1
(1)
Ein König verlor sein Reich. Sein Sohn musste fliehen und irrte lange Zeit allein in Thälern und Wäldern herum, bis er eines Tages zu einem schönen Häuschen kam. Darin wohnte ein Herr, dieser nahm den flüchtigen Prinzen als Diener auf. Er musste die kleinen Dienste des Hauses versehen und sich besonders die Fütterung der Hausthiere angelegen sein lassen. Diese waren aber nur eine Stute und ein Bär; die Stute musste – so befahl es der Herr – mit Fleisch, der Bär dagegen mit Heu gefüttert werden.
So dauerte es einige Zeit, als der Herr einmal verreisen musste. Vor der Abreise übergab er dem jungen Diener die Schlüssel zu allen Gemächern des Hauses und sagte: »Ueberall darfst du eintreten, nur die Thüre, zu welcher dieser rostige Schlüssel gehört, darfst du nie aufsperren, sonst wehe dir!« Der Jüngling nahm die Schlüssel und der Herr reiste ab.
Eine Zeit lang widerstand der Prinz der Versuchung, die verbotene Thüre zu öffnen; endlich aber vermochte er den Drang seiner Neugierde nicht mehr zu überwinden und sperrte die Thüre auf. Er sah aber nichts, als einen kleinen See. »Gerade recht«, dachte er sich, »es ist heute ein so heisser Tag, ich will mich baden.« Gesagt, gethan. Als er sich wieder angekleidet hatte, ging er in den Stall hinab zur Stute, welche auf einmal zu reden anfing und sagte: »Ei, du bist im verbotenen Gemache gewesen, du hast goldene Haare!« Ueberrascht blickte der Prinz in einen Spiegel und erkannte, dass die Stute wahr gesprochen habe, denn seine Haare glänzten wie lauteres Gold in der Sonne. Als die Stute sah, dass er erschrocken sei, hub sie wieder an und sprach: »Wir wollen beide fliehen, aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Geh hinauf in dieses und dieses Zimmer, da wirst du einen Kamm, eine Scheere und einen Spiegel finden. Nimm sie, komm aber schnell wieder zurück und steig auf mich, damit wir fliehen.« Der Prinz holte schnell die benannten drei Dinge, stieg auf die Stute und floh.
Noch waren sie nicht gar weit, da hörten sie den Herrn hinter sich, der sie wüthend verfolgte. Als er ganz nahe gekommen war, sagte die Stute: »Wirf den Kamm hinter dich!« Der Prinz that es und es entstand ein hoher breiter Zaun, welcher dem Verfolger lange zu schaffen machte. Aber nach einiger Zeit merkten die Fliehenden, dass er wieder hinter ihnen sei. Da sprach die Stute: »Wirf die Scheere hinter dich!« Der Prinz warf die Scheere auf den Boden und es entstand ein dichter undurchdringlicher Wald voll Dorngebüsche, so dass man glauben mochte, der Verfolger werde denselben nicht durchdringen können. Aber nach einer Weile war er den Fliehenden wieder auf den Fersen. Da sprach die Stute: »Wirf den Spiegel hinter dich!« Der Spiegel fiel auf den Boden und es entstand ein grosser breiter See. Da sagte die Stute: Jetzt sind wir sicher und können unsern Weg gemächlich fortsetzen.«
Bald kamen sie zu einer grossen Stadt. Der Prinz verhüllte seine Haare durch eine grosse Mütze, denn er wollte kein Aufsehen erregen. Er ritt auf die königliche Burg zu und stellte dort die Bitte, man möchte ihn als Diener aufnehmen. Nun waren die Dienerstellen alle besetzt, nur einen Gärtnerjungen konnte man noch brauchen. Der Prinz war es zufrieden, doch stellte er die Bedingung die Stute behalten und in den königlichen Stall stellen zu dürfen, was ihm gern gewährt wurde.
