0
(0)
Wo war’s, wo war’s nicht, es war auf der Welt ein armes Menschenpaar. Sie hatten zu leben, sie hatten alles, nur keine Kinder.
Die Frau klagte auf Weg und Steg jedem, den sie nur traf, ihr Leid, wie schrecklich unglücklich sie sei, dass ihr Gott keine Kinder gibt. Wie sie so klagte, gab ihr eine alte Frau den Rat, wenn sie den Kehricht aus dem Hause trüge, sollte sie nachschauen, wie viele Bohnen sie darin fände, sollte sie verschlucken, dann würde sie ebenso viele Kinder bekommen.
Die Frau befolgte das auch.
Anderntags in der Frühe trug sie den Kehricht hinaus; im letzten Korb fand sie drei Bohnen. Sie schluckte sie auch auf der Stelle hinunter.
Die alte Frau bekam Recht, denn die Frau wurde guter Hoffnung und bekam zu ihrer Zeit drei Kinder.
Der eine wurde abends geboren, den nannten sie Abend, der zweite zur Mitternacht, dem gaben sie den Namen Mitternacht, der dritte in der Morgendämmerung, und der bekam den Namen Morgendämmerung.
Wie sich die Familie nun vergrössert hatte, da wurde alles gleich anders. Gerad, dass sie knapp von ihrem Verdienst leben konnten. Ihr Vater wartete jetzt auf nichts anderes, als dass sie nur schon erwachsen wären und verdienen könnten.
Doch er brauchte nicht lange drauf zu warten. Die Knaben wuchsen heran; auf einmal waren sie auch erwachsen. Ihr Vater fand auch, dass sie recht stark waren. Er sprach zu ihnen:
»Nun, meine Kinder, jetzt seid ihr gross, ihr könnt euch selbst euer Brot verdienen, sucht euch einen Dienst!«
Die Burschen rüsteten sich, ihre Mutter bereitete ihnen was, das steckten sie in den Ranzen, und damit machten sie sich auf den Weg.
Sie gingen, wanderten durch siebenmal sieben Königreiche; wenn sie müde wurden, sprachen sie sich Mut zu, pfiffen, sangen. Sie hatten keine Sorgen.
Einstmals langten sie an einem Königshof an. Sie erzählten, wer sie seien, wohin des Wegs und warum sie gekommen seien, und dass sie einen Dienst suchten.
Der König hielt sie fest. Er hatte einen Brunnen, den niemand reinigen konnte. Er sagte ihnen:
»Na, wenn ihr meinen Brunnen reinigt, gebe ich euch meine drei Töchter.«
Sie übernahmen es. Am dritten Tag war der Brunnen auch rein, rann so schönes, klares Wasser darinnen, dass sie garnicht genug daraus trinken konnten.
Doch die Burschen heischten nun auch den Lohn, die drei Töchter. Da sprach der König:
»Wohlan, ich halte mein Wort! Doch drei Drachen bewachen die drei Mädchen, erst müsst ihr sie von diesen befreien.«
Das gab den drei Brüdern einen argen Stoss. Doch sie meinten jetzt, wie es auch kommen möge, sie müssten jetzt jene Mädchen befreien, bei wem sie auch seien.
Sie machten sich auf. Nach langem Wandern gelangten sie in einen Wald.
»Nun, also hier wollen wir übernachten!«
Doch da sie schon hungrig waren, trugen sie Abend das Kochen auf; sie gingen fort, die Öffnung zu suchen, wo man unter die Erde hinabsteigen könnte.
Als jene noch fort waren und Abend kochte, rief ein kleiner Mann von einem Baum herunter:
»Ich werde davon essen!«
Abend hingegen: »Iss nur, ich werd’s dir schon sagen, wovon!«
»Ich, he?«
»Ja du!«
»Na, das werden wir schon sehen!« sagte der kleine Mann.
Damit kam er vom Baum herunter, stiess Abend um, nahm den kleinen Kessel vom Feuer herunter, und stürzte ihn gerade auf Abends Bauch aus. Von da ass er das ganze Abendbrot auf.
Abend schmerzte der Bauch. Wie sollte er auch nicht! Das kochende Essen hatte ihn ganz verbrannt! Doch seinen Brüdern sagte er nichts.
Anderntags ging er mit Morgendämmerung, die Öffnung zu suchen; Mitternacht blieb daheim zum Kochen. Doch ihm ging es auch wie seinem Bruder Abend; der kleine Mann ass von seinem Bauch das Abendbrot.
Bei der Heimkehr zürnte Morgendämmerung schon gewaltig, dass es weder gestern noch heute was zu essen gab, er fiele schon fast um, so hungrig wäre er, warum kein Essen da wäre! Doch Mitternacht sagte nichts, er ächzte nur wie das Schaf in der Hölle. Ihn quälte nicht der Hunger, nur, dass ihn der kleine Mann verbrüht hatte.
Morgendämmerung war schon neugierig, was ihnen eigentlich zugestossen, warum sie nicht gekocht hatten. Am dritten Tage kam die Reihe an ihn, er blieb zu Hause.
