Suche

Der Fürpaß

0
(0)
Einmal sind auch ein Mandl und ein Weibele gewesen, die nichts gehabt haben als die Not und jeden Kreuzer haben anschauen müssen. Das Leben ist ihnen nie verleidet, und der Mann hat oft zum Weib gesagt: »Wir sind zufrieden, und was braucht’s mehr?«
Einmal hat der Mann fortgehen müssen, und davor hat er dem Weib aufgetragen, recht zu sparen und etwas für den Fürpaß zu behalten.
»Ist schon recht«, hat das Weib gesagt, »sparen will ich schon, daß mir die Rippen krachen, und für den Fürpaß will ich schon etwas aufbehalten.«
Der Mann ist also abgereist und hat alles seinem Weib überlassen. Das Weib hat gespart und gerackert wie alle Wetter und hat immer an den Fürpaß gedacht.
Einmal ist nun ein Bettelmann ins Haus gekommen und hat zur Bäuerin gesagt: »O Bäuerin, ich bitt‘ Euch, könnt Ihr mir nicht ein Bröcklein Speck schenken?«
»Nein«, hat die Bäuerin gesagt, »ich kann jetzt nichts hergeben. Mein Mann ist weit fort, und ich muß alles für den Fürpaß aufsparen.«
»Das ist eben recht«, hat das Bettelmandl gemeint, »dann gebt nur mir den Speck. Ich bin ja selber der Fürpaß.«
»Ja dann«, hat die Bäuerin gesagt, »ist’s freilich etwas anderes«, und hat ihm die ganze Seite Speck geschenkt, die sie noch gehabt hat. Das Bettelmandl ist mit dem Speck durchgegangen, und die Bäuerin hat gemeint, daß jetzt alles in Ordnung sei.
Wie aber ihr Mann heimgekommen ist, hat die Sache ein anderes Gesicht bekommen. »Hast du fleißig gespart?« hat er zuerst gefragt.
»Ja, alles hab‘ ich für den Fürpaß aufgespart.«
»Und wo sind denn nachher die Sachen?«
»Ja, du hast gesagt, ich soll für den Fürpaß sparen. Und dem Fürpaß hab‘ ich alles gegeben.«
»Was für einem Fürpaß denn?«
»Der zu mir gekommen ist, die Sachen abzuholen.«
»Was für einer ist zu dir gekommen?«
»Ja, daß ich’s kurz sag‘, es ist ein Bettelmandl ins Haus gekommen, und wie ich ihm gesagt habe, ich könne ihm nichts geben und müsse alles für den Fürpaß behalten, so hat er gesagt, der Fürpaß sei er selber, ihm soll ich alles geben.«
Da ist der Mann zornig geworden und hat räsoniert und gesagt: »Du dummes Weib, wirst du denn in alle Ewigkeit nimmer gescheit? Ich habe gemeint, für die Zukunft sollst du etwas aufbehalten, damit wir nicht darben müssen, wenn wir alt sind. Verstehst du mich jetzt? Das ist doch zum Fußausreißen, nichts für den Fürpaß in der Hütte haben und noch dazu einen solchen Kürbis von einem Weib erhalten zu müssen!« So hat er fortgeschimpft, bis ihm fast der Atem ausgegangen ist, und hat sich halt gesorgt und gekümmert um die Zukunft, als wenn er gerade am Verhungern gewesen wäre.
Da ist ihm auf einmal in den Kopf geschossen, es könnte das Gescheiteste sein, seine einzige Kuh zu verkaufen und so für den Fürpaß zu sorgen. Dann ist er in den Stall gegangen, hat die Kuh abgelöst und ist damit auf den Markt gefahren.
Lange Zeit ist er mit seiner Kuh auf dem Markt gestanden und hat alle Leute angeschrien, ob sie ihm nicht die Kuh abkaufen wollten. Aber die Leute sind alle vorbeigegangen und haben ihn bei seiner Kuh stehengelassen. Endlich ist einer mit einem Esel gekommen und hat zu ihm gesagt: »Wenn du mir deine Kuh gibst, so geb‘ ich dir dafür meinen Esel.«
»Was nützt mich der Esel?« hat der Bauer gesagt. »Wenn ich dann für den Fürpaß nichts habe, behalt‘ ich lieber die Kuh.«
»Aber weißt du, was der Esel kann? Der Esel kann Geld furzen, und wenn du Geld hast, braucht dich der Fürpaß nimmer verzagt zu machen.«