Der neue Gärtnerjunge hatte nun ein angenehmes Leben. Er begoss und pflegte die Blumen, aber das ihm übertragene Hauptgeschäft war, dass er täglich für die drei Töchter des Königs Blumensträusse binden musste. Einmal kamen sie selbst in den Garten und da gefiel ihm die jüngste am besten. Seit dieser Zeit war auch der Strauss für dieselbe immer ein wenig schöner, so dass es diese leicht bemerken konnte und mit Wolgefallen auf den hübschen Gärtnerjungen sah. Nur wusste sie sich nicht zu erklären, warum er sein Haar so sorgfältig verberge, er aber sagte ihr, er leide an einem bösen Ausschlage am Kopfe. Einmal aber arbeitete er im Garten, während die jüngste Prinzessin auf dem Balkone war und als er sich bückte und die Mütze sich ein wenig lüftete, da sah sie seine goldenen Haare. Sie kam sogleich zu ihm herab und hörte nicht auf zu bitten, bevor er nicht die Mütze abnahm, aber er that es nur gegen das Versprechen, dass sie strenges Stillschweigen beobachten wolle. Seit diesem Tage wurde ihr Wolwollen für den goldhaarigen Gärtnerjungen, den sonst alle für einen armen Aussätzigen ansahen, noch grösser und bei ihrem unschuldsvollen Herzen wollte sie nur sich selbst nicht gestehen, dass sie ihn ernstlich liebe.
So verging wieder einige Zeit; da beschloss der König seine Töchter zu vermählen. Er schrieb daher ein grosses Turnier aus und liess verkünden, wer da siege, dem werde er seine älteste Tochter vermählen. Es fanden sich auch sehr viele Ritter und Prinzen ein.
Am Morgen des zum Turnier bestimmten Tages ging der Gärtnerjunge zur Stute und diese sagte ihm, er solle sich weiss kleiden und dann auf ihr zum Turnier reiten. Als nun die Ritter alle zum Turnier versammelt waren, da theilte sich die Volksmenge und heran sprengte hoch zu Ross ein weissgekleideter Jüngling mit so schönen lichtgoldfarbigen Haaren, dass man solche Pracht nie gesehen hatte. Er überwand alle Gegner, die sich ihm entgegenstellten; als das Turnier zu Ende war, verschwand er auf seinem Pferde wie der Blitz, ohne dass man ihn gekannt hätte oder wusste, wohin er gekommen sei.
Der König befahl das Turnier am folgenden Tage zu erneuern und stellte überall Wachen aus mit dem Auftrage den Jüngling mit den goldenen Haaren nicht entkommen zu lassen und ihn an den königlichen Hof zu führen. Der Jüngling erschien diesmal in blauem Gewande und siegte wieder über alle Gegner, wie am vorigen Tage. Aber er entkam den Wachen trotz aller Aufmerksamkeit und Niemand konnte sagen, wohin er geritten sei. Das wurmte den König und er befahl am dritten Tage noch einmal ein grosses Turnier zu halten; auch liess er überall doppelte Wachen ausstellen. Diesmal erschien der Jüngling in purpurnem Gewande; vergebens nahmen es die stärksten und besterprobten Ritter mit ihm auf, er hob sie alle aus dem Sattel. Als ihn nach dem Turnier die Wachen aufhalten wollten, setzte das Pferd in gewaltigen Sprüngen über sie hinweg und er verschwand abermals spurlos aus ihren Augen.
Nun versuchte der König ein anderes Mittel. Er befahl, dass am folgenden Tage alle Ritter, Mann an Mann, unter dem Balkone seiner Burg vorbeiziehen sollten. Seinen Töchtern aber gab er goldene Kugeln; jener Ritter, welchem eine seiner Töchter ihre Kugel zuwürfe, solle deren Gemal und sein Eidam sein, das gelobte er mit seinem königlichen Worte.
Die Ritter zogen in langer Reihe am Balkone vorbei, aber der goldhaarige Jüngling war nicht darunter und keine der Prinzessinnen warf ihre Kugel.
