0
(0)
Eine Hexe in Gestalt eines großen Falken schlug immer die Fensterscheiben der Dorfkirche entzwei. In dem Dorfe wohnten drei Brüder, die wollten den schädlichen Falken töten. Doch vergebens lauerten die beiden älteren mit ihren Flinten: so oft der Vogel herabkam, schloß ihnen der Schlaf die Augen, und sie erwachten erst, wenn schon die Fenster des Gotteshauses klirrten.
Auch der jüngste stellte sich nun auf die Lauer. Um nicht einzuschlafen, steckte er sich Dornen unter das Kinn: die sollten ihn stechen und munter machen, wenn er etwa in Gefahr kam, einzunicken.
Der Mond schien; es war beinah so hell wie am Tage. Da hörte der junge Mann ein Sausen in der Luft. Die Hexe sah ihn und schickte die Schlummersucht auf ihn hinab. Seine Augen machten sich zu, sein Kopf neigte sich, – aber da stachen ihn die Dornen bis aufs Blut, und er wurde munter. Er griff nach der Flinte, zielte auf den Falken und schoß. Der Falke fiel neben einem großen Steine nieder, sein rechter Flügel war zerschmettert. Der Bursche lief hin und sah, daß ein ungeheurer Abgrund sich unter dem Steine öffnete. Er sagte dies seinen Brüdern und schleppte mit ihrer Hilfe ein langes Seil und eine Menge Kienspäne herbei. Das Seil mit dem angebrannten Kien ließen sie bis auf den Boden des Abgrundes hinunter. Dann ließ sich der Jüngling selbst am Seile hinab. Unten blühten schöne Blumen und immergrüne Bäume.
Mitten in dieser wundervollen Umgebung stand ein großes, fest gemauertes Schloß. Das eiserne Tor war weit geöffnet, und in einem goldenen Zimmer saß eine Jungfrau, die kämmte ihr goldenes Haar. Sowie ein Haar zu Boden fiel, klang es wie reines Metall. Er sah sich die Jungfrau näher an: sie war glatt und weiß, hatte blitzende Augen und lockiges Haar. Von Liebe entbrannt, kniete er vor ihr nieder und bat sie, seine Frau zu werden. Sie willigte freundlich ein, aber sie sagte noch: »Ich darf erst dann auf die Erde kommen, wenn die alte Hexe nicht mehr lebt; sie ist aber nur mit einem alten Schwerte umzubringen, das hier im zweiten Zimmer hängt. Dieses Schwert ist so groß und schwer, daß Du es gewiß nicht heben kannst.«
Der Jüngling ging nun in das zweite Zimmer. Hier war alles von Silber, und wieder saß da eine Jungfrau, die Schwester seiner Braut. Sie kämmte ihr silbernes Haar, und wenn eins auf die Erde fiel, klang es wie eine Saite. Die Jungfrau reichte ihm das Schwert, aber er konnte es nicht heben. Da kam die dritte Schwester hinzu und gab ihm Tropfen, die den Menschen stärker machen. Er trank einen Tropfen, aber noch hob er das Schwert nicht. Er trank noch einen, und schon rührte es sich etwas, als er es anfaßte. Nach dem dritten Tropfen konnte er das Schwert heben und hin und her schwenken.
Nun wartete er auf die alte Hexe. Sie kam als Falke und nahm dann menschliche Gestalt an. Der junge Bursche schwang sein Schwert kräftig in der Luft und schlug ihr das Haupt ab.
Jetzt packte er alle Schätze zusammen und ließ sie von den Brüdern hinaufziehen ans Tageslicht, hernach auch die drei Schwestern, – nur er allein war noch unten. Da beschlich ihn ein Mißtrauen gegen seine Brüder; er band einen Stein an das Seil und ließ ihn hochziehen. Die beiden Brüder oben zogen kräftig, als aber der Stein in der Mitte war, ließen sie los, – und der Stein sauste hinab und zerschmetterte.
