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Es war einmal ein reicher Bauer, der hatte eine Frau und zwei Kinder, einen Knaben, der hieß Giovannino, und ein Mädchen, das hieß Caterina. Die kleine Caterina schickte er in die Schule zu einer Lehrerin, die that immer sehr freundlich mit ihr, und frug sie oft: »Hättest du mich gerne zu deiner Mutter?« Caterina war klein und unverständig, und antwortete: »Gewiß, denn ihr gebt mir immer Süßigkeiten, aber meine Mutter gibt mir nie welche.«
Eine Tages sprach nun die Lehrerin: »Caterina, wenn du mich wirklich zu deiner Mutter willst, so mußt du thun, was ich dir sage. Wenn du heute nach Hause kommst, so verlange von deiner Mutter eine Feige, sage ihr aber, sie solle sie dir aus der großen Kiste holen. Unterdessen halte du den Deckel, und wenn sie sich über die Kiste beugt, so laß den Deckel fallen; dann mache ihn wieder auf, und stecke ihr eine Feige in den Mund, dann wirst du sehen, daß ich deine Mutter werde.« Caterina ging nach Haus und bat ihre Mutter um eine Feige aus der Kiste. Als nun die Mutter sich über die Kiste beugte, ließ Caterina den Deckel fallen, daß er der Frau auf den Hals fiel, und ihr das Genick brach. Dann machte Caterina den Deckel auf, steckte der Mutter eine Feige in den Mund und machte den Deckel wieder zu.
Als nun der Vater nach Hause kam, und seine Frau in der Kiste eingeklemmt sah, lief er hinzu und machte die Kiste auf, da sah er sie mit der Feige im Mund, und dachte: »Ihre Gier hat sie ums Leben gebracht.« Und alle Nachbarn sagten: »Konnte sie nicht die Feige erst ordentlich mit der Hand herauslangen?« – Die Frau aber war todt und wurde begraben.
Nach einer Weile sprach die Lehrerin wieder zu Caterina: »Wenn du mich zu deiner Mutter haben möchtest, so sage deinem Vater, er solle mich heirathen; du und dein Bruder, ihr würdet es gut bei mir haben.« Caterina sagte das ihrem Vater, der aber antwortete: »Ach Kind, glaube doch nicht, was deine Lehrerin dir verspricht, sie würde es machen, wie alle anderen Stiefmütter und dich plagen.« Caterina aber bat ihren Vater immer wieder, die Lehrerin doch zu heirathen. Da hing der Vater über seinem Bette ein Paar eiserne Stiefel auf, und sprach: »Wenn diese Stiefel aufgebraucht sein werden, dann will ich deine Lehrerin heirathen.« Caterina ging hin und frug die Lehrerin um Rath, die sprach: »Jeden Morgen, wenn dein Vater auf dem Felde ist, mußt du die Stiefel in einer Pfütze reiben, so werden der Rost und Schmutz sie verbrauchen.« Caterina that, was die Lehrerin ihr befohlen, und nach einigen Monaten hatten die Stiefel Löcher. Da zeigte sie Caterina ihrem Vater, und sprach: »Jetzt, lieber Vater, müßt ihr meine Lehrerin heirathen.« »Gut,« antwortete der Vater, »wenn sie dich aber nachher quält und mißhandelt, mußt du nicht zu mir kommen und klagen.«
Da heirathete der Vater die Lehrerin, und einen Monat lang ging Alles gut. Die Lehrerin aber hatte eine Tochter, die war so häßlich und schwarz, daß Niemand sie ansehen mochte. Da Caterina nun jeden Tag schöner wurde, so konnte die Stiefmutter sie bald nicht mehr leiden, und wurde zuerst kalt und gleichgültig gegen sie, bald aber fing sie an sie zu mißhandeln und zu schlagen, gab ihr wenig zu essen, und Caterina mußte alle niedrige und schwere Arbeit thun. Da weinte sie oft, aber ihr Vater sagte ihr nur: »Warum hast du mich nicht hören wollen? jetzt mußt du eben leiden.«
Eines Tages sprach die Stiefmutter zu Caterina: »Du faule Dirne, immer legst du die Hände in den Schooß. Hier hast du einen Korb voll Flachs, den mußt du bis heute Abend spinnen, und wenn er nicht fertig ist, so bekommst du Schläge und nichts zu essen. Du kannst aber zugleich die Schafe hüten, denn den ganzen Tag sitzen und spinnen, das ist ja eine Kinderarbeit.« Damit gab sie ihr einen großen Korb voll Flachs, den sie nimmer in einem Tag spinnen konnte. Caterina nahm den Flachs und ging weinend auf das Feld, wo die Schafe weideten.
