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An einem See wohnte ein Fischer mit seiner Frau und seinen zwei Söhnen. Als die Söhne volljährig geworden waren und Vater und Mutter und Kinder eben einmal beim Essen saßen, fing der Vater an: »Liebe Söhne, ihr seid jetzt in einem Alter, wo ihr die Welt kennen lernen und ihr Glück erproben müßt. Seid ihr ein wenig in der Welt herumgekommen, so könnt ihr wieder heimkehren, denn meine alten Tage will ich an eurer Seite zubringen.« Wie die Söhne das hörten, machten sie kurze Anstalten zur Abreise und am andern Tage in aller Frühe waren sie schon auf dem Weg. Es dauerte nicht lange, da teilte sich die Straße und der ältere Bruder begann: »Wie wäre es, Bruder, wenn wir uns trennen würden; wir können ja mehr erfahren, wenn wir nicht beieinander sind.« »Ist mir auch recht,« erwiderte der Jüngere. »Dann gehst du rechtsaus und ich links.«
Der Ältere hatte nichts dagegen zu sagen und die beiden nahmen Abschied voneinander. Bevor sie sich aber trennten, steckte jeder sein Messer in einen großen alten Baum, der gerade an der Wegscheide stand. Sobald einer von ihnen zurückkehren würde, sollte er erfahren, ob es seinem Bruder gut oder schlimm ergehe, je nachdem dessen Messer blank oder rostig wäre.
Der ältere Bruder wanderte rüstig vorwärts, weghin und wegher, hügelauf und hügelab, bis er endlich eine großmächtige Stadt vor sich sah. Wie er in dieselbe eintrat, sah er alle Häuser schwarz behangen und alle Leute, die ihm begegneten, waren schwarz gekleidet. Da kam es ihm völlig unheimlich vor und er fragte ein altes Männlein, was denn die allgemeine Trauer zu bedeuten habe. Das erzählte ihm, daß in der Nähe der Stadt ein See sei und in demselben wohne ein ungeheurer Drache, dem man jeden Monat zwei Lämmlein und eine Jungfrau zum Fraß geben müsse. Der Drache habe bereits alle Jungfrauen der Stadt gefressen und nur die Königstochter sei noch übrig. Morgen müsse dieselbe eine Speise des Ungetüms werden. Der Fischersohn fragte weiter, ob denn da gar nicht zu helfen wäre. »Wie denn zu helfen?« sagte das Männlein. »Der König hat wohl demjenigen, der den Drachen erlegt haben wird, den Thron und die Hand seiner Tochter versprochen, – allein wer wird sich denn einen so kecken Versuch einfallen lassen?« Der Fischersohn fragte nun genauer danach, an welchem Orte denn der Drachen erscheine, und hörte, daß neben dem See eine Kapelle stehe, daß in derselben die Lämmer gebunden liegen und die Jungfrau knien müsse, bis das Ungetüm herankomme und seinen Fraß zu sich nehme. Der Fischersohn sagte nun »Lebe wohl!« zum Männlein und ging weiter.
»Da hast du nun Gelegenheit, dein bißchen Mut auf die Probe zu stellen,« dachte er sich und am andern Tage in aller Frühe schnallte er sich sein Schwert um und nahm eine Lanze in die Hand und ging außer die Stadt hinaus zum See. Hinter der Kapelle verbarg er sich und blieb mäuschenstill. Die Königstochter kniete aber schon in der Kapelle und wartete zitternd die Ankunft des Ungetüms ab. Auf einmal entstand ein Plätschern und Platschen im See, daß das Wasser hoch aufspritzte, und das Plätschern und Platschen kam immer näher und näher. Der Fischersohn dachte sich wohl, was dahinter sei, schaute heimlich aus seinem Verstecke auf den See und da sah er einen Drachen heranschwimmen mit einem fürchterlichen Rachen und großen, großen Krallen. Da bebte ihm auch ein wenig das Herz, aber er nahm sich zusammen, und kaum war das Untier ans Ufer gekommen, so stürzte er hinter der Kapelle hervor und rannte ihm mit ganzer Gewalt seine Lanze in den Leib. Der Drache erhob ein fürchterliches Geheul und sperrte den scheußlichen Rachen gegen den Fischersohn auf, um ihn mit Haut und Haaren zu verschlingen. Der Fischersohn aber verlor das Herz nicht so geschwind, sondern zog schnell sein Schwert und stieß es dem Ungetüme in den aufgesperrten Rachen. Da konnte sich der Drache nicht mehr erwehren, schlug noch eine Weile mit dem Schweife im Wasser herum – aber in wenigen Minuten rührte er sich nimmer.
