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Der feurige Ochse

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Wo war’s, wo war’s nicht, es war auf der Welt ein alter Mann, der hatte drei Söhne. Der älteste Sohn war Schmied, der mittelste Schneider und der jüngste Held. Da ihr Vater schon ein sehr alter und kranker Mann war, sagten ihm seine Söhne, er sollte das Vermögen jetzt ordnen, Testament machen, wenn er was hinterlasse. Doch ihr Vater sprach zu ihnen: »Jeder von euch hat ein gutes Handwerk, davon könnt ihr leben!«
Doch die Söhne liessen es nicht dabei bewenden, sie gingen wiederum zu ihm hinein, ihn zum Aufsetzen des Testaments zu bewegen; da sprach der Alte zu ihnen:
»Na gut! Wenn ihr so darauf besteht, wenn ihr so auf dem Erbteil besteht, so sage ich euch eins: wenn ihr den Wunsch erfüllt, den ich jetzt in mein Testament schreiben werde, dann soll alles euer sein!«
Die Söhne wussten nicht, was dieser Wunsch war, denn ihr Vater hatte es ihnen nicht gesagt; doch sie kamen überein, dass sie tun würden, was er auch wünsche. Geschwind riefen sie Zeugen, ihr Vater schrieb seinen letzten Willen.
Bald darauf starb er auch. Sie erbrachen den Brief, und siehe, darinnen stand, sie sollten ihm einen Eisensarg machen lassen, Eisenschrauben dazu, Eisenachse, Eisenräder, Eisendeichsel; dann sollten sie vier Stück vierjährige Fohlen einspannen, sie mit der Peitsche tüchtig schlagen, und sie dann sich selbst überlassen; wohin sie seinen Leib tragen werden, mögen sie ihn nur tragen! Sie sollten zu Pferde steigen und sie im Auge behalten. Wo die vier Fohlen stehen bleiben, dort sollten sie ihn begraben, und jeden Abend sollte einer von ihnen dort wachen!
Sie erfüllten alle seine Wünsche. Sie machten alles so, wie der Brief gesagt hatte. Sie spannten die vier Fohlen ein, schlugen tüchtig auf sie ein. Sie stiegen zu Pferde und ritten den Fohlen nach.
Die vier Fohlen liefen, was sie nur konnten. Vor ihnen war ein grosser Wald, da liefen sie hinein; doch wie das Holz dicht wurde, blieben die Räder stecken; die Pferde konnten sie nicht weiter ziehen. Jetzt nahmen die drei Brüder ihres Vaters Gebeine vom Wagen, und dort, wo die vier Fohlen stecken geblieben waren, gruben sie ein Grab und bestatteten dort den Sarg.
Als der Abend anbrach, blieb der Älteste draussen zur Wacht. Wie er um das Grab herumlungert, herumirrt, so vor Mitternacht, kommt ein Feuerochse daher. Der Bursche überlegte nicht erst, wozu kommt der her? er begann mit ihm zu ringen. Doch wahrlich, der Ochse war stark! Der Bursche konnte ihn kaum bezwingen! Als er ihn getötet hatte, schnitt er ein Stück von seinem Schenkel ab, das briet er, als seine Brüder in der Frühe hinkamen, und den Ochsen vergrub er. Fragten seine Brüder:
»Woher hast du dieses Fleisch? Das ist aber mal gut!« Der Bursche erzählte, er hätte einen Hasen im Walde gefangen und den gebraten.
Anderntags blieb der mittelste Bursche dort zur Wacht. Vor Mitternacht kam auch diesmal der feurige Ochse. Er begann, des Vaters Grab aufzuscharren; sicherlich wollte er den Sarg herausholen; er hatte schon eine ordentliche Grube gegraben. Der Bursche wollte fortlaufen; doch er fasste wieder Mut, begann mit dem feurigen Ochsen zu kämpfen. Lang dauerte es, bis er ihn niederstrecken konnte. Von dem Schenkel schnitt er ein Stück ab, das andere vergrub er. Dann zündete er ein Feuer an, briet das Fleisch, traktierte damit seine Brüder; doch auch er sagte nur, er hätte einen Hasen gefangen, und das Fleisch wäre davon.
Am dritten Abend bewachte der jüngste Bruder, der Held, das Grab. Vor Mitternacht kam auch zu ihm der feurige Ochse und ging schnurstracks auf das Grab zu. Schon hatte er den Sarg herausgewühlt, als der Bursche den Kampf mit ihm aufnahm. Sehr lange musste er ringen, bis er den feurigen Ochsen bezwingen konnte. Auch er schnitt ein Stück von dem Schenkel ab, das übrige vergrub er.
Wie er das Schenkelstück braten will, da merkt er, dass kein Feuer da ist. Woher sollte er jetzt wohl Feuer nehmen? Er erklomm einen hohen Baum, schaute von dort umher: ist nirgend in der Nähe ein bischen Feuer? Und siehe da! nicht weit davon war welches. Dahin richtete er seine Schritte.