Da hat sich der Bauer gedacht: Wenn das Ding so ist, dann muß ich den Esel freilich nehmen, und hat dem Händler seine Kuh dafür gegeben. Nachher ist er mit dem Esel heimgefahren und hat sich schon gefreut, den Esel einmal furzen zu lassen.
Unterwegs aber ist er zu einem Wirtshaus gekommen, und weil es schon angefangen hat finster zu werden, ist er dort über Nacht geblieben. In dem Wirtshaus sind aber lauter Hexen gewesen, und die haben dem Bauern so schöngetan und ihn so auszufragen gewußt, daß er ihnen nach und nach alles erzählt hat, warum er auf dem Weg sei, wie er gehandelt habe und was für eine wunderbare Eigenschaft sein Esel habe. Da haben die Hexen nicht lange Spaß gemacht, haben ihm seinen Esel genommen und einen andern dafür in den Stall getan.
Am andern Tag hat der Bauer den Esel aus dem Stall geholt und ist wieder weitergegangen. Wie er heimgekommen ist, hat er schon von weitem seinem Weib zugerufen: »Schau her, was ich bring‘! Das ist ein Esel, der Geld furzt.«
»Auch recht«, hat das Weib gesagt. »Einen solchen Esel kriegt man nicht alle Tage.«
Sie sind nun miteinander in den Stall gegangen, haben einen Stecken genommen und haben den Esel Geld furzen machen wollen. Der Esel aber hat sich nicht gerührt und kein Gran Geld gefurzt. Da ist das Weib zornig geworden, hat angefangen, den Mann zu schimpfen und hat gesagt: »So dumm wie du hab‘ ich doch nicht getan. Jetzt gehst du gar mit der guten Milchkuh auf den Markt und gibst sie für einen alten Esel her, von dem wir nichts haben, als daß wir ihn füttern müssen. Hättest du besser gleich die Kuh verschenkt, du Narr!«
So hat sie ihn lange Zeit herabgewürdigt und hat ihm alle »Titel« gegeben, die sie nur gewußt hat. Der Bauer hat sich das gefallen lassen müssen und ist ganz niedergeschlagen gewesen. Aber dann ist er wieder fortgegangen und hat den Menschen gesucht, der ihm den Esel angehängt hat. Wie er zu dem gekommen ist, hat er gesagt: »Du Betrüger, du nichtsnutziger, schau, daß du mir meine Kuh wiedergibst, sonst werd‘ ich dich schon kriegen. Du hast gesagt, daß dein Esel Geld furzt, und das ist erstunken und erlogen.«
Der Mensch hat sich nicht lang schimpfen lassen und hat gesagt: »Wenn du lästern willst, so geh in das Wirtshaus, wo sie dir den Esel ausgetauscht haben, und leere dort dein Maul aus. Ich habe dir schon einen Esel gegeben, der das Geldfurzen kann. Aber weil du wirklich um den Esel gekommen bist, will ich dir jetzt eine Henne geben, die statt der Eier Gold legt. Schau aber, daß es dir nicht wieder geht wie mit dem Esel, und geh nimmer in das Wirtshaus hinein.«
Der Bauer hat die Henne genommen und hat gesagt: »Nein, das Wirtshaus sieht mich gewiß nimmer.«
Aber gesagt ist’s bald. Wie er wieder zu dem Wirtshaus gekommen ist, ist die Kellnerin an der Tür gestanden und hat ihm allerhand vorgemacht, daß er hungrig sein müsse und jetzt etwas zu essen brauche und daß es heut so lustig sei im Wirtshaus und – weiß ich, was alles? Kurzum, sie hat so lange geredet, bis es ihn endlich hineingerissen hat. Wie er in der Stube drinnengesessen ist, haben sich die Hexen wieder hergesetzt und ihn so lange ausgefragt, bis er halt endlich erzählt hat, wer ihm die Henne gegeben und was für eine wunderbare Eigenschaft sie an sich habe.