Als sie nun da saß und weinte, redete sie der Leithammel der Heerde an, und frug sie, warum sie weine. Da erzählte sie ihm ihr Unglück, und wie die böse Stiefmutter sie plage. »Lege dich nur schlafen,« antwortete der Leithammel, »ich will dir deinen Flachs schon spinnen.« Caterina aber legte sich schlafen, und als sie aufwachte, lag der Flachs im Korb, gesponnen und gehaspelt. Da wartete sie noch, bis es Abend wurde, und ging dann nach Haus und brachte der Stiefmutter den Flachs. Die war sehr erstaunt, aber sie sagte nur: »Siehst du wohl, du faules Mädchen, daß du arbeiten kannst, wenn du nur willst.« Den nächsten Morgen gab sie ihr einen viel größeren Korb mit Flachs und schickte sie wieder auf das Feld. Caterina ging weinend hin, und klagte dem Hammel ihre Noth. »Lege dich nur schlafen,« sprach er, »ich will den Flachs schon spinnen.« Also legte sich Caterina wieder schlafen, und richtig, als sie aufwachte, war der Flachs gesponnen und gehaspelt. Die Stiefmutter konnte sich nicht genug darüber verwundern, als ihr Caterina den Flachs ganz fertig brachte, und beschloß am dritten Morgen, ihr nachzugehen. Also gab sie ihr noch einen viel größeren Korb mit, und als Caterina wieder auf das Feld ging, schlich sie ihr nach. Da sah sie, wie Caterina sich schlafen legte, und der Hammel statt ihrer den Flachs spann, und wenn er nur das Spinnrad berührte, so fiel gleich der Flachs gesponnen und gehaspelt herunter. Da schlich sie wieder nach Haus, und als Caterina ihr den Flachs brachte, sprach sie: »Höre, Caterina, morgen Abend mußt du den Hammel nach Hause bringen, dann wollen wir ihn schlachten.« Da weinte Caterina und ging den nächsten Morgen weinend ins Feld hinaus. Da sprach der Hammel: »Caterina, warum weinst du denn schon wieder?« »Soll ich nicht weinen?« antwortete sie, »heute Abend muß ich dich mit nach Haus nehmen, und da sollst du geschlachtet werden.« »Gut,« sprach der Hammel, »sei nur nicht so traurig. Wenn mich der Metzger schlachtet, so laß dir die Eingeweide geben, und suche darin, so wirst du drei goldne Kügelchen finden, die verwahre gut, sie werden dir nützen. Dann aber entfliehe mit deinem Bruder, denn bei deiner Stiefmutter könnt ihr doch nicht bleiben. Hüte dich jedoch, daß du dich nicht dem Meere näherst, sonst wirst du zu einer Seeschlange.« Da nahm Caterina den Hammel, und brachte ihn in das Haus, und er wurde geschlachtet. Caterina aber ließ sich die Eingeweide geben, und durchsuchte sie, bis sie die drei goldnen Kügelchen fand. Dann rief sie ihren Bruder Giovannino, und beide machten sich leise auf den Weg.
Als sie eine Zeitlang gewandert waren, wurden sie so müde, daß sie kaum mehr weiter konnten. Da nahm Caterina die drei goldnen Kügelchen, und wünschte sich ein wunderschönes Schloß mit einem Garten, wie ihn selbst der König nicht schöner hätte, und sich selbst und ihren Bruder mitten darin. Da wurden Giovannino und Caterina in ein wunderschönes Schloß versetzt, darin konnten sie herrlich leben, und daneben war ein Garten, wie ihn selbst der König nicht schöner hatte. Das Schloß aber lag dicht am Meeresstrand, darum durfte Caterina nie auf die Straße und nie in den wunderschönen Garten, und nicht einmal an ein offenes Fenster, sondern mußte immer eingesperrt bleiben.
Da begab es sich eines Tages, daß der König auf die Jagd ritt, und auch an dem Schloß vorbeikam. Als er nun an den wunderschönen Garten kam, hielt er sein Pferd an und sprach: »Ach, was ist das für ein schöner Garten, schöner als der meinige; könnte ich doch nur ein wenig eintreten.« Das hörte Givannino, und trat ans Thor, und frug den König, was er wünsche. »Darf ich ein wenig in euern Garten eintreten?« frug der König. »Der Garten gehört nicht mir,« antwortete Giovannino, »sondern meiner Herrin; ich will sie aber fragen, ob sie euch erlaubt einzutreten.«
Da eilte er hinauf zu seiner Schwester, und sprach: »Denke dir nur, Caterina, der König ist da, und will unsern Garten sehen; soll ich ihn hineinführen?« »Gewiß,« antwortete Caterina. Da führte er den König in den Garten, und zeigte ihm die schönen Blumen, und der Jüngling gefiel dem König so gut, daß er ihn frug, ob er mit ihm gehen wolle auf sein Schloß. »Erst muß ich meine Herrin fragen,« antwortete Giovannino, und lief zu seiner Schwester, und sprach: »Denke dir nur, Caterina, der König will mich mitnehmen auf sein Schloß.« »Geh nur, Giovannino,« sagte sie, »ich bin ja gut verwahrt; wer weiß, es ist vielleicht unser Glück.«
Da ging Giovannino mit dem König, und wohnte bei ihm, und wurde sein erster Kammerdiener, und der König gewann ihn so lieb, daß er ihn wie seinen Freund behandelte, und oft zu ihm sagte: »Giovannino, ich werde mich nicht eher verheirathen, als bis du mir ein Mädchen anempfiehlst.« Einmal antwortete Giovannino: »Nun wohl, Majestät, ich habe eine Schwester, die ist so schön, wie die Sonne, und so tugendhaft, wie es keine zweite gibt, die müßt ihr heirathen.« »Wohl,« sprach der König, »gehe hin und sage deiner Schwester, ich würde morgen kommen, sie zu holen.« Giovannino ging eilends zu seiner Schwester, und sprach zu ihr: »Ach denke dir nur, Caterina, morgen will der König kommen, dich zu holen, daß du seine Frau werdest.« »Ja wohl,« sprach Caterina, »ich kann aber nicht auf die Straße; laß also geschwinde einen gedeckten Gang machen, von dem Fenster meines Schlafzimmers bis zu einem Fenster im königlichen Schloß.« Da nahm Giovannino eine große Anzahl Arbeiter und sie mußten den ganzen Tag und die ganze Nacht arbeiten, um den gedeckten Gang fertig zu machen.
