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Von dem Kaufmannssohne Peppino

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Es war einmal ein Kaufmann, der war ganz unermeßlich reich, und hatte so viel Schätze, daß der König nicht mehr haben konnte. Er lebte mit seiner Frau in Frieden und Eintracht, und nur Eines fehlte ihnen, sie hatten keine Kinder. Da wandte sich eines Tages die Frau an den heiligen Joseph, und sprach: »Lieber heiliger Joseph, wenn ihr mir ein Kind bescheert, so will ich euch eine schöne Kirche bauen, und will jedes Jahr an eurem Festtage ein großes Gastmahl halten, und will euch ein kleines Kind von lauterm Golde schenken, und mein Kind soll euren Namen führen.« Nach einiger Zeit wurde die Frau guter Hoffnung, und als ihre Stunde kam, gebar sie einen wunderschönen Knaben, den nannte sie Giuseppe. Nun denkt euch, welche Freude der Kaufmann und seine Frau an diesem einzigen Sohne hatten! In ihrer Dankbarkeit bauten sie dem heilgen Joseph eine wunderschöne Kirche, und ließen ein kleines Kind von Gold machen, und schenkten es der Kirche. Und als der Tag des Heiligen kam, hielten sie ein großes Gastmahl, zu dem alle Stände geladen waren; die Reichen aßen mit den Reichen, die Bürger mit den Bürgern, und die Armen mit den Armen, und dieses Fest wiederholten sie jedes Jahr.
Der kleine Peppino wuchs mit jedem Tage, und wurde so schön, wie man sonst kein Kind sehen konnte, wie konnte es auch anders sein, er war ja durch ein Wunder gemacht, ein Werk des heiligen Josephs. Als er nun 16-17 Jahre alt war, kam er eines Tages zu seinem Vater, und sprach: »Lieber Vater, ich bin nun bald 17 Jahre alt, und habe noch nichts von der Welt gesehen, darum erlaubet mir, mit dem nächsten Schiffe, das ihr absenden werdet, eine Reise zu machen, und die Welt zu sehen.« »Ach mein Sohn, was willst du denn in der Welt? Du bist ja reich, und brauchst dich nicht zu plagen. Bleibe bei deinen Eltern, denn was sollen wir ohne dich thun?« So jammerte der Vater, aber Peppino ließ sich von seinem Vorhaben nicht abbringen, und bat immer und immer wieder, und weil er der einzige Sohn war, so konnte ihm sein Vater nichts abschlagen, und erlaubte ihm endlich, mit dem nächsten Schiffe zu verreisen. Als aber die Mutter hörte, daß ihr einziger Sohn verreisen wolle, fing sie laut an zu jammern und zu weinen: »Ach, soll ich meinen Sohn dem verrätherischen Meere anvertrauen?« Doch vergebens, Peppino ließ sich nicht bewegen, da zu bleiben.
Als nun der Vater wieder ein Schiff abzusenden hatte, ließ er es schön ausrüsten für seinen Sohn, rief den Kapitän, und sprach zu ihm: »Ich empfehle dir meinen Sohn, du bist mir für ihn verantwortlich. Wenn du ihn mir gesund wiederbringst, so will ich dich fürstlich dafür belohnen.« Der Kapitän versprach, aus allen Kräften für Peppino zu sorgen, und so reisten Beide ab. Nun wollte es das Unglück, daß sie kaum einige Tage gefahren waren, als sich ein furchtbarer Sturm erhob, und der Kapitän meinte, das Schiff werde untersinken. Da ließ er ein kleines Boot in das Meer hinab, und dachte auf diese Weise den Sohn seines Patrons zu retten; kaum war aber Peppino in das Boot gestiegen, als dieses umschlug, und der Jüngling spurlos verschwand. Der Kapitän suchte auf allen Seiten, um ihn zu retten, Peppino kam aber nicht wieder zum Vorschein.
