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Von Sabedda und ihrem Brüderchen

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Es war einmal ein Mann, dem war seine Frau gestorben, und hatte ihm zwei Kinder hinterlassen, einen Sohn und eine Tochter. Die Tochter war sehr schön, schöner als die Sonne, und ging in die Schule zu einer Lehrerin; die hatte eine Tochter, die war schwarz und häßlich, häßlicher als die Schulden. Die Lehrerin aber war eine listige Frau, und schenkte ihr immer Süßigkeiten, und sprach zu ihr: »Sage deinem Vater, er solle mich heirathen, so will ich dir alle Tage Süßigkeiten geben und du sollst es gut haben.« Also bat das Kind seinen Vater, er solle doch die freundliche Lehrerin heirathen. Der Vater aber antwortete immer: »Sabedda, du weißt nicht was du sagst; du wirst sehen, es wird dich reuen.« Sabedda ließ nicht nach ihren Vater zu bitten, bis er endlich eines Tage die Geduld verlor, und sprach: »Gut, ich will deinen Willen thun, wenn es dir aber schlecht geht, so komm nicht zu mir, um zu klagen.«
Also heirathete der Vater die Lehrerin, und am Anfang war die Stiefmutter freundlich mit Sabedda und ihrem Brüderchen. Es dauerte aber nicht lange, so wurde sie unfreundlich gegen die Kinder, und Sabedda mußte alle harte Arbeit thun, Holz suchen, und Wasser tragen, und bekam viele Schläge und wenig zu essen. Gegen ihre eigene häßliche Tochter aber war die Frau freundlich, und ließ sie thun, was sie wollte. Wenn nun Sabedda so traurig war, sprach ihr Vater wohl zu ihr: »Siehst du, warum hast du nicht auf mich gehört? ich habe es dir ja gesagt, es würde dich reuen. Jetzt kann ich dir nicht helfen.«
Eines Tages nun, da die Stiefmutter die arme Sabedda wieder grausam geschlagen hatte, sprach diese zu ihrem Brüderchen: »Komm, wir wollen in die weite Welt gehen, und unser Glück versuchen; bei der Stiefmutter kann ich es nicht mehr aushalten.« Das Brüderchen war es zufrieden, und so schlichen sie sich leise mit einander fort, und wanderte in die weite Welt.
Da sie nun eine lange Zeit gewandert waren, wurde das Brüderchen so durstig, daß es schier verschmachtete, und da sie an einen Bach kamen, sprach es: »Sabedda, ich bin so durstig, ich will ein wenig trinken.« Sabedda aber verstand, was das Bächlein rauschte: »Wer von meinem Wasser trinkt, der wird ein Schäfchen mit goldnen Hörnern,« und sprach: »Ach, Brüderchen, trinke nicht von diesem Wasser, sonst wirst du ein Schäfchen mit goldnen Hörnern.« Aber das Brüderchen hatte sich schon zum Wasser niedergebeugt, und kaum hatte es einige Schlucke getrunken, so war es schon in ein niedliches Schäfchen verwandelt, und hatte hübsche goldne Hörner. Da fing Sabedda an zu weinen, und wanderte traurig weiter, und das Schäfchen lief neben ihr her.
An demselben Tage aber war der König auf die Jagd gegangen, und während er so dem Wilde nachging, begegnete er der weinenden Sabedda, die war so schön, daß er die Augen nicht mehr von ihrem Gesicht abwenden konnte. Da frug er sie, warum sie weine, und sie antwortete: »Ich bin ein armes Kind, und habe eine böse Stiefmutter zu Hause, die hat mich so viel geschlagen, deßhalb bin ich fortgelaufen.« »Willst du mit mir auf mein Schloß kommen, und willst meine Gemahlin werden?« frug der König. »Ja,« antwortete Sabedda, »aber mein Schäfchen muß auch mit.« Da nahm sie der König vor sich auf sein Pferd, und ein Diener mußte das Schäfchen führen, und so kamen sie in das Schloß. Der König ließ Sabedda mit königlichen Kleidern schmücken, und es wurde eine glänzende Hochzeit gefeiert. Sabedda aber sorgte immer zuerst für ihr Schäfchen, das mußte auch bei ihr im Zimmer schlafen.
Nach einem Jahr gebar die Königin einen wunderschönen Knaben, da war große Freude im Schloß.
Nun begab es sich aber um diese Zeit, daß die falsche Stiefmutter hörte, Sabedda sei nicht gestorben, sondern sei die Frau des Königs geworden, und sei nun Königin. Da ward sie ganz schwarz vor Neid, und dachte, wie sie sie verderben könnte. Sie kaufte also einige Süßigkeiten, that einen Schlaftrunk in ein Fläschchen, und schmückte sich und ihre Tochter, und kam in das Schloß, als der König eben auf die Jagd gegangen war, und Sabedda noch krank zu Bette lag. »Ach, du liebes Kind,« sprach die falsche Stiefmutter, »wie freut es mich, dich so wohl und glücklich zu sehen. Sieh, hier habe ich dir einige Süßigkeiten mitgebracht, und diesen stärkenden Wein, der wird dir gut thun. Versuche ihn nur einmal.« Sabedda wollte nicht, denn sie fürchtete, die Stiefmutter möchte Arges im Schilde führen, da diese ihr aber immer zusprach, ließ sie sich endlich bereden, ein wenig von dem Weine zu versuchen. Kaum hatte sie einige Schlucke genossen, so fiel sie in einen festen Schlaf. Da zog ihr die Stiefmutter schnell ihr Nachtgewand aus, und warf sie in die Cisterne die im Garten war, und in der ein großer Fisch lebte, der verschlang alsbald die arme Sabedda. Ihrer häßlichen, einäugigen Tochter aber zog sie das Nachtgewand der jungen Königin an, und legte sie in ihr Bette; dann eilte die falsche Stiefmutter nach Hause, ehe noch der König von der Jagd zurückkam.
Als der König nun zu seiner Frau in das Zimmer trat, und die häßliche, einäugige Gestalt im Bette liegen sah, erschrak er und sprach: »Was ist denn mit dir geschehen?« »Ach,« antwortete die falsche Königin, »das Schäfchen hat mich mit seinen Hörnern gestoßen, und hat mir ein Auge ausgestoßen.« »So soll das schlimme Thier auch nicht länger leben,« sprach der König, ließ seinen Koch herbeiholen, und sprach zu ihm: »Wetze deine schärfsten Messer, denn heute Abend sollst du dem Schäfchen den Hals abschneiden.« Da faßte der Koch das Schäfchen an den Hörnern, zog es zum Zimmer hinaus, und brachte es in die Küche, und fing an, seine Messer zu wetzen. Das Schäfchen aber schlich sich betrübt in den Garten und an die Cisterne, fing an bitterlich zu weinen, und jammerte:

»Sabedda lieb, Sabedda mein,
Für mich sie wetzen die Messerlein,
Die schneiden mir ins Fleisch hinein.«

Als der Koch nun das Schäfchen holen wollte, um ihm den Hals abzuschneiden, hörte er es so klagen und jammern, und entsetzte sich so sehr darüber, daß er eilends den König herbeirief und sprach: »Denkt euch nur, königliche Majestät, das Schäfchen spricht wie ein vernünftiger Mensch.« »Du bist wohl toll,« sprach der König, ging aber doch mit ihm zur Cisterne, wo das Schäfchen noch immer stand und jammerte:

»Sabedda lieb, Sabedda mein,
Für mich sie wetzen die Messerlein,
Die schneiden mir ins Fleisch hinein.«

Als der König das hörte, sprang er hervor, und rief: »Wenn du sprechen kannst, so sage mir auch, warum du hier an der Cisterne stehst, und meine Sabedda anrufst, sonst haue ich dir den Kopf ab.« Da erzählte das Schäfchen, wie die böse Stiefmutter gekommen sei, und die arme Sabedda in die Cisterne geworfen habe, und wie die droben im Bett nicht die junge Königin sei, sondern die häßliche Tochter der Stiefmutter. Sogleich befahl der König, daß man den großen Fisch fangen solle, und als man ihn herausgezogen hatte, ließ er ihm so lange warmes Oel eingießen, bis er Sabedda wieder ausspie; die war ganz munter und gesund, und noch viel schöner geworden. Zu gleicher Zeit aber hatte auch der Zauber ein Ende, der das Brüderchen in ein Schäfchen verwandelt hatte, und er wurde zu einem schönen Knaben, der umarmte voll Freude seine Schwester Sabedda. Da ließ der König seine liebe Frau in köstlichen, wohlriechenden Wassern baden, und ihr königliche Kleider anlegen; die häßliche Tochter aber ließ er in Stücke zerschneiden, und in einem Fasse einsalzen, und den Kopf ließ er zu unterst hineinlegen. Das Faß aber schickte er der Stiefmutter und ließ ihr sagen, ihre Tochter schicke ihr diesen Thunfisch. Da nahm das böse Weib den Deckel vom Fasse ab, und begann ganz erfreut das Fleisch zu essen. Sie hatte aber eine Katze, die sprang immer an ihr hinauf, und sprach: »Gib mir auch etwas mit, so helfe ich dir hernach auch weinen.« Sie aber stieß die Katze von sich und rief: »Was? Ich sollte dir noch etwas von diesem schönen Thunfisch abgeben, den meine Tochter, die Königin, mir geschickt hat?« Als sie nun auf den Grund des Fasses kam, und den Kopf erblickte, merkte sie erst, daß sie ihre eigne Tochter gegessen hatte, und fing laut an zu schreien, und zerschlug sich den Kopf an den Mauern, bis sie todt hinsank. Die Katze aber sang: »Du hast mir nichts mitgeben wollen, jetzt helfe ich dir auch nicht weinen,« und tanzte im ganzen Hause herum.
Der König aber und die junge Königin lebten glücklich und zufrieden, wir aber haben das Nachsehen.

[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]

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