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Der Albanese

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Man erzählt von einem Kräutersammler, dem war das Glück so abhold, daß er nicht einmal mehr Kräuter finden konnte und nicht wußte, wovon leben. Er hatte aber drei Töchter, wovon die jüngste Rosa hieß. Zu dieser Rosa sagte er eines Tages: »Willst du nicht mit mir kommen, um Kräuter zu suchen, vielleicht bin ich glücklicher mit dir.« So ging die Tochter mit ihm. Aber so sehr auch sie ausschaute, sie konnte nichts finden. Endlich bemerkte sie einen großen Pilz und faßte ihn, um ihn auszureißen. Sie stieß jedoch auf Widerstand, der Pilz war tief in den Boden hineingewurzelt, und allein vermochte sie nicht, seiner Herr zu werden. Sie rief den Vater herbei, und beide vereint strengten sich jetzt an, den Pilz aus dem Boden zu reißen. Sie ziehen und ziehen, und ziehen einen Albanesen am Ohr aus dem Boden hervor, der ruft sie an: »Was macht ihr zwei hier?« Sie entschuldigen sich, daß sie seit langer Zeit schon an einem Pilz gezogen und ihn nicht haben beleidigen wollen. Der Albanese hört nicht weiter darauf, sondern fragt den Alten: »Willst du mir wol deine schöne Tochter hier lassen? Siehe, sie wird es bei mir gleich einer Königin haben, denn hier unten bewohne ich einen prächtigen Palast.« Der Vater konnte nichts als Ja sagen, und auch die Tochter sagte alsbald Ja. Darauf schenkte der Albanese dem Vater einen Beutel mit Goldstücken, und Rosa trug ihm auf, ihre Schwestern zu grüßen. »Hast du noch Schwestern«, fragte sie der Albanese, »und wieviel?« – »Zwei«, antwortete das Mädchen. – »Dann mögen sie, wenn sie dich sehen wollen, nur immer hierher kommen.« Der Kräutersammler ging vergnügt nach Hause und erzählte seinem Weibe, was da geschehen war.
Rosa betrat mit dem Fremden einen unterirdischen Gang und bald darauf einen Palast, in welchem Gold, Silber und Edelsteine in Fülle umherlagen, und er sagte zu ihr: »Alles, was du da siehst, ist dein, so du mir in Treuen ergeben bleibst und thust, was ich dir befehle.« – »Das will ich thun«, antwortete das Mädchen. Nun aßen sie und tranken, und nach drei Tagen sprach der Albanese: »Ich muß für einige Zeit von Hause fort. Ich lasse dir diese Hand von frischem Fleische, die verspeisest du, während ich fern bin; thust du es nicht, so bist du verloren.«
Wie Rosa allein ist, schaut sie die Hand an, aber es erfaßt sie ein Grauen, sie zu verspeisen. So zerstampft sie dieselbe in einem Mörser und wirft sie in ein Loch. Die erste Frage des Albanesen, wie er zurückkehrt, ist: »Rosa, aßest du die Hand?« Zitternd antwortet sie: »Ja, ich aß sie!« Da ruft er: »Hand, Hand, Händchen mein, sag‘, wo steckst du?« Und die Hand antwortete: »Hier im Loche.« – »So hast du also meinem Befehle nicht gehorcht? Nun empfange die Strafe.« Und mit einem Rucke reißt er ihr den Kopf ab und schleudert ihn und den Leichnam in eine Kammer auf einen Haufen zu den andern.
Einmal kam der Vater beim Kräutersammeln wieder an jenen Ort, der Albanese erscheint und sagt ihm: »Deine Tochter ist wohlauf und wohnt in einem goldenen Palaste, aber sie bittet dich, ihr die andere Schwester zur Gesellschaft zu schicken.« Der Vater versprach, andern Tages ihm seine Tochter Kathrin zu bringen, und wieder empfing er einen Beutel Goldes. Wie er nach Hause kommt, freut sich diese über die Kunde von Rosa und daß Kathrin ihr Glück theilen solle, und gibt ihm die andere Tochter gern mit.
Kathrin stieg in die Oeffnung hinein und hinab in das Loch. Hier ging alles wie mit der ersten: er ließ ihr bei seiner Abreise die Hand und gab ihr den gleichen Befehl. Aber auch Kathrinen war es unmöglich zu gehorchen, und sie mußte ihr Leben lassen.
Wie der Kräutersammler zum dritten male an den Ort kam, nahte ihm der Versucher aufs neue und forderte die dritte Schwester, welche Antonia hieß, gab ihm einen dritten Beutel, und der Vater brachte ihm auch Antonia. Antonia aber war eine von den siebentausend Gewitzigten, und als der Albanese auch ihr die Hand zurückließ, dachte sie fein nach, wie sie aus dem Dinge kommen könne. Sie nimmt die Hand, bindet sie sich auf den Leib, und als der böse Geist zurückkommt und fragt: »Händchen, wo bist du?« antwortet diese vom Bauche des Mädchens her: »Hier bin ich!« Da meint er, Antonia habe sie gegessen, und weil er sie so gehorsam findet, schüttet er ihr sein Herz aus und sagt ihr alle Geheimnisse desselben, auch gibt er ihr die Schlüssel zu allen Zimmern und zu der Schatzkammer, wo der Herrlichkeiten so viele lagen, daß es eine Pracht war.
Einmal, da sie allein war, erschließt sie alle Zimmer und kommt an eins, das ganz voll menschlicher Körper war: Körper von Kaisern, Königen, Prinzen und Fürsten, Männern und Frauen, und darunter lagen auch ihre beiden Schwestern mit abgerissenen Köpfen. Sie begann zu klagen und zu jammern, erblickt aber ein Gefäß mit einer Salbe, sie nimmt von der Salbe und bestreicht damit den Hals der Todten, und beide kommen wieder ins Leben zurück. So belebt sie nach und nach alle Todten, die da lagen, die ihr Leben durch den Albanesen verloren hatten, aber durch ein Wunder immer frisch geblieben waren, als wären sie eben erst gestorben. Da entstand ein buntes Gewirr, und die Freude der zum Leben Erwachten kann man gar nicht erzählen. Alle drängten sich zu ihrer Retterin: dieser wollte sie zur Frau, jener zur Tochter, ein dritter zur Schwester, ein vierter zur Mitherrscherin über sein Reich, kurz, jeder wollte ihr etwas Liebes erweisen. Endlich kam man überein, daß Antonia die Tochter des Königs von Portugal sein sollte, und so geschah es. Darauf luden sie alle Schätze des Bösen auf und entflohen.
Wie vom Blitz getroffen stand der, als er nach Hause kam, die Todten entflohen und die Schätze entführt fand. Was sollte er thun? Er sann auf einen Betrug, und weil er ein schlimmer Zauberer war, gelang er ihm auch. Er schloß sich in einen Glasschrein ein und ließ sich nach Portugal tragen und ausrufen: »Seht doch, welch schöne Statue! Wer will sie kaufen?« Der König und seine neue Tochter schauen gerade zum Fenster heraus, als der Händler vorübergeht, er fragt das Mädchen: »Antonia, wollen wir die Statue kaufen?« Diese, als ob ihr eine Ahnung durchs Herz zöge, sagte weder Ja noch Nein, aber der König kaufte sie doch und ließ den Glasschrein im Zimmer der Tochter aufstellen. So kommt die Nacht, und der Albanese, der sich von innen eingeschlossen, suchte jetzt heraus und an das Mädchen zu kommen, um ihr Böses anzuthun. Bei dem ersten Geräusch erwachte sie jedoch und rief die Diener. Die kommen, finden aber nichts und gehen wieder. Das Geräusch läßt sich von neuem hören, und sofort auch ruft sie wieder die Diener. Sie kommen und finden alles in Ordnung, auch die Statue steht wie aus Marmor gemacht. Endlich beim dritten male bemerkt sie doch, wie die Statue sich bewegt. Auf ihr Geschrei kommen alle Leute herbei, denen befiehlt sie jetzt, die Statue an Händen und Füßen zu packen und in einen eisernen Käfig zu sperren. Davon bekamen alle die, welche der Böse einst so arg behandelt, Kunde und eilten nach Portugal, ihn im Käfig zu sehen und ihre Wuth an ihm auszulassen. Sie tractirten ihn mit Worten und Stößen so arg, daß er seine schwarze Seele aufgeben mußte. Dann feierte man ein großes Fest.

[Italien: Waldemar Kaden: Unter den Olivenbäumen. Süditalienische Volksmärchen]

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