1.5
(2)
Es war einmal ein Mann namens Jannuccio, welcher zwei Kinder besaß, Nennillo und Nennella, die er mehr liebte als sich selbst. Nachdem aber der Tod mit der Feile der Zeit alle Schlösser des Gefängnisses, darin die Seele seiner Frau eingesperrt war, durchgefeilt hatte, heiratete er ein nichtswürdiges Weibsbild, das kaum den Fuß über die Schwelle ihres Mannes setzte, als sie auch schon anfing, den Kopf hoch zu tragen und zu sagen: »Bin ich denn hierhergekommen, um die Kinder einer andern zu lausen? Das fehlte mir gerade, daß ich mir diese Bürde aufladen und den ganzen Tag lang diese Schreibälge um mich haben sollte. Lieber wollte ich, daß ich den Hals gebrochen hätte, ehe ich für schlechtes Essen, schlechteres Trinken und noch schlechteres Schlafen, wie es mir diese Brut bereitet, in diese Hölle kam. Dies Leben kann ich nicht länger ertragen; denn ich will Hausfrau und nicht Dienstmagd sein. Ich muß irgendein Mittel finden, um mich von diesem Gezücht zu befreien, oder ich selbst gehe drauf. Besser ist es, einmal zu erröten, als hundertmal zu erblassen. Ich will der Sache ein für allemal ein Ende machen und bin drum fest entschlossen, sie mir vom Halse zu schaffen oder selber davonzulaufen.«
Der arme Ehemann, der dieses Weib ziemlich liebgewonnen hatte, erwiderte darauf: »Sei nur nicht so erbittert, liebe Frau, denn der Zucker ist teuer. Morgen früh, sobald der Hahn kräht, will ich dich von dieser Bürde befreien und dir so allen Anlaß zum Ärger aus dem Wegräumen.« Ehe also noch des andern Tages Aurora die rote Bettdecke zum Fenster des Ostens hinausbreitete, nahm der arme Vater seine zwei Kinder bei der Hand, einen großen Korb voller Lebensmittel an den Arm und führte jene in einen Wald, wo ein Heer von Pappeln und Buchen die Dunkelheit belagert hielt.
Dort angelangt, sprach Jannuccio zu seinen Kindern: »Meine lieben Kinder, bleibet hier an diesem Ort, esset und trinket froh und fröhlich, und wenn es euch an etwas fehlt, so seht diesen Streifen Asche, den ich hier hinstreue und der euch wie ein Faden aus dem Labyrinth heraus nach unserem Hause führen wird.« Hierauf gab er jedem Kind einen Kuß und kehrte weinend nach Hause zurück. Um die Stunde der Nacht aber hatten die Kinder Angst, an jenem öden Ort allein zu bleiben, wo das Rauschen eines Flusses, welcher die kecken Steine peitschte, die ihm mutwillig in den Weg traten, selbst einen Rodomont hätte in Furcht setzen können. Sie zogen daher langsam den Aschenpfad entlang und kamen endlich gegen Mitternacht am Haus des Vaters an.
Pascozza aber, die Stiefmutter, gebärdete sich nicht wie ein Weib, sondern wie eine leibhaftige Furie und stieß ein gewaltiges Geschrei aus, indem sie mit Händen und Füßen um sich schlug und wie ein scheues Pferd schnaubte, wobei sie ausrief: »Was ist das? Woher kommen zum Kuckuck diese Klunkern, diese Filzläuse? Kann denn kein Quecksilber sie vom Hause vertreiben? Willst du sie durchaus mir zur Kränkung im Hause behalten? Schaffe sie mir sogleich aus den Augen, sonst kehre ich morgen früh in das Haus meiner Eltern zurück. Nicht dazu habe ich so viele schöne Sachen ins Haus gebracht, um eine Sklavin von Kindern zu sein, die mich nichts angehen.« Der arme Jannuccio sah, wie schlimm die Sachen standen und wie hitzig seine Frau wurde, faßte also wieder die Kinder bei der Hand und kehrte mit ihnen in den Wald zurück, woselbst er ihnen wie das vorige Mal einen Korb mit Eßwaren gab und zu ihnen sprach: »Ihr seht, meine einziggeliebten Kinder, wie sehr eure Stiefmutter, die euch zum Verderben und mir zum Kummer in mein Haus gekommen ist, euch haßt. Darum bleibt also nur in diesem Wald, wo die Bäume, mitleidiger als sie, euch gegen die Sonne schützen, wo der Fluß, wohlwollender als sie, euch ohne Groll zu trinken geben und die Erde, freundlicher als sie, euch Rasenlager ohne Gefahr darbieten wird, und wenn es euch an Lebensmitteln fehlt, so kommt diesen Pfad von Kleie entlang, den ich in gerader Linie bis an unser Haus mache, und holt euch, was ihr braucht.« So sprechend, wandte er sein Angesicht fort, um nicht zu zeigen, daß er weinte, und die armen Kinder nicht zu entmutigen.