Am nächsten Morgen, als der Gang fast fertig war, klopften auf einmal zwei Frauen an die Thür des Schlosses, das waren die Stiefmutter und ihre Tochter, zu denen der Ruf von Caterinas Schönheit auch gedrungen. Als sie nun hereintraten, thaten sie sehr freundlich, und die Alte sprach zu Caterina: »Ach, du liebe Caterina, wie lange haben wir dich nicht gesehen; wir haben gehört, du seiest eine schöne reiche Dame geworden, und sind gekommen, dir einen kleinen Besuch zu machen.« Caterina empfing sie freundlich, und fing an, ihnen zu erzählen. Da rief auf einmal Giovannino aus dem bedeckten Gang heraus: »Caterina, kleide dich in den königlichen Mantel, denn wir sind gleich fertig.« Caterina aber konnte ihn nicht recht verstehen, da sie nicht an das offene Fenster treten durfte, und frug daher die Stiefmutter: »Was sagt mein Bruder?« Da antwortete das falsche Weib: »Dein Bruder hat gesagt, du sollest einmal ans Fenster treten.« Da trat sie ans Fenster, und in demselben Augenblicke wurde sie zu einer Seeschlange und verschwand. Die Stiefmutter aber bekleidete schnell ihre Tochter mit dem königlichen Mantel, und befahl ihr, sich das Gesicht mit ihrem Tuch zu bedecken.
Als nun Giovannino mit dem Gang fertig war, schritt die falsche Caterina schnell hindurch, damit er nicht Zeit haben sollte, sie zu sehen. Als sie aber vor den König kam, mußte sie doch ihr Gesicht zeigen; da wurde der König sehr zornig, daß sie so schwarz und häßlich sei, und schickte sie und ihre Mutter in ein einsames Haus im Walde, dort sollten sie bleiben; den Giovannino aber wollte er fortjagen. Der wußte gar nicht, wie ihm geschah; als er aber nach Hause kam, und im Zimmer seiner Schwester das offne Fenster erblickte, wurde ihm Alles klar. Da kam er wieder zum König, und erzählte ihm Alles, und weil ihn der König dennoch so lieb hatte, so nahm er ihn wieder in seinen Dienst. Oft aber pflegte er zu sagen: »Giovannino, Giovannino, du bist so hübsch und verständig, aber einmal hast du mich doch getäuscht.« Da wurde Giovannino immer sehr betrübt, aber er konnte seine Schwester eben nicht erlösen.
Unterdessen lebte die falsche Stiefmutter mit ihrer Tochter im Walde, und dachte nur darüber nach, wie sie den armen Giovannino auch verderben könne. Da kam sie eines Tages zum König, und sprach: »Denkt euch nur, was Giovannino sich anmaßt; er will in einer Nacht auf euren Schloßplatz drei Brunnen errichten, aus dem ersten soll Wasser fließen, aus dem zweiten Oel, aus dem dritten Wein.« Da ließ der König den Giovannino rufen, und sprach zu ihm: »Du hast dich vermessen, in einer Nacht auf meinem Schloßplatz drei Brunnen zu errichten, aus denen Wasser, Oel und Wein fließen soll. Wenn die drei Brunnen morgen früh nicht fertig sind, so jage ich dich fort.«
Ganz betrübt ging Giovannino fort, und kam an den Strand des Meeres, dort fing er an zu weinen und seine Schwester zu rufen: »Ach, Caterina, liebe Caterina, was soll ich thun in meiner Noth!« Mit einem Male rauschte das Wasser und eine Seeschlange erhob sich daraus und frug: »Hier bin ich, was willst du?« Da erzählte er ihr sein Leid und wie ihm nichts übrig bleibe, als sich ins Wasser zu werfen. Sie aber sprach: »Sei nur nicht so muthlos; nimm diesen Zauberstab und schlage damit heute Nacht an drei verschiedenen Stellen des Schloßplatzes auf das Pflaster, so werden sich die drei Brunnen erheben.« Giovannino nahm den Zauberstab, und in der Nacht schlug er damit das Pflaster des Schloßplatzes, und richtig, es erhoben sich drei prächtige Brunnen, aus denen floß Wasser, Oel und Wein. Als der König aufwachte und zum Fenster hinaussah, war er hocherfreut über die Künste seines Dieners und beschenkte ihn reichlich.
Bald aber kam die böse Stiefmutter zum zweiten Male, und sprach: »Giovannino hört nicht auf, sich seiner Künste zu rühmen und hat sich vermessen, in einer Nacht einen Palast ganz aus Krystall zu bauen und es soll nichts darin fehlen.« Da ließ der König den armen Giovannino rufen und befahl ihm, bis zum nächsten Morgen einen Palast aus Krystall zu bauen. Er dürfe aber nichts darin fehlen, sonst würde er ihn fortjagen. Giovannino ging wieder weinend an das Ufer des Meeres und rief seine Schwester. Da erhob sich die Seeschlange aus den Wellen und er erzählte ihr das neue Verlangen des Königs. Da schenkte sie ihm wieder einen Zauberstab und sprach: »Schlage nur damit auf die Erde, so wird sich der ganze Palast erheben.« In der Nacht that er es und siehe da, es erhob sich ein Krystallpalast, wie ihn der König nicht schöner hatte. Als der König ihn sah, beschenkte er seine treuen Diener wieder reichlich und hatte ihn wieder lieber als je.