Der Jüngling trat nun in die Kapelle, brachte die Königstochter welche vor Schrecken die Besinnung verloren hatte, wieder zu sich, begrüßte sie als seine Braut und führte sie an seiner Hand nach Hause.
Jetzt war überaus große Freude in der Stadt, die schwarzen Tücher und Kleider wurden weggelegt und man erzählte sich nur von dem tapfern Jünglinge und von seinem Kampf mit dem Drachen. In wenigen Tagen war aber eine große Festlichkeit in der Stadt, denn der König hielt getreulich sein Wort und der Fischersohn hatte Hochzeit mit der geretteten Königstochter.
Eine gute Weile lebten sie fröhlich beisammen, wie es sich für rechte Eheleute gebührt, und der junge König regierte nach Recht und Gerechtigkeit über seine Untertanen. Eines Abends saß er wieder mit seinen Freunden bei Tische und war heiter wie immer. Da schaute er zufällig zum Fenster hinaus und sah ein helles Licht aus dem nahen Walde hereinglänzen.
»Was soll doch das Licht da draußen bedeuten?« fragte er die Gäste und schaute immer aufmerksamer auf das seltsame Flimmern.
»Ja, wer das wüßte!« antwortete einer, der gerade neben ihm saß. »Aber das kann Euch kein Mensch sagen; denn gar viele hat der Vorwitz in den Wald getrieben, um zu sehen, was etwa das für ein Licht sei. Aber keiner von allen ist jemals wieder herausgekommen.«
»So will ich selbst hin und sehen, was das ist,« sagte der König und stund vom Tische auf. Alle Anwesenden baten, er möchte sich doch nicht selbst in die Gefahr stürzen, denn es könnte ihm ebenso ergehen wie den übrigen.
Er aber blieb fest bei seinem Vorhaben, ließ sich sein Pferd satteln und ritt von dannen. Sein Hund lief neben dem Pferde her und schrie und bellte, daß die Felsen widerhallten. Es wurde immer dunkler und dunkler, und je mehr es nachtete, desto heller glänzte das Lichtlein zwischen den finstern Tannen hervor.
Bald hielt der König vor einem großen Schlosse, das stund an der Stelle, wo früher das Lichtlein geleuchtet hatte. Dieses war aber, wie von einem Windhauch ausgeblasen, auf einmal erloschen. Der König klopfte nun an dem Tore des Schlosses. Die Türe ging auf und ein altes Mütterchen trat heraus mit runzligem Gesichte und wackelndem Kopfe. »Bekomme ich hier Nachtherberge?« fragte der König, sobald er des Mütterchens ansichtig wurde.
»Müßt schon ein wenig gedulden,« erwiderte freundlich die Alte, »muß erst meinen Herrn fragen. Setzt Euch ein wenig auf die Bank da, Ihr seid gewiß müde.«
Der König ließ sich das nicht zweimal sagen, stieg vom Pferde, setzte sich auf die Bank neben der Türe und spielte zur Kurzweil mit seinem Hunde.
Bald ging die Türe wieder auf und das Mütterchen kam zum Vorschein. Es tat recht freundlich und sagte: »Könnt hier bleiben, wie lange Ihr wollt. An guter Bewirtung wird’s Euch nicht fehlen.« Während sie dies sagte, zog sie eine Rute unter dem Vortuch hervor, schlug damit dreimal auf den Stein, der neben dem König auf der Bank lag, und Hund und Roß und König waren in demselben Augenblicke in Stein verwandelt.
