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Es war einmal ein sehr reicher Graf. Er hatte viele Wälder und Felder, Burgen und Höfe und in seinem Schloßturme lagen unermeßliche Schätze aufgespeichert. Allein ein altes Sprichwort sagt: »Je mehr man hat, je mehr man will«, und dies ging auch am Grafen in Erfüllung. In seiner Nähe wohnte ein anderer reicher Graf, der auch über große Besitzungen gebot und sich an Reichtum mit dem erstern messen konnte. Dies wurmte den geizigen, hoffärtigen Grafen, daß er nicht allein über die ganze Gegend wie ein Fürst gebieten mochte, und Tag und Nacht sann er nach, seinen Nachbar zu verderben und dessen Besitz sich anzueignen. Das schien ihm aber schwer, denn der edle Graf war beliebt und mächtig und hätte im offenen Kampfe vielleicht den Sieg davongetragen. Aufs Ungewisse wollte sich aber der Geizige nicht einlassen. Da war guter Rat teuer und er sperrte sich ein und brütete über schwarzen Plänen – und keiner gefiel ihm. Als er sich nie seinem Ziele näher sah, kam ihm der Gedanke, in den Wald hinauszugehen und den Hexenmeister zu befragen, der in der Wildnis hauste. Er tat es, schwang sich auf seinen Rappen und sprengte mutterseelenallein hinaus in den dunkeln Forst und suchte dort den Zauberer auf. Dieser gab ihm gegen eine große Belohnung eine Springwurzel, die Tür und Tor öffnete, und einen Zauberstab. Wen man damit berührte, der wurde in ein Pferd verwandelt. Nachdem der Graf diese Dinge und dazu Weise und Lehre erhalten hatte, ritt er vergnügt auf sein Schloß zurück. Hier ließ er seine vertrauten Leute sich rüsten, und als die dunkle Nacht eingebrochen war, zog er still und heimlich vor die Burg des andern Grafen. Mit der Springwurzel öffnete er das Tor – und den Wächter tötete man, ehe er ein Zeichen geben konnte. So machte man es auch den Dienern. Der geizige Graf selbst ging ins Schlafzimmer und erstach den guten Grafen; seinen einzigen Sohn aber, der süß im Bette schlummerte, berührte er mit der Zauberrute – und augenblicklich war er in einen Schimmel verwandelt. Dann ließ der Mörder zwei treue Diener zurück, denen er Befehl gab, das Roß und die Burg zu hüten, und zog mit den übrigen Begleitern ab, als ob gar nichts geschehen wäre. Still ritten sie heim und niemand in der weiten Umgegend ahnte etwas von dieser nächtlichen Untat. Der Graf sah nun seine Wünsche erfüllt und lachte über sein Verbrechen, denn sein Herz war kalt und hart wie Stein und sein Gewissen lange schon verschwunden. Als aber die folgende Nacht anbrach und die zwei Diener in der getäfelten Knappenstube saßen, erhob sich im geraubten Schlosse ein Höllenlärm. Rosse wieherten im Hofe und in den Ställen, auf den Stiegen schienen spornklirrende Ritter auf und abzuschreiten, die Türen flogen auf, die Fenster klirrten und selbst Stühle und Bänke bewegten sich. Die Diener, die in mancher Schlacht dem Tode mutig ins Auge geschaut hatten, zitterten wie Espenlaub und verbargen sich in einer Ecke. Allein der Lärm wurde immer toller und endlich kamen die gemordeten Knechte und Knappen in die Stube, setzten sich an die Tische und brachten den zwei Hütern Angst und Not, bis der Morgen graute. Da verschwand der Spuk und alles war wieder stille und ruhig wie in einer Totengruft. In der folgenden Nacht erhub sich wieder der alte Lärm und die zwei Diener beschlossen, eher sich töten zu lassen, als noch eine solche Schreckensnacht im Schlosse zu durchleben. Sie fütterten den Schimmel, schlossen Tür und Tor und gingen dann zu ihrer Burg und erzählten dem Grafen, was geschehen sei. Sie wollten um keinen Preis mehr im Geisterschlosse übernachten, setzten sie bei. Da lachte er ob ihrer Feigheit und schickte zwei andere Wächter hin. Allein auch diesen erging es nicht besser und sie erklärten schon am folgenden Tage, vom unheimlichen Schlosse abziehen zu wollen. Als die andern Diener dies hörten, fühlten sie keine Lust, das Abenteuer zu versuchen und blieben selbst gegen die reichen Versprechungen ihres Gebieters taub. Da rief der Graf seinen alten Diener zu sich und sprach: »Martl, du hattest immer das Herz auf dem rechten Flecke und noch nie hast du Furcht gekannt. Übernimm du die Burghut und ich werde dich halten wie einen Sohn. Täglich sollst du haben an Speise und Trank, was dein Herz begehrt, und deine Dienste will ich überdies königlich belohnen.