Die böse Stiefmutter aber hatte keine Ruhe sondern kam wieder zum König und sprach: »Zweimal ist es Giovannino gelungen. Jetzt aber rühmt er sich, ein Schauspiel veranstalten zu können, das mir zu vermessen scheint. Er hat gesagt, er würde in einer Nacht einen großen Backofen mit einem riesigen Feuer bauen und den nächsten Morgen sollten auf sein Geheiß alle Fische des Meeres in einem langen Zuge kommen und sich in die Flammen stürzen.« Das möchte ich gern sehen, rief der König und ließ Giovannino holen und befahl ihm, auch dieses Kunststück zu vollbringen. »Wie kann ich denn den Fischen des Meeres befehlen,« frug Giovannino ganz erschrocken. »Zweimal ist es dir gelungen,« sprach der König, »nun mußt du auch diesmal dein Wort wahr machen, sonst lasse ich dir den Kopf abschlagen.«
Da ging Giovannino wieder an das Ufer des Meeres, und rief weinend seine Schwester, und als sie kam, klagte er ihr sein Leid. »Wohl,« sprach sie, »nimm diesen Zauberstab, gehe hin zum König und sage ihm, du wärest bereit, Morgen das Schauspiel zu veranstalten. Er sollen einige Tribünen errichten lassen, um Alles bequemer sehen zu können. Dann schlage mit dem Stab auf die Erde, so wird sich der Ofen erheben. Morgen früh nun werden die Fische in einem langen Zuge erscheinen und sich in den Ofen werfen. Hüte dich aber, wohl einen davon zu fangen, selbst wenn dich der König darum bittet. Ganz zuletzt werde auch ich kommen. Dann beuge dich über die Oeffnung des Ofens, damit ich in deinen Busen kriechen kann, anstatt mich ins Feuer zu werfen. Dann eile nach Hause, halte eine große Badewanne mit Milch bereit und wirf mich hinein, so werde ich meine menschliche Gestalt wieder erlangen. Vollführe Alles genau so, wie ich dir gesagt habe, sonst kann ich nicht mehr erlöst werden.« Da ging Giovannino zum König und bat ihn, die Tribünen am Ufer des Meeres errichten zu lassen, und in der Nacht schlug er mit einem Zauberstab auf den Boden. Da erhob sich ein gewaltiger Ofen mit einem riesigen Feuer.
Am andern Morgen versammelte sich der König und sein Hofstaat und sie nahmen auf den Tribünen Platz. Alles Volk aus der Stadt und der Umgegend war herzugelaufen, um das wunderbare Schauspiel zu sehen. Da stieg ein unermeßlicher Zug von Fischen aus dem Meere, die kleinen zuerst und die großen zuletzt und warfen sich in das Feuer und einige schillerten in den glänzendsten Farben. Da riefen der König und alle Zuschauer: »Ach, Giovannino, gib mir doch diesen Fisch, oder jenen, nur den einen.« Er aber antwortete immer nur: »Eure Majestät haben mir befohlen, alle Fische des Meeres zu verbrennen und ich will sie alle verbrennen.« Zuletzt kam die Seeschlange, da bat der König: »Ach, Giovannino, es ist die letzte, gib mir nur diese Eine.« Er aber sagte: »Ich sollte sie alle verbrennen und ich werde sie auch alle verbrennen.« Damit beugte er sich über die Oeffnung des Ofens und unbemerkt schlüpfte die Seeschlange in seinen Busen. Da eilte er nach Hause, wo das Milchbad bereit stand. Er warf die Schlange hinein und sogleich wurde sie wieder zu seiner schönen Schwester und sie war noch viel viel schöner, als sie früher gewesen war. Da freuten sich die Geschwister, daß der Zauber glücklich gelöst war.
Den nächsten Morgen ging Giovannino nicht seiner Gewohnheit gemäß zum Könige, und als dieser aufstand, war er sehr erzürnt, seinen treuen Diener nicht zu sehen. Er schickte einen Boten in sein Schloß, ihn zu rufen. Als der Bote unten klopfte, sprach Caterina zu ihrem Bruder: »Bleibe du hübsch ruhig drinnen, ich werde statt deiner antworten.« Als sie aber ans Fenster trat, ward der Bote so ergriffen von ihrer wunderbaren Schönheit, daß er sie mit offenem Munde anstarrte und kein Wort hervorzubringen vermochte. Der König schickte alle seine Diener und alle seine Edelleute nacheinander hin, aber Keiner kam zurück, denn sobald sie das wunderbarschöne Mädchen erblickten, blieben sie wie versteinert stehen.
Zuletzt wurde der König ungeduldig und lief selbst vor das Schloß. Katerina sah ihn kommen, zog sich schnell vom Fenster zurück und sagte zu ihrem Bruder: »Gehe du jetzt hinunter und empfange den König.« Der König frug unterdessen seine Diener ganz erstaunt, warum denn Keiner zurückgekehrt sei. Da sagten sie ihm, sie hätten ein Mädchen gesehen von so wunderbarer Schönheit, daß sie sich nicht mehr hätten rühren können. Zugleich kam auch Giovannino heraus, und sprach: »Majestät, meine Schwester ist zurückgekehrt, und wenn ihr noch immer Willens seid, meinem Rath gemäß eure Gemahlin zu wählen, so wählet meine Schwester Caterina.« Da ging der König ins Schloß, und als er Caterina sah, ward er so entzückt von ihrer Schönheit, daß er sogleich ausrief: »Ja, du und keine andere sollst meine Gemahlin sein.« Da wurde Caterina mit köstlichen, königlichen Kleidern angethan und ein glänzendes Hochzeitsfest wurde gefeiert. Die böse Stiefmutter aber und ihre häßliche Tochter mußten in dem einsamen Walde bleiben, bis sie starben.