Im Königsschlosse wartete und wartete man und die Hoffnung wurde von Tag zu Tag kleiner, die Furcht aber von Tag zu Tag größer. Wer immer und immer nicht kam, das war der Herr König. Wie endlich auch das letzte Fünkchen Hoffnung auf seine Wiederkehr erlosch, war großer Jammer in der Stadt, denn alle Leute hatten den König liebgehabt wie einen Vater.
Der jüngere von den zwei Fischersöhnen hatte auch in der Welt allerlei erfahren und sich nebenbei ein gutes Schwert erobert und bekam endlich Lust wieder heimzugehen. Er machte sich also auf den Weg und ging und ging, bis er endlich zu dem Baume kam, in welchen die zwei Brüder ihre Messer gesteckt hatten. Sein erster Blick fiel auf das Messer seines Bruders und er wurde ganz blaß vor Schrecken, als er dasselbe von Rost ganz rot gefärbt sah.
»O weh,« dachte er sich, »meinem Bruder ist etwas Schlimmes begegnet, ich muß ihn aufsuchen und ihm helfen.«
Er dachte nun nicht mehr ans Nachhausegehen, sondern schlug die rechte Straße ein, auf der sein Bruder fortgegangen war. Er dachte nicht viel ans Essen und Schlafen und wanderte rüstig vorwärts bei Tag und bei Nacht. Es wollte eben wieder dunkel werden, da sah er eine großmächtige Stadt vor sich, und wie er in dieselbe eintrat, sah er die Leute traurig herumstehen, lange Gesichter machen und die Köpfe fast bis auf die Zehen hängen. »Was mag doch dahinter sein?« dachte er sich und fragte einen der Umstehenden, was denn der Stadt für ein Unglück begegnet sei. »Wie soll es uns nicht zu Herzen gehen,« antwortete dieser, »da wir unsern jungen König, den wir alle so lieb hatten, verloren haben! Da ließ er sich neulich nicht aufhalten, sondern ritt dort hinüber in den dunkeln Wald, aus dem das Lichtlein herüberglitzert und woraus noch keine Menschenseele, die sich hineinwagte, zurückgekommen ist.«
»So also ist’s?« erwiderte der Fischersohn und ging weiter. Aber was er gehört hatte, das schrieb er sich hinter die Ohren und geraden Weges ging er hinaus in den Wald, aus dem der König nicht wiedergekehrt war. Er verlor das Lichtlein nicht aus den Augen und schritt tapfer drauf los. Bald kam er zu einem großen Schlosse, das stund an der Stelle, woher früher das Lichtlein geleuchtet hatte. Dieses aber war, wie von einem Windhauch ausgeblasen, auf einmal erloschen. Der Fischersohn klopfte nun an das Tor des Schlosses. Die Türe ging auf und ein altes Mütterchen trat heraus mit runzligem Gesichte und wackelndem Kopfe. »Bekomme ich hier Nachtherberge?« fragte der Fischersohn, sobald er des Mütterchens ansichtig wurde.
»Müßt schon ein wenig gedulden,« war wieder die Antwort, »muß erst meinen Herrn fragen, setzt Euch ein wenig auf die Bank da, Ihr seid gewiß müde.«
»Was gedulden, was Herrn fragen?« schrie zornig der Fischersohn. »Laß mich durch alle Gänge und Säle des Schlosses, oder -!« Bei diesen Worten zog er sein großes Schwert und schwang es um den Kopf der Alten. Diese fuhr vor Schrecken zusammen und schien wohl zu verstehen, wo das hinaus wolle. »Ums Himmels willen, laßt mich!« kreischte sie mit heiserer Stimme, »ich will den König schon wieder lebendig machen.«
Und schnell lief sie in das Schloß und kam augenblicklich mit einem Rütlein wieder und schlug damit dreimal auf den Stein, der auf der Bank lag. Beim ersten Streiche sprang des Königs Hund auf und lief wie närrisch herum und bellte, beim zweiten erhob sich des Königs Pferd und schaute verwundert um sich her und wieherte, – beim dritten Streiche aber stund der König selbst auf und schaute seinem Bruder in die Augen und erkannte und küßte ihn. Auch der jüngere Fischersohn erkannte, daß der König sein Bruder sei, und die zwei Brüder hatten eine Freude, wie sie nur die Engel im Himmel haben können. Sie gingen nun mitsammen in die Stadt und da war ein Jubel, der gar nimmer aufhören wollte.
