Es war ein langer Weg, auf den kein Sonnenstrahl fiel, aber doch war es nicht dunkel. Endlich traten sie in ein weites, hohes Gemach, und droben war’s als hing ein Kronleuchter herab, aus dessen blitzendem Gestein Kerzenflammen viel tausendfarbige Strahlen hervorlockten. Unter dem Kronleuchter aber lag auf einem Ruhebett eine Jungfrau von wunderbarer Schönheit. Der Wanderer sah immer noch ganz verwundert umher. Es war ihm, als hätte er das alles schon einmal gesehen, wie in einem Träume damals, als er draußen am Felsen auf der Moosbank unter den Fliedern eingeschlafen war. Jetzt aber hatte er nicht geschlafen und nicht geträumt, und in dem Reiter erkannte er den Mann wieder, der ihn in den Felsen geführt, nur sah er heute nicht mehr düster und traurig aus, und die Jungfrau war so blühend, als schlafe sie nur. Da reckte der Mann seine Hand aus nach der Hand der Jungfrau. Sie schlug die Augen auf, und über ihr Antlitz blühte so ein holdseliges Lächeln dahin, als hätte ein Engel eine Blume des Paradieses ihr auf die Stirn gelegt. Der Wandersmann wußte nicht, wie ihm geschah und wie es gekommen war, daß die Jungfrau nun mit einem Male dastand wie eine Königin im weißen Schimmer eines Seidengewandes und ihr Lockenhaar hingen ihr fast bis zur Erde nieder. Sie neigte das Haupt an die Brust des Ritters und fragte: „Ist nun alles gut?“ Er antwortete: „Der böse Nachbar ist geschlagen und sein Schloß zerstört.“ Da sprach sie wieder: „So laß uns gehen!“ Und als sie hinaustraten in den Wald, waren da viele Diener in glänzenden Kleider, die führten einen weißen Zelter herbei, dessen Sattel war von rotem Sammet und der Zaum glänzte von goldenen Sternen. Als aber die Jungfrau auf dem Zelter saß, schwang auch der Rittersmann sich auf sein Roß und sprach zu dem Wanderer: „Besseres als der Hammer da, weiß ich Dir nicht zu geben zum Lohn. Wenn Dein Haupthaar weiß geworden, magst Du Deinen Kindern erzählen, was Du gesehen und gethan.“ Darauf ritten sie alle davon.
Der Wandersmann war alt geworden und sein Haar silberweiß. Es war ihm alles nach Wunsch gegangen. Er hatte Haus und Hof und drin ein wackeres Weib und gesunde Kinder. Im Hofe stand eine Linde, da saßen die Alten Feierabends gern darunter und erzählten manchmal den Kindern Geschichten. Einmal des Abends saß der Alte hier auch zu seinen Füßen spielte ein rotwangiges Knäblein mit einem Hammer. Da lachte der Alte und sprach: „Das Bübchen hat all’ unser Glück in der Hand und weiß nichts davon!“ Ueber die Worte machte der Sohn ein verwundert Gesicht. Als er aber den Hammer sah in der Hand seines Knaben, sprach er mit Lachen: „Der alte Hammer da?“ „Lache nur darob!“ sagte der Alte und erzählte darauf, wie er zu dem Hammer gekommen, weit da drüben im Walde, wo vom Fels ein klares Wasser niedersprudelnd und daneben unter blühendem Flieder eine Moosbank ist, und wie es ihm ergangen war.
Der Sohn stand mit untergeschlagenen Armen und sah mit traurigem Gesicht und doch ungläubig auf den Alten nieder. Er meinte, der Alte sei nun auch schwach im Kopfe geworden, nahm den Hammer aus der Hand des Knaben, der ihn nicht lassen wollte, besah ihn dann von allen Seiten und sprach: „Von der Geschichte habt Ihr ja niemals ein Wort gesagt, und der Hammer hier, – nun ja! Das ist so ein Hammer, wie jeder andere. Nun aber ist er so alt und abgeschlagen, daß ihm nicht mehr geholfen werden mag. Weg damit!“ Er schleuderte den Hammer fort, und als er darauf nach dem Alten niedersah, erschrak er: der Vater war tot und an seinen Knieen hatte der Knabe sich aufgerichtet. Der Sohn ging in alle Winkel des Hofes, suchte nach dem Hammer und konnte ihn nicht wiederfinden. Es ging ihm kümmerlich sein lebenlang. Jeden Morgen suchte er nach dem alten Hammer und konnte ihn doch nicht wiederfinden, bis er endlich darüber hingestorben ist. Der Knabe, der an den Knieen des Großvaters gestanden, ging als junger Gesell in die weite Welt, und nun, wo er die Geschichte seines Großvaters und vom verlorenen Hammer erzählt, ist er auch schon ein alter Mann, und es mag sein, daß keiner ihm glaubt, denn das ist ja so der Lauf der Welt.
Sage aus Ostpreußen