Eine Tages sprach nun die Lehrerin: »Caterina, wenn du mich wirklich zu deiner Mutter willst, so mußt du thun, was ich dir sage. Wenn du heute nach Hause kommst, so verlange von deiner Mutter eine Feige, sage ihr aber, sie solle sie dir aus der großen Kiste holen. Unterdessen halte du den Deckel, und wenn sie sich über die Kiste beugt, so laß den Deckel fallen; dann mache ihn wieder auf, und stecke ihr eine Feige in den Mund, dann wirst du sehen, daß ich deine Mutter werde.« Caterina ging nach Haus und bat ihre Mutter um eine Feige aus der Kiste. Als nun die Mutter sich über die Kiste beugte, ließ Caterina den Deckel fallen, daß er der Frau auf den Hals fiel, und ihr das Genick brach. Dann machte Caterina den Deckel auf, steckte der Mutter eine Feige in den Mund und machte den Deckel wieder zu.
Als nun der Vater nach Hause kam, und seine Frau in der Kiste eingeklemmt sah, lief er hinzu und machte die Kiste auf, da sah er sie mit der Feige im Mund, und dachte: »Ihre Gier hat sie ums Leben gebracht.« Und alle Nachbarn sagten: »Konnte sie nicht die Feige erst ordentlich mit der Hand herauslangen?« – Die Frau aber war todt und wurde begraben.
Nach einer Weile sprach die Lehrerin wieder zu Caterina: »Wenn du mich zu deiner Mutter haben möchtest, so sage deinem Vater, er solle mich heirathen; du und dein Bruder, ihr würdet es gut bei mir haben.« Caterina sagte das ihrem Vater, der aber antwortete: »Ach Kind, glaube doch nicht, was deine Lehrerin dir verspricht, sie würde es machen, wie alle anderen Stiefmütter und dich plagen.« Caterina aber bat ihren Vater immer wieder, die Lehrerin doch zu heirathen. Da hing der Vater über seinem Bette ein Paar eiserne Stiefel auf, und sprach: »Wenn diese Stiefel aufgebraucht sein werden, dann will ich deine Lehrerin heirathen.« Caterina ging hin und frug die Lehrerin um Rath, die sprach: »Jeden Morgen, wenn dein Vater auf dem Felde ist, mußt du die Stiefel in einer Pfütze reiben, so werden der Rost und Schmutz sie verbrauchen.« Caterina that, was die Lehrerin ihr befohlen, und nach einigen Monaten hatten die Stiefel Löcher. Da zeigte sie Caterina ihrem Vater, und sprach: »Jetzt, lieber Vater, müßt ihr meine Lehrerin heirathen.« »Gut,« antwortete der Vater, »wenn sie dich aber nachher quält und mißhandelt, mußt du nicht zu mir kommen und klagen.«
Da heirathete der Vater die Lehrerin, und einen Monat lang ging Alles gut. Die Lehrerin aber hatte eine Tochter, die war so häßlich und schwarz, daß Niemand sie ansehen mochte. Da Caterina nun jeden Tag schöner wurde, so konnte die Stiefmutter sie bald nicht mehr leiden, und wurde zuerst kalt und gleichgültig gegen sie, bald aber fing sie an sie zu mißhandeln und zu schlagen, gab ihr wenig zu essen, und Caterina mußte alle niedrige und schwere Arbeit thun. Da weinte sie oft, aber ihr Vater sagte ihr nur: »Warum hast du mich nicht hören wollen? jetzt mußt du eben leiden.«
Eines Tages sprach die Stiefmutter zu Caterina: »Du faule Dirne, immer legst du die Hände in den Schooß. Hier hast du einen Korb voll Flachs, den mußt du bis heute Abend spinnen, und wenn er nicht fertig ist, so bekommst du Schläge und nichts zu essen. Du kannst aber zugleich die Schafe hüten, denn den ganzen Tag sitzen und spinnen, das ist ja eine Kinderarbeit.« Damit gab sie ihr einen großen Korb voll Flachs, den sie nimmer in einem Tag spinnen konnte. Caterina nahm den Flachs und ging weinend auf das Feld, wo die Schafe weideten.
