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Daniel O’Rourke’s Irrfahrten

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Jedermann hat von den berüchtigten Abenteuern des Daniel O’Rourke gehört, doch wie wenige wissen die wahre Ursache aller diesseits und jenseits erlebten Gefahren, und doch war sie keine andere, als daß er unter den Mauern der Phuka-Burg eingeschlafen war. Ich kenne den Mann recht gut, er wohnt in dem Tal von Hungry Hill, rechter Hand an der Landstraße, die nach Bantry führt. Er war zur Zeit, wo er mir das letztemal die Geschichte erzählte, ein alter Mann mit grauem Haar und roter Nase und es war den fünf und zwanzigsten Juni 1813, als ich sie von seinen eigenen Lippen hörte. Er saß eben und rauchte seine Pfeife unter einem alten Pappelbaum an einem so prächtigen Abend, als noch einer am Himmel gestanden hat. Ich hatte die Höhlen auf der Insel Dursey gesehen und den Morgen zu Glengariff zugebracht.
»Ich bin schon oft angegangen worden, Herr, es zu erzählen und es ist daher nicht das erstemal. Seht, der Sohn unseres Herrn war auf Reisen gewesen, jenseits in Frankreich und Spanien, wie es bei den jungen Herrn Sitte ist, ehe man noch etwas von Bonaparte oder seinesgleichen gehört hatte, und war nun zurückgekommen. Bei der Gelegenheit ward der ganzen Umgegend ein Fest gegeben und vornehm und gering, hoch und niedrig, arm und reich eingeladen. Es waren lauter Ehrenmänner von altem Korn und Schrot, mit eurer Erlaubnis sei es gesagt. Es ist wohl einem ein böses Wort herausgefahren oder dann und wann ein Peitschenstreich ausgeteilt worden, freilich! doch wir hatten am Ende keinen Schaden davon und sie waren so leutselig und artig, alles lief auf und ab und jeder war tausendmal willkommen; da nagte keiner wegen des Mietzinses und der geringen Mittel, da war kaum ein Pächter, der nicht von der Milde seines Herrn mehr als einmal im Jahr Beweise erhielt. Jetzt ists freilich anders, doch ich will davon schweigen und Euch lieber meine Geschichte erzählen.
Also, wir hatten alles aufs Beste und vollauf, wir aßen und tranken, wir tanzten und der junge Herr tanzte bei der Gelegenheit mit Gretchen Barry: damals ein schönes Paar, doch jetzt ists auch vorbei. Um mich kurz zu fassen, ich bekam bei der Gelegenheit, wie man zu sagen pflegt, einen kleinen Hieb, denn ich erinnere mich nicht recht, wie es kam, daß ich den Ort verließ, und doch verließ ich ihn, das ist gewiß. Ich dachte bei mir: du willst dich aufmachen zu der Marie Cronahan, der weisen Frau, und ein Wort mit ihr über das junge Kühchen reden, das notwendig behext sein muß. Und als ich so auf den Schrittsteinen quer durch die Furt von Ballyashenogh dahin ging, und zu den Sternen aufblickte, und mich segnete, warum? es war unserer Frauen Tag, so glitt mir der Fuß aus und platsch! fiel ich ins Wasser. Donner und Hagel, dachte ich, jetzt bist du verloren! Indessen hub ich an zu schwimmen und zu schwimmen immerzu, was ich nur konnte, bis ich endlich auf irgend eine Art, denn wie es zugegangen ist, weiß kein Mensch, an einer einsamen Insel landete.
