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Die Affen

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Es war einmal ein König, der hatte zwei Söhne, die in derselben Stunde geboren waren, was man Zwillinge heißt. Der eine hieß Giovanni, der andere Antonio. Da man nicht genau wußte, welcher zuerst zur Welt gekommen war, worüber am Hofe viel gestritten wurde, war der König zweifelhaft, wer ihm in der Regierung folgen sollte. Darum sagte er ihnen, als sie herangewachsen waren: »Um gegen keinen von euch ungerecht zu sein, hört, was ich mir ausgedacht habe. Geht fort nach eurem Belieben und sucht euch eine Frau. Welche von den beiden mir das schönste und seltenste Geschenk machen wird, die soll entscheiden, wer von euch mir auf dem Thron folgen soll.« – Da stiegen Giovanni und Antonio zu Pferde, und jeder zog eine andere Straße.
Giovanni, nachdem er mehrere Tage geritten, kam in eine große Stadt und stieg in einem Gasthof ab, dem gegenüber ein prachtvoller vornehmer Palast stand. Er fragte nach dem Besitzer und wer drin wohne, und erfuhr: Der Besitzer, der darin wohnt, ist ein reicher Marchese, der zwei Kinder hat, einen Jüngling und ein schönes Mädchen. – Giovanni fragte, ob man das Fräulein sehen und mit ihr sprechen könne. Warum nicht? wurde ihm geantwortet. Sie geht jeden Tag aus zum Spaziergang und abends in Gesellschaft zu Leuten ihres Ranges.
Giovanni sah also das Mädchen draußen, und sie gefiel ihm sehr, und als er sich ihr genähert hatte an den Orten, wohin sie ging, konnte er auch mit ihr sprechen. Endlich sagte er ihr, er suche eine Frau und würde das Reich seines Vaters erben, wenn seine Braut dem Könige ein Geschenk brächte, das schöner und seltner wäre, als das seines Bruders Antonio. »Wenn Ihr imstande seid, ihm ein solches Geschenk zu machen, heirate ich Euch sogleich.« – Das Fräulein sagte Ja, und am anderen Tage ging Giovanni in ihr Haus, und sie gab ihm ein verschlossenes Schächtelchen. – »Dies ist das Geschenk. Bringt es Eurem Vater, und wenn es ihm gefällt, bin ich bereit, mich mit Euch zu vermählen.«
Giovanni kehrte darauf in seinen Palast zurück, gab dem König das Schächtelchen, und der König sagte: »Schön! Du kannst indessen Hochzeit machen und deine Frau hierherbringen. Aber das Schächtelchen ist verschlossen, und ich öffne es nicht eher, als bis auch Antonios Geschenk gekommen ist, und ich die beiden vergleichen kann.« – Kurz, Giovanni heiratete, und seine Frau gefiel dem König sehr.
Auch Antonio hatte indessen seine Reise fortgesetzt, aber länger als Giovanni. Eines Tages befand er sich in einem dichten Wald, der ganz weglos war und kein Ende zu nehmen schien. Er irrt hierhin und dorthin und kommt endlich zu einer großen öden Wiesenfläche, wo kein lebendes Wesen war, aber ringsherum Statuen und Pferde aus Marmor, und fern im Hintergrunde sah man einen herrlichen Palast. Zu dem gelangt Antonio endlich, klopft an, und ihm öffnet ein Affe. Sofort springen zwei andere Affen heraus, helfen ihm abzusteigen, nehmen sein Pferd und führen ihn die Treppen hinauf. Überall sieht er nur Affen, die ihm stumm Komplimente machen und zu verstehen geben, er möge nur befehlen.