Als sie nun da saß und weinte, redete sie der Leithammel der Heerde an, und frug sie, warum sie weine. Da erzählte sie ihm ihr Unglück, und wie die böse Stiefmutter sie plage. »Lege dich nur schlafen,« antwortete der Leithammel, »ich will dir deinen Flachs schon spinnen.« Caterina aber legte sich schlafen, und als sie aufwachte, lag der Flachs im Korb, gesponnen und gehaspelt. Da wartete sie noch, bis es Abend wurde, und ging dann nach Haus und brachte der Stiefmutter den Flachs. Die war sehr erstaunt, aber sie sagte nur: »Siehst du wohl, du faules Mädchen, daß du arbeiten kannst, wenn du nur willst.« Den nächsten Morgen gab sie ihr einen viel größeren Korb mit Flachs und schickte sie wieder auf das Feld. Caterina ging weinend hin, und klagte dem Hammel ihre Noth. »Lege dich nur schlafen,« sprach er, »ich will den Flachs schon spinnen.« Also legte sich Caterina wieder schlafen, und richtig, als sie aufwachte, war der Flachs gesponnen und gehaspelt. Die Stiefmutter konnte sich nicht genug darüber verwundern, als ihr Caterina den Flachs ganz fertig brachte, und beschloß am dritten Morgen, ihr nachzugehen. Also gab sie ihr noch einen viel größeren Korb mit, und als Caterina wieder auf das Feld ging, schlich sie ihr nach. Da sah sie, wie Caterina sich schlafen legte, und der Hammel statt ihrer den Flachs spann, und wenn er nur das Spinnrad berührte, so fiel gleich der Flachs gesponnen und gehaspelt herunter. Da schlich sie wieder nach Haus, und als Caterina ihr den Flachs brachte, sprach sie: »Höre, Caterina, morgen Abend mußt du den Hammel nach Hause bringen, dann wollen wir ihn schlachten.« Da weinte Caterina und ging den nächsten Morgen weinend ins Feld hinaus. Da sprach der Hammel: »Caterina, warum weinst du denn schon wieder?« »Soll ich nicht weinen?« antwortete sie, »heute Abend muß ich dich mit nach Haus nehmen, und da sollst du geschlachtet werden.« »Gut,« sprach der Hammel, »sei nur nicht so traurig. Wenn mich der Metzger schlachtet, so laß dir die Eingeweide geben, und suche darin, so wirst du drei goldne Kügelchen finden, die verwahre gut, sie werden dir nützen. Dann aber entfliehe mit deinem Bruder, denn bei deiner Stiefmutter könnt ihr doch nicht bleiben. Hüte dich jedoch, daß du dich nicht dem Meere näherst, sonst wirst du zu einer Seeschlange.« Da nahm Caterina den Hammel, und brachte ihn in das Haus, und er wurde geschlachtet. Caterina aber ließ sich die Eingeweide geben, und durchsuchte sie, bis sie die drei goldnen Kügelchen fand. Dann rief sie ihren Bruder Giovannino, und beide machten sich leise auf den Weg.
Als sie eine Zeitlang gewandert waren, wurden sie so müde, daß sie kaum mehr weiter konnten. Da nahm Caterina die drei goldnen Kügelchen, und wünschte sich ein wunderschönes Schloß mit einem Garten, wie ihn selbst der König nicht schöner hätte, und sich selbst und ihren Bruder mitten darin. Da wurden Giovannino und Caterina in ein wunderschönes Schloß versetzt, darin konnten sie herrlich leben, und daneben war ein Garten, wie ihn selbst der König nicht schöner hatte. Das Schloß aber lag dicht am Meeresstrand, darum durfte Caterina nie auf die Straße und nie in den wunderschönen Garten, und nicht einmal an ein offenes Fenster, sondern mußte immer eingesperrt bleiben.
Da begab es sich eines Tages, daß der König auf die Jagd ritt, und auch an dem Schloß vorbeikam. Als er nun an den wunderschönen Garten kam, hielt er sein Pferd an und sprach: »Ach, was ist das für ein schöner Garten, schöner als der meinige; könnte ich doch nur ein wenig eintreten.« Das hörte Givannino, und trat ans Thor, und frug den König, was er wünsche. »Darf ich ein wenig in euern Garten eintreten?« frug der König. »Der Garten gehört nicht mir,« antwortete Giovannino, »sondern meiner Herrin; ich will sie aber fragen, ob sie euch erlaubt einzutreten.«
Da eilte er hinauf zu seiner Schwester, und sprach: »Denke dir nur, Caterina, der König ist da, und will unsern Garten sehen; soll ich ihn hineinführen?« »Gewiß,« antwortete Caterina. Da führte er den König in den Garten, und zeigte ihm die schönen Blumen, und der Jüngling gefiel dem König so gut, daß er ihn frug, ob er mit ihm gehen wolle auf sein Schloß. »Erst muß ich meine Herrin fragen,« antwortete Giovannino, und lief zu seiner Schwester, und sprach: »Denke dir nur, Caterina, der König will mich mitnehmen auf sein Schloß.« »Geh nur, Giovannino,« sagte sie, »ich bin ja gut verwahrt; wer weiß, es ist vielleicht unser Glück.«
Da ging Giovannino mit dem König, und wohnte bei ihm, und wurde sein erster Kammerdiener, und der König gewann ihn so lieb, daß er ihn wie seinen Freund behandelte, und oft zu ihm sagte: »Giovannino, ich werde mich nicht eher verheirathen, als bis du mir ein Mädchen anempfiehlst.« Einmal antwortete Giovannino: »Nun wohl, Majestät, ich habe eine Schwester, die ist so schön, wie die Sonne, und so tugendhaft, wie es keine zweite gibt, die müßt ihr heirathen.« »Wohl,« sprach der König, »gehe hin und sage deiner Schwester, ich würde morgen kommen, sie zu holen.« Giovannino ging eilends zu seiner Schwester, und sprach zu ihr: »Ach denke dir nur, Caterina, morgen will der König kommen, dich zu holen, daß du seine Frau werdest.« »Ja wohl,« sprach Caterina, »ich kann aber nicht auf die Straße; laß also geschwinde einen gedeckten Gang machen, von dem Fenster meines Schlafzimmers bis zu einem Fenster im königlichen Schloß.« Da nahm Giovannino eine große Anzahl Arbeiter und sie mußten den ganzen Tag und die ganze Nacht arbeiten, um den gedeckten Gang fertig zu machen.
