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Es war einmal eine Frau, die hatte genug zu leben und es mangelte ihr Nichts. Sie hatte aber einen Sohn, der sich vor Nichts fürchtete und immer dumme Streiche machte. Da dachte sie: »Ich will ihn zu meinem Schwager thun, der ist Geistlicher und wird ihn wohl dazu bringen, sich vor irgend etwas zu fürchten.«
Also ging sie zu ihrem Schwager und bat ihn, den ungerathenen Sohn zu sich zu nehmen und ihm etwas Furcht einzuflößen. Der Geistliche war es zufrieden und nahm den Burschen zu sich. Um ihn nun fürchten zu machen, rief er einen Mann herbei und sprach: »Ich mache dir ein schönes Geschenk, dafür mußt du dich heute Abend todt stellen und dich in einem Sarge in die Kirche hineintragen lassen. Mein Neffe wird bei dir wachen, um Mitternacht aber mußt du dich in deinem Sarg bewegen, als ob du lebendig würdest.« Der Mann versprach es und der Geistliche rief seinen Neffen und sprach: »Man wird gleich einen Todten bringen, hilf mir, den Katafalk in der Kirche errichten.« Als sie nun den Katafalk errichtet hatten, kamen die Träger und brachten den Mann, der sich todt stellte, und legten ihn in den Sarg auf dem Katafalk. »Höre einmal,« sprach nun der Geistliche zu seinem Neffen, »du mußt die Nacht über in der Kirche wachen, denn wir können den Todten nicht allein lassen. Fürchtest du dich auch nicht?« »Wovor sollte ich mich fürchten,« sprach der Bursche und schloß sich mit dem Todten in der Kirche ein. Um Mitternacht hob der vermeintliche Todte auf einmal einen Arm auf und ließ ihn mit großem Lärm wieder sinken. »Du, sei still,« rief der Bursche, »ich will auch ein wenig schlafen.« Nach einem Weilchen hob der Mann ein Bein auf und schlug damit gegen den Sarg. »Ich glaube gar, der Todte wird wieder lebendig,« dachte der Bursche, stieg auf den Katafalk und fing an den Mann mit einem großen Stock zu prügeln, daß er aufsprang, die Thüre aufriß und entfloh.
Der Geistliche aber hörte den Lärm und kam ganz erschreckt herbeigelaufen, denn er dachte, sein Neffe möchte den Mann wirklich umbringen. »Was ist das für ein Lärm?« frug er. »Denkt euch nur, Onkel, der Todte ist wieder lebendig geworden,« rief der Neffe. »Ich habe ihn geprügelt, weil er so unruhig war und mich nicht schlafen ließ, und da hat er Reißaus genommen.« »Nein,« dachte der Onkel, »und der hat sich nicht einmal gefürchtet! Jetzt werde ich dem armen Menschen noch Schmerzensgeld geben müssen.«
Den nächsten Abend dachte der Geistliche sich etwas Anderes aus. Er nahm eine Menge Todtenköpfe, stieg auf den Kirchthurm und stellte der Wand entlang die Todtenköpfe auf. In jedem Todtenkopf zündete er ein Lichtchen an, daß es gar grausig aussah. Zu oberst im Kirchthurm aber stellte er ein Skelett auf und gab ihm den Glockenstrang in die Hand. Dann ging er hinunter, rief eilends seinen Neffen und sprach: »Springe schnell in den Thurm hinauf und läute die Glocken.« Der Bursche gehorchte; als er nun die Treppe hinaufstieg und die Todtenköpfe so unheimlich leuchteten, dachte er: »Ei, das macht sich ja sehr hübsch. Da sieht man doch seinen Weg.« Als er aber das Skelett sah, rief er ihm zu: »Höre einmal, was machst du hier oben? Sollst du läuten, so mache dich wenigstens ans Werk und dann gehe ich hinunter. Entweder du oder ich.« Da nun das Skelett unbeweglich stand und keine Antwort gab, so verlor der Bursche die Geduld, und sprach: »Wenn du nicht hören willst, so siehe selber zu,« und warf es die Treppe hinunter. Da fing er an mit allen Glocken zu läuten, daß die Leute auf den Straßen zusammenliefen und meinten, es sei ein Unglück geschehen. Der Geistliche aber beruhigte sie und sprach: »Liebe Leute, geht nur nach Hause, es ist bloß mein Neffe, der macht zuweilen so dumme Streiche. – Komm herunter, du da oben!«
