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Von dem listigen Schuster

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Es war einmal ein Schuster, der war sehr arm, und konnte keine Arbeit finden, also daß er mit seiner Frau fast Hungers starb. Da sprach er eines Tages: »Liebe Frau, ich finde hier keine Arbeit, ich will mich auf den Weg machen, und in die Ebene von Mascalucia gehen; vielleicht finde ich dort mein Glück.« Also machte er sich auf und wanderte nach Mascalucia. Kaum hatte er angefangen zu rufen: »Wer wünscht einen Schuster,« so öffnete sich auch schon ein Fenster, und eine Frau rief ihn, er solle ihr ein Paar Schuhe flicken. Als er fertig war, frug sie: »Wie viel bin ich euch schuldig?« »Einen Tari.« »Hier habt ihr achtzehn Grani, und der Herr begleite euch.« Der Schuster fing wieder an zu rufen, und bald öffnete sich wieder ein Fenster und er bekam neue Arbeit. »Wie viel sind wir euch schuldig?« »Drei Carlini.« »Hier sind fünfundzwanzig Grani und der Herr begleite euch.« »Nun,« dachte Meister Giuseppe, »hier geht es ja ganz ordentlich. Nun will ich aber noch nicht zu meiner Frau zurückkehren, sondern erst ein hübsches Sümmchen verdienen, und dann zu Esel heimreiten.« Also blieb er viele Tage da, hatte immer Arbeit vollauf, und hatte endlich vier Unzen verdient. Da ging er auf den Jahrmarkt, kaufte sich um zwei Unzen einen guten Esel, und machte sich auf, nach Catania zurück. Als er nun durch den Wald kam, sah er von Weitem vier Räuber auf sich zu kommen. »Ach, nun bin ich verloren,« dachte er, »die werden mir gewiß alles nehmen, was ich mir mit so vieler Mühe verdient habe.« Er war aber schlau, und verlor den Muth nicht; nahm die fünf Thaler, die ihm geblieben waren, und steckte sie dem Esel unter den Schwanz. Die Räuber fielen ihn an, und forderten ihm sein Geld ab. »Ach, liebe Freunde,« rief er, »ich bin ein armer Schuster und habe kein Geld; ich besitze nichts als diesen Esel.« In dem Augenblick hob der Esel den Schwanz auf, und die fünf Thaler fielen auf den Boden. »Was ist denn das?« frugen die Räuber. »Ja, meine Freunde,« antwortete der Schuster, »dieser Esel ist eben ein Goldesel, und bringt mir viel Geld ein.« »Verkaufe ihn uns,« baten die Räuber, »wir wollen dir geben, so viel du willst.« Der Schuster weigerte sich anfangs, dann that er eben, als ob er sich bereden ließe, und verkaufte ihnen den Esel für funfzig Unzen. »Hört aber, was ich euch sage,« rief er ihnen noch zu, »jeder von euch muß ihn der Reihe nach einen Tag und eine Nacht lang haben, sonst zankt ihr euch um das Gold, das er euch gibt.« Die Räuber trieben ihren Esel vergnügt in den Wald hinein, und Meister Giuseppe wanderte lachend nach Haus, und freute sich über das gute Geschäft, das er gemacht hatte. Er kaufte ein gutes Mittagsmahl ein, schmauste vergnügt mit seiner Frau, und kaufte sich gleich den nächsten Tag einen hübschen Weinberg.