Am nächsten Tage erneuerte sich dieses Schauspiel. Die Ritter zogen abermals in langer Reihe vorüber; da warfen die beiden ältern Prinzessinnen ihre Kugeln denen zu, welche ihnen am besten gefielen – und das waren gar stattliche Herren und wol würdig, des Königs Eidame zu werden. Nur die jüngste behielt ihre Kugel, denn der Jüngling mit den goldenen Haaren war nicht im Zuge.
Am dritten Tage mussten auf Befehl des Königs nochmals alle Ritter, dann auch alle Bürger und Männer der Stadt bis zum lezten und ärmsten herab am Schlosse vorüberziehen. Dies geschah, und es schien, als sollte der lange Zug gar nicht mehr enden. Einer der lezten kam auch der aussätzige Gärtnerjunge mit seiner grossen Mütze auf dem Kopfe und ihm warf die jüngste Prinzessin ihre goldene Kugel zu. Dieser Vorfall erregte ungeheures Aufsehen. Der König war ausser sich vor Zorn über die Wahl seiner jüngsten Tochter, aber er musste sein königliches Wort halten.
Beim Hochzeitmale sass der Gärtnerjunge, das Haupt noch immer sorgfältig mit der Mütze bedeckt, mit der Prinzessin zu unterst an der Tafel und Niemand achtete auf sie. Aber sie waren desto ungestörter in ihren traulichen Gesprächen und ihr Gesicht stralte vor lichter Freude. Auch in der darauf folgenden Zeit wurden beide vom ganzen Hofe vernachlässigt, ja geradezu verachtet; allein das machte ihnen geringen Kummer.
Nach einiger Zeit erkrankte der König. Die Aerzte versuchten Alles, aber endlich erklärten sie verzweifelnd, nur durch Drachenblut könne der Kranke noch gerettet werden. Nun hauste wol ein Drache in einer tiefen Schlucht; aber man musste, um den gefährlichen Kampf zu bestehen, durch einen noch gefährlicheren Wald gehen, in den schon viele hinein, aber nie Einer wieder heraus gekommen. Da ward es für die drei königlichen Schwiegersöhne eine Ehrensache, das Drachenblut zu holen und sie zogen dazu aus. Die beiden ältern Prinzessinnen waren sehr traurig und weinten beim Abschiede; nur die jüngste war, wie immer, frohen Muthes.
Als sie an den Rand des gefährlichen Waldes gekommen waren, wandelte die beiden ersten eine grosse Furcht an und der helle Angstschweiss stand auf ihrer Stirne. Der arme Aussätzige aber – er trug noch immer die grosse Mütze – sagte: »Wenn ihr nicht mit wollt, so will ich’s allein versuchen.« Damit waren sie zufrieden und versprachen hier bleiben und seine Rückkunft abwarten zu wollen.
Der Prinz ritt nun auf seiner Stute durch den Wald und kam durch alle Gefahren glücklich hindurch. Bald fand er den Drachen, erlegte ihn, füllte von seinem Blute eine Flasche und kehrte eben so glücklich wieder zurück. Als die beiden andern ihn kommen sahen, bezeigten sie zwar grosse Freude, aber im Innern wurmte es sie sehr, dass der aussätzige Gärtnerjunge ihnen nun den Rang ablaufen sollte. Daher sprachen sie: »Was müssen wir dir geben, wenn du uns das Drachenblut gibst?« Er erwiederte: »Das werde ich thun, wenn ihr mir die goldenen Kugeln gebt, welche die Prinzessinnen euch zugeworfen haben.« Sie gaben ihm die Kugeln und er gab ihnen das Drachenblut.
Das war troz aller Trauer doch ein grosser Jubel, als die Schwiegersöhne des Königs mit dem Drachenblute kamen; ganz verachtet zog auch der Gärtnerjunge hinter ihnen her. Der König war nun in kürzester Zeit wieder heil und gesund und veranstaltete zur Feier seiner Genesung ein grosses Festmal. Bei diesem sassen Prinz Goldhaar und die Prinzessin wieder wie gewöhnlich am untersten Ende der Tafel und schwiegen, während die beiden andern Eidame des Königs gar schreckliche Wunderdinge davon erzählten, wie sie den Drachen gefunden und erlegt hätten.