Ich wanderte da auf und ab, ohne zu wissen, wohin ich wanderte, bis ich zuletzt in einen großen Sumpf geriet. Der Mond schien so hell, als der Tag oder die Augen Eurer schönen Frau, verzeiht, Herr, daß ich mir das zu sagen erlaube, und ich sah mich um nach Osten und Westen, nach Norden und Süden, nach allen Seiten, aber ich sah nichts als Sumpf und abermals Sumpf. Ich konnte nicht ausfindig machen, wie ich hinein gekommen war und mein Herz ward kalt vor Angst, denn gewiß und wahrhaftig, das mußte mein Totenhof werden. Ich saß da auf einem Stein, welcher zu gutem Glück sich da neben mir fand, riß mich in den Haaren und blies Trübsal nach Noten, als auf einmal der Mond dunkel ward. Ich blickte auf und konnte deutlich etwas sehen, das sich zwischen mir und dem Mond bewegte, aber ich konnte nicht sagen, was es war. Doch es kam herab mit einer Kralle und schaute mir gerade ins Gesicht und was war es anders, als ein Adler? so gut, als je einer durch das Land Kerry geflogen ist. Er schaute mir gerade ins Gesicht und sprach:
‚Daniel O’Rourke, wie gehts Euch?‘
‚Gut, Herr, ich danke Euch‘, antwortete ich, ‚ich will hoffen, Ihr befindet Euch auch wohl‘, während ich mich nicht genug verwundern konnte, daß so ein Adler sprach, wie ein Christenmensch.
‚Was bringt Euch hieher, Daniel?‘ sprach er weiter.
‚Gar nichts, Herr, ich wünsche nichts, als daß ich wohlbehalten wieder zu Haus wäre.‘
‚Ihr möchtet also gerne wieder von der Insel fort, Daniel?‘
‚Freilich, Herr‘, sagte ich, und erzählte ihm, ich hätte wohl einen Tropfen zu viel getrunken, und wäre ins Wasser gefallen, auf die Insel geschwommen und endlich in diesen Sumpf geraten und jetzt wüßte ich nicht, wie ich wieder heraus sollte.
‚Daniel‘, sprach er, nach einem Augenblick Nachdenken, ‚es war von Euch sehr unschicklich, an unserer Frauen Tag Euch zu berauschen, doch da Ihr sonst ein ehrbarer, mäßiger Mann seid, der ordentlich in die Messe geht und nach mir und den meinigen nicht mit Steinen wirft oder uns im Felde nachschreit, so setzt Euch auf meinen Rücken und haltet Euch fest, damit Ihr nicht herabfallt, ich will Euch aus diesem Sumpf tragen.‘
‚Lieber Herr‘, sagte ich, ‚ich fürchte nur, Ihr treibt Euren Scherz mit mir! Wer hat je gehört, daß sich einer rittlings auf eines Adlers Rücken gesetzt hätte?‘
‚Auf mein Ehrenwort‘, erwiderte er, ‚es ist mein völliger Ernst, und nun nehmt mein Erbieten an, oder kommt um in diesem Sumpfe. Zudem sehe ich, daß Eure Schwere den Stein sinken macht.‘
Es war leider wahr, was er sagte, denn ich fand, daß der Stein jeden Augenblick unter mir sank. Ich hatte keine Wahl und dachte bei mir: wer wagt, gewinnt! und das machte mir Mut.
‚Ich danke, Ew. Gnaden‘, sagte ich, ‚für die erzeigte Höflichkeit und will Euer gütiges Erbieten annehmen.‘
Ich bestieg also den Rücken des Adlers und hielt mich fest an seinen Hals. Er erhob sich in die Luft, als wär‘ er eine Lerche. Ich wußte nichts von dem Streich, den er mir spielen wollte. Er flog immer höher auf, Gott weiß, wie weit.
‚Aber, Herr‘, sagte ich zu ihm, weil ich dachte, der gerade Weg nach Haus wäre ihm unbekannt, doch überaus artig sagte ich es zu ihm, denn ich war gänzlich in seiner Gewalt, ‚möge es Ew. Gnaden gefallen, und indem ich es Eurem bessern Urteil untertänig anheimgebe, wenn Ihr ein weniges herunterfliegen wolltet, so kämen wir gerade über mein kleines Haus und ich könnte da absitzen und mich bei Ew. Herrlichkeit tausendmal bedanken.‘
‚Zum Henker, Daniel‘, sagte er, ‚meinst du, ich wäre ein Narr? Schau herab auf das nächste Feld, siehst du nicht zwei Männer mit Flinten? Wahrhaftig, das wäre ein schöner Spaß, wenn ich mich sollte totschießen lassen, einem betrunkenen Lump zu gefallen, den ich in einem Sumpf von einem Steine aufgepickt habe!‘
‚Willst du mich hudelen!‘ dachte ich bei mir, sagte es aber nicht heraus, denn was hätte mir das genützt? Gut, er stieg in die Höhe, immerzu, und ich bat ihn jeden Augenblick herab zu fliegen, aber alles war vergeblich.