Der Ältere hatte nichts dagegen zu sagen und die beiden nahmen Abschied voneinander. Bevor sie sich aber trennten, steckte jeder sein Messer in einen großen alten Baum, der gerade an der Wegscheide stand. Sobald einer von ihnen zurückkehren würde, sollte er erfahren, ob es seinem Bruder gut oder schlimm ergehe, je nachdem dessen Messer blank oder rostig wäre.
Der ältere Bruder wanderte rüstig vorwärts, weghin und wegher, hügelauf und hügelab, bis er endlich eine großmächtige Stadt vor sich sah. Wie er in dieselbe eintrat, sah er alle Häuser schwarz behangen und alle Leute, die ihm begegneten, waren schwarz gekleidet. Da kam es ihm völlig unheimlich vor und er fragte ein altes Männlein, was denn die allgemeine Trauer zu bedeuten habe. Das erzählte ihm, daß in der Nähe der Stadt ein See sei und in demselben wohne ein ungeheurer Drache, dem man jeden Monat zwei Lämmlein und eine Jungfrau zum Fraß geben müsse. Der Drache habe bereits alle Jungfrauen der Stadt gefressen und nur die Königstochter sei noch übrig. Morgen müsse dieselbe eine Speise des Ungetüms werden. Der Fischersohn fragte weiter, ob denn da gar nicht zu helfen wäre. »Wie denn zu helfen?« sagte das Männlein. »Der König hat wohl demjenigen, der den Drachen erlegt haben wird, den Thron und die Hand seiner Tochter versprochen, – allein wer wird sich denn einen so kecken Versuch einfallen lassen?« Der Fischersohn fragte nun genauer danach, an welchem Orte denn der Drachen erscheine, und hörte, daß neben dem See eine Kapelle stehe, daß in derselben die Lämmer gebunden liegen und die Jungfrau knien müsse, bis das Ungetüm herankomme und seinen Fraß zu sich nehme. Der Fischersohn sagte nun »Lebe wohl!« zum Männlein und ging weiter.
»Da hast du nun Gelegenheit, dein bißchen Mut auf die Probe zu stellen,« dachte er sich und am andern Tage in aller Frühe schnallte er sich sein Schwert um und nahm eine Lanze in die Hand und ging außer die Stadt hinaus zum See. Hinter der Kapelle verbarg er sich und blieb mäuschenstill. Die Königstochter kniete aber schon in der Kapelle und wartete zitternd die Ankunft des Ungetüms ab. Auf einmal entstand ein Plätschern und Platschen im See, daß das Wasser hoch aufspritzte, und das Plätschern und Platschen kam immer näher und näher. Der Fischersohn dachte sich wohl, was dahinter sei, schaute heimlich aus seinem Verstecke auf den See und da sah er einen Drachen heranschwimmen mit einem fürchterlichen Rachen und großen, großen Krallen. Da bebte ihm auch ein wenig das Herz, aber er nahm sich zusammen, und kaum war das Untier ans Ufer gekommen, so stürzte er hinter der Kapelle hervor und rannte ihm mit ganzer Gewalt seine Lanze in den Leib. Der Drache erhob ein fürchterliches Geheul und sperrte den scheußlichen Rachen gegen den Fischersohn auf, um ihn mit Haut und Haaren zu verschlingen. Der Fischersohn aber verlor das Herz nicht so geschwind, sondern zog schnell sein Schwert und stieß es dem Ungetüme in den aufgesperrten Rachen. Da konnte sich der Drache nicht mehr erwehren, schlug noch eine Weile mit dem Schweife im Wasser herum – aber in wenigen Minuten rührte er sich nimmer.