Da er nun nichts mehr machen konnte, fuhr der Kapitän nach Haus. »Ach,« dachte er, »wie kann ich nun vor den armen Vater treten, wer soll es ihm erzählen!« Der Kaufmann aber stand am Balkon, und dachte an seinen Sohn. Auf einmal sah er ein Schiff mit gesenkten Segeln einfahren, und erkannte es als das Schiff, in welchem sein Sohn abgereist war. »Ach,« dachte er, »gewiß ist mein Sohn ertrunken und gestorben.« Als nun der Kapitän ans Land kam, und den Eltern erzählte, wie ihr Sohn untergegangen sei, da gab es im Palast ein großes Trauern und Klagen; der Kaufmann ließ das ganze Haus schwarz behängen und seine Leute mußten Trauerkleider anziehen. Er selbst schloß sich mit seiner Frau ein, sie sahen keinen Menschen und thaten nichts als ihren verlorenen Sohn beweinen. Dem heiligen Joseph aber machten sie Vorwürfe, und sprachen: »O, heiliger Joseph, wie habt ihr uns einen so großen Schmerz angethan; warum habt ihr uns den Sohn gegeben, um ihn uns wieder zu entreißen? Nun machen wir auch an eurem Feiertage kein Gastmahl mehr.« Und als der Tag des heiligen Joseph kam, feierten sie ihn nicht. – Doch lassen wir nun die weinenden Eltern, und sehen wir, was aus dem Sohn geworden ist.
Als das Boot umschlug, erfaßte ihn eine große Welle, und warf ihn weit weg auf einen Felsen. Als er sich aber erholt hatte, und um sich blickte, sah er auf einmal, daß der Felsen sich vor ihm öffnete; schöne Mädchen kamen heraus, und sprachen freundliche Worte zu ihm: »Schöner Jüngling, komm mit uns und bleibe hier, du sollst es gut bei uns haben.« Da ließ er sich von ihnen führen, und sie brachten ihn durch den Felsen in einen wunderschönen Garten, in dem blühten die prächtigsten Blumen, und wuchsen die süßesten Früchte. Die schönen Mädchen aber dienten ihm, und brachten ihm, was er nur wünschte. So ging es bis zum Abend, und als er schläfrig wurde, führte sie ihn in einen prächtigen Saal, da stand ein wunderschönes Bett. Sie brachten ihm ein Licht, und nachdem er sich zu Bette gelegt hatte, kamen sie wieder und nahmen das Licht weg. Als er sich aber im Bette umwenden wollte, merkte er zu seinem Erstaunen, daß eine feine, zarte Frauengestalt neben ihm lag, die redete ihn an und sagte: »Bleib nur da, schöner Jüngling; es soll dein Glück sein.« Als er aber am Morgen erwachte, war die Gestalt verschwunden, und er hatte sie nicht gesehen.
So ging es ein ganzes Jahr; er lebte wie im Paradies; die schönen Mädchen dienten ihm, und erfüllten jeden seiner Wünsche, und am Abend, wenn sie das Licht weggenommen hatten, lag das schöne Mädchen neben ihm, und redete mit ihm so fein und freundlich, daß er sie von Herzen lieb gewann, und sie gar zu gerne auch einmal gesehen hätte; wenn er aber am Morgen erwachte, war er allein.