‚Wo in aller Welt, Herr, geht die Reise hin?‘ sprach ich zu ihm.
‚Halt dein Maul, Daniel‘, antwortete er, ‚besorge deine eigenen Geschäfte und mische dich nicht in die Angelegenheiten anderer Leute.‘
‚Aber ich sollte meinen, das wäre meine eigene Angelegenheit‘ rief ich.
‚Verhalte dich ruhig, Daniel‘, sprach er, und ich sagte nichts mehr.
Endlich langten wir an, aber auf dem Mond selbst. Nun, Ihr könnts von hieraus nicht sehen, aber dort ist, oder dort war zu meiner Zeit, an der Seite des Monds eine Sichel, seht, in folgender Gestalt!«
Dabei machte Daniel mit der Spitze seines Stocks in der Erde einen Kreis und rechter Hand einen sichelförmigen Hacken daran.
»’Daniel‘, sagte der Adler, ‚von dem langen Flug bin ich müde, ich habe keinen Begriff davon gehabt, daß es so weit wäre.‘
‚Aber, was in aller Welt, hat Ew. Herrlichkeit bewogen, einen so weiten Weg zu machen? Ich gewiß nicht. Habe ich nicht ersucht, gebeten und gefleht, nur ein halbes Stündchen zurückzuhufen?‘
‚Unnützes Geschwätz, Daniel‘, sagte er, ‚ich bin schrecklich abgemattet, du mußt absteigen und so lange dich auf den Mond niederlassen, bis ich mich erholt habe.‘
‚Ich soll mich auf den Mond setzen, auf das kleine, runde Ding da? Nichts gewisser, als daß ich im ersten Augenblick herunterfalle und verloren bin, und tot und in Stücke zerschmettert: Ihr seid ein schändlicher Betrüger, ja das seid Ihr!‘
‚Nicht ganz und gar, Daniel‘, sagte er, ‚du kannst die Sichel ergreifen, die an der Seite des Mondes herausragt und dich daran fest halten.‘
‚Ich will aber nicht‘, sagte ich.
‚Es geht nicht anders‘ sagte er ganz gelassen, ‚willst du aber nicht, lieber Mann, so gebe ich dir einen Schub und einen Klaps mit meinen Flügeln dazu, und schicke dich hinab auf den Boden, wo jeder Knochen von dir in so kleine Stücke soll zerschmettert werden, als frühmorgens ein Tautropfen, der von einem Kohlblatt fällt.‘
‚Nun‘, sagte ich zu mir, ’so weit hat michs gebracht, daß ich mich mit euresgleichen eingelassen habe‘ und eine harte Verwünschung ihm zurufend, damit er wüßte, was ich gesagt hätte, sprang ich mit schwerem Herzen von seinem Rücken, faßte die Sichel und saß nun oben auf dem Mond und es war ein verwünscht kalter Sitz, das kann ich Euch sagen.