Jetzt haben ihm die Hexen wieder bei Nacht seine Henne mit einer andern vertauscht. Am andern Morgen hat er sich mit seiner Henne auf den Weg gemacht und hat sich lange auf das Goldlegen gefreut. Wie er heimgekommen ist, hat er seinem Weib schon von weitem zugeschrien: »Weib, heute bring‘ ich etwas Rechtes.«
»Was bringst du denn?«
»Ich bring‘ eine Henne, die nicht Eier legt wie die andern Hennen, sondern lauter Geld.«
Dann ist er in die Stube hineingegangen und hat gewartet, bis die Henne gelegt hat. Aber wie sie geschaut haben, ist nur ein Ei dagewesen und kein bißchen Geld. Da hat das Weib noch viel ärger aufbegehrt als das erstemal und hat gewettert, daß dem Mann lange Zeit die Ohren gesummt haben. Es ist ihm freilich weniger um das Geschrei der Alten gewesen als um die Henne, die sie ihm im Wirtshaus vertauscht haben.
Wie er sich nicht hat zu raten und zu helfen gewußt, ist ihm endlich wieder eingefallen, zum Händler zu gehn und zu schauen, ob der ihm nicht helfen könne. Er hat sich also wieder auf den Weg gemacht und hat den Händler aufgesucht. Wie er ihn gefunden hat, hat er zu ihm gesagt: »Oh, mein lieber Mensch, im Wirtshaus haben sie mir schon wieder die Henne ausgetauscht, und jetzt ist halt alles verloren, was ich gehabt habe. Schau, könntest du mir gar nimmer helfen?«
»Wenn du bei dem Wirtshaus nicht vorbeigehen kannst, dann ist dir nimmer zu helfen«, hat der Händler gesagt.
Der Bauer hat aber darauf bestanden, daß er in das verhexte Wirtshaus gewiß nimmer hineingehen wolle.
»Wenn du mir das versprichst«, hat der Händler gesagt, »nachher will ich dir jetzt ein Tischlein geben. Wenn du dazu sagst: ‚Tischlein, richte dich!‘, so werden allemal darauf die herrlichsten Speisen angerichtet sein.« Dann hat er ihm das Tischlein gegeben, und der Bauer ist völlig aufgehüpft vor lauter Freude und ist wieder heimzu gegangen. Jetzt, hat er sich gedacht, habe ich doch noch das Beste. Hätt‘ ich Geld in Hülle und Fülle gehabt, so hätt‘ ich doch immer die Speisen erst einkaufen müssen. So aber habe ich keine Mühe und mein Weib keine, und wir können uns gerade zum gerichteten Tisch setzen.«
So hat er allerhand simuliert und ist unterdessen wieder zu dem Hexenwirtshaus gekommen. Die Kellnerin ist akkurat wieder auf der Schwelle gestanden und hat den Bauern angeredet. Er aber hat sie nicht beachtet und ist seinen Weg weitergegangen. Jetzt ist die Kellnerin zu ihm herausgekommen und hat gar so süß geredet und ihm so verhext schön getan, bis er endlich sein Versprechen vergessen hat und mit ihr ins Haus hineingegangen ist. Da hat er ihr auch noch von seinem Tischlein erzählt, woher er es habe und was für eine wunderbare Eigenschaft es besitze. Wie die Hexen von dem Tischlein gehört haben, ist ihnen sogleich die Lust darnach gekommen, und sie haben es ihm wieder mit einem andern vertauscht.
Wie er am anderen Morgen fortgegangen ist, hat er das falsche Tischlein zu sich gepackt und ist daheim wieder recht übel angekommen. Kaum hat er sein Weib gesehen, so hat er angefangen zu erzählen von dem wunderbaren Tischlein und was für ein herrliches Leben sie jetzt haben werden. Die Alte aber hat ihm nichts geglaubt und hat gesagt: »Zeig mir nur einmal, was das Tischlein kann. Ich glaube nichts, bevor ich’s nicht sehe.«
»Wirst schon glauben müssen«, hat der Mann gesagt, sein Tischlein hingestellt und gesagt: »Tischlein, richte dich!« Das Tischlein ist aber ruhig geblieben und hat sich nicht gerichtet.