Nun wußte der Geistliche gar nicht mehr, was er sich ausdenken sollte, und dachte: »Einmal noch will ich es versuchen; wenn er sich aber diesmal nicht fürchtet, so muß er fort.« Da rief er einen Mann und sprach zu ihm: »Höre, mein guter Freund, ich mache dir ein schönes Geschenk, wenn du genau thust, was ich dir sage. Heute Abend mußt du dich bei dieser Mauer verstecken. Gegen Mitternacht aber werde ich meinen Neffen zum Brunnen schicken. Wenn er nun vorbeikommt, so richte dich plötzlich auf und schreie: ’sei!‘ Ein unerwarteter Schrecken macht einen oft mehr fürchten, als alles Andere.« Der Mann versprach es, und gegen Mitternacht sagte der Onkel zu seinem Neffen: »Geh einmal an den Brunnen und hole mir etwas Wasser, ich bin so durstig.« Da ging der Bursche durch die finstere Nacht zum Brunnen und hielt in jeder Hand einen Krug. Als er nun an der Mauer vorbeiging, richtete sich auf einmal eine schwarze Gestalt auf und schrie: »sei!« – »sette!« antwortete der Bursche ganz kaltblütig und schlug den Mann mit dem Krug ins Gesicht, daß der Krug in tausend Stücke zersprang und der Mann halb todt auf den Boden fiel. Als der Geistliche den Lärm hörte, kam er herbeigelaufen, und als er den verwundeten Menschen da liegen sah, sprach er: »Mit dir kann ich es nicht länger aushalten, gehe hin und versuche dein Glück in der weiten Welt.«
Der Bursche ließ es sich nicht zweimal sagen, wanderte in der finstern Nacht fort und nahm Nichts mit, als den einen Krug, den er noch in der Hand hielt.
Am andern Morgen fand er sich in einer einsamen, wilden Gegend und weil er durstig war und einen Brunnen in der Nähe sah, so ging er hin, füllte seinen Krug und wanderte weiter. Endlich sah er in der Ferne ein wunderschönes Haus stehen, darin wohnten dreizehn Räuber. Während er nun auf das Haus zuging, fiel ihm sein Krug aus der Hand und das Wasser lief in kleinen Bächlein hier hin und dort hin. »Fünfhundert hier hinaus, vierhundert auf jener Seite, sechshundert dort drüben,« sprach er mit lauter Stimme und meinte die Wassertropfen. Die Räuber aber meinten, es sei ein großer General, der mit seiner Armee gekommen wäre, sie zu fangen, sprangen zur Hinterthür hinaus und nahmen Reißaus. Der Bursche ging in das Haus und fand einen schön gedeckten Tisch, daran setzte er sich und aß und trank soviel sein Herz begehrte. Weil er aber die ganze Nacht gewandert war, so wollte er nun auch schlafen. Da ging er in einen großen Saal, darin standen die dreizehn Betten der Räuber, die nahm er alle auseinander und thürmte sie vor der Thüre auf, legte sich oben hinauf und nahm auch ein Schwert zu sich, das den Räubern gehörte.
Nach einer Weile dachten die Räuber: »Wir wollen jetzt einmal nachsehen, vielleicht sind die Soldaten fort.« Als sie aber an das Haus kamen, schickte der Räuberhauptmann Einen hinein, der sollte einmal nachsehen, wie es eigentlich drinnen aussehe. Der Räuber schlich leise herein, bis er an die Thüre kam, hinter der alle die Betten aufgethürmt waren. Der Bursche aber, der oben drauf lag, als er den Räuber kommen sah, zog er sein Schwert aus der Scheide und rief mit lauter Stimme: »Heraus, heraus!« und schlug den Räuber todt. Die andern Räuber aber meinten, er rufe alle seine Soldaten und liefen noch viel schneller davon als das erste Mal. Da sammelte der Bursche alle die Schätze und Kostbarkeiten, die in dem Hause waren und brachte sie zu seiner Mutter, die freute sich, daß ihr Sohn wiederkam und ein so reicher Mann geworden war. Da lebten sie glücklich und zufrieden, das Fürchten aber hat er nicht gelernt.