Unterdessen waren die Räuber mit dem Esel in ihren Wohnort gekommen, und der Räuberhauptmann sprach: »Mir gebührt das Recht, den Esel die erste Nacht hindurch zu behalten.« Seine Gefährten waren es zufrieden, und so nahm der Hauptmann den Esel nach Haus, rief seine Frau herbei, und befahl ihr, im Stall ein Betttuch auszubreiten, damit der Esel die Nacht darauf zubringen könne. Sie wunderte sich über den närrischen Einfall ihres Mannes, er aber sprach: »Was geht dich das an? Thu, was ich dir sage, und morgen früh werden wir hier Schätze finden.« Am frühen Morgen schon eilte der Räuberhauptmann in den Stall, was er aber fand, waren keine Schätze und merkte, daß Meister Giuseppe sie alle angeführt habe. »Nun gut,« dachte er, »der Schuster hat mich angeführt, die Andern sollen aber dieselbe Erfahrung machen wie ich.«
Als nun sein erster Gefährte kam, und ihn frug, ob er viele harte Thaler erhalten habe, antwortete er: »O, Gevatter, wenn ihr wüßtet, was für Schätze ich gefunden habe! Aber ich will sie euch vorerst nicht zeigen; erst wenn jeder sein Theil vorzeigen kann.« Der Räuber nahm den Esel mit, aber es ging ihm nicht besser als dem Hauptmann, und um es kurz zu sagen, jeder der vier Räuber machte die gleiche Erfahrung. Als nun die vierte Nacht verflossen war, und die Räuber zusammenkamen, beschlossen sie, den Schuster, der sie gefoppt hatte, in seinem Hause anzufallen und zu erwürgen. Da machten sie sich auf den Weg, und kamen bald an das Haus des armen Meister Giuseppe. Der aber sah sie schon von Weitem kommen, und dachte sich gleich etwas Neues aus. Er rief seine Frau, nahm einen Darm, füllte ihn mit Blut, und band ihn ihr um den Hals. Dann sprach er: »Wenn die Räuber kommen, so werde ich ihnen sagen, ich wolle ihnen das Geld für den Esel wiedergeben, und werde dich dann rufen, du sollest es schnell holen. Zögere ein wenig, mir zu gehorchen, und wenn ich dann mit meinem Messer in den Darm hineinsteche, so falle wie todt auf den Boden. Wenn du mich aber Guitarre spielen hörst, so erhebe dich und fange an zu tanzen.«
Nicht lange, so kamen die Räuber herein, und überhäuften den Schuster mit Vorwürfen, weil er sie angeführt habe. »Habt ihr kein Geld bekommen?« frug er ganz erstaunt. »Das arme Thier hat wahrscheinlich durch den Wechsel der Wohnung seine Tugend verloren. Seid aber nur ruhig, darum wollen wir uns nicht zanken. Ich will euch sogleich die funfzig Unzen wiedergeben. Aite laufe schnell in die Kammer, und bringe diesen Herren die funfzig Unzen.« »Gleich,« antwortete sie, »ich muß nur eben noch die Fische fertig backen, ich kann jetzt nicht gehen.« »Willst du nicht augenblicklich gehen, wenn ich es dir sage?« rief der Schuster, und stellte sich, als ob er im höchsten Zorn wäre. »Hier hast du was!« Damit zog er sein Messer und stach sie in den Hals, daß sie wie todt hinfiel, und das Blut aus dem Darm herausströmte. »Ach, Meister Giuseppe, was habt ihr gemacht!« riefen die Räuber; »die Arme hatte euch ja nichts gethan.« »O, das hat gar nichts zu sagen,« erwiederte der Schuster, holte seine Guitarre hervor und fing an zu spielen. Sogleich richtete seine Frau sich auf, und fing an zu tanzen. Die Räuber standen mit offenem Munde da, und sagten endlich: »Meister Giuseppe, behaltet nur die funfzig Unzen, und saget uns, wie viel ihr noch für die Guitarre wollt, denn die müßt ihr uns verkaufen.« »Ach, nein, meine Herren, das kann ich nicht,« sagte der Schuster; »bei jedem Streit, den wir mit einander haben, ermorde ich meine Frau und kühle so meinen Zorn. Ich habe jetzt diese Gewohnheit angenommen, und wenn ich es wieder einmal thue, und habe die Guitarre nicht mehr, so kann ich sie ja nicht mehr erwecken.