« Martl kraute sich unentschlossen hinter den Ohren. Als aber der Graf nicht nachgab, fügte er sich seinem Begehren und begab sich dann auf das unheimliche Schloß, nachdem er noch den Befehl erhalten hatte, dem Schimmel ja nicht mehr als eine Hand voll Heu für den Tag zu geben. Der alte Diener lebte nun allein auf der Burg. Bei Tage schlief er und bei Nacht saß er auf seiner Stube, denn er hätte des Lärmens wegen doch kein Auge schließen können. Je am zweiten Tage kam aber der Graf, um nachzusehen, ob alles in Ordnung sei. Lange Zeit befolgte Martl den Befehl seines Herrn genau und gab dem Schimmel nur eine Hand voll Heu. Als aber das schöne Tier von Tag zu Tag mehr abmagerte, so daß man seine Rippen zählen konnte, tat’s dem Alten leid um das edle Roß und er dachte oft: dürfte ich dir mehr Futter geben! Allein dann kam ihm wieder das Gebot seines strengen Grafen in den Sinn und er ließ es bei dem Alten bewenden. Da wurde das Pferd immer schwächer, daß es kaum stehen konnte. Dies ging dem Diener zu Herzen, dem die Sache lang schon seltsam vorgekommen war, und er meinte: »Was wird es machen, wenn ich dem Schimmel einmal genug zu fressen gebe?« Er tat es und gab dem Tiere Heu und Hafer. Nachdem es sich gesättigt hatte, fing es an freudig zu wiehern und sprach: »Gott vergelt es dir! Wenn du aber glücklich für immer sein willst, so gib mir noch einmal ganz genug zu fressen. Dann schwing dich auf meinen Rücken und reite um den See herum, der drunten am Schloßhügel liegt, bis wir wieder zur Stelle kommen, von der wir ausgefahren sind. Der Graf wird uns zwar auf einem schwarzen Gaule, der ausgreift wie der Teufel, verfolgen, das schadet aber nicht; denn wenn du merkst, daß er uns nahe ist, und wir nicht entrinnen können, dann schlag mit der Peitsche, die droben im Rittersaale hängt, auf den Boden und wir sind gerettet.« Dem Martl kam der Fall, daß ein Roß reden könne, gar wunderbar vor und er sagte, wenn alles wahr wäre, wollte er folgen. Da versetzte der Schimmel: »An meiner Rede ist kein Wort erlogen. Das schwöre ich dir bei Gott und allen Heiligen« und dabei hob er den rechten Vorderfuß auf, als ob er schwören wolle. »Ich will mich besinnen,« sprach der Diener. »Aber verrate kein Sterbenswörtchen davon, was ich dir gesagt habe, einer lebenden Seele, sonst sind wir beide verloren,« flehte das Roß. Martl ging aus dem Stalle und dachte hin und her, was er tun solle. »Ein redendes Roß, das ist mir nie begegnet,« sprach er halblaut vor sich hin; »das ist kurios und warum bekümmert sich der Graf so um diesen Schimmel? Doch will ich in den Rittersaal gehen und schauen, ob dort eine Peitsche ist. Ich war schon oft droben und habe nie eine bemerkt.« Er stieg die Treppe hinauf, trat in den großen Saal und wirklich fand er eine schöne Peitsche mit goldenem Griffe unter einem alten Porträt hängen. »Bei Gott, das geht nicht mit rechten Dingen zu!« rief Martl. »Diese Peitsche ist erst heute hierhergekommen und niemand außer mir war im Schlosse.« Je länger er nachsann, desto wunderbarer schien ihm die Sache. Ihn überkam eine gewaltige Neugierde und bald entschloß er sich, den Wunsch des Schimmels zu erfüllen. Am folgenden Morgen gab er dem Rosse vollauf zu fressen und dann schwang er sich auf dessen Rücken und sprengte zum Tore hinaus gegen den See hinunter. Allein kaum war er dort angelangt, als der Graf auf einem pechschwarzen Rosse, aus dessen Nüstern Feuer stob, daher galoppiert kam. Der Schimmel griff so weit aus, daß er bald von Schweiß troff. Jedoch bald war der Rappe hart auf seinen Fersen und schon schien alles verloren, da schlug Martl mit der Peitsche auf den Boden, und sogleich sprang ein Hügel vor dem Grafen empor. Der Rappe hatte bald denselben umlaufen und setzte mit neuem Feuer dem flüchtigen Schimmel nach und kam näher und näher. Nun benutzte Martl wieder die Peitsche, und ein Bühl erhob sich. Auf diese Weise kam endlich der Schimmel glücklich an den Ausgangspunkt an und in demselben Augenblicke fiel die Haut von ihm, und ein bildschöner junger Ritter stund vor Martl, ergriff dessen Hand, drückte sie und sprach: »Gott lohn‘ es dir, daß du mich gerettet hast. Ich werde es dir zeitlebens vergelten.« Kaum hatte er dies gesprochen, tat es einen furchtbaren Knall. Sie blickten um und sahen, wie Graf und Rappe in den Boden versanken. Denn das schwarze Roß war der leibhaftige Teufel gewesen und hatte den Geizhals nun geholt. Der junge Graf zog aber als Herr und Gebieter in seine Burg ein und verlebte dort fortan ruhige, glückliche Tage. Den Martl behielt er lange als seinen vertrauten Diener an seiner Seite und schenkte ihm überdies einen großen, reichen Bauernhof, auf dem dieser später als eigener Herr schaltete und waltete.
(Bei Meran)
[Österreich: Ignaz und Josef Zingerle: Kinder- und Hausmärchen aus Tirol]