Also ging sie zu ihrem Schwager und bat ihn, den ungerathenen Sohn zu sich zu nehmen und ihm etwas Furcht einzuflößen. Der Geistliche war es zufrieden und nahm den Burschen zu sich. Um ihn nun fürchten zu machen, rief er einen Mann herbei und sprach: »Ich mache dir ein schönes Geschenk, dafür mußt du dich heute Abend todt stellen und dich in einem Sarge in die Kirche hineintragen lassen. Mein Neffe wird bei dir wachen, um Mitternacht aber mußt du dich in deinem Sarg bewegen, als ob du lebendig würdest.« Der Mann versprach es und der Geistliche rief seinen Neffen und sprach: »Man wird gleich einen Todten bringen, hilf mir, den Katafalk in der Kirche errichten.« Als sie nun den Katafalk errichtet hatten, kamen die Träger und brachten den Mann, der sich todt stellte, und legten ihn in den Sarg auf dem Katafalk. »Höre einmal,« sprach nun der Geistliche zu seinem Neffen, »du mußt die Nacht über in der Kirche wachen, denn wir können den Todten nicht allein lassen. Fürchtest du dich auch nicht?« »Wovor sollte ich mich fürchten,« sprach der Bursche und schloß sich mit dem Todten in der Kirche ein. Um Mitternacht hob der vermeintliche Todte auf einmal einen Arm auf und ließ ihn mit großem Lärm wieder sinken. »Du, sei still,« rief der Bursche, »ich will auch ein wenig schlafen.« Nach einem Weilchen hob der Mann ein Bein auf und schlug damit gegen den Sarg. »Ich glaube gar, der Todte wird wieder lebendig,« dachte der Bursche, stieg auf den Katafalk und fing an den Mann mit einem großen Stock zu prügeln, daß er aufsprang, die Thüre aufriß und entfloh.
Der Geistliche aber hörte den Lärm und kam ganz erschreckt herbeigelaufen, denn er dachte, sein Neffe möchte den Mann wirklich umbringen. »Was ist das für ein Lärm?« frug er. »Denkt euch nur, Onkel, der Todte ist wieder lebendig geworden,« rief der Neffe. »Ich habe ihn geprügelt, weil er so unruhig war und mich nicht schlafen ließ, und da hat er Reißaus genommen.« »Nein,« dachte der Onkel, »und der hat sich nicht einmal gefürchtet! Jetzt werde ich dem armen Menschen noch Schmerzensgeld geben müssen.«
Den nächsten Abend dachte der Geistliche sich etwas Anderes aus. Er nahm eine Menge Todtenköpfe, stieg auf den Kirchthurm und stellte der Wand entlang die Todtenköpfe auf. In jedem Todtenkopf zündete er ein Lichtchen an, daß es gar grausig aussah. Zu oberst im Kirchthurm aber stellte er ein Skelett auf und gab ihm den Glockenstrang in die Hand. Dann ging er hinunter, rief eilends seinen Neffen und sprach: »Springe schnell in den Thurm hinauf und läute die Glocken.« Der Bursche gehorchte; als er nun die Treppe hinaufstieg und die Todtenköpfe so unheimlich leuchteten, dachte er: »Ei, das macht sich ja sehr hübsch. Da sieht man doch seinen Weg.« Als er aber das Skelett sah, rief er ihm zu: »Höre einmal, was machst du hier oben? Sollst du läuten, so mache dich wenigstens ans Werk und dann gehe ich hinunter. Entweder du oder ich.« Da nun das Skelett unbeweglich stand und keine Antwort gab, so verlor der Bursche die Geduld, und sprach: »Wenn du nicht hören willst, so siehe selber zu,« und warf es die Treppe hinunter. Da fing er an mit allen Glocken zu läuten, daß die Leute auf den Straßen zusammenliefen und meinten, es sei ein Unglück geschehen. Der Geistliche aber beruhigte sie und sprach: »Liebe Leute, geht nur nach Hause, es ist bloß mein Neffe, der macht zuweilen so dumme Streiche. – Komm herunter, du da oben!«
