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Starker Hans’l

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Vor langer, langer Zeit lebte einmal ein Bauer und dieser hatte drei Söhne. Einer von diesen hieß Hans und war so stark, daß er alles, was ihm in den Weg kam, zugrunde richtete, und deshalb hieß er nur der starke Hans’l. Der Vater konnte ihn nicht mit den zwei andern Söhnen aufs Feld hinausschicken, um dort das Vieh zu hüten, denn Hans’l hätte die Herde bis auf das letzte Stück zugrunde gerichtet. Nur zu einem Dienste konnte man Hans verwenden: man brauchte ihn dazu, das Essen den Arbeitern aufs Feld hinauszutragen; aber auch das währte nicht ewige Zeiten. – Bald verwarf er im Übermute das Essen, bald trug er es an den unrechten Ort, bald verzehrte er die für andere bestimmten Speisen und kam, ohne ein bißchen Brot mit sich zu tragen, zu den hungernden Leuten auf den Acker. Einmal sollte er wieder das Essen auf die Wiese hinaustragen, wo die Brüder »heuten«. Hans’l nahm den Topf Speisen und trollte wohlgemut mit weit aufgesperrtem Munde durch die Felder und Wiesen und wußte selbst nicht, was und woran er dachte. Es dauerte aber nicht gar lange, da bekam er Hunger und setzte sich auf einen Stein, der am Wege stund und den Wanderern oft zur Rast diente. Hans’l aß sich satt, und als er den kleinen Rest der Speisen sah, meinte er, es wäre nicht der Mühe wert, ihn weiterzutragen, und schüttete ihn den Ziegen vor, die auf der Wiese neben dem Steige grasten oder lagen. Diese machten sich ganz lustig über die seltene Kost her und aßen und käuten nach Herzenslust. Als aber Hans’l die lieben Tiere so munter käuen sah, glaubte er, sie spotteten seiner, wurde erbost und schnitt in seinem Ingrimme jeder Geis das halbe Maul fort. Hans’l lachte, wie die armen Tiere so bluteten, und meinte schadenfroh: »Ich hätt’s euch wohl gemacht« und kehrte wieder heim.
Als Hans’l zu Hause angekommen war, erzählte er seinem Vater mit der größten Freude, wie er’s den bösen »Viehern« gemacht habe. Als der alte Vater dies hörte, wurde er verzagt und wußte nicht, was er mit dem dummen, starken Hans’l anfangen sollte. Endlich fiel ihm ein, er könnte den Buben wohl in den Wald schicken, bei den Bären und Wölfen würden demselben die Flausen schon vergehen. Gedacht, getan.
»Hans’l, jetzt kannst in den Wald hinaus gehen, Prügel aufladen und heimführen«, sagte der Vater.
Ohne ein Wort zu erwidern, ging Hans’l in die Schupfen, zog den großen Leiterwagen heraus, spannte die zwei Ochsen an und fuhr gegen den Wald. Im Walde lud er so viel Holz auf, als gehauen war. Als der Wagen ganz geladen war, wollte er nach Hause fahren und trieb mit Hio, hio und Peitschengeknalle die Ochsen zum Ziehen an. Die armen Zugtiere taten ihr Möglichstes, griffen aus und zogen an – allein der Wagen war zu überladen und wich keine Handbreit von der Stelle.
Hans’l war darüber zornig und erschlug beide Ochsen und band sie, daß sie alle viere in die Höhe streckten, auf die Bäume, die nach Hause geführt werden sollten. Der Wagen war nun noch schwerer geladen und niemand da, der ihn weitergezogen hätte. Was tat nun Hans’l? Hans’l ließ das Fuhrwerk stehen und ging tiefer in den Wald, wo die Bären hausten. Dort fing er einen stattlichen Brummbären ein und führte ihn an einem Seile zum Wagen, spannte ihn vor und machte ihn ziehen. Weil aber die Last für den Bären allein zu schwer war, half er selbst dem Braun und so ging das Fuhrwerk seiner Wege und kam nach Hause.
Als der Vater das seltsame Gespann und die toten Ochsen sah, wußte er nicht, was er mit dem Buben anfangen sollte, um seiner los zu werden. Als Hans’l abgeleert und den Bären ausgespannt hatte, ging er in die Stube und aß dort nach Ungnaden. Dem Vater war indes ein Weg eingefallen, um sich von Hans’l zu befreien, und er sagte zu ihm: »Hans’l, ich brauche ein Teufelshaar, morgen mußt du in die Hölle gehen und eines holen.«
»Warum nit?« meinte Hans’l und ging in seine Kammer und schlief und schnarchte die ganze Nacht durch, denn das Tagewerk hatte ihn müde gemacht.