Als ein Jahr verflossen war, sprach eines Abends das schöne Mädchen zu Peppino: »Peppino, würdest du auch gerne einmal deine Eltern besuchen?« »Ach ja!« antwortete er, »wenn ich ihnen doch den Trost bringen könnte, daß ich noch lebe, denn sie meinen gewiß, ich sei todt.« »Jawohl, das glauben sie,« antwortete das Mädchen, »und deshalb haben sie dem heiligen Joseph keine Ehren mehr erwiesen. Nächstens ist aber wieder das Fest des heiligen Joseph. Nimm diese Zaubergerte, und schlage morgen damit gegen den Felsen, so wird er sich öffnen, daß du hindurch kannst. Gehe zu deinen Eltern, und sei glücklich und vergnügt mit ihnen; bedenke aber, daß du dich hier wieder einfinden mußt, sobald du das Fest des heiligen Joseph gefeiert hast, sonst ist es dein Unglück.«
Am anderen Morgen legte Peppino königliche Gewänder an, schlug mit der Gerte gegen den Felsen, alsobald öffnete er sich, und draußen stand ein prächtiges Pferd, und ein großes Gefolge erwartete ihn, um ihn zu begleiten; also daß sein Zug dem eines Königs glich. Als er nun in seine Vaterstadt kam, erscholl das Gerücht, ein großer Herrscher ziehe ein, und die Vornehmsten und Reichsten der Stadt zogen ihm entgegen, und meinten, er wäre ein König, und Jeder bat ihn, doch in seinem Hause abzusteigen. Er aber sandte einen Boten zu seinem Vater, und ließ ihm sagen: »Ein reicher König zieht in die Stadt ein, und will bei euch absteigen.« Der Kaufmann antwortete: »Ach! seit länger als einem Jahre ist mein Haus traurig und verödet, da ja mein einziger Sohn verloren gegangen ist. Gegen des Königs Willen läßt sich aber nicht handeln, und so will ich ihn denn in meinem Hause empfangen.« Da ließ er seinen Palast aufs herrlichste schmücken, und die Treppe wurde mit den feinsten Teppichen belegt, und als der König kam, gingen ihm der Kaufmann und seine Frau bis an die Treppe entgegen. Als aber Peppino seine Eltern sah, stieg er eilends vom Pferd, küßte seinem Vater die Hand und sprach: »Segnet mich, lieber Vater!« Dann küßte er auch die Hand seiner Mutter und sprach: »Segnet mich, liebe Mutter!« Nun denkt euch die Freude der Eltern, als sie ihren todtgeglaubten Sohn wiedersahen, und mit welcher Herzlichkeit sie dem heiligen Joseph für seine Gnade dankten. Peppino aber mußte Alles erzählen, wie es ihm ergangen war, und wie er auch von dem schönen Mädchen sprach, das er noch nie gesehen habe, sagte seine Mutter: »Dafür wollte ich dir schon einen guten Rath geben!« Nach einigen Tagen war das Fest des heiligen Joseph, da gaben die Eltern ein Gastmahl, so prächtig und so reich, wie sie noch keines gegeben hatten, und luden die ganze Stadt dazu ein.
Als aber das Fest zu Ende war, sprach Peppino: »Nun muß ich euch verlassen, denn ich muß in den Felsen zurück, sonst ist es mein Unglück.« Die Mutter fing an zu weinen, und wollte ihn nicht ziehen lassen, Peppino aber antwortete: »Mutter, wenn ihr mich zurückhaltet, so wird es mein Unglück sein.« Als sie nun sah, daß sie ihn nicht zurückhalten konnte, gab sie ihm eine kleine Kerze und ein Fläschchen, und sprach zu ihm: »Höre, mein Sohn, wenn du das schöne Mädchen sehen willst, so befolge meinen Rath. Wenn sie eingeschlafen ist, so stecke die Kerze ins Fläschchen, so wird sie sich alsbald von selbst entzünden, und du kannst die Schöne sehen.« Peppino nahm die Kerze und das Fläschchen, umarmte seine Eltern, und ritt mit seinem Gefolge dem Meeresufer entlang, bis er an den Felsen kam. Kaum hatte er sich dem Felsen genähert, als derselbe sich öffnete, die schönen Mädchen ihn umringten, und ihn voll Freude hereinführten. Er aber konnte vor Ungeduld kaum den Abend erwarten, wo er das schöne Mädchen zu schauen hoffte. Als er nun zu Bette gegangen war, nahmen die Mädchen das Licht weg, und alsbald lag die zarte Gestalt wieder neben ihm, und frug ihn: »Nun Peppino, bist du auch recht vergnügt gewesen? Hast du deine Eltern in guter Gesundheit getroffen?« »Ja wohl,« edles Mädchen, antwortete er; »doch ich bitte euch, sprechet nun nicht weiter mit mir, denn ich bin müde von dem langen Ritt und möchte gerne schlafen.« Als sie aber eingeschlafen war, nahm er schnell die Kerze hervor, und steckte sie in das Fläschchen; alsbald brannte sie licht und hell, und bei dem Scheine sah er ein Mädchen von so wunderbarer Schönheit, daß er sich nicht von dem Anblicke trennen konnte, und sie voll Entzücken anschaute. Wie er sich aber über sie neigte, um sie zu küssen, fiel ein Tropfen Wachs auf ihre feine Wange, – in demselben Augenblick verschwand das ganze schöne Schloß, und er fand sich in finsterer Nacht, nackt und allein, ganz oben auf einem Berge, der mit Schnee bedeckt war. »Ach!« seufzte er, »was soll nun aus mir werden? Wer wird mir helfen?« Es war aber Niemand da, der ihm helfen konnte, und so kroch er denn mühsam auf Händen und Füßen, bis er am Morgen am Fuße des Berges ankam. Da sah er nicht weit von sich einen großen Bauernhof liegen, auf den ging er zu, klopfte an, und als der Bauer ihm aufmachte, sprach er zu ihm: »Ach, guter Mann, könnt ihr mich nicht in eurem Hof anstellen, daß ich auf diese Weise mein Brod verdiene?« »Wer seid ihr denn?« frug der Bauer. »Ach, ich bin ein armer Hausirer,« antwortete er, »und diese Nacht, als ich über den Berg kam, haben mich die Räuber angefallen, und haben mich ganz ausgeplündert; sogar die Kleider haben sie mir ausgezogen.« »Nun gut, armer Mann,« sagte der Bauer, »bleibet bei mir, und ich will euch zu essen geben, auch hier und da ein altes Kleidungsstück; dafür müsset ihr mir die Schafe hüten. Ihr dürfet sie aber nicht in jenen Wald treiben, denn da haust ein mächtiger Lindwurm mit sieben Köpfen; der würde euch und die Schafe fressen.« Also blieb Peppino bei dem Bauer, trug ärmliche Kleidung und bekam geringe Speise, und mußte täglich die Schafe auf die Weide führen.
Eines Tages, da die Schafe weideten, hörte er auf einmal eine laute Stimme, die ihn rief: »O, Peppe!« Er schaute sich um, sah aber Niemand. Da rief die Stimme noch einmal, und sprach: »Folge der Stimme!« Da ging er dem Klang der Stimme nach, und kam an einen Felsen, davor stand eine wunderschöne Frau, die reichte ihm drei Borsten und sprach: »Verwahre sie wohl, und wenn du etwas nöthig hast, so verbrenne sie.« Als sie das gesagt hatte, verschwand sie, Peppino aber verwahrte die drei Borsten auf seiner Brust.
Nach einigen Tagen hörte er sich wieder rufen: »O, Peppe!« und als er sich umsah, sprach die Stimme: »Folge der Stimme!« Da folgte er dem Klang der Stimme, und kam an denselben Felsen, da stand die schöne Frau, und gab ihm drei Federn, und sprach: »Verwahre sie wohl, und wenn du etwas nöthig hast, so verbrenne sie.« Dann verschwand sie, und Peppino legte die Federn zu den Borsten.
Wieder nach einigen Tagen rief sie ihn zum drittenmal, und gab ihm drei Haare mit denselben Worten.