Am nächsten Morgen, als der Gang fast fertig war, klopften auf einmal zwei Frauen an die Thür des Schlosses, das waren die Stiefmutter und ihre Tochter, zu denen der Ruf von Caterinas Schönheit auch gedrungen. Als sie nun hereintraten, thaten sie sehr freundlich, und die Alte sprach zu Caterina: »Ach, du liebe Caterina, wie lange haben wir dich nicht gesehen; wir haben gehört, du seiest eine schöne reiche Dame geworden, und sind gekommen, dir einen kleinen Besuch zu machen.« Caterina empfing sie freundlich, und fing an, ihnen zu erzählen. Da rief auf einmal Giovannino aus dem bedeckten Gang heraus: »Caterina, kleide dich in den königlichen Mantel, denn wir sind gleich fertig.« Caterina aber konnte ihn nicht recht verstehen, da sie nicht an das offene Fenster treten durfte, und frug daher die Stiefmutter: »Was sagt mein Bruder?« Da antwortete das falsche Weib: »Dein Bruder hat gesagt, du sollest einmal ans Fenster treten.« Da trat sie ans Fenster, und in demselben Augenblicke wurde sie zu einer Seeschlange und verschwand. Die Stiefmutter aber bekleidete schnell ihre Tochter mit dem königlichen Mantel, und befahl ihr, sich das Gesicht mit ihrem Tuch zu bedecken.
Als nun Giovannino mit dem Gang fertig war, schritt die falsche Caterina schnell hindurch, damit er nicht Zeit haben sollte, sie zu sehen. Als sie aber vor den König kam, mußte sie doch ihr Gesicht zeigen; da wurde der König sehr zornig, daß sie so schwarz und häßlich sei, und schickte sie und ihre Mutter in ein einsames Haus im Walde, dort sollten sie bleiben; den Giovannino aber wollte er fortjagen. Der wußte gar nicht, wie ihm geschah; als er aber nach Hause kam, und im Zimmer seiner Schwester das offne Fenster erblickte, wurde ihm Alles klar. Da kam er wieder zum König, und erzählte ihm Alles, und weil ihn der König dennoch so lieb hatte, so nahm er ihn wieder in seinen Dienst. Oft aber pflegte er zu sagen: »Giovannino, Giovannino, du bist so hübsch und verständig, aber einmal hast du mich doch getäuscht.« Da wurde Giovannino immer sehr betrübt, aber er konnte seine Schwester eben nicht erlösen.
Unterdessen lebte die falsche Stiefmutter mit ihrer Tochter im Walde, und dachte nur darüber nach, wie sie den armen Giovannino auch verderben könne. Da kam sie eines Tages zum König, und sprach: »Denkt euch nur, was Giovannino sich anmaßt; er will in einer Nacht auf euren Schloßplatz drei Brunnen errichten, aus dem ersten soll Wasser fließen, aus dem zweiten Oel, aus dem dritten Wein.« Da ließ der König den Giovannino rufen, und sprach zu ihm: »Du hast dich vermessen, in einer Nacht auf meinem Schloßplatz drei Brunnen zu errichten, aus denen Wasser, Oel und Wein fließen soll. Wenn die drei Brunnen morgen früh nicht fertig sind, so jage ich dich fort.«
Ganz betrübt ging Giovannino fort, und kam an den Strand des Meeres, dort fing er an zu weinen und seine Schwester zu rufen: »Ach, Caterina, liebe Caterina, was soll ich thun in meiner Noth!« Mit einem Male rauschte das Wasser und eine Seeschlange erhob sich daraus und frug: »Hier bin ich, was willst du?« Da erzählte er ihr sein Leid und wie ihm nichts übrig bleibe, als sich ins Wasser zu werfen. Sie aber sprach: »Sei nur nicht so muthlos; nimm diesen Zauberstab und schlage damit heute Nacht an drei verschiedenen Stellen des Schloßplatzes auf das Pflaster, so werden sich die drei Brunnen erheben.« Giovannino nahm den Zauberstab, und in der Nacht schlug er damit das Pflaster des Schloßplatzes, und richtig, es erhoben sich drei prächtige Brunnen, aus denen floß Wasser, Oel und Wein. Als der König aufwachte und zum Fenster hinaussah, war er hocherfreut über die Künste seines Dieners und beschenkte ihn reichlich.
Bald aber kam die böse Stiefmutter zum zweiten Male, und sprach: »Giovannino hört nicht auf, sich seiner Künste zu rühmen und hat sich vermessen, in einer Nacht einen Palast ganz aus Krystall zu bauen und es soll nichts darin fehlen.« Da ließ der König den armen Giovannino rufen und befahl ihm, bis zum nächsten Morgen einen Palast aus Krystall zu bauen. Er dürfe aber nichts darin fehlen, sonst würde er ihn fortjagen. Giovannino ging wieder weinend an das Ufer des Meeres und rief seine Schwester. Da erhob sich die Seeschlange aus den Wellen und er erzählte ihr das neue Verlangen des Königs. Da schenkte sie ihm wieder einen Zauberstab und sprach: »Schlage nur damit auf die Erde, so wird sich der ganze Palast erheben.« In der Nacht that er es und siehe da, es erhob sich ein Krystallpalast, wie ihn der König nicht schöner hatte. Als der König ihn sah, beschenkte er seine treuen Diener wieder reichlich und hatte ihn wieder lieber als je.