Der Jüngling trat nun in die Kapelle, brachte die Königstochter welche vor Schrecken die Besinnung verloren hatte, wieder zu sich, begrüßte sie als seine Braut und führte sie an seiner Hand nach Hause.
Jetzt war überaus große Freude in der Stadt, die schwarzen Tücher und Kleider wurden weggelegt und man erzählte sich nur von dem tapfern Jünglinge und von seinem Kampf mit dem Drachen. In wenigen Tagen war aber eine große Festlichkeit in der Stadt, denn der König hielt getreulich sein Wort und der Fischersohn hatte Hochzeit mit der geretteten Königstochter.
Eine gute Weile lebten sie fröhlich beisammen, wie es sich für rechte Eheleute gebührt, und der junge König regierte nach Recht und Gerechtigkeit über seine Untertanen. Eines Abends saß er wieder mit seinen Freunden bei Tische und war heiter wie immer. Da schaute er zufällig zum Fenster hinaus und sah ein helles Licht aus dem nahen Walde hereinglänzen.
»Was soll doch das Licht da draußen bedeuten?« fragte er die Gäste und schaute immer aufmerksamer auf das seltsame Flimmern.
»Ja, wer das wüßte!« antwortete einer, der gerade neben ihm saß. »Aber das kann Euch kein Mensch sagen; denn gar viele hat der Vorwitz in den Wald getrieben, um zu sehen, was etwa das für ein Licht sei. Aber keiner von allen ist jemals wieder herausgekommen.«
»So will ich selbst hin und sehen, was das ist,« sagte der König und stund vom Tische auf. Alle Anwesenden baten, er möchte sich doch nicht selbst in die Gefahr stürzen, denn es könnte ihm ebenso ergehen wie den übrigen.
Er aber blieb fest bei seinem Vorhaben, ließ sich sein Pferd satteln und ritt von dannen. Sein Hund lief neben dem Pferde her und schrie und bellte, daß die Felsen widerhallten. Es wurde immer dunkler und dunkler, und je mehr es nachtete, desto heller glänzte das Lichtlein zwischen den finstern Tannen hervor.
Bald hielt der König vor einem großen Schlosse, das stund an der Stelle, wo früher das Lichtlein geleuchtet hatte. Dieses war aber, wie von einem Windhauch ausgeblasen, auf einmal erloschen. Der König klopfte nun an dem Tore des Schlosses. Die Türe ging auf und ein altes Mütterchen trat heraus mit runzligem Gesichte und wackelndem Kopfe. »Bekomme ich hier Nachtherberge?« fragte der König, sobald er des Mütterchens ansichtig wurde.
»Müßt schon ein wenig gedulden,« erwiderte freundlich die Alte, »muß erst meinen Herrn fragen. Setzt Euch ein wenig auf die Bank da, Ihr seid gewiß müde.«
Der König ließ sich das nicht zweimal sagen, stieg vom Pferde, setzte sich auf die Bank neben der Türe und spielte zur Kurzweil mit seinem Hunde.
Bald ging die Türe wieder auf und das Mütterchen kam zum Vorschein. Es tat recht freundlich und sagte: »Könnt hier bleiben, wie lange Ihr wollt. An guter Bewirtung wird’s Euch nicht fehlen.« Während sie dies sagte, zog sie eine Rute unter dem Vortuch hervor, schlug damit dreimal auf den Stein, der neben dem König auf der Bank lag, und Hund und Roß und König waren in demselben Augenblicke in Stein verwandelt.
Im Königsschlosse wartete und wartete man und die Hoffnung wurde von Tag zu Tag kleiner, die Furcht aber von Tag zu Tag größer. Wer immer und immer nicht kam, das war der Herr König. Wie endlich auch das letzte Fünkchen Hoffnung auf seine Wiederkehr erlosch, war großer Jammer in der Stadt, denn alle Leute hatten den König liebgehabt wie einen Vater.