Als diese nun das, was sich im Korbe befand, verzehrt hatten, wollten sie nach Hause zurückkehren. Da aber zum Unglück die auf die Erde gestreute Kleie von einem Eselchen weggefressen worden war, verfehlten sie den Weg und irrten einige Tage lang in dem Wald umher und nährten sich von Eicheln und Kastanien, die sie auf der Erde fanden. Durch die Fügung des Himmels jedoch, der stets seine Hand über die Unschuldigen hält, ging gerade um diese Zeit ein Prinz in jenem Wald auf die Jagd, und Nennillo bekam beim Bellen der Hunde so große Furcht, daß er in einen hohlen Baum kroch, während Nennella anfing, aus allen Kräften zu laufen, bis sie aus dem Walde hinaus zur Meeresküste gelangte. Dort wurde sie von Seeräubern, die Holz einnahmen, entführt und hierauf von dessen Anführer in sein Haus gebracht, wo er und seine Frau, unlängst durch den Tod einer Tochter beraubt, sie an Kindes Statt annahmen.
Inzwischen war Nennillo, der sich in den Baum verkrochen hatte, von Hunden umringt worden, die ein betäubendes Gebell erhoben, dem zufolge der Prinz endlich nachsehen ließ, was dazu Anlaß gäbe. Und da man nun diesen schönen Knaben fand, der noch so klein war, daß er nicht zu sagen wußte, wer seine Eltern seien, so hieß er einen Jäger, ihn mit auf den Sattel zu nehmen und zum königlichen Palast zu bringen. Dort ließ er Nennillo sehr sorgfältig erziehen und in allen schönen und nützlichen Dingen, besonders aber in dem, was ein Vorschneider wissen muß, unterrichten, so daß er nach einigen Jahren dermaßen geschickt in seiner Kunst wurde, daß er die Speisen aufs zierlichste vorzuschneiden verstand.
Während dieser Zeit nun entdeckte man, daß der Schiffseigentümer, in dessen Haus sich Nennella befand, ein Seeräuber war, und wollte ihn ins Gefängnis setzen. Weil er aber die Gerichtsleute zu Freunden hatte und sie in seinem Sold hielt, bekam er Wind und machte sich mit seinem ganzen Hause aus dem Staube. Es war aber vielleicht die Gerechtigkeit des Himmels, die bewirkte, daß der, welcher sein Verbrechen auf dem Meere verübt, auch auf dem Meer dafür büßen sollte. Denn da er sich auf einer schwachen Barke eingeschifft hatte und sich nun mitten auf der See befand, kam ein solcher Windstoß und Wogendrang, daß die Barke umschlug und alle ertranken. Nur Nennella, die nicht wie seine Frau und seine Kinder an den Räubereien teilgenommen hatte, entkam der Gefahr, indem sich zur selben Zeit in der Nähe ein großer verzauberter Fisch befand, welcher seinen furchtbaren Rachen öffnete und Nennella verschlang.
Als sie aber eben glaubte, daß es mit ihr vorbei wäre, erblickte sie im Bauch des Fisches wunderbare Dinge. Denn es befanden sich darin herrliche Gefilde, wunderschöne Gärten und ein prächtiger Palast mit allen Bequemlichkeiten, darin sie wie eine Prinzessin wohnte. Der Fisch brachte sie hierauf mit größter Schnelligkeit an eine Seeküste, und da eben die drückende Glut des Sommers war, die wie ein Kalkofen sengte, hatte sich der Prinz gerade dorthin begeben, um sich an der Meeresfrische zu erquicken. Während man nun ein prächtiges Mahl bereitete, war Nennillo auf einen Balkon des Palastes, der sich am Ufer befand, getreten und schliff dort einige Messer, indem er, um sich Ehre einzulegen, seinem Amt mit vielem Eifer vorstand.