Endlich liessen sie sich vom Weine erhizt sogar verleiten, den verachteten Gärtnerjungen offen zu verhöhnen. Da stand dieser auf und fragte: »Wo habt ihr eure goldenen Kugeln, welche ihr von euern Frauen erhalten habt?« Sie zogen nun die goldenen Kugeln hervor, welche sie sich inzwischen hatten machen lassen und legten sie dem Könige vor. Prinz Goldhaar aber rief mit zürnendem Ernste: »Ihr Feiglinge, erst gebrach es euch an Muth mit dem Drachen zu kämpfen und jezt wagt ihr es mich noch verhöhnen zu wollen? Eure Kugeln sind unächt, die ächten habt ihr mir gegeben, als ich euch das Drachenblut brachte – hier sind sie!« Der König prüfte die Kugeln und fand zu seinem Erstaunen, dass der Gärtnerjunge wahr gesprochen habe. Dieser nahm nun auch die Mütze vom Kopfe und mit grösstem Erstaunen sahen alle Anwesenden sein lichtgoldfarbiges Haar und erkannten den Jüngling, welcher in den drei Turnieren alle Gegner besiegt hatte. Die zwei andern hätten vor Scham in die Erde sinken mögen und während der König den Prinzen Goldhaar umarmte, schlichen sie verwirrt aus dem Saale.
Darauf ging Prinz Goldhaar auch in den Stall, um der wackern Stute zu danken. Da sprach sie: »Jezt ist auch meine Zeit aus, hau mir den Kopf ab!« Zögernd gehorchte der Prinz und sieh! vor ihm stand eine wunderschöne Prinzessin, welche lange verzaubert gewesen und nun befreit war. Nach mehrtägigen Festen, die ihr zu Ehren bei Hofe gegeben wurden, kehrte sie fröhlich zu ihrem Vater zurück, welcher der mächtige König eines fern gelegenen Reiches war.
Prinz Goldhaar aber blieb fortan der Liebling und Vertraute des alten Königs und erbte nach dessen Tode Reich und Krone. Damit ist meine Geschichte aus; jezt erzählt die eurige.
So dauerte es einige Zeit, als der Herr einmal verreisen musste. Vor der Abreise übergab er dem jungen Diener die Schlüssel zu allen Gemächern des Hauses und sagte: »Ueberall darfst du eintreten, nur die Thüre, zu welcher dieser rostige Schlüssel gehört, darfst du nie aufsperren, sonst wehe dir!« Der Jüngling nahm die Schlüssel und der Herr reiste ab.
Eine Zeit lang widerstand der Prinz der Versuchung, die verbotene Thüre zu öffnen; endlich aber vermochte er den Drang seiner Neugierde nicht mehr zu überwinden und sperrte die Thüre auf. Er sah aber nichts, als einen kleinen See. »Gerade recht«, dachte er sich, »es ist heute ein so heisser Tag, ich will mich baden.« Gesagt, gethan. Als er sich wieder angekleidet hatte, ging er in den Stall hinab zur Stute, welche auf einmal zu reden anfing und sagte: »Ei, du bist im verbotenen Gemache gewesen, du hast goldene Haare!« Ueberrascht blickte der Prinz in einen Spiegel und erkannte, dass die Stute wahr gesprochen habe, denn seine Haare glänzten wie lauteres Gold in der Sonne. Als die Stute sah, dass er erschrocken sei, hub sie wieder an und sprach: »Wir wollen beide fliehen, aber wir dürfen keine Zeit verlieren. Geh hinauf in dieses und dieses Zimmer, da wirst du einen Kamm, eine Scheere und einen Spiegel finden. Nimm sie, komm aber schnell wieder zurück und steig auf mich, damit wir fliehen.« Der Prinz holte schnell die benannten drei Dinge, stieg auf die Stute und floh.