Gegen Abend kocht er das Nachtmahl aufs beste, rührt tüchtig im Kessel, spricht zu ihm vom Baum herunter der kleine Mann:
»Ich werde davon essen!«
»Du wirst ’nen Quark essen!« sagt ihm Morgendämmerung.
»He, ich?«
»Ja gewiss, du!«
»Na, das werden wir schon sehen!«
Damit stieg der kleine Mann vom Baum, wollte gleich auf Morgendämmerung losgehen. Doch Morgendämmerung war auch nicht aus Schilf, dass man ihn hätte biegen können, wohin man wollte. Er packte den kleinen Mann und klemmte ihn an seinem Bart in einen Baum ein. Dann ging er zurück zum Kessel, rührte das Essen, dass es nicht anbrenne.
Nicht lange drauf kamen Abend und Mitternacht. Sie machten grosse Augen, als sie sahen, dass Morgendämmerung nichts geschehen war, dass das Essen kochte. Morgendämmerung sagte ihnen auch nichts, bis sie gegessen hatten. Dann sagte er ihnen:
»Kommt nur, ich zeige euch was!«
Jene wussten garnicht, was er zeigen wollte, als sie den langbärtigen, kleinen Mann erblickten, der mit dem Bart in einen Baum geklemmt war.
Der kleine Mann verlegte sich aufs bitten:
»Lasst mich jetzt frei, wenn ihr Gott fürchtet! Quält mich nicht länger!«
Morgendämmerung sagte ihm, er würde ihn freilassen, wenn er ihm das Loch zeigte, durch das man unter die Erde hinabsteigen könnte. Der kleine Mann versprach es.
Da schob Morgendämmerung nur mit seinen zwei Händen den Baumspalt auseinander, dass des kleinen Mannes Bart frei wurde.
Dann gingen sie alle zusammen, der kleine Mann führte sie zu dem Loch. Als sie dort angelangt waren, verschwand der kleine Mann.
Jetzt beratschlagten sie nun, wie sie jetzt hinuntersteigen sollten. Morgendämmerung nahm es auf sich, hinunter zu steigen. Sie drehten eine lange Wiede, an der liessen sie Morgendämmerung hinab. Doch ehe er hinunterstieg, sagte er ihnen noch, sie sollten sieben Jahre auf ihn warten; wenn er nach sieben Jahren noch nicht zurückgekommen sei, sollten sie ihn dort lassen. Wenn er rufe, dann sollten sie den Wiedenstrick herunterlassen, er würde die drei Mädchen zuerst hinaufschicken, dann zuallerletzt würde er kommen.
Die Brüder sagten: »gut, abgemacht!«
Morgendämmerung stieg hinunter unter die Erde.
Irgendwie langte er unten an, fand einen herrlichen, schönen Palast. Er ging hinein, sah dort die älteste Königstochter. Spricht das Mädchen zu ihm:
»Was suchst du hier, wohin selbst der Vogel nicht kommt? Fürchtest du nicht, dass man dich töten wird? Mein Herr ist der neunköpfige Drache!«
Sprach Morgendämmerung:
»Wovor sollte ich mich denn fürchten? Ich bin gekommen, dich zu befreien!«
»Mich? Nun, ich werde jetzt schon etwas ausfinden, dass dir nichts geschieht! Schau hier diesen Ring! Wenn du den an deinem Finger drehst, dann wirst du siebenmal stärker.«
Morgendämmerung steckte den Ring an; dann setzte er sich. Etwas dröhnte von weitem. Fragte Morgendämmerung:
»Was ist das? Donnert es vielleicht?«
»I wo! Mein Herr kommt heim, der neunköpfige Drache; sein Schreiten macht das.«
Als das Mädchen das vollendet hatte, plumpste draussen laut etwas nieder. Der Drache hatte seine Keule von hundert Meilen her nach Hause geschleudert. Sie brauchten nicht lange zu warten, da war der Drache selbst auch zu Hause. Er schnüffelte, wie wenn er etwas witterte.
»Wer ist hier, Frau? Ich wittere fremden Gestank.«
»Wer sollte das sein! Nun, dein Schwager!«
»Mein Schwager? … na gut! Bring geschwind ein Steinbrot, ein Holzmesser, dann koche Bleiklösschen!«
Die Königstochter schnitt flugs Brennholz und machte Feuer. Inzwischen assen jene, was vor ihnen stand: Steinbrot. Als die Klösschen fertig waren, machten sie sich ordentlich drüber her, hatten sie eins-zwei hinuntergeschlungen. Morgendämmerung hatte sich kaum den Mund abgewischt, da rief ihn der Drache zum ringen.
Morgendämmerung hatte nichts dawider; er ging. Sie schlugen einander nieder, mal bis zur Achselhöhle, mal bis zum Knie, bis dann Morgendämmerung ergrimmte; den Ring brauchte er garnicht zu drehen; er schlug den Drachen so nieder, dass er ihn bis zum Halse in die Erde zwängte. Dann zog er sein Schwert, hieb ihm alle neun Köpfe ab.
Die Königstochter kam sehr erhitzt zu ihm, gab ihm eine Gerte; wenn er mit der den Tisch schlüge, würde sich der ganze Palast in einen silbernen Apfel verwandeln.
So geschah es auch.
Morgendämmerung schlug den Tisch mit der Gerte, der Palast verwandelte sich in einen silbernen Apfel. Er nahm ihn auch gleich und steckte ihn in die Tasche.
Dann ging er weiter, in den zweiten Palast. Dort erblickte er die mittelste Königstochter.
»Gott zum Gruss, guten Tag!«
»Grüss Gott! Heda, was suchst du hier, wohin selbst der Vogel nicht kommt? Fürchtest du nicht zu sterben? Mein Herr ist der zwölfköpfige Drache!«
»Was gibt’s denn da zu fürchten?« sagte Morgendämmerung. »Ich bin ja gerade hergekommen, dich von ihm zu befreien.«
»Na, dann ist’s schon recht! Schau hier diesen Ring! Wenn du den an deinem Finger drehst, wirst du siebenmal stärker!«
Morgendämmerung steckte auch den an seinen Finger.
Nicht lange drauf erschallte des Drachen Schritt, die Erde dröhnte nur so davon. Als er auf hundert Meilen nahe war, schleuderte der auch seine Keule heim. Doch Morgendämmerung fürchtete sich nicht; er wusste jetzt schon, was der Ring hielt.
Plötzlich war der Drache zu Hause.
»Hör, Frau, wer ist hier? denn ich wittere Fremdengestank!«
»Wer hier ist? Nun, wer anders als dein Schwager!«
»Der Schwager! na gut! Bring flink ein Steinbrot, ein Holzmesser, koche Bleiklösschen!«
Sie assen, verzehrten auch die Klösschen. Dann rangen sie. Doch dem Morgendämmerung war es so gut wie nichts, den zwölfköpfigen Drachen zu bezwingen. Er sprang so mit ihm um, wie die Mutter es mit den Küken zu tun pflegte. Er schlug ihm alle zwölf Köpfe ab.
Nun lief die Königstochter auf ihn zu, gab ihm eine Gerte, wenn er mit der den Tisch schlüge, würde sich der ganze Palast in einen goldenen Apfel verwandeln.
Morgendämmerung schlug damit den Tisch, im selben Augenblick wurde aus dem Palast ein goldener Apfel. Er steckte ihn gleich in den Ranzen.
Doch jetzt kam nun das Schwerste. Morgendämmerung ging auch in den dritten Palast; dort fand er die jüngste Königstochter. Die sagte ihm auch, der achtzehnköpfige Drache, der ihr Herr sei, werde ihm den Garaus machen. Doch Morgendämmerung sagte ihr, er wollte sie ja gerade von dem erretten. Da gab ihm auch diese Königstochter einen Ring, der hatte die Kraft, dass, wer immer ihn am Finger drehte, der wurde siebenmal stärker.
Unterdessen kam schon der Drache; seine Keule war vorher niedergefallen. Sie hatte so viel Erde aufgerissen wie ein Hausgrund. Als er zu Hause anlangte, mochte er über etwas wütend sein, denn er schrie die Frau sehr garstig an:
»He, Frau! Wer ist im Hause? Ich wittere Fremdengestank!«
»Nun, dein Schwager!«
»Was für ein Schwager von mir!? – Na, bring ein Steinbrot, ein Holzmesser, koche Bleiklösschen!«
Brachte auch das Mädchen solch ein Steinbrot wie ein runder Heuschober, und solch ein Holzmesser wie ein grosses Brett. Bald kam auch der dampfende Kloss. Sie sackten so gut ein, dass ihr Bauch ganz viereckig wurde.
Als sie damit fertig waren, rief der Drache Morgendämmerung zum Ringkampf, auf dass sie nach dem Essen auch ein bischen verdauten.
Sie rangen mit einander, doch anfangs kam keiner dem andern zuvor. Bald war Morgendämmerung bis zu den Knieen im Boden, bald der Drache, bald Morgendämmerung bis zum Halse, bald der Drache.
Bald sah Morgendämmerung, dass sie so nur spielten; er nahm einen Anlauf und schlug wirklich dem Drachen den Kopf ab. Schon hatte er siebenzehn abgeschlagen, just einer blieb nur noch. Doch den konnte er nicht mehr abschlagen.
Der Drache brüllte laut, forderte von seiner Gemahlin einen Becher Wasser. Die Frau brachte ihn auch; doch sie reichte ihn so, dass Morgendämmerung ihn erwischte, und er trank ihn auch aus. Nun drehte Morgendämmerung den Ring an seinem Finger; plötzlich wurde er so stark, dass er dem Drachen auch noch diesen einen Kopf abschlug.
Mit der Gerte, die ihm die Prinzessin gab, schlug er den Tisch, verwandelte sich der ganze Palast in einen Demantapfel. Den steckte er auch zu den übrigen.
Na, und jetzt die Mädchen! