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Das kluge Mädchen

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Es war einmal ein Jäger, der eine Frau hatte und zwei Kinder, einen Knaben und ein Mädchen, und sie wohnten in einem Walde, wo niemand hinkam, und so wußten sie nichts von der Welt. Der Vater ging manchmal in die Stadt und brachte Nachricht von da. Einmal ging der Sohn des Königs auf die Jagd und verirrte sich im Walde, während er den Weg suchte, wurde es Nacht, er war müde und hungrig. Plötzlich sieht er fern, ein Licht schimmern. Er geht ihm nach und kommt zu dem Hause des Jägers und bittet um Unterkunft und etwas zu essen. Der Jäger erkannte ihn gleich und sagte: „Hoheit, wir haben schon gegessen, aber es wird sich noch etwas für Euch finden, wenn Ihr vorlieb nehmen wollen. Was soll ich machen? Wir sind soweit von der Welt entfernt, daß wir uns nicht verschaffen können, was man täglich braucht.“ Indessen ließ er einen Kapaun kochen. Der Prinz wollte ihn nicht alleine essen, vielmehr rief er die ganze Familie des Jägers, gab dem Vater den Kopf, den Rücken der Mutter, die Füße dem Sohn, die Flügel dem Mädchen, und das übrige aß er selbst. Dann kam der Augenblick, zu Bett zu gehen. Im Hause waren nur drei Betten in einer einzigen Kammer; in dem einen schliefen Mann und Frau, in dem anderen Bruder und Schwester. Die Alten gingen in den Stall und überließen ihr Bett dem Prinzen. Als das Mädchen sah, daß er eingeschlafen war, sagte sie zum Bruder: „Ich wette, daß du nicht weißt, warum der Prinz den Kapaun auf diese Art zwischen uns geteilt hat.“ – „Weißt du es? Sage mir’s!“ – „Den Kopf hat er dem Vater gegeben, weil er das Haupt der Familie ist, den Rücken der Mutter, wie sie den ganzen Haushalt auf den Schultern hat, die Beine dir, da du flink sein mußt, um alle Aufträge auszurichten, die, die andere dir geben, und mir die Flügel, um fortzufliegen, und einen Mann zu suchen.“ Der Prinz tat, als ob er schlafe, schlief aber nicht, sondern hörte alles, und merkte, daß das Mädchen viel Verstand hatte, und weil sie auch noch hübsch war, verliebte er sich in sie.

Am anderen Morgen verließ er das Haus des Jägers, und an den Hof zurückgekehrt, schickte er ihm durch einen Diener eine Börse mit Geld, dem Mädchen aber einen Kuchen in Form eines Vollmonds, dreißig kleine Pasteten und einen gekochten Kapaun, wobei er sie dreierlei fragen ließ: Ob man im Walde am dreißigsten des Monats sei, ob der Mond voll sei und ob der Kapaun am Abend singe. Der Knecht, obwohl er sonst sehr zuverlässig war, ließ sich doch von der Lüsternheit verleiten, aß fünfzehn Pastetchen, ein gehöriges Stück von dem Kuchen und den Kapaun. Das Mädchen aber, das alles verstanden hatte, sandte die Antwort an den Prinzen, den Fasan zu retten, aus Liebe zu dem Rebhuhn. Auch der Prinz verstand das Gleichnis, rief den Diener und herrschte ihn an: „Spitzbube! Du hast den Kapaun gegessen, fünfzehn Pastetchen und ein großes Stück von der Torte. Danke dem Mädchen, das für dich gebeten hat, sonst müßtest du hängen!“