Der jüngere von den zwei Fischersöhnen hatte auch in der Welt allerlei erfahren und sich nebenbei ein gutes Schwert erobert und bekam endlich Lust wieder heimzugehen. Er machte sich also auf den Weg und ging und ging, bis er endlich zu dem Baume kam, in welchen die zwei Brüder ihre Messer gesteckt hatten. Sein erster Blick fiel auf das Messer seines Bruders und er wurde ganz blaß vor Schrecken, als er dasselbe von Rost ganz rot gefärbt sah.
»O weh,« dachte er sich, »meinem Bruder ist etwas Schlimmes begegnet, ich muß ihn aufsuchen und ihm helfen.«
Er dachte nun nicht mehr ans Nachhausegehen, sondern schlug die rechte Straße ein, auf der sein Bruder fortgegangen war. Er dachte nicht viel ans Essen und Schlafen und wanderte rüstig vorwärts bei Tag und bei Nacht. Es wollte eben wieder dunkel werden, da sah er eine großmächtige Stadt vor sich, und wie er in dieselbe eintrat, sah er die Leute traurig herumstehen, lange Gesichter machen und die Köpfe fast bis auf die Zehen hängen. »Was mag doch dahinter sein?« dachte er sich und fragte einen der Umstehenden, was denn der Stadt für ein Unglück begegnet sei. »Wie soll es uns nicht zu Herzen gehen,« antwortete dieser, »da wir unsern jungen König, den wir alle so lieb hatten, verloren haben! Da ließ er sich neulich nicht aufhalten, sondern ritt dort hinüber in den dunkeln Wald, aus dem das Lichtlein herüberglitzert und woraus noch keine Menschenseele, die sich hineinwagte, zurückgekommen ist.«
»So also ist’s?« erwiderte der Fischersohn und ging weiter. Aber was er gehört hatte, das schrieb er sich hinter die Ohren und geraden Weges ging er hinaus in den Wald, aus dem der König nicht wiedergekehrt war. Er verlor das Lichtlein nicht aus den Augen und schritt tapfer drauf los. Bald kam er zu einem großen Schlosse, das stund an der Stelle, woher früher das Lichtlein geleuchtet hatte. Dieses aber war, wie von einem Windhauch ausgeblasen, auf einmal erloschen. Der Fischersohn klopfte nun an das Tor des Schlosses. Die Türe ging auf und ein altes Mütterchen trat heraus mit runzligem Gesichte und wackelndem Kopfe. »Bekomme ich hier Nachtherberge?« fragte der Fischersohn, sobald er des Mütterchens ansichtig wurde.
»Müßt schon ein wenig gedulden,« war wieder die Antwort, »muß erst meinen Herrn fragen, setzt Euch ein wenig auf die Bank da, Ihr seid gewiß müde.«
»Was gedulden, was Herrn fragen?« schrie zornig der Fischersohn. »Laß mich durch alle Gänge und Säle des Schlosses, oder -!« Bei diesen Worten zog er sein großes Schwert und schwang es um den Kopf der Alten. Diese fuhr vor Schrecken zusammen und schien wohl zu verstehen, wo das hinaus wolle. »Ums Himmels willen, laßt mich!« kreischte sie mit heiserer Stimme, »ich will den König schon wieder lebendig machen.«
Und schnell lief sie in das Schloß und kam augenblicklich mit einem Rütlein wieder und schlug damit dreimal auf den Stein, der auf der Bank lag. Beim ersten Streiche sprang des Königs Hund auf und lief wie närrisch herum und bellte, beim zweiten erhob sich des Königs Pferd und schaute verwundert um sich her und wieherte, – beim dritten Streiche aber stund der König selbst auf und schaute seinem Bruder in die Augen und erkannte und küßte ihn. Auch der jüngere Fischersohn erkannte, daß der König sein Bruder sei, und die zwei Brüder hatten eine Freude, wie sie nur die Engel im Himmel haben können. Sie gingen nun mitsammen in die Stadt und da war ein Jubel, der gar nimmer aufhören wollte.
(Bozen)
[Österreich: Ignaz und Josef Zingerle: Kinder- und Hausmärchen aus Tirol]