Noch waren sie nicht gar weit, da hörten sie den Herrn hinter sich, der sie wüthend verfolgte. Als er ganz nahe gekommen war, sagte die Stute: »Wirf den Kamm hinter dich!« Der Prinz that es und es entstand ein hoher breiter Zaun, welcher dem Verfolger lange zu schaffen machte. Aber nach einiger Zeit merkten die Fliehenden, dass er wieder hinter ihnen sei. Da sprach die Stute: »Wirf die Scheere hinter dich!« Der Prinz warf die Scheere auf den Boden und es entstand ein dichter undurchdringlicher Wald voll Dorngebüsche, so dass man glauben mochte, der Verfolger werde denselben nicht durchdringen können. Aber nach einer Weile war er den Fliehenden wieder auf den Fersen. Da sprach die Stute: »Wirf den Spiegel hinter dich!« Der Spiegel fiel auf den Boden und es entstand ein grosser breiter See. Da sagte die Stute: Jetzt sind wir sicher und können unsern Weg gemächlich fortsetzen.«
Bald kamen sie zu einer grossen Stadt. Der Prinz verhüllte seine Haare durch eine grosse Mütze, denn er wollte kein Aufsehen erregen. Er ritt auf die königliche Burg zu und stellte dort die Bitte, man möchte ihn als Diener aufnehmen. Nun waren die Dienerstellen alle besetzt, nur einen Gärtnerjungen konnte man noch brauchen. Der Prinz war es zufrieden, doch stellte er die Bedingung die Stute behalten und in den königlichen Stall stellen zu dürfen, was ihm gern gewährt wurde.
Der neue Gärtnerjunge hatte nun ein angenehmes Leben. Er begoss und pflegte die Blumen, aber das ihm übertragene Hauptgeschäft war, dass er täglich für die drei Töchter des Königs Blumensträusse binden musste. Einmal kamen sie selbst in den Garten und da gefiel ihm die jüngste am besten. Seit dieser Zeit war auch der Strauss für dieselbe immer ein wenig schöner, so dass es diese leicht bemerken konnte und mit Wolgefallen auf den hübschen Gärtnerjungen sah. Nur wusste sie sich nicht zu erklären, warum er sein Haar so sorgfältig verberge, er aber sagte ihr, er leide an einem bösen Ausschlage am Kopfe. Einmal aber arbeitete er im Garten, während die jüngste Prinzessin auf dem Balkone war und als er sich bückte und die Mütze sich ein wenig lüftete, da sah sie seine goldenen Haare. Sie kam sogleich zu ihm herab und hörte nicht auf zu bitten, bevor er nicht die Mütze abnahm, aber er that es nur gegen das Versprechen, dass sie strenges Stillschweigen beobachten wolle. Seit diesem Tage wurde ihr Wolwollen für den goldhaarigen Gärtnerjungen, den sonst alle für einen armen Aussätzigen ansahen, noch grösser und bei ihrem unschuldsvollen Herzen wollte sie nur sich selbst nicht gestehen, dass sie ihn ernstlich liebe.
So verging wieder einige Zeit; da beschloss der König seine Töchter zu vermählen. Er schrieb daher ein grosses Turnier aus und liess verkünden, wer da siege, dem werde er seine älteste Tochter vermählen. Es fanden sich auch sehr viele Ritter und Prinzen ein.
Am Morgen des zum Turnier bestimmten Tages ging der Gärtnerjunge zur Stute und diese sagte ihm, er solle sich weiss kleiden und dann auf ihr zum Turnier reiten. Als nun die Ritter alle zum Turnier versammelt waren, da theilte sich die Volksmenge und heran sprengte hoch zu Ross ein weissgekleideter Jüngling mit so schönen lichtgoldfarbigen Haaren, dass man solche Pracht nie gesehen hatte. Er überwand alle Gegner, die sich ihm entgegenstellten; als das Turnier zu Ende war, verschwand er auf seinem Pferde wie der Blitz, ohne dass man ihn gekannt hätte oder wusste, wohin er gekommen sei.
Der König befahl das Turnier am folgenden Tage zu erneuern und stellte überall Wachen aus mit dem Auftrage den Jüngling mit den goldenen Haaren nicht entkommen zu lassen und ihn an den königlichen Hof zu führen. Der Jüngling erschien diesmal in blauem Gewande und siegte wieder über alle Gegner, wie am vorigen Tage. Aber er entkam den Wachen trotz aller Aufmerksamkeit und Niemand konnte sagen, wohin er geritten sei. Das wurmte den König und er befahl am dritten Tage noch einmal ein grosses Turnier zu halten; auch liess er überall doppelte Wachen ausstellen. Diesmal erschien der Jüngling in purpurnem Gewande; vergebens nahmen es die stärksten und besterprobten Ritter mit ihm auf, er hob sie alle aus dem Sattel. Als ihn nach dem Turnier die Wachen aufhalten wollten, setzte das Pferd in gewaltigen Sprüngen über sie hinweg und er verschwand abermals spurlos aus ihren Augen.
Nun versuchte der König ein anderes Mittel. Er befahl, dass am folgenden Tage alle Ritter, Mann an Mann, unter dem Balkone seiner Burg vorbeiziehen sollten. Seinen Töchtern aber gab er goldene Kugeln; jener Ritter, welchem eine seiner Töchter ihre Kugel zuwürfe, solle deren Gemal und sein Eidam sein, das gelobte er mit seinem königlichen Worte.
Die Ritter zogen in langer Reihe am Balkone vorbei, aber der goldhaarige Jüngling war nicht darunter und keine der Prinzessinnen warf ihre Kugel.
Am nächsten Tage erneuerte sich dieses Schauspiel. Die Ritter zogen abermals in langer Reihe vorüber; da warfen die beiden ältern Prinzessinnen ihre Kugeln denen zu, welche ihnen am besten gefielen – und das waren gar stattliche Herren und wol würdig, des Königs Eidame zu werden. Nur die jüngste behielt ihre Kugel, denn der Jüngling mit den goldenen Haaren war nicht im Zuge.
Am dritten Tage mussten auf Befehl des Königs nochmals alle Ritter, dann auch alle Bürger und Männer der Stadt bis zum lezten und ärmsten herab am Schlosse vorüberziehen. Dies geschah, und es schien, als sollte der lange Zug gar nicht mehr enden. Einer der lezten kam auch der aussätzige Gärtnerjunge mit seiner grossen Mütze auf dem Kopfe und ihm warf die jüngste Prinzessin ihre goldene Kugel zu. Dieser Vorfall erregte ungeheures Aufsehen. Der König war ausser sich vor Zorn über die Wahl seiner jüngsten Tochter, aber er musste sein königliches Wort halten.
Beim Hochzeitmale sass der Gärtnerjunge, das Haupt noch immer sorgfältig mit der Mütze bedeckt, mit der Prinzessin zu unterst an der Tafel und Niemand achtete auf sie. Aber sie waren desto ungestörter in ihren traulichen Gesprächen und ihr Gesicht stralte vor lichter Freude. Auch in der darauf folgenden Zeit wurden beide vom ganzen Hofe vernachlässigt, ja geradezu verachtet; allein das machte ihnen geringen Kummer.
Nach einiger Zeit erkrankte der König. Die Aerzte versuchten Alles, aber endlich erklärten sie verzweifelnd, nur durch Drachenblut könne der Kranke noch gerettet werden. Nun hauste wol ein Drache in einer tiefen Schlucht; aber man musste, um den gefährlichen Kampf zu bestehen, durch einen noch gefährlicheren Wald gehen, in den schon viele hinein, aber nie Einer wieder heraus gekommen. Da ward es für die drei königlichen Schwiegersöhne eine Ehrensache, das Drachenblut zu holen und sie zogen dazu aus. Die beiden ältern Prinzessinnen waren sehr traurig und weinten beim Abschiede; nur die jüngste war, wie immer, frohen Muthes.