Nun wußte der Geistliche gar nicht mehr, was er sich ausdenken sollte, und dachte: »Einmal noch will ich es versuchen; wenn er sich aber diesmal nicht fürchtet, so muß er fort.« Da rief er einen Mann und sprach zu ihm: »Höre, mein guter Freund, ich mache dir ein schönes Geschenk, wenn du genau thust, was ich dir sage. Heute Abend mußt du dich bei dieser Mauer verstecken. Gegen Mitternacht aber werde ich meinen Neffen zum Brunnen schicken. Wenn er nun vorbeikommt, so richte dich plötzlich auf und schreie: ’sei!‘ Ein unerwarteter Schrecken macht einen oft mehr fürchten, als alles Andere.« Der Mann versprach es, und gegen Mitternacht sagte der Onkel zu seinem Neffen: »Geh einmal an den Brunnen und hole mir etwas Wasser, ich bin so durstig.« Da ging der Bursche durch die finstere Nacht zum Brunnen und hielt in jeder Hand einen Krug. Als er nun an der Mauer vorbeiging, richtete sich auf einmal eine schwarze Gestalt auf und schrie: »sei!« – »sette!« antwortete der Bursche ganz kaltblütig und schlug den Mann mit dem Krug ins Gesicht, daß der Krug in tausend Stücke zersprang und der Mann halb todt auf den Boden fiel. Als der Geistliche den Lärm hörte, kam er herbeigelaufen, und als er den verwundeten Menschen da liegen sah, sprach er: »Mit dir kann ich es nicht länger aushalten, gehe hin und versuche dein Glück in der weiten Welt.«
Der Bursche ließ es sich nicht zweimal sagen, wanderte in der finstern Nacht fort und nahm Nichts mit, als den einen Krug, den er noch in der Hand hielt.
Am andern Morgen fand er sich in einer einsamen, wilden Gegend und weil er durstig war und einen Brunnen in der Nähe sah, so ging er hin, füllte seinen Krug und wanderte weiter. Endlich sah er in der Ferne ein wunderschönes Haus stehen, darin wohnten dreizehn Räuber. Während er nun auf das Haus zuging, fiel ihm sein Krug aus der Hand und das Wasser lief in kleinen Bächlein hier hin und dort hin. »Fünfhundert hier hinaus, vierhundert auf jener Seite, sechshundert dort drüben,« sprach er mit lauter Stimme und meinte die Wassertropfen. Die Räuber aber meinten, es sei ein großer General, der mit seiner Armee gekommen wäre, sie zu fangen, sprangen zur Hinterthür hinaus und nahmen Reißaus. Der Bursche ging in das Haus und fand einen schön gedeckten Tisch, daran setzte er sich und aß und trank soviel sein Herz begehrte. Weil er aber die ganze Nacht gewandert war, so wollte er nun auch schlafen. Da ging er in einen großen Saal, darin standen die dreizehn Betten der Räuber, die nahm er alle auseinander und thürmte sie vor der Thüre auf, legte sich oben hinauf und nahm auch ein Schwert zu sich, das den Räubern gehörte.
Nach einer Weile dachten die Räuber: »Wir wollen jetzt einmal nachsehen, vielleicht sind die Soldaten fort.« Als sie aber an das Haus kamen, schickte der Räuberhauptmann Einen hinein, der sollte einmal nachsehen, wie es eigentlich drinnen aussehe. Der Räuber schlich leise herein, bis er an die Thüre kam, hinter der alle die Betten aufgethürmt waren. Der Bursche aber, der oben drauf lag, als er den Räuber kommen sah, zog er sein Schwert aus der Scheide und rief mit lauter Stimme: »Heraus, heraus!« und schlug den Räuber todt. Die andern Räuber aber meinten, er rufe alle seine Soldaten und liefen noch viel schneller davon als das erste Mal. Da sammelte der Bursche alle die Schätze und Kostbarkeiten, die in dem Hause waren und brachte sie zu seiner Mutter, die freute sich, daß ihr Sohn wiederkam und ein so reicher Mann geworden war. Da lebten sie glücklich und zufrieden, das Fürchten aber hat er nicht gelernt.
[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]