Die böse Stiefmutter aber hatte keine Ruhe sondern kam wieder zum König und sprach: »Zweimal ist es Giovannino gelungen. Jetzt aber rühmt er sich, ein Schauspiel veranstalten zu können, das mir zu vermessen scheint. Er hat gesagt, er würde in einer Nacht einen großen Backofen mit einem riesigen Feuer bauen und den nächsten Morgen sollten auf sein Geheiß alle Fische des Meeres in einem langen Zuge kommen und sich in die Flammen stürzen.« Das möchte ich gern sehen, rief der König und ließ Giovannino holen und befahl ihm, auch dieses Kunststück zu vollbringen. »Wie kann ich denn den Fischen des Meeres befehlen,« frug Giovannino ganz erschrocken. »Zweimal ist es dir gelungen,« sprach der König, »nun mußt du auch diesmal dein Wort wahr machen, sonst lasse ich dir den Kopf abschlagen.«
Da ging Giovannino wieder an das Ufer des Meeres, und rief weinend seine Schwester, und als sie kam, klagte er ihr sein Leid. »Wohl,« sprach sie, »nimm diesen Zauberstab, gehe hin zum König und sage ihm, du wärest bereit, Morgen das Schauspiel zu veranstalten. Er sollen einige Tribünen errichten lassen, um Alles bequemer sehen zu können. Dann schlage mit dem Stab auf die Erde, so wird sich der Ofen erheben. Morgen früh nun werden die Fische in einem langen Zuge erscheinen und sich in den Ofen werfen. Hüte dich aber, wohl einen davon zu fangen, selbst wenn dich der König darum bittet. Ganz zuletzt werde auch ich kommen. Dann beuge dich über die Oeffnung des Ofens, damit ich in deinen Busen kriechen kann, anstatt mich ins Feuer zu werfen. Dann eile nach Hause, halte eine große Badewanne mit Milch bereit und wirf mich hinein, so werde ich meine menschliche Gestalt wieder erlangen. Vollführe Alles genau so, wie ich dir gesagt habe, sonst kann ich nicht mehr erlöst werden.« Da ging Giovannino zum König und bat ihn, die Tribünen am Ufer des Meeres errichten zu lassen, und in der Nacht schlug er mit einem Zauberstab auf den Boden. Da erhob sich ein gewaltiger Ofen mit einem riesigen Feuer.
Am andern Morgen versammelte sich der König und sein Hofstaat und sie nahmen auf den Tribünen Platz. Alles Volk aus der Stadt und der Umgegend war herzugelaufen, um das wunderbare Schauspiel zu sehen. Da stieg ein unermeßlicher Zug von Fischen aus dem Meere, die kleinen zuerst und die großen zuletzt und warfen sich in das Feuer und einige schillerten in den glänzendsten Farben. Da riefen der König und alle Zuschauer: »Ach, Giovannino, gib mir doch diesen Fisch, oder jenen, nur den einen.« Er aber antwortete immer nur: »Eure Majestät haben mir befohlen, alle Fische des Meeres zu verbrennen und ich will sie alle verbrennen.« Zuletzt kam die Seeschlange, da bat der König: »Ach, Giovannino, es ist die letzte, gib mir nur diese Eine.« Er aber sagte: »Ich sollte sie alle verbrennen und ich werde sie auch alle verbrennen.« Damit beugte er sich über die Oeffnung des Ofens und unbemerkt schlüpfte die Seeschlange in seinen Busen. Da eilte er nach Hause, wo das Milchbad bereit stand. Er warf die Schlange hinein und sogleich wurde sie wieder zu seiner schönen Schwester und sie war noch viel viel schöner, als sie früher gewesen war. Da freuten sich die Geschwister, daß der Zauber glücklich gelöst war.
Den nächsten Morgen ging Giovannino nicht seiner Gewohnheit gemäß zum Könige, und als dieser aufstand, war er sehr erzürnt, seinen treuen Diener nicht zu sehen. Er schickte einen Boten in sein Schloß, ihn zu rufen. Als der Bote unten klopfte, sprach Caterina zu ihrem Bruder: »Bleibe du hübsch ruhig drinnen, ich werde statt deiner antworten.« Als sie aber ans Fenster trat, ward der Bote so ergriffen von ihrer wunderbaren Schönheit, daß er sie mit offenem Munde anstarrte und kein Wort hervorzubringen vermochte. Der König schickte alle seine Diener und alle seine Edelleute nacheinander hin, aber Keiner kam zurück, denn sobald sie das wunderbarschöne Mädchen erblickten, blieben sie wie versteinert stehen.
Zuletzt wurde der König ungeduldig und lief selbst vor das Schloß. Katerina sah ihn kommen, zog sich schnell vom Fenster zurück und sagte zu ihrem Bruder: »Gehe du jetzt hinunter und empfange den König.« Der König frug unterdessen seine Diener ganz erstaunt, warum denn Keiner zurückgekehrt sei. Da sagten sie ihm, sie hätten ein Mädchen gesehen von so wunderbarer Schönheit, daß sie sich nicht mehr hätten rühren können. Zugleich kam auch Giovannino heraus, und sprach: »Majestät, meine Schwester ist zurückgekehrt, und wenn ihr noch immer Willens seid, meinem Rath gemäß eure Gemahlin zu wählen, so wählet meine Schwester Caterina.« Da ging der König ins Schloß, und als er Caterina sah, ward er so entzückt von ihrer Schönheit, daß er sogleich ausrief: »Ja, du und keine andere sollst meine Gemahlin sein.« Da wurde Caterina mit köstlichen, königlichen Kleidern angethan und ein glänzendes Hochzeitsfest wurde gefeiert. Die böse Stiefmutter aber und ihre häßliche Tochter mußten in dem einsamen Walde bleiben, bis sie starben.
[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]