Als sie an den Rand des gefährlichen Waldes gekommen waren, wandelte die beiden ersten eine grosse Furcht an und der helle Angstschweiss stand auf ihrer Stirne. Der arme Aussätzige aber – er trug noch immer die grosse Mütze – sagte: »Wenn ihr nicht mit wollt, so will ich’s allein versuchen.« Damit waren sie zufrieden und versprachen hier bleiben und seine Rückkunft abwarten zu wollen.
Der Prinz ritt nun auf seiner Stute durch den Wald und kam durch alle Gefahren glücklich hindurch. Bald fand er den Drachen, erlegte ihn, füllte von seinem Blute eine Flasche und kehrte eben so glücklich wieder zurück. Als die beiden andern ihn kommen sahen, bezeigten sie zwar grosse Freude, aber im Innern wurmte es sie sehr, dass der aussätzige Gärtnerjunge ihnen nun den Rang ablaufen sollte. Daher sprachen sie: »Was müssen wir dir geben, wenn du uns das Drachenblut gibst?« Er erwiederte: »Das werde ich thun, wenn ihr mir die goldenen Kugeln gebt, welche die Prinzessinnen euch zugeworfen haben.« Sie gaben ihm die Kugeln und er gab ihnen das Drachenblut.
Das war troz aller Trauer doch ein grosser Jubel, als die Schwiegersöhne des Königs mit dem Drachenblute kamen; ganz verachtet zog auch der Gärtnerjunge hinter ihnen her. Der König war nun in kürzester Zeit wieder heil und gesund und veranstaltete zur Feier seiner Genesung ein grosses Festmal. Bei diesem sassen Prinz Goldhaar und die Prinzessin wieder wie gewöhnlich am untersten Ende der Tafel und schwiegen, während die beiden andern Eidame des Königs gar schreckliche Wunderdinge davon erzählten, wie sie den Drachen gefunden und erlegt hätten.
Endlich liessen sie sich vom Weine erhizt sogar verleiten, den verachteten Gärtnerjungen offen zu verhöhnen. Da stand dieser auf und fragte: »Wo habt ihr eure goldenen Kugeln, welche ihr von euern Frauen erhalten habt?« Sie zogen nun die goldenen Kugeln hervor, welche sie sich inzwischen hatten machen lassen und legten sie dem Könige vor. Prinz Goldhaar aber rief mit zürnendem Ernste: »Ihr Feiglinge, erst gebrach es euch an Muth mit dem Drachen zu kämpfen und jezt wagt ihr es mich noch verhöhnen zu wollen? Eure Kugeln sind unächt, die ächten habt ihr mir gegeben, als ich euch das Drachenblut brachte – hier sind sie!« Der König prüfte die Kugeln und fand zu seinem Erstaunen, dass der Gärtnerjunge wahr gesprochen habe. Dieser nahm nun auch die Mütze vom Kopfe und mit grösstem Erstaunen sahen alle Anwesenden sein lichtgoldfarbiges Haar und erkannten den Jüngling, welcher in den drei Turnieren alle Gegner besiegt hatte. Die zwei andern hätten vor Scham in die Erde sinken mögen und während der König den Prinzen Goldhaar umarmte, schlichen sie verwirrt aus dem Saale.
Darauf ging Prinz Goldhaar auch in den Stall, um der wackern Stute zu danken. Da sprach sie: »Jezt ist auch meine Zeit aus, hau mir den Kopf ab!« Zögernd gehorchte der Prinz und sieh! vor ihm stand eine wunderschöne Prinzessin, welche lange verzaubert gewesen und nun befreit war. Nach mehrtägigen Festen, die ihr zu Ehren bei Hofe gegeben wurden, kehrte sie fröhlich zu ihrem Vater zurück, welcher der mächtige König eines fern gelegenen Reiches war.
Prinz Goldhaar aber blieb fortan der Liebling und Vertraute des alten Königs und erbte nach dessen Tode Reich und Krone. Damit ist meine Geschichte aus; jezt erzählt die eurige.
[Italien: Christian Schneller: Märchen und Sagen aus Wälschtirol]