Antonio schwankte zwischen Argwohn und Verwunderung. So kam er zu einem Saal, wo sich ein Affe befand, der der Oberste der anderen zu sein schien. Sie deuten ihm an, daß er sich setzen möge. Der Oberste lädt ihn zu einem Kartenspiel ein, und er nimmt es an und spielt mit drei Affen, und der Oberste saß ihm gegenüber. Endlich, gegen Abend, fragen sie ihn mit Zeichen, ob er zu Nacht essen wolle, und da er Hunger hatte, bejahte er es. Sie gehen also zu Tische, wo nur Affen waren, und Affen waren auch die Diener. Nach dem Abendessen führten ihn etliche Affen in ein prächtiges Zimmer mit einem guten Bett, verließen ihn und verschlossen die Tür.
Die Wahrheit zu sagen – obwohl Antonio nicht furchtsam war, fühlte er sich doch sehr unbehaglich in diesem Palast mit all diesen Tieren und wußte nicht, wie das noch enden sollte. Indessen, da er von dem langen Ritt todmüde war entschloß er sich zu Bett zu gehen, möge kommen was da wolle. Er entkleidet sich also, legt sich ins Bett und schläft augenblicklich ein.
Als er im besten Schlaf war, hört er eine Stimme, die ihn ruft. Er erwacht, öffnet die Augen, sieht aber niemand, weil er das Licht gelöscht hatte, und sagt: »Wer ruft mich?« – Die Stimme antwortet: »Antonio, weshalb bist du hiehergekommen?« – Da erzählt er der Stimme Punkt für Punkt die Ursachen, weshalb er seine Heimat verlassen hat. Wieder spricht die Stimme: »Wenn du einwilligst, mich zu heiraten, wird der König das schönste und seltenste Geschenk erhalten, du aber das Reich.« – Antonio darauf: »Ich, von mir aus, habe nichts dagegen. Ich heirate Euch, wann Ihr wollt.« – Darauf die Stimme: »Nun gut. Morgen am Tage wirst du auf der Kommode Briefe finden, die nimm und gib sie am Tor des Palastes dem, der dort steht und auf sie wartet.«
Antonio steht am Morgen auf und findet an Briefen auf der Kommode einen ganzen Haufen. Er nimmt sie und geht hinunter und findet am Tor Gott weiß wieviele Affen, denen gibt er sie, und sie gehen fort und bringen sie seinem Vater, dem König, denn an den waren alle. Darin stand, wo Antonio sich befand und daß er wohl sei und eine Frau suche. Die Affen aber wurden in der Stadt des Königs einquartiert.
In der nächsten Nacht, als Antonio schlief, weckt ihn die nämliche Stimme. »Antonio bleibst du bei deinem Entschluß?« – Und er: »Ja!« – »Nun denn, so wirst du morgen dem König diese anderen Briefe schicken.« – Am Morgen nimmt Antonio wieder den Haufen Briefe und gibt sie den Affen, die auch diese dem Könige bringen, und auch sie werden in der Stadt einquartiert. Der König aber sagt: Was mach‘ ich mit all diesen Tieren? Sie haben mir fast schon die ganze Stadt angefüllt. – Was er davon denken sollte, wußte er nicht, denn in den Briefen stand, Antonio habe die Frau gefunden mit dem noch viel schöneren und seltneren Geschenk.
Auch in der dritten Nacht wurde Antonio von derselben Stimme geweckt. »Antonio bist du noch immer entschlossen?« – Und er: »Ja, ich bin es! Wenn ich mein Wort gegeben habe, ändere ich es nicht mehr.« – Da sagte die Stimme: »Nun gut! Morgen werden wir zusammen abreisen und zum Könige gehen und dort werden wir uns heiraten.«
Als es Tag wurde, stand Antonio auf, und ihr könnt denken, wie neugierig er war, seine Braut kennen zu lernen. Er geht hinunter und sieht vor dem Tor des Palastes eine prachtvolle Karosse angespannt mit vier großen Affen und einem Affen auf dem Bock. Die Tür des Wagens wird ihm geöffnet, und drin saß eine Äffin. Neben die setzt er sich, und sie fahren ab mit einer großen Begleitung von Affen, und so kommen sie endlich nach der Stadt des Königs, Antonios Vater. Das ganze Volk war verblüfft durch diesen Aufzug, der König glaubte plötzlich noch einfältiger geworden zu sein, und bei Hofe sagten sie: Sicher wird Giovanni der Thronerbe sein.
Als sie ausgestiegen waren, gab die Äffin Antonio zu verstehen, daß sie in einem Zimmer allein bleiben möchte, und nachdem er sie dorthin geführt hatte, gab auch sie ihm ein Schächtelchen, das er dem König bringen solle. Als dieser hörte, daß Antonio sich diese Braut erwählt hatte, mußte er sich wohl darein ergeben, in die Vermählung zu willigen. Inzwischen legte er auch diese Schachtel zu der von Giovannis Frau, um beide gleichzeitig zu öffnen.
Als der Morgen kam, war in der königlichen Kapelle alles zur Trauung bereit. Antonio schickte also nach der Braut. Sie wollte aber ihr Zimmer nicht öffnen und gab zu verstehen, daß Antonio selbst kommen solle, sie zu holen. Der tut es auch und klopft an die Tür, die ihm geöffnet wird. Als er aber eintritt, was sieht er? Die Äffin hatte sich in ein wunderschönes Mädchen verwandelt, gekleidet wie eine königliche Braut, ein Wunder anzuschauen. »Da seht Ihr Eure Braut,« sagt sie. »Laßt uns gehen.« – Antonio war fast außer sich vor Freude, führte die Braut in die Kapelle hinunter, und alle waren erstaunt, dies reizende Mädchenbild zu sehen, worauf der Priester, nachdem sie sich auf den Betschemel hingekniet hatten, Antonio und die Braut zusammengab.
Nach der Zeremonie sagte der König: »Jetzt ist es Zeit, die Geschenke zu beschauen und zu bestimmen, wer Thronerbe sein soll.« – Er öffnet die Schachtel von Giovannis Frau, und herauskommt ein schönes Vögelchen. »Schön!« sagt der König. »Es ist wirklich schön, daß ein Vogel hier drinnen so lang hat am Leben bleiben können.« – Dann nimmt er die Schachtel von Antonios Frau, öffnet sie und findet drin Leinwand, fängt an sie herauszuziehen und zieht bis hundert Ellen heraus. »Das ist noch wunderbarer und seltner,« sagt er, »daß hundert Ellen Leinwand in diesem Schächtelchen stecken konnten. Die Entscheidung ist schon gefallen: Thronerbe wird Antonio sein.«
Als er diese Worte hörte, wurde Giovanni ganz bestürzt. Aber Antonios Frau sagte sofort: »Antonio braucht das Reich seines Vaters nicht, weil er selbst schon eines hat, und darum ist Giovanni Thronerbe. Antonio, weil er seinem Vorsatz treu blieb, mich zu heiraten, obwohl ich die Gestalt einer Äffin hatte, hat die Verzauberung gebrochen, die über mich und meine Untertanen gekommen war. Also ist er jetzt König des Reichs, das ich ihm als Mitgift bringe.« – Sie zog unter ihrem Kleide ein Stäbchen hervor und brach es in vier Stücke, die gab sie Antonio, damit er sie in die vier Winde über das Dach des königlichen Palastes würfe. Als Antonio nach dem Gebot seiner Gemahlin getan hatte, wurden alle Affen, die in der Stadt waren und die zu Hause geblieben waren auf einmal in Menschen zurückverwandelt, Frauen, Männer, Handwerker, Landleute, Pferde und Tiere jeder Art. Nach wenigen Tagen aber, als die Hochzeitsfeste vorüber waren, reiste Antonio mit seiner Gemahlin ab, um ihr Reich in Besitz zu nehmen, wo sie froh und glücklich lebten und Kinder bekamen.

Sie konnten wohl in Freuden leben,
Haben mir aber nichts abgegeben.

(Montale)
[Italien: Paul Heyse: Italienische Volksmärchen]

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