Jetzt ist das Wetter wieder losgebrochen. Geschimpft und gelästert hat die Bäuerin noch viel ärger als die ersten beiden Male, und der Bauer hat sich geschämt wie nie zuvor. Er hat kein anderes Mittel gewußt, als wieder zu dem Händler zu gehen und ihn noch einmal um Hilfe zu bitten. Hart ist ihm das freilich angekommen, aber es war ihm doch lieber als nichts zu besitzen.
Wie er zum Händler hingekommen ist, hat er ihm wieder seine Not geklagt und ihn wieder gebeten, er möchte ihm aus der Klemme helfen. Der Händler ist ein guter Kerl gewesen und hat gesagt: »Weil du’s bist, will ich dir halt noch einmal helfen. Ich gebe dir jetzt ein Stück, womit du alle anderen zurückbekommen kannst, wenn du nur willst. Sieh, da hast du einen Hammer, der heißt Schlegele-tummel-dich, und sooft du ihn beim Namen nennst, wird er jeden tüchtig durchhämmern, dem du etliche Prügel auf den Rücken wünschst.«
Da hättest du hören sollen, wie der Mann gedankt hat für das Schlegele-tummel-dich und wie lustig er gesungen und gepfiffen hat auf dem Heimweg. Er ist aber nicht lange gegangen, da hat ihn schon wieder die Kellnerin vom Hexenwirtshaus gepackt und ihm zugeredet, ein bißchen einzukehren.
Diesmal hat er schleunig gefolgt, ist mit ihr in die Wirtsstube hineingegangen und hat gesagt: »Schlegele, tummel dich!« Da ist der Hammer herausgesprungen, hat zuerst die Kellnerin und dann den anderen Hexen die Köpfe tüchtig abgetrommelt, und der Bauer hat zugeschaut und gelacht. Die Hexen haben freilich gejammert und um Hilfe geschrien, aber der Bauer hat gesagt: »Wenn ihr mir meine drei Stücke nicht zurückgebt, so werde ich euch mausetot schlagen lassen.«
Die Hexen haben gleich versprochen, alles zurückzugeben, und der Hammer hat mit seiner Arbeit aufgehört. Richtig hat der Bauer von den Hexen den Esel, die Henne und das Tischlein bekommen und ist dann lustig nach Hause gegangen.
Wie ihm sein Weib begegnet ist, hat er geschrien: »Ja Alte, sei lustig, jetzt hab‘ ich alles bekommen, den Esel, der Geld furzt, die Henne, die Gold legt, und das Tischlein-richte-dich und noch dazu ein Schlegele- tummel-dich.«
Das Weib hat hellauf zu lachen angefangen und hat gesagt: »Du wohl, du Dummkopf, hast noch allemal etwas Sauberes heimgebracht. Wird diesmal schon auch etwas Rechtes sein.«
Da ist dem Mann der Zorn aufgestiegen, und er hat gerufen: »Schlegele, tummel dich!«
Der Hammer ist sogleich auf das Weib hingeschossen und hat ihr den Kopf zusammengedroschen, daß ihr ganz elend war.
Wie der Mann geglaubt hat, daß es genug ist, hat er den Hammer wieder aufhören lassen, und seitdem ist die Alte friedlich und fügsam gewesen ihr Lebtag. Daß sie bei dem Goldesel, der Goldhenne, dem Tischlein-richte-dich und dem Schlegele-tummel-dich ein gutes Leben gehabt haben, das kannst du dir denken.

Jetzt erzähl‘ ich dir aber heut kein Geschichtlein mehr.
»O wohl, erzähl noch eins.«
Nein, heut keins mehr.

Jetzt aber sei still!
Sonst kommt der Putz von der Dill.

(mündlich bei Meran)
[Österreich: Ignaz und Joseph Zingerle: Kinder und Hausmärchen aus Süddeutschland]

Wie hat dir das Märchen gefallen?

Zeige anderen dieses Märchen.

Gefällt dir das Projekt Märchenbasar?

Dann hinterlasse doch bitte einen Eintrag in meinem Gästebuch.
Du kannst das Projekt auch mit einer kleinen Spende unterstützen.

Vielen Dank und weiterhin viel Spaß

Skip to content