ließ sie die schwere Tür mit Gewalt aufbrechen. Man fand den Geizhals mit entstellten Zügen auf seinen Geldsäcken liegen. Das Brot aber war hart wie Stein und voll Blutstropfen, der Wasserkrug mit Blut gefüllt. Der Reichtum des geizigen Bäckers fiel, da er keine Erben hatte, an die Stadtkasse.
Quelle:
(Deutsche Heimatsage)