« Die Räuber aber baten ihn so lange, bis er ihnen endlich die Guitarre für vierzig Unzen verkaufte. Die Räuber gingen mit ihrer Guitarre vergnügt nach Hause, und der Hauptmann sprach: »Mir gebührt es, die Guitarre die erste Nacht zu versuchen.« Als er nun nach Hause kam rief er seine Frau und frug: »Was gibt es heute Abend zu essen?« »Pasta,« sprach sie. »Warum hast du keine Fische gebacken?« schrie er, und stach sie in den Hals, daß sie todt hinfiel. Dann nahm er die Guitarre zur Hand, aber er mochte spielen, so viel er wollte, die Todte erwachte nicht wieder. »O, der nichtswürdige Schuster! Dieser verwünschte Schurke! Hat er mich zum zweitenmal angeführt! Dafür will ich ihn erwürgen!« Aber all sein Geschrei half ihm nichts; die Frau war und blieb todt. Am nächsten Morgen kam der eine Räuber, um sich die Guitarre zu holen, und frug: »Nun, Gevatter, wie ist es euch ergangen?« »O, herrlich, ich hatte meine Frau umgebracht, kaum aber fing ich an zu spielen, so erwachte sie und stand wieder auf.« »Sprecht ihr im Ernst? Diesen Abend will ich es auch versuchen.« Um es kurz zu sagen, die vier Räuber tödteten alle vier ihre Frauen, und als sie am fünften Morgen zusammenkamen, und sich gegenseitig ihre Geschichte erzählten, schwuren sie den schlauen Schuster zu ermorden. Also machten sie sich auf und kamen in sein Haus. Meister Giuseppe aber sah sie von Weitem kommen, und sprach zu seiner Frau: »Höre, Aïta, wenn die Räuber kommen, und nach mir fragen, so sage ihnen, ich wäre in den Weinberg gegangen. Dann befiehl dem Hunde mich zu rufen, und jage ihn zum Haus hinaus.« Dann ging Meister Giuseppe durch eine Hinterthür ins Freie und versteckte sich in der Nähe. Nicht lange, so kamen die Räuber und frugen nach ihm. »Ach, meine Herren, er ist so eben in den Weinberg gegangen,« antwortete die Frau, »ich will ihn aber sogleich rufen lassen.« »Geh schnell in den Weinberg, und rufe deinen Herrn, und sage ihm, es wären vier Herren da, die ihn sprechen wollten.« Damit machte sie dem Hund die Thüre auf, und jagte ihn hinaus. »Ihr werdet doch nicht den Hund zu eurem Manne schicken?« frugen die Räuber. »Ja freilich; er versteht Alles, und wird meinem Manne Alles wiedersagen, was ich ihm aufgetragen habe.« Nach einer Weile kam richtig der Schuster herein und sagte: »Willkommen, meine Herren, der Hund hat mir gesagt, ihr wolltet mich sprechen.« »Ja wohl,« antwortete der Räuberhauptmann, »wir sind gekommen, euch wegen der Guitarre zur Rede zu stellen. Denn ihr seid schuld, daß wir alle vier unsere Frauen umgebracht haben, und keinem ist es gelungen, die Seinige zu erwecken.« »Ihr habt es wohl nicht richtig angefangen,« meinte der Schuster. »Nun, es soll alles vergessen sein,« sagte der Räuber, »ihr müßt uns aber euren Hund verkaufen.« »Ach, nein, das kann ich nicht; denkt nur, wie viel er mir werth ist.« Die Räuber aber baten so lange, bis ihnen Meister Giuseppe den Hund für vierzig Unzen verkaufte.
Die Räuber nahmen ihn mit, und der Räuberhauptmann meinte, ihm komme das Recht zu, den Hund zuerst zu benutzen. Er nahm ihn also mit nach Hause, und sprach zu seiner Tochter: »Ich gehe ins Wirthshaus; wenn Jemand kommt und mit mir sprechen will, so binde den Hund los, und schicke ihn, mich zu rufen.« Als nun wirklich Jemand kam, der mit ihm sprechen wollte, band die Tochter den Hund los und sprach: »Geh hin ins Wirthshaus und rufe den Vater.« Der Hund aber lief statt dessen zum Schuster zurück.
Als nun später der Räuber heimkam, und den Hund nicht mehr fand, dachte er: »Er ist gewiß zu seinem frühern Herrn zurückgekehrt,« machte sich also in der Nacht noch auf, und kam zum Schuster. »Meister Giuseppe, ist der Hund hier?« »Ach, ja, das arme Thier ist mir so anhänglich. Es ist nur, bis er die Gewohnheit annimmt.« Also nahm der Räuber den Hund wieder mit und gab ihn am nächsten Morgen dem zweiten Räuber, sagte ihm aber, es sei wirklich so, wie der Schuster gesagt habe. Kurz, jeder Räuber wollte von dem Hunde einen Auftrag ausrichten lassen, und jedesmal lief der Hund zum Schuster zurück, und die Räuber mußten erst noch gehen, und ihn wieder holen. Als sie nun am fünften Morgen zusammenkamen, wurde es ihnen klar, daß Meister Giuseppe sie nur zum Besten habe, und sie beschlossen ihn zu erwürgen, und nichts mehr von ihm anzunehmen. Also kamen sie zu ihm, und machten ihm heftige Vorwürfe, und steckten ihn endlich in einen Sack, um ihn ins
Meer zu werfen. Meister Giuseppe ließ alles ruhig mit sich geschehen.
Als sie nun an einer Kirche vorbeikamen, in der eben die Messe gelesen wurde, beschlossen die Räuber erst noch eine Messe zu hören, denn sie waren fromme Leute. Da ließen sie den Sack draußen stehen und gingen in die Kirche. In der Nähe aber hütete ein Bursche eine große Heerde Schweine, der pfiff ein lustiges Lied. Als Meister Giuseppe das hörte, fing er laut an zu schreien: »Ich will ja aber nicht! ich will ja aber nicht!« »Was willst du nicht?« frug der Bursche. »Ach,« antwortete der Schuster, »da soll ich durchaus die Königstochter heirathen, und will nicht.« »Ach,« seufzte der Andere, »wenn ich sie nur heirathen dürfte!« »O, es ist nichts leichter als das,« antwortete der schlaue Schuster, »stecke dich nur in diesen Sack und laß mich hinaus.« Da band der Schweinehirt den Sack auf und ließ den Schuster hinaus; dann kroch er selbst hinein, und der Schuster trieb vergnügt die Schweine fort. Als die Räuber aus der Kirche kamen, nahmen sie den Sack auf den Rücken, und warfen ihn ins Meer, wo es recht tief war. Auf dem Rückwege aber kam ihnen Meister Giuseppe mit seiner Heerde entgegen, und da sie ihn mit offenem Munde anstarrten, rief er: »Ach, wenn ihr wüßtet, wie viele Schweine im Meere sind! Je tiefer man kommt, desto mehr findet man. Da habe ich mir diese Heerde geholt, und bin wieder heraufgekommen.« »Sind denn noch mehr da?« »O, mehr als ihr holen könnt,« rief der schlaue Schuster. »Führe uns hin,« baten sie. Da führte er die Räuber an den Strand und sprach: »Ihr müßt euch aber jeder einen Stein um den Hals binden, sonst kommt ihr nicht tief genug; denn die Schweine, die zu oberst waren, habe ich schon alle gefangen.« Da banden sich die Räuber jeder einen Stein um den Hals und sprangen ins Meer hinein und sanken gleich unter und ertranken. Meister Giuseppe aber trieb seine Schweine vergnügt nach Hause, und hatte für sein Lebtag genug.

Das Märchen aus der Muschel tönt,
Das Märchen aus dem Becken fließt!
Wie schön ist doch die Dame,
Die mich’s erzählen hieß.

[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]

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