Als er mich so hübsch abgesetzt hatte, wendete er sich zu mir und sagte:
‚Guten Morgen, Daniel O’Rourke, ich denke, ich habe dich artig erwischt! Du hast mir voriges Jahr mein Nest beraubt (daran hatte er wahrhaftig Recht, aber wie er das herausgebracht hat, ist schwer zu sagen) und zur Vergeltung mußt du es dir gefallen lassen, deine Fußsohlen abzukühlen, wenn du auf dem Mond herumschwankst, wie ein Hahn der aufgehängt ist, um danach zu schlagen.‘
‚Ist das alles und willst du mich auf diese Art verlassen, du Bestie du?‘ rief ich, ‚du unnatürliches Scheusal, ist das das Ende von deiner Dienstfertigkeit? Daß du verschimmeln möchtest, krummnasiger Lump! Du und deine ganze Brut!‘
Was half alles! Er spreitete seine großen mächtigen Schwingen voneinander, brach in lautes Gelächter aus und flog mit Blitzesschnelligkeit dahin. Ich schrie ihm nach, er möchte anhalten, doch ich hätte in alle Ewigkeit rufen und schreien können, er würde mich nicht gehört haben. Er flog fort und ich habe ihn nicht wieder gesehen, bis auf diesen Tag. Mögen ihn zehn Donnerkeile erschlagen! Ihr seht ein, ich war in einer verzweifelten Lage, ich blieb zurück laut schreiend in so großer Bedrängnis, als auf einmal mitten im Mond eine Türe sich öffnete, die in ihren Angeln krachte, als wenn sie seit Monaten nicht wäre aufgemacht worden. Ich glaube, sie haben noch niemals daran gedacht, sie ein wenig einzu-schmieren. Wer kam heraus? Ihr wißt es schon, der Mann im Mond. Ich erkannte ihn an seinem Bündel.
‚Guten Morgen, Daniel O’Rourke‘, sagte er ‚wie gehts Euch.‘
‚Gut, ich danke Euch, ich hoffe, Ihr befindet Euch auch wohl.‘
‚Was bringt Euch hieher, Daniel?‘ sagte er.
Ich erzählte ihm, daß ich mich auf dem Fest des jungen Herrn ein wenig übernommen hätte und auf eine einsame Insel wäre geworfen worden und dort in einen Sumpf mich verloren hätte und daß ein Schurke von Adler versprochen, mich herauszutragen, statt dessen aber mich auf den Mond herauf-geschleppt hätte.
Als ich mit meiner Erzählung zu Ende war, nahm der Mann eine Prise Tabak und sagte: ‚Daniel, hier dürft Ihr nicht stehen.‘
‚Freilich, Herr, es ist ganz gegen meinen Willen, daß ich hier bin, aber wie soll ich wieder zurückkommen?‘
‚Das ist eure Sache, Daniel‘, sagte er, ‚meine ist es, Euch anzukündigen, daß Ihr hier nicht stehen dürft, also macht Euch fort und das in weniger als gar keiner Zeit.‘
‚Ich tue Euch keinen Schaden, und halte mich nur an die Sichel fest, damit ich nicht herabfalle.‘
‚Gerade das ist, was Ihr nicht tun sollt, Daniel‘, sagte er.
‚Verzeiht, Herr‘, sagte ich, ‚darf ich fragen, wie stark eure Familie ist, weil Ihr einen armen Reisenden nicht herbergen wollt? Ich weiß gewiß, Ihr werdet nicht allzuoft durch Fremde belästigt, die Euch gerne sehen wollen, da es ein weiter Weg ist.‘
‚Ich lebe für mich allein, Daniel‘, antwortete er, ‚doch Ihr tätet besser, wenn Ihr von der Sichel los ließet.‘
‚Mit Eurer Erlaubnis, ich lasse den Griff nicht los, darauf könnt Ihr rechnen.‘
‚Ihr tätet besser, Daniel‘, wiederholte er.
‚Ei, kleiner Kroate‘, sagte ich, indem ich die ganze Gestalt mit den Augen von Kopf bis zu Füßen maß, ‚zu einem Handel gehören zwei, und ich will nicht von hier weg, aber Euch stehts frei, wenn es Euch gefällig ist.‘
‚Wir wollen sehen, wie sichs einrichten läßt‘, sagte er und ging ab, indem er die Türe so hinter sich zuschlug, denn er war offenbar ärgerlich, daß ich dachte, der Mond mit allem Zubehör würde herabfallen.
Ich bereitete mich vor, Gewalt bei ihm zu brauchen, als er wieder zurückkam mit einem Küchenmesser in der Hand; ohne ein Wort zu sagen, schlug er zweimal auf den Griff der Sichel und ratsch! entzwei war sie.
‚Guten Morgen, Daniel!‘ rief der kleine boshafte Racker, als er mich mit einem Stückchen von dem Griff in der Hand ganz säuberlich hinabfallen sah, ‚Ich danke für Euren Besuch und wünsche Euch gutes Wetter zur Reise.‘
Ich hatte keine Zeit, ihm zu antworten, denn ich stürzte und wälzte mich um und um, wie es bei einer Fuchsjagd hergeht.