Einige Monate darauf fand der Jäger einen goldenen Mörser und wollte ihn dem Prinzen zum Geschenk machen. Seine Tochter aber sagte zu ihm: „Ihr werdet wegen dieses Geschenkes verhöhnt werden. Der Prinz wird euch sagen: Der Mörser ist gut und schön, aber Kerl, wo ist der Stößel?“ – Der Jäger hörte nicht auf seine Tochter. Als er aber dem Prinzen den Mörser brachte, hörte er von ihm genau das, was sie vorausgesagt hatte. – „Das hatte mir schon meine Tochter gesagt“, rief der Jäger. „O, wenn ich ihr doch gefolgt wäre!“ – Als der Prinz das hörte, sagte er ihm: „Deine Tochter, die so weise ist, soll mir hundert Ellen Leinwand aus vier Unzen Flachs machen. Sonst lasse ich dich und sie aufhängen.“
Der arme Vater ging weinend nach Hause zurück, in der Überzeugung, daß er und sein Kind sterben müsse, denn wer macht hundert Ellen Leinwand aus vier Unzen Flachs? Das Mädchen aber, das ihm entgegengegangen war, fragte ihn, weshalb er weine, und da sie den Grund erfahren hatte, sagte sie: „Und um das weint ihr! Gebt mit den Flachs, für das andere werd‘ ich sorgen.“ Dann machte sie aus dem Lachs vier Schnüre und sprach zum Vater: „Nehmt diese Schnüre und sagt dem Prinzen, wenn er mir aus diesen Schnüren einen Webstuhl gemacht hat, werde ich ihm die hundert Ellen Leinwand weben.“ Der Prinz, als er diese Antwort hörte, wußte nicht, was er sagen sollte, und dachte nicht mehr daran, weder den Vater noch die Tochter hinrichten zu lassen. Am nächsten Tage aber ging er in jenen Wald, um das Mädchen zu besuchen. Ihre Mutter war gestorben, der Vater ausgegangen, seinen Acker umzugraben. Der Prinz klopft an, aber niemand öffnet. Er klopft noch einmal, doch nichts; das Mädchen stellte sich taub. Endlich wird es der Prinz müde, zu warten, sprengt die Tür und tritt ein. „Du Ungezogene! Wer hat dich gelehrt, einem meinesgleichen nicht zu öffnen? Und dein Vater und deine Mutter – wo sind sie?“ – „O, wer konnte wissen, daß Ihr es seid? Der Vater ist auf seinem Felde, und die Mutter weint um ihr Leid. Sie müssen gehen, denn ich habe anderes zu tun, als Euch anzuhören.“ Der Prinz ging zornig weg und beklagte sich beim Vater wegen der groben Manieren seiner Tochter, der Vater aber entschuldigte sie. Endlich sah der Prinz, wie klug und schlau sie war und nahm sie zur Frau. Sie feierten sehr festlich die Hochzeit, da fiel aber was vor, was um ein Haar der Prinzessin Unglück gebracht hätte.

Es war Sonntag, und zwei Bauern, einer mit einer trächtigen Eselin, der andere mit einem Handkarren, kamen an der Kirche vorbei. In diesem Augenblick läutete es zur Messe, und sie gingen hinein. Der eine ließ seinen Karren draußen, der andere band seine Eselin an den Karren und beide gingen hinein. Während der Messe warf die Eselin ein Junges, und sowohl ihr Herr, als auch der mit dem Karren wollten das Eselfüllen für sich. Man appellierte an den Prinzen, und der gab das Urteil, das Junge gehöre dem Besitzer des Karrens. Denn, sagte er, es sei leichter, daß der Herr der Eselin sie an den Karren angebunden hätte, um die Geburt des Jungen zu fälschen als daß der andere den Karren an die Eselin angebunden hätte. Die Vernunft sprach für den Herrn der Eselin, und das ganze Volk war auf seiner Seite. Der Prinz aber hatte den Spruch getan, dagegen war nicht anzukommen. Der arme Verurteilte aber sah seine Zuflucht bei der Prinzessin, und sie riet ihm, Netze auf den Platze auszuwerfen, wenn der Prinz vorbeikäme. Das geschah, und als der Prinz die Netze sah, sagte er zu jenem Manne: „Was tust du, Narr? Willst du auf dem Marktplatz Fische fangen?“ – Der Bauer, den die Prinzessin beraten hatte, antwortete: „Es ist leichter, daß ich auf dem Platz Fische fange, als daß ein Karren Eselfüllen wirft.“ Der Prinz nahm sein Urteil zurück.
Der Prinz nahm sein Urteil zurück. Dann aber, als er in den Palast zurückgekehrt, da er gemerkt, daß die Prinzessin die Antwort eingegeben hatte, sagte er ihr: „Binnen einer Stunde, mache dich bereit, nach deinem Hause zurückzukehren. Nimm das mit, was dir am meisten gefällt, und gehe!“ – Sie betrübte sich gar nicht. Sie speiste besser als sonst zu Mittag und ließ den Prinzen eine Flasche Wein trinken, in den sie ein Schlafmittel getan hatte. Als er dann wie ein Toter schlief, brachte sie ihn in einen Wagen und nahm ihn mit in ihr Haus. Es war Januar und sie ließ das Dach des Hauses abheben und es auf den Prinzen herabschneien. Da wachte er auf und rief laut nach seinem Diener. „Ei, was Diener!“ sagte die Prinzessin. „Hier befehle ich. Hast du mir nicht gesagt, ich solle aus deinem Hause mitnehmen, was mir am besten gefalle? Ich habe dich mitgenommen, und jetzt gehörst du mir.“ Der Prinz lachte, und sie schlossen Frieden.

Italienisches Märchen /Heyse

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