Der Riese kam herein und warf das Holz, das er für den Herd gesammelt, auf den Boden, daß die ganze Höhle erbebte und dem Bettler Hören und Sehen verging. Dann spürte es überall herum und sagte dabei in einem fort: „Ich riech‘ Menschenfleisch, ich riech‘ Menschenfleisch.“ Nicht lang, so hatte er den armen Mann gefunden und zog ihn hervor.
„Den sollst du mir heut abend braten“, sagte er zu seiner Frau. „Aber vorher sollst du mich noch zum Imbiß bedienen, kleiner Kerl“, fuhr er fort, „zeig her, was du kannst.“
Da mußte ihm der Bettler zuerst die Stiefel ausziehen, dann das haarige Gesicht waschen, darauf den Kopf vom Ungeziefer reinigen und zuletzt kochen. Das verstand er, denn er hatte sich immer selber sein geringes Essen bereitet, und er kochte dem Menschenfresser eine großmächtige Schüssel voll Nudeln. Die schmeckten dem Riesen, denn er hatte dergleichen noch nie gegessen. Er wurde ganz freundlich und hieß den Bettler mithalten. Dem war’s aber nicht ums Essen, er tat nur dergleichen und schüttete jeden Löffel voll in seinen Bettelsack, den er vorn um den Hals gebunden hatte.
Als die Schüssel leer war, sagte der Riese: „Ich möcht‘ noch mehr.“
„Ich möcht‘ auch noch mehr“, sagte der Bettler.
„Schaff her! Oder ich fresse dich!“ schnarchte der Menschenfresser.
„Ich wüßt‘ einen Rat“, meinte der listige Bettler, „wir müssen uns die Bäuche aufschneiden, so können wir noch einmal von vorn anfangen.“
Der andere war’s zufrieden, wenn der Bettler es zuerst täte. Dieser holte ein Messer in der Küche, schnitt seinen Bettelsack auf und schüttete die Speise in die Schüssel; der Riese fiel sogleich drüber her und hatte sie – was gibst, was hast – verschlungen.
Da fing er wieder an: „Ich möcht‘ noch mehr.“
„Ich auch“, sagte der Bettler.
„So ist’s an mir“, sprach der dumme Riese, nahm das Messer und schnitt sich den Bauch auf von unten bis oben, so daß er sogleich tot hinfiel. Und der Bettler hat ihn nicht verbunden, sondern ist froh gewesen, daß er so gut davongekommen ist.
Die gute Menschenfressersfrau aber dankte dem lieben Gott, daß sie den Unmenschen los war, und sie gab dem Bettler alle Schätze ihres Mannes, und er nahm sie zu seiner Frau. Sie zogen darauf ins Dorf, kriegten noch Kinder und Großkinder, und wenn sie nicht gestorben sind, so leben sie noch.
Quelle:
(Kinder- und Hausmärchen aus der Schweiz)