‚Gott stehe mir bei!‘ rief ich, ‚aber es muß ein erbaulicher Spaß sein, einen rechtschaffenen Mann zur Nachtzeit in solcher Hetze zu sehen! Ich bin schön abgefahren!‘
Das Wort war mir kaum aus dem Munde, husch! da rauschte etwas ganz nah an meinem Ohr vorüber und was konnte das anders sein, als ein Flug wilder Gänse? Und der alte Gänserich, der Anführer war, drehte den Kopf nach mir und rief: ‚Bist du es, Daniel?‘
Ich erstaunte nicht im geringsten über das, was er sagte, denn ich war dazumal an alle Arten von Teufeleien gewohnt und außerdem, ich kannte ihn aus alter Zeit.
‚Guten Morgen, Daniel O’Rourke‘, sagte er, ‚wie stehts mit der Gesundheit?‘
‚Gut, Herr, ich danke Euch schönstens‘, sagte ich, nach Atem schnappend, denn ich konnte kaum dazu kommen, ‚ich hoffe ein Gleiches von Euch.‘
‚Mich dünkt, du bist eben beschäftigt herabzufallen, Daniel?‘
‚Wie es Euch beliebt zu sagen, Herr‘, antwortete ich.
‚Und wohin so eilig?‘ fragte der Alte.
Ich erzählte ihm, daß ich ein Tröpfchen zu viel getrunken hätte und auf eine Insel gekommen wäre, wo ich mich in einen Sumpf verloren hätte und wie ein Teufel von Adler mich auf den Mond getragen und der Mann im Mond mich wieder fortgejagt hätte.
‚Daniel‘, sagte er, ‚ich will dich retten, strecke die Hand aus und packe mein Bein, so will ich dich nach Haus bringen.‘
‚Mein Augentrost!‘ sagte ich, ‚Eure Worte sind Honigseim‘, doch ich dachte dabei: ‚Sonderlich darf ich dir nicht trauen‘, aber da war sonst keine Rettung. Ich packte den Gänserich beim Bein und wir flogen hinter ihm her, ich und die andern Gänse, so schnell als sprängen wir im Tanz.
Wir flogen und flogen, bis wir über das weite Meer kamen. Ich wußte es wohl, denn ich sah rechter Hand das Cap Clear, wie es aus dem Wasser hervorspringt.
‚Ach, gnädiger Herr‘, sagte ich zu dem Anführer der Gänse, denn mir schien es das klügste, wenn ich es an artigen Worten nicht fehlen ließe, ‚fliegt doch landeinwärts, wenn es Euch gefällig ist.‘
‚Das geht jetzt unmöglich, siehst du wohl, Daniel‘, antwortete er, ‚wir sind auf dem Weg nach Arabien.‘
‚Nach Arabien!‘ rief ich, ‚das ist gewiß ein Ort in der Fremde, weit von hier.‘
‚Stille, still, du Narr‘, antwortete er, ‚laß dein Geschwätz, ich sage dir, Arabien ist ein prächtiger Ort und West-Carbery so ähnlich als ein Ei dem andern, nur ein bißchen mehr Sand ist dort.‘
Indem wir so sprachen, ward ein Schiff sichtbar, das im Wind stolz daher schoß.
‚Ach! Herr‘, sagte ich, ‚wenn es Euch gefällig wäre, mich in das Schiff hinabfallen zu lassen.‘
‚Wir sind nicht gerade über dem Schiff‘, antwortete er.
‚Wir sind es‘, sagte ich.