Nun verging noch einige Zeit, da begab es sich, daß der Fürst, dem die Güter alle gehörten, einen Boten zum Bauer sandte, und ihm sagen ließ: »Der Patron will, daß ihr ihm in drei Tagen alle Rechnungen bringet.« Seit vielen Jahren aber hatte der Bauer die Rechnungen nicht mehr in die Reihe gebracht, also daß er ganz niedergeschlagen da saß, und sich den Kopf zerbrach, wie er die Rechnungen machen sollte. Das sah Peppino, und sprach zu ihm: »Massaro, soll ich euch nicht helfen? ich kann auch Rechnungen machen.« Damit war der Bauer zufrieden und Peppino brachte ihm alle Rechnungen in Ordnung, und nach drei Tagen konnte der Bauer in die Stadt gehen, und dem Fürsten die Rechnungen überbringen. Als sie nun der Fürst durchgelesen hatte, sprach er: »Habt ihr diese Rechnungen selbst gemacht, Massaro?« Der Bauer dachte: »Der dumme Peppe hat sich gewiß geirrt,« und antwortete ganz kleinlaut: »Ach, Excellenz, habet Nachsicht mit mir, einer meiner Knechte hat sie gemacht.« »Das ist kein Knecht,« antwortete der Fürst, »sondern gewiß ein feiner Herr, bringe ihn her, denn er soll mein Verwalter werden.« »Ach, Excellenz, ich kann ihn euch nicht bringen, denn er trägt so ärmliche schlechte Kleider.« »Bekümmere dich nicht darum,« sprach der Fürst, und gab ihm gute Kleider und ein Pferd mit, damit Peppino ordentlich zur Stadt kommen konnte. Der Bauer ging ganz vergnügt nach Hause, und sprach zu Peppino: »O, Peppe! dir blüht ein großes Glück; der Patron sagt, du seiest zum Knecht zu gut und hat dich zu seinem Verwalter gemacht.« Da wusch sich Peppino, und legte die feine Kleidung an, und als er so fein und sauber da stand, sah man erst, wie schön er war. Also kam er in die Stadt, und blieb beim Fürsten als sein Verwalter, und der Fürst liebte ihn wie seinen Sohn.
Nun hatte aber der Fürst eine einzige Tochter, die war ein sehr schönes Mädchen; und als sie den schönen Jüngling sah, verliebte sie sich in ihn, also daß sie nur den einzigen Wunsch hatte, er möchte doch ihr Gemahl werden. Da sagte sie oft zu ihm: »Ach! Peppino! wenn es mein Vater erlaubte, so möchte ich dich wohl gerne heirathen.« Er aber antwortete: »O, edles Fräulein! euch gebührt es, einen Fürsten zu heirathen, und nicht einen armen Burschen wie ich einer bin.« Denn er dachte nur immer an seine schöne Braut, und wenn er seine Arbeiten beendigt hatte, ging er an den Meeresstrand und seufzte: »Ach, wenn mich doch ein günstiger Wind zu ihr hinführte!« So vergingen sieben Jahre, da sprach Peppino zum Fürsten: »Excellenz! ich habe euch nun so lange treu gedient, nun lasset mich ziehen, denn ich kann nicht länger bei euch bleiben.« Der Fürst war sehr betrübt, und seine Tochter weinte sich fast die Augen aus; Peppino aber blieb dabei: »Ich kann nun nicht länger bei euch bleiben.« Da nun der Fürst sah, daß er ihn nicht mehr halten konnte, beschenkte er ihn reichlich und ließ ihn ziehen. Peppino aber ging an das Ufer des Meeres, und da er ein Schiff sah, das absegeln sollte, frug er die Schiffer: »Wohin fahrt ihr?« »Gegen Sonnenuntergang.« »So nehmet mich mit, und ich will euch Hundert Unzen geben, denn ich muß auch gegen Sonnenuntergang ziehen.