Wie er wandert, trifft er im Wald die Mitternacht. Er entschloss sich, band sie an einen grossen Baum; denn er fürchtete, dass es schneller Mitternacht werden als er sich Feuer verschaffen würde. Dann zog er weiter. Abermals traf er die Morgendämmerung, fackelte nicht erst lange mit ihr, band die auch.
Wie er geht, sieht er, dass zwölf Räuber um das Feuer sitzen. Er wagte nicht, heranzutreten und versteckte sich in einem Busch. Er war ein sehr guter Schütze, er war ja nicht umsonst ein Held. Er nahm einen Pfeil, schoss dem einen Räuber den Becher aus der Hand und dem andern den Speck vom Spiess, doch traf der Pfeil nicht einen der Räuber. Die Räuber guckten nur, doch sie wussten nicht, woher der Schuss gekommen war.
Jetzt trat der Held näher. Als ihn die Räuber erblickten, sagten sie gleich zu ihm:
»Du bist’s, der geschossen hat, Held? Du bist ein guter Schütze; du solltest unser Kamerad werden!«
Antwortete drauf der Bursche: »Ach, meine Freunde! Nicht darum bin ich gekommen, sondern darum, dass ihr mir Feuer gebt, denn ich muss meinen Brüdern Frühstück machen.«
»Wir werden dir Feuer geben, aber erst hilf uns!« sagten die Räuber. »Nicht weit von hier lebt ein Graf, den wollen wir berauben. Wir wollten es schon öfter; aber dort auf der Mauer sitzt ein kleiner, schwarzer Hund; seinetwegen ging es nicht, der muss niedergeschossen werden. Du bist ein geschickter Schütze; du wirst ihn schon niederschiessen!«
Der Held willigte ein. Sie gingen vor des Grafen Palast; der Held schoss den schwarzen Hund so herunter, dass er nicht einmal kläffte. Oben an der Tür war eine bunte Glasscheibe und in der ein Loch. Sagte der Räuberhauptmann:
»Steig nur hinein, Held! Schau dich um, und wenn du alles angesehen hast, komm zurück, und dann gehen wir hinein!«
Der Held ging hinein. Im ersten Zimmer schlief der Graf. Auf dem Tisch war Wein und eine goldene Uhr. Vom Wein trank er einen Becher, die Uhr steckte er in seine Tasche. Im andern Zimmer schlief die Gräfin. Dort ass er Backwerk und nahm das Brauttuch der Frau fort. Im dritten schlief des Grafen Tochter. Ach, war das ein schönes Mädchen! Der Held gewann sie sehr lieb, und er küsste sie geschwind und zog ihr einen Ring vom Finger. Dann ging er zu der Öffnung zurück und winkte den Räubern.
Diese krochen einer nach dem andern hinein; doch wenn ihr Kopf drinnen war, dann schnitt ihn der Held einem jeden ab, so dass kein einziger von den Räubern am Leben blieb. Ihre Leichen legte er in einem Haufen zusammen, dann ging er von dannen.
Im Walde nahm er sich von dem Feuer, befreite Morgendämmerung und Mitternacht, dann briet er das Ochsenfleisch.
Anderntags staunte der Graf sehr: wer mag jener kühne Mann gewesen sein, der die Räuber alle getötet hat?! Er liess bekannt geben, dass er dem seine Tochter zur Gemahlin gäbe, der sie getötet hätte! Doch wie sich niemand meldete, da nahm der Hofmeister die Gelegenheit wahr und sagte, er wäre derjenige, der die Räuber getötet hätte. Dieser Mensch war hässlich, pockennarbig; doch weil er ein so kühner Mann war, sprach der Graf:
»Nun wohl, so gebe ich dir meine Tochter!«
Die Grafentochter indessen weinte und härmte sich; sie wagte nicht, ihrem Vater »nein« zu sagen. Sie hatte es gespürt, dass jemand sie im Schlaf geküsst hatte; aber wie niemand ihretwegen gekommen war, konnte sie nichts sagen. Ihr Vater verschob die Hochzeit auf ein Jahr. Doch als das Jahr um war, wurde der Hofmeister mit dem Mädchen getraut und die Hochzeit gehalten.
Das vernahm jedoch der Held; da ging er auch zur Hochzeit. Die Wächter liessen ihn ein, denn er war ein Held. Es war gerade während des Abendessens, als jeder eine Geschichte erzählen musste. Als die Reihe an ihn kam, sprach er:
»Traun, die Räuber hat nicht der Hofmeister getötet sondern ich!« Mit den Worten zog er aus seiner Tasche die goldene Uhr, das Brauttuch und des Mädchens Ring hervor. Alle erkannten das ihre wieder. Das schöne Grafenfräulein fiel dem Helden voller Freude um den Hals.
Der Graf liess den Hofmeister töten und nahm ihm die Krone vom Haupt und setzte sie dem Helden auf. Seine Tochter gab er ihm zur Gemahlin; sie hielten eine grosse Hochzeit und wurden so glücklich, dass sie auch jetzt noch leben, wenn sie nicht gestorben sind.

[Ungarn: Elisabet Róna-Sklarek: Ungarische Volksmärchen]

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