‚Wir sind es nicht‘, antwortete er. ‚Wenn ich dich jetzt fallen lasse, so platschest du ins Wasser.‘
‚Ach nein‘, sagte ich, ‚ich verstehe das besser, es ist gerade unter uns; laßt mich nur herunterfallen.‘
‚Wenn du mußt‘, sagte er, ’so gehe deiner Wege.‘
Er ließ mich los und wahrhaftig, er hatte recht, denn ich plumpste richtig in die Tiefe des salzigen Meeres. Ja, ich plumpste in die Tiefe und gab mich auf immer verloren, als ein Walfisch auf mich los kam, der sich nach seinem nächtlichen Schlaf die Augen ausrieb und mich gerade ins Gesicht anglotzte, ohne ein Sterbenswörtchen zu reden. Doch hob er seinen Schwanz in die Höhe und plätscherte damit, daß ich über und über mit salzigem, kaltem Wasser begossen ward, so lange bis kein trockner Faden mehr am ganzen Leibe war. Da hörte ich jemand sagen, und es war eine Stimme, die ich wohl kannte:
‚Steig auf, du Trunkenbold, fort von hier!‘
Indem wachte ich auf und da stand Judy mit einem Zuber voll Wasser, den sie über mich ausschüttelte. Gott habe sie selig! Aber sie war eine gute Frau, die es nicht übers Herz bringen konnte, mich trunken zu sehen und die über ihr Eigentum mit kräftiger Hand waltete.
‚Steig auf!‘ sagte sie, ‚gabs keinen andern Platz im Kirchsprengel, wo du deiner Neigung folgen und dich niederlegen konntest, als dieser, unter den alten Mauern von Carrigaphuka? Ich wette, du hast einen erbärmlichen Schlaf gehabt.‘
Und wahrhaftig, das hatte ich, denn meine Seele war nicht schlecht gequält worden, von Adlern, Männern im Monde, fliegenden Gänsen, und Walfischen, die mich durch Sümpfe, hinauf in den Mond und herab in den Grund des grünen Meers jagten. Und wenn ich zehnmal mehr getrunken hätte, es könnte doch einer lange darauf warten, bis ich mich wieder an jener Stelle niederlegte; ich kenne das!«

Anmerkung
Dieses Märchen ist in Irland sehr verbreitet und hier aus der besten Quelle erzählt. S. Gosnell von Cork hat es in Blackwoods Magazin in Stanzen gebracht.
Die Burg von Carrigaphuka oder der Phuka Felsen ist ohne Zweifel jene dieses Namens, die eine Stunde westlich von Macrum liegt. Smith history of Cork I. 190. irrt, wenn er sie so beschreibt, als sei es kaum möglich, sie zu erklimmen; es macht gar keine Schwierigkeit hinauf zu steigen, nur daß sie von einer Seite nah beim Wasser liegt.
Der Mann im Mond ist ein noch jetzt vielleicht in ganz Europa verbreiteter Volksglaube, der aber schon im Mittelalter herrschte und sich wahrscheinlich auf ältere, heidnische Vorstellungen gründet. Aus den Mondflecken wird die Gestalt eines nackten Menschen, mit einem Dornbündel auf dem Rücken und einem Beil in der Hand gedeutet. Dem Volk in Deutschland ist es der Mann, welcher sonntags Holz fällte und zur Strafe für die Entheiligung des Feiertags einsam auf dem kalten Mond frieren muß, vgl. Hebels Lied in den Alemannischen Gedichten. Hierbei scheint auf eine biblische Stelle (IV. Moses 15, 32-36.) Rücksicht genommen. Den Italienern des dreizehnten Jahrh. war der Mann im Mond Cain, der Gott Dörner, das Elendeste der Ernte, opfern will, vgl. Dante Inferno XX, 124. Paradiso II, 50 (Caino e li spine) und die Kommentatoren. Ein ziemlich schwieriges, altenglisches Lied des vierzehnten Jahrh. findet sich in (Ritson’s) ancient songs Lond. 1790, p. 35-37; der Mondmann wird frierend, mühevoll, mit einer Gabel und Dörnern, die ihm das Gewand zerrissen haben, vorgestellt. Er war sonst auf der Erde und hat unbefugt Holz gehauen, der Flurschütz hat ihn um den Rock gepfändet. Bekannter sind die Anspielungen bei Shakespeare (Mids. nightsdream und Tempest II, 2.). Ein englischer Kinderreim lautet:

the man in the moon,
came down too soon,
to ask his way to Norwich

Quelle: Brüder Grimm (Irische Elfenmärchen)

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