« Da nahmen sie ihn mit, und fuhren gegen Sonnenuntergang, und als sie viele Tage gefahren waren, sah er endlich den Felsen vor sich liegen, in dem das schöne Schloß war. Hier ließ sich Peppino ans Land setzen, und blieb allein am öden Ufer zurück. Der Felsen aber war verschlossen, und öffnete sich erst, nachdem er eine lange Zeit gewartet hatte. Niemand kam ihm entgegen, um ihn zu begrüßen; da ging er hinein, und fand Alles gerade so, wie er es verlassen hatte. Die schönen Mädchen brachten ihm wohl zu essen und zu trinken, aber so freundliche Worte sprachen sie nicht mehr zu ihm, wie früher. Als er sich zu Bette gelegt hatte, nahmen sie das Licht nicht fort; das schöne Mädchen lag aber doch neben ihm, und frug ihn gar spöttisch: »Nun, wie hat es dir auf dem Schneeberg gefallen? Und wie lieblich war es, dem Bauer zu dienen, und ihm die Schafe zu hüten? Warum bist du denn nicht bei der schönen Fürstentochter geblieben?« Er aber antwortete ihr demüthig, und bat sie um Verzeihung, bis sie wieder ganz freundlich wurde, und zu ihm sprach: »Höre mich an, Peppino; ich bin eine verzauberte Königstochter, und wenn du an jenem Abende deine Neugierde bezähmt hättest, so wäre ich nun schon lange erlöst. Mein Vater war ein mächtiger König und ich seine einzige Tochter. Er wollte mich aber nicht verheirathen, und als er zum Sterben kam, verzauberte er mich in dieses Felsenschloß hinein, und sein Geist hält mich hier gefangen.« »Gibt es denn kein Mittel, dich zu erlösen?« frug Peppino. »Wohl gibt es ein Mittel,« antwortete sie, »was aber dazu gehört, kannst du nun und nimmer ausführen.« »Ach, sage mir doch, was es ist,« bat er, »du wirst sehen, ich habe den Muth dazu.« »Nun denn, so höre genau zu, was ich dir sagen werde. Wenn du dich und mich erlösen willst, so mußt du morgen früh den Felsen verlassen, und diese Zaubergerte mitnehmen. Dann mußt du in jenen Wald gehen, wo der Lindwurm mit den sieben Köpfen haust. Am Saum des Waldes schlage mit der Gerte auf den Boden, so wird sich ein Pferd aus dem Boden erheben, und ein Zauberschwert. Besteige das Pferd, schnalle das Schwert um, und reite so in den Wald und bekämpfe muthig den Lindwurm. Denn du wirst ihn besiegen, und ihm die sieben Köpfe abhauen. Die Köpfe aber bringe dem Bauer, der dich so mitleidig aufgenommen hat, und sage ihm, er solle sie zum Fürsten bringen, und sich von demselben dafür die Erlaubniß erbitten, zwölf Jahre lang in dem Walde Holz fällen zu dürfen. Alsdann gehe wieder in den Wald, dort mußt du dir ein Kaninchen herbeizaubern und einen Hund. Der Hund wird das Kaninchen jagen, und dir bringen; zerschneide es, so wird eine weiße Taube daraus auffliegen. Auch die Taube wird der Hund dir bringen; zerschneide sie, so wirst du in ihrem Leib ein Ei finden, das mußt du wohl verwahren. Endlich mußt du um Mitternacht in den Wald kommen, dort wirst du mich sehen, liegend und schlafend. Auf mir aber liegt der Geist meines Vaters. Nähere dich leise, ziele gut, und wirf ihm das Ei mitten auf die Stirn, so wird er in den Abgrund rollen, und auf ewig verschwinden. Wenn du dieses Alles vollbracht hast, so bin ich erlöst.« »Wie soll ich aber das Kaninchen herbeizaubern?« frug Peppino. »Dafür mußt du selbst sorgen,« antwortete sie.