Sobald ihn daher Nennella durch die Kehle des Fisches erblickte, erhob sie ihre Stimme aus der Tiefe und rief:
»Mein Brüderlein, mein Brüderlein,
Die Messer sind geschliffen fein,
Der Tisch ist gedeckt nett und rein,
Doch schmerzt es mich gar bitterlich,
In diesem Fisch hier zu sein ohne dich!«
Nennillo selbst achtete zwar anfangs nicht auf diese Stimme. Der Prinz jedoch, der sich auf einem anderen Ausgang befand und diese klagenden Töne gleichfalls vernommen hatte, wandte sich nach dieser Richtung hin und erblickte so den Fisch. Als er nun dieselben Worte noch einmal wiederholen hörte, geriet er vor Erstaunen ganz außer sich und schickte eine Anzahl Leute ab, um zu sehen, ob sie vielleicht den Fisch durch List oder sonst auf irgendeine Weise ans Land ziehen könnten. Inzwischen hörte er immer dieselben Worte »mein Brüderlein, mein Brüderlein« wiederholen und fragte daher jeden einzelnen seiner Diener, ob er vielleicht eine Schwester besäße, die sich von ihm verloren hätte, worauf endlich Nennillo erwiderte, er erinnere sich wie im Traum, daß er, als er im Wald gefunden wurde, eine Schwester gehabt habe, von der er nie mehr etwas gehört habe. Der Prinz sagte darauf zu ihm, er solle sich dem Fisch nähern und sehen, was da los sei, vielleicht ginge es ihn etwas an.
Nennillo ging an den Fisch heran, worauf dieser seinen Kopf dem Ufer nahe brachte und einen sechs Ellen hohen Rachen öffnete, aus dem Nennella in solcher Schönheit heraustrat, daß sie ganz wie eine Nymphe aussah, die in irgendeinem Zwischenspiel durch die Zauberei eines Magiers aus dem Bauch eines Fisches hervorkomme. Als der Prinz sie nun fragte, wie sie da hineingekommen wäre, erzählte sie ihm einen Teil ihrer Leidensgeschichte und namentlich, wie sie von ihrer Stiefmutter gehaßt worden war. Da sich jedoch weder sie noch ihr Bruder des Namens ihres Vaters oder ihres Wohnortes zu erinnern vermochten, ließ der Prinz öffentlich ausrufen, daß der, der zwei Kinder namens Nennillo und Nennella verloren hätte, in den königlichen Palast kommen solle; denn er würde dort eine erfreuliche Nachricht erhalten. Jannuccio, der die ganze Zeit über ein trauriges und trostloses Leben verbracht hatte, indem er glaubte, seine Kinder wären von den Wölfen gefressen worden, eilte, als er jene Bekanntmachung vernahm, voller Fröhlichkeit zum Prinzen und sagte ihm, er habe die Kinder verloren, wobei er zugleich erzählte, wie er von seiner Frau gezwungen worden sei, sie in den Wald zu bringen.
Der Prinz wusch ihm nun gehörig den Kopf und nannte ihn einen einfältigen Pinsel, daß er sich von einer Frau so habe ins Bockshorn jagen lassen und zwei solche Juwelen, wie seine Kinder gewesen seien, von sich gestoßen hätte. Nachdem er ihn aber gehörig heruntergemacht hatte, legte er ihm wieder das Pflaster des Trostes auf, indem er ihm seine beiden Kinder zuführte, die nun der Vater nicht müde wurde, zu umarmen und zu küssen, worauf ihm der Prinz den Kittel abnehmen und statt dessen eine prächtige Kleidung anlegen ließ.
Alsdann ließ er die Frau Jannuccios herbeirufen, zeigte ihr dessen schmuckes Kinderpaar und fragte sie, was derjenige wohl verdiene, der ihnen etwas Böses täte und sie in Lebensgefahr brächte. »Ich würde ihn«, erwiderte sie, »in ein zugemachtes Faß stecken und dies hierauf einen Berg hinunterrollen.« — »So geschehe es«, versetzte der Prinz; »der Bock hat sich dieses Mal selbst gestoßen, wohlan, da du dir selbst dein Urteil gesprochen hast, so soll es auch ausgeführt werden, denn du hast diese deine Stiefkinder mit unverdientem Haß verfolgt.« Demgemäß befahl er, den von ihr selbst gefällten Spruch zu vollstrecken, worauf er Nennella einem seiner Vasallen, einem sehr reichen Edelmann, die Tochter aber ihrem Bruder zur Frau gab, indem er ihnen hinlängliche Einkünfte anwies, damit sie und ihr Vater, ohne jemandes zu bedürfen, bequem leben könnten, während ihre Stiefmutter in ein Faß eingeschlossen und zugleich von fernerem Leben ausgeschlossen wurde, wobei sie bis zu ihrem letzten Atemzug immerfort durch das Spundloch schrie:
»Wohl langsam mahlt des Schicksals Mühlenstein,
Doch packt er sicher und zermahlt ganz fein.«
Der arme Ehemann, der dieses Weib ziemlich liebgewonnen hatte, erwiderte darauf: »Sei nur nicht so erbittert, liebe Frau, denn der Zucker ist teuer. Morgen früh, sobald der Hahn kräht, will ich dich von dieser Bürde befreien und dir so allen Anlaß zum Ärger aus dem Wegräumen.« Ehe also noch des andern Tages Aurora die rote Bettdecke zum Fenster des Ostens hinausbreitete, nahm der arme Vater seine zwei Kinder bei der Hand, einen großen Korb voller Lebensmittel an den Arm und führte jene in einen Wald, wo ein Heer von Pappeln und Buchen die Dunkelheit belagert hielt.
Dort angelangt, sprach Jannuccio zu seinen Kindern: »Meine lieben Kinder, bleibet hier an diesem Ort, esset und trinket froh und fröhlich, und wenn es euch an etwas fehlt, so seht diesen Streifen Asche, den ich hier hinstreue und der euch wie ein Faden aus dem Labyrinth heraus nach unserem Hause führen wird.« Hierauf gab er jedem Kind einen Kuß und kehrte weinend nach Hause zurück. Um die Stunde der Nacht aber hatten die Kinder Angst, an jenem öden Ort allein zu bleiben, wo das Rauschen eines Flusses, welcher die kecken Steine peitschte, die ihm mutwillig in den Weg traten, selbst einen Rodomont hätte in Furcht setzen können. Sie zogen daher langsam den Aschenpfad entlang und kamen endlich gegen Mitternacht am Haus des Vaters an.
Pascozza aber, die Stiefmutter, gebärdete sich nicht wie ein Weib, sondern wie eine leibhaftige Furie und stieß ein gewaltiges Geschrei aus, indem sie mit Händen und Füßen um sich schlug und wie ein scheues Pferd schnaubte, wobei sie ausrief: »Was ist das? Woher kommen zum Kuckuck diese Klunkern, diese Filzläuse? Kann denn kein Quecksilber sie vom Hause vertreiben? Willst du sie durchaus mir zur Kränkung im Hause behalten? Schaffe sie mir sogleich aus den Augen, sonst kehre ich morgen früh in das Haus meiner Eltern zurück. Nicht dazu habe ich so viele schöne Sachen ins Haus gebracht, um eine Sklavin von Kindern zu sein, die mich nichts angehen.« Der arme Jannuccio sah, wie schlimm die Sachen standen und wie hitzig seine Frau wurde, faßte also wieder die Kinder bei der Hand und kehrte mit ihnen in den Wald zurück, woselbst er ihnen wie das vorige Mal einen Korb mit Eßwaren gab und zu ihnen sprach: »Ihr seht, meine einziggeliebten Kinder, wie sehr eure Stiefmutter, die euch zum Verderben und mir zum Kummer in mein Haus gekommen ist, euch haßt. Darum bleibt also nur in diesem Wald, wo die Bäume, mitleidiger als sie, euch gegen die Sonne schützen, wo der Fluß, wohlwollender als sie, euch ohne Groll zu trinken geben und die Erde, freundlicher als sie, euch Rasenlager ohne Gefahr darbieten wird, und wenn es euch an Lebensmitteln fehlt, so kommt diesen Pfad von Kleie entlang, den ich in gerader Linie bis an unser Haus mache, und holt euch, was ihr braucht.« So sprechend, wandte er sein Angesicht fort, um nicht zu zeigen, daß er weinte, und die armen Kinder nicht zu entmutigen.
Als diese nun das, was sich im Korbe befand, verzehrt hatten, wollten sie nach Hause zurückkehren. Da aber zum Unglück die auf die Erde gestreute Kleie von einem Eselchen weggefressen worden war, verfehlten sie den Weg und irrten einige Tage lang in dem Wald umher und nährten sich von Eicheln und Kastanien, die sie auf der Erde fanden. Durch die Fügung des Himmels jedoch, der stets seine Hand über die Unschuldigen hält, ging gerade um diese Zeit ein Prinz in jenem Wald auf die Jagd, und Nennillo bekam beim Bellen der Hunde so große Furcht, daß er in einen hohlen Baum kroch, während Nennella anfing, aus allen Kräften zu laufen, bis sie aus dem Walde hinaus zur Meeresküste gelangte. Dort wurde sie von Seeräubern, die Holz einnahmen, entführt und hierauf von dessen Anführer in sein Haus gebracht, wo er und seine Frau, unlängst durch den Tod einer Tochter beraubt, sie an Kindes Statt annahmen.
Inzwischen war Nennillo, der sich in den Baum verkrochen hatte, von Hunden umringt worden, die ein betäubendes Gebell erhoben, dem zufolge der Prinz endlich nachsehen ließ, was dazu Anlaß gäbe. Und da man nun diesen schönen Knaben fand, der noch so klein war, daß er nicht zu sagen wußte, wer seine Eltern seien, so hieß er einen Jäger, ihn mit auf den Sattel zu nehmen und zum königlichen Palast zu bringen. Dort ließ er Nennillo sehr sorgfältig erziehen und in allen schönen und nützlichen Dingen, besonders aber in dem, was ein Vorschneider wissen muß, unterrichten, so daß er nach einigen Jahren dermaßen geschickt in seiner Kunst wurde, daß er die Speisen aufs zierlichste vorzuschneiden verstand.
Während dieser Zeit nun entdeckte man, daß der Schiffseigentümer, in dessen Haus sich Nennella befand, ein Seeräuber war, und wollte ihn ins Gefängnis setzen. Weil er aber die Gerichtsleute zu Freunden hatte und sie in seinem Sold hielt, bekam er Wind und machte sich mit seinem ganzen Hause aus dem Staube. Es war aber vielleicht die Gerechtigkeit des Himmels, die bewirkte, daß der, welcher sein Verbrechen auf dem Meere verübt, auch auf dem Meer dafür büßen sollte. Denn da er sich auf einer schwachen Barke eingeschifft hatte und sich nun mitten auf der See befand, kam ein solcher Windstoß und Wogendrang, daß die Barke umschlug und alle ertranken. Nur Nennella, die nicht wie seine Frau und seine Kinder an den Räubereien teilgenommen hatte, entkam der Gefahr, indem sich zur selben Zeit in der Nähe ein großer verzauberter Fisch befand, welcher seinen furchtbaren Rachen öffnete und Nennella verschlang.
Als sie aber eben glaubte, daß es mit ihr vorbei wäre, erblickte sie im Bauch des Fisches wunderbare Dinge. Denn es befanden sich darin herrliche Gefilde, wunderschöne Gärten und ein prächtiger Palast mit allen Bequemlichkeiten, darin sie wie eine Prinzessin wohnte. Der Fisch brachte sie hierauf mit größter Schnelligkeit an eine Seeküste, und da eben die drückende Glut des Sommers war, die wie ein Kalkofen sengte, hatte sich der Prinz gerade dorthin begeben, um sich an der Meeresfrische zu erquicken. Während man nun ein prächtiges Mahl bereitete, war Nennillo auf einen Balkon des Palastes, der sich am Ufer befand, getreten und schliff dort einige Messer, indem er, um sich Ehre einzulegen, seinem Amt mit vielem Eifer vorstand.
Sobald ihn daher Nennella durch die Kehle des Fisches erblickte, erhob sie ihre Stimme aus der Tiefe und rief:
»Mein Brüderlein, mein Brüderlein,
Die Messer sind geschliffen fein,
Der Tisch ist gedeckt nett und rein,
Doch schmerzt es mich gar bitterlich,
In diesem Fisch hier zu sein ohne dich!«
Nennillo selbst achtete zwar anfangs nicht auf diese Stimme. Der Prinz jedoch, der sich auf einem anderen Ausgang befand und diese klagenden Töne gleichfalls vernommen hatte, wandte sich nach dieser Richtung hin und erblickte so den Fisch. Als er nun dieselben Worte noch einmal wiederholen hörte, geriet er vor Erstaunen ganz außer sich und schickte eine Anzahl Leute ab, um zu sehen, ob sie vielleicht den Fisch durch List oder sonst auf irgendeine Weise ans Land ziehen könnten. Inzwischen hörte er immer dieselben Worte »mein Brüderlein, mein Brüderlein« wiederholen und fragte daher jeden einzelnen seiner Diener, ob er vielleicht eine Schwester besäße, die sich von ihm verloren hätte, worauf endlich Nennillo erwiderte, er erinnere sich wie im Traum, daß er, als er im Wald gefunden wurde, eine Schwester gehabt habe, von der er nie mehr etwas gehört habe. Der Prinz sagte darauf zu ihm, er solle sich dem Fisch nähern und sehen, was da los sei, vielleicht ginge es ihn etwas an.
Nennillo ging an den Fisch heran, worauf dieser seinen Kopf dem Ufer nahe brachte und einen sechs Ellen hohen Rachen öffnete, aus dem Nennella in solcher Schönheit heraustrat, daß sie ganz wie eine Nymphe aussah, die in irgendeinem Zwischenspiel durch die Zauberei eines Magiers aus dem Bauch eines Fisches hervorkomme. Als der Prinz sie nun fragte, wie sie da hineingekommen wäre, erzählte sie ihm einen Teil ihrer Leidensgeschichte und namentlich, wie sie von ihrer Stiefmutter gehaßt worden war. Da sich jedoch weder sie noch ihr Bruder des Namens ihres Vaters oder ihres Wohnortes zu erinnern vermochten, ließ der Prinz öffentlich ausrufen, daß der, der zwei Kinder namens Nennillo und Nennella verloren hätte, in den königlichen Palast kommen solle; denn er würde dort eine erfreuliche Nachricht erhalten. Jannuccio, der die ganze Zeit über ein trauriges und trostloses Leben verbracht hatte, indem er glaubte, seine Kinder wären von den Wölfen gefressen worden, eilte, als er jene Bekanntmachung vernahm, voller Fröhlichkeit zum Prinzen und sagte ihm, er habe die Kinder verloren, wobei er zugleich erzählte, wie er von seiner Frau gezwungen worden sei, sie in den Wald zu bringen.
Der Prinz wusch ihm nun gehörig den Kopf und nannte ihn einen einfältigen Pinsel, daß er sich von einer Frau so habe ins Bockshorn jagen lassen und zwei solche Juwelen, wie seine Kinder gewesen seien, von sich gestoßen hätte. Nachdem er ihn aber gehörig heruntergemacht hatte, legte er ihm wieder das Pflaster des Trostes auf, indem er ihm seine beiden Kinder zuführte, die nun der Vater nicht müde wurde, zu umarmen und zu küssen, worauf ihm der Prinz den Kittel abnehmen und statt dessen eine prächtige Kleidung anlegen ließ.
Alsdann ließ er die Frau Jannuccios herbeirufen, zeigte ihr dessen schmuckes Kinderpaar und fragte sie, was derjenige wohl verdiene, der ihnen etwas Böses täte und sie in Lebensgefahr brächte. »Ich würde ihn«, erwiderte sie, »in ein zugemachtes Faß stecken und dies hierauf einen Berg hinunterrollen.« — »So geschehe es«, versetzte der Prinz; »der Bock hat sich dieses Mal selbst gestoßen, wohlan, da du dir selbst dein Urteil gesprochen hast, so soll es auch ausgeführt werden, denn du hast diese deine Stiefkinder mit unverdientem Haß verfolgt.« Demgemäß befahl er, den von ihr selbst gefällten Spruch zu vollstrecken, worauf er Nennella einem seiner Vasallen, einem sehr reichen Edelmann, die Tochter aber ihrem Bruder zur Frau gab, indem er ihnen hinlängliche Einkünfte anwies, damit sie und ihr Vater, ohne jemandes zu bedürfen, bequem leben könnten, während ihre Stiefmutter in ein Faß eingeschlossen und zugleich von fernerem Leben ausgeschlossen wurde, wobei sie bis zu ihrem letzten Atemzug immerfort durch das Spundloch schrie:
»Wohl langsam mahlt des Schicksals Mühlenstein,
Doch packt er sicher und zermahlt ganz fein.«
Quelle:
(Italien)
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