Des andern Tages machte sich Hans’l in aller Frühe auf den Weg zur Hölle. Wohlgemut, als ob er aufs Mahd zöge, wanderte er bergab durch den dunkeln Wald und kam immer tiefer und tiefer. Er hatte schon eine ziemliche Strecke im Rücken, als ihm ein bärtiger Mann begegnete, der grün wie ein Jäger gekleidet war und zwei rote Federn auf dem Hut hatte.
»Wes Weges, Landsmann, schon so frühe?« fragte der Fremde.
»Ja, ich muß in die Hölle, um vom Teufel ein Haar zu holen«, erwiderte Hans’l.
»Gerade recht, daß du mir begegnest,« fuhr der Jäger fort. »Wenn’s nur das ist, brauchst nicht so weit zu gehen, denn ein Teufelshaar kann ich dir auch geben.«
»Das wäre mir gar gelegen, ich käme dann früher nach Haus und die Füße hätten auch nichts dagegen«, meinte Hans’l.
Der Jäger fuhr weiter: »Ich gebe dir ein Haar, aber wohlgemerkt! nur unter drei Bedingungen. Wenn du diese erfüllst, bekommst du das Haar, sonst bist du mit Kopf und Schopf mein!«
Hans’l war mit dem Antrage einverstanden und freute sich, daß er so leichten Kaufes zum Teufelshaare kommen würde.
Der Teufel holte nun unter einem Steine einen schweren, eisernen Hammer hervor und sprach: »Ich werfe diesen Hammer bis zu den Wolken hinauf, du mußt ihn auch, aber noch höher werfen, sonst bist du mein.«
»Ja,« dachte Hans’l, »das wird so ein Spaß sein!«
Der Teufel warf nun und der Hammer flog und flog bis zu den Wolken hinauf und fiel erst dann wieder zurück.
Hans’l schaute zu, und als er’s gesehen hatte, lachte er und dachte, das kann ich auch.
»Jetzt mußt du werfen«, sagte der Jäger.
»Warte nur ein bißchen!« antwortete Hans’l, legte sich auf den Rücken und sah mit forschenden Blicken zum Himmel empor.
»Was schaust du so?« fragte neugierig der Jäger.
Hans’l antwortete: »Ich muß zuvor schauen, daß ich wohl keinen Stern herunterwerfe«, und stand auf und wollte werfen, allein der Teufel erschrak und ließ ihn den Hammer nicht mehr schleudern.
Der Jäger holte nun ein riesiges Hifthorn und blies in dasselbe, daß es weitum hallte und von allen Felsen widergellte. Als er sein Blasestück abgelegt, wollte er das Horn dem Hans’l reichen. Dieser hatte aber, während der Jäger blies, eine riesige Fichte entwurzelt und drehte sie zu einer Wiede.
»Was machst du da, Hans’l?« fragte ihn der Jäger, als er dieses sah.
»Ich mache eine Wiede,« antwortete Hans’l, »um sie ums Horn zu winden, damit es nicht zerspringe, wenn ich aus Leibeskräften hineinblase.«
Der Jäger hatte daran genug und sich verrechnet. Er ließ ihn nicht blasen, sprach aber zum Hans’l: »Du mußt nun doch in die Hölle und mit mir auf dem eisernen Ofen tanzen.« Hans’l war damit nicht unzufrieden, denn er schien die Hölle nicht ungern noch bei Lebzeiten zu sehen.
Beide wanderten anfangs durch Fichten- und Föhrenwälder und dann durch baumlose Schlüfte weiter. Als sie in der Hölle angekommen waren, ließ der Teufel den eisernen Ofen so einfeuern, daß derselbe glühend wurde und man es vor Hitze in seiner Nähe nicht aushalten konnte. – Als dem verkappten Jäger die Hitze groß genug schien, sprach er: »Nun gilt’s« und Hans’l mußte die Schuhe ausziehen und mit dem Teufel auf dem glühenden Ofen tanzen. Der Teufel tanzte und der Hans’l nicht minder und dieser schnalzte noch immer mit den Fingern und schrie: »Kalt, kalt!«
Dem Teufel wurde der Tanz zu heiß, er stieg vom Ofen, und als Hans’l noch immer forttanzte, als ob er den Veitstanz hätte, und dabei vor Kälte zu schnattern schien, ward der Teufel des Handels überdrüssig, gab dem Hans’l das versprochene Haar und jagte ihn zur Hölle hinaus; denn sonst, meinte er, brauchen wir all unser Holz an einem Tage.
Der Hans’l ging mit dem Teufelshaare seelenvergnügt nach Hause und brachte es seinem Vater. Dieser machte anfangs, als er seinen Buben sah, große Augen, war aber heimlich auf den Hans’l und seine Stärke stolz. Nach dem Tode des Vaters erbte Hans’l Haus und Hof und ward, weil er so stark war, von allen Leuten weit und breit gefürchtet.

(Bozen)
[Österreich: Ignaz und Josef Zingerle: Kinder- und Hausmärchen aus Tirol]

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