Am andern Morgen verließ Peppino den Felsen, er nahm die Zaubergerte, und wanderte viele Tage lang, bis er endlich an den Wald kam, wo der Lindwurm hauste. Da schlug er mit der Gerte auf den Boden, und alsbald erhob sich ein prächtiges Pferd und ein blitzendes Schwert, er schnallte das Schwert um, schwang sich aufs Pferd, und ritt in den Wald hinein. Nicht lange, so kam ihm der Lindwurm entgegen, und wollte ihn verschlingen. Er aber zog muthig sein Schwert, und kämpfte mit dem Lindwurm, bis er ihm alle sieben Köpfe abgehauen hatte. Da kam er zu dem Bauer und sprach zu ihm. »Ihr habt mir so viel Gutes erwiesen, als ich arm und elend war, nun bin ich reich und mächtig geworden, und zum Dank schenke ich euch diese sieben Köpfe. Ich habe den Lindwurm umgebracht, und das sind die Köpfe. Bringet sie zu eurem Patron, und gebet ihm diese freudige Nachricht, unter der Bedingung, daß er euch auf zwölf Jahre erlaube, in dem Walde Holz zu fällen.« »Nun bin ich ein gemachter Mann,« rief der Bauer voll Freude; »seit so viel Jahren ist Niemand mehr in den Wald gegangen um Holz zu fällen, weil der grimmige Lindwurm darin hauste; deshalb wird mir der Patron in seiner Herzensfreude die Bedingung gern zugestehen.«
Darauf nahm Peppino Abschied von dem Bauer, und ging wieder in den Wald, in tiefen Gedanken, denn er wußte nicht, wie er nun das Kaninchen herzaubern sollte. Auf einmal gedachte er an die drei Borsten, welche die schöne Frau ihm gegeben hatte; die schöne Frau war aber niemand anders gewesen als die verzauberte Königstochter. Da verbrannte er die drei Borsten, und alsbald sprang ein Kaninchen aus dem Gras und lief durch den Wald. Da verbrannte er auch die drei Federn, und sogleich sprang ein Hund hervor, der verfolgte das Kaninchen und brachte es dem Peppino. Dieser schnitt es entzwei, und eine weiße Taube flog heraus; der Hund verfolgte sie, bis sie sich niedersetzte, dann ergriff er sie, und brachte sie dem Jüngling. Peppino schnitt sie auf und fand in ihrem Leib ein Ei, gerade so, wie die Königstochter es vorhergesagt hatte. Das Ei verwahrte er, und als es Mitternacht war, schlich er leise in den Wald. Da sah er die Königstochter vor sich liegen und schlafen, und sie schien ihm viel schöner als je; auf ihr aber lag der Geist ihres Vaters. Leise schlich er hinzu, und als er ganz nahe bei ihnen stand, zog er das Ei hervor, zielte, und warf es dem Geiste des alten Königs mitten auf die Stirn. Kaum hatte er ihn getroffen, so gab es einen furchtbaren Schlag, der König rollte in den Abgrund hinab, und ward nicht mehr gesehen; die Königstochter erwachte, und fiel ihm voll Freuden in die Arme, vor ihnen aber stand ein prächtiges Schloß, mit vielen herrlichen Schätzen. Da rief die Königstochter: »Du hast mich erlöst, und nun gehören alle diese Schätze dir. Wir wollen sie mitnehmen, und zu deinen Eltern gehen, und dann soll unsere Hochzeit sein.« Da nahmen sie alle die Herrlichkeiten mit, und kehrten in Peppino’s Vaterstadt zurück.
Als aber der Kaufmann und seine Frau ihren lieben Sohn wiederkehren sahen, und mit ihm seine schöne Braut, dankten sie voll Freude dem heiligen Joseph, und feierten eine prächtige Hochzeit. Und so blieben sie reich und getröstet, wir aber sind hier sitzen geblieben.

[Italien: Laura Gonzenbach: Sicilianische Märchen]

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