»So wären meine Knochen zerschmettert, hätte ich meinen Brüdern getraut«, sagte der Jüngling und fing an bitterlich zu weinen, – aber nicht wegen der Schätze, sondern wegen seiner Braut mit dem Schwanenhals und dem goldgelockten Haar.
Betrübt irrte er in dem schönen unterirdischen Lande umher. Da traf ihn ein Zauberer und fragte nach der Ursache seiner Tränen. Als er alles erfahren hatte, sagte er zu dem Jüngling: »Sei ruhig, junger Mann; ich will Dich auf die Erde hinaufbringen. Aber Du mußt vorher meine Kinder retten, die auf dem Apfelbaume verborgen sind und die ein anderer Zauberer verfolgt und auffrißt. Vergebens hab ich sie in der Erde verborgen, vergebens im fest gemauerten Schlosse. Jetzt hab ich sie auf dem Apfelbaume versteckt. Verbirg Dich dort, um Mitternacht kommt der Bösewicht an.«
Der Jüngling bewaffnete sich mit dem Schwerte, kletterte auf den Apfelbaum und verschmauste die herrlichen Äpfel als köstliches Abendessen.
Um Mitternacht sauste der Wind. Ein großer, langer Wurm kam herangeschossen, – gerade auf den Baum zu. Er wickelte sich um den Stamm und kroch immer höher. Er streckte seinen Hals aus und suchte mit gierigen Augen nach dem Neste der kleinen Kinder. Da schwang der Jüngling sein Schwert und hieb den mächtigen Kopf des Drachen mit einem Streich herunter.
Da war der Vater der kleinen Kinder froh über den Tod seines Feindes, und zum Dank nahm er den Jüngling huckepack auf den Rücken und trug ihn hinauf auf die Erde. Der Jüngling eilte zu dem weißen Hofe seiner Brüder, aber niemand wußte, wer er war. Nur seine Braut, die bei ihren Schwestern als Küchenmädchen dienen mußte, erkannte sogleich den Geliebten.
Seine Brüder hatten ihn schon für tot ausgegeben. Sie gaben ihm alle seine Schätze zurück und flohen erschreckt in die Wälder. Er aber ließ sie zurückrufen, teilte alles mit ihnen, baute ein großes Schloß mit goldenen Fenstern und lebte dort mit seiner goldgelockten Gattin glücklich bis an den Tod.
Auch der jüngste stellte sich nun auf die Lauer. Um nicht einzuschlafen, steckte er sich Dornen unter das Kinn: die sollten ihn stechen und munter machen, wenn er etwa in Gefahr kam, einzunicken.
Der Mond schien; es war beinah so hell wie am Tage. Da hörte der junge Mann ein Sausen in der Luft. Die Hexe sah ihn und schickte die Schlummersucht auf ihn hinab. Seine Augen machten sich zu, sein Kopf neigte sich, – aber da stachen ihn die Dornen bis aufs Blut, und er wurde munter. Er griff nach der Flinte, zielte auf den Falken und schoß. Der Falke fiel neben einem großen Steine nieder, sein rechter Flügel war zerschmettert. Der Bursche lief hin und sah, daß ein ungeheurer Abgrund sich unter dem Steine öffnete. Er sagte dies seinen Brüdern und schleppte mit ihrer Hilfe ein langes Seil und eine Menge Kienspäne herbei. Das Seil mit dem angebrannten Kien ließen sie bis auf den Boden des Abgrundes hinunter. Dann ließ sich der Jüngling selbst am Seile hinab. Unten blühten schöne Blumen und immergrüne Bäume.
Mitten in dieser wundervollen Umgebung stand ein großes, fest gemauertes Schloß. Das eiserne Tor war weit geöffnet, und in einem goldenen Zimmer saß eine Jungfrau, die kämmte ihr goldenes Haar. Sowie ein Haar zu Boden fiel, klang es wie reines Metall. Er sah sich die Jungfrau näher an: sie war glatt und weiß, hatte blitzende Augen und lockiges Haar. Von Liebe entbrannt, kniete er vor ihr nieder und bat sie, seine Frau zu werden. Sie willigte freundlich ein, aber sie sagte noch: »Ich darf erst dann auf die Erde kommen, wenn die alte Hexe nicht mehr lebt; sie ist aber nur mit einem alten Schwerte umzubringen, das hier im zweiten Zimmer hängt. Dieses Schwert ist so groß und schwer, daß Du es gewiß nicht heben kannst.«
Der Jüngling ging nun in das zweite Zimmer. Hier war alles von Silber, und wieder saß da eine Jungfrau, die Schwester seiner Braut. Sie kämmte ihr silbernes Haar, und wenn eins auf die Erde fiel, klang es wie eine Saite. Die Jungfrau reichte ihm das Schwert, aber er konnte es nicht heben. Da kam die dritte Schwester hinzu und gab ihm Tropfen, die den Menschen stärker machen. Er trank einen Tropfen, aber noch hob er das Schwert nicht. Er trank noch einen, und schon rührte es sich etwas, als er es anfaßte. Nach dem dritten Tropfen konnte er das Schwert heben und hin und her schwenken.
Nun wartete er auf die alte Hexe. Sie kam als Falke und nahm dann menschliche Gestalt an. Der junge Bursche schwang sein Schwert kräftig in der Luft und schlug ihr das Haupt ab.
Jetzt packte er alle Schätze zusammen und ließ sie von den Brüdern hinaufziehen ans Tageslicht, hernach auch die drei Schwestern, – nur er allein war noch unten. Da beschlich ihn ein Mißtrauen gegen seine Brüder; er band einen Stein an das Seil und ließ ihn hochziehen. Die beiden Brüder oben zogen kräftig, als aber der Stein in der Mitte war, ließen sie los, – und der Stein sauste hinab und zerschmetterte.
»So wären meine Knochen zerschmettert, hätte ich meinen Brüdern getraut«, sagte der Jüngling und fing an bitterlich zu weinen, – aber nicht wegen der Schätze, sondern wegen seiner Braut mit dem Schwanenhals und dem goldgelockten Haar.
Betrübt irrte er in dem schönen unterirdischen Lande umher. Da traf ihn ein Zauberer und fragte nach der Ursache seiner Tränen. Als er alles erfahren hatte, sagte er zu dem Jüngling: »Sei ruhig, junger Mann; ich will Dich auf die Erde hinaufbringen. Aber Du mußt vorher meine Kinder retten, die auf dem Apfelbaume verborgen sind und die ein anderer Zauberer verfolgt und auffrißt. Vergebens hab ich sie in der Erde verborgen, vergebens im fest gemauerten Schlosse. Jetzt hab ich sie auf dem Apfelbaume versteckt. Verbirg Dich dort, um Mitternacht kommt der Bösewicht an.«
Der Jüngling bewaffnete sich mit dem Schwerte, kletterte auf den Apfelbaum und verschmauste die herrlichen Äpfel als köstliches Abendessen.
Um Mitternacht sauste der Wind. Ein großer, langer Wurm kam herangeschossen, – gerade auf den Baum zu. Er wickelte sich um den Stamm und kroch immer höher. Er streckte seinen Hals aus und suchte mit gierigen Augen nach dem Neste der kleinen Kinder. Da schwang der Jüngling sein Schwert und hieb den mächtigen Kopf des Drachen mit einem Streich herunter.
Da war der Vater der kleinen Kinder froh über den Tod seines Feindes, und zum Dank nahm er den Jüngling huckepack auf den Rücken und trug ihn hinauf auf die Erde. Der Jüngling eilte zu dem weißen Hofe seiner Brüder, aber niemand wußte, wer er war. Nur seine Braut, die bei ihren Schwestern als Küchenmädchen dienen mußte, erkannte sogleich den Geliebten.
Seine Brüder hatten ihn schon für tot ausgegeben. Sie gaben ihm alle seine Schätze zurück und flohen erschreckt in die Wälder. Er aber ließ sie zurückrufen, teilte alles mit ihnen, baute ein großes Schloß mit goldenen Fenstern und lebte dort mit seiner goldgelockten Gattin glücklich bis an den Tod.
[Polen: K.W. Woycicki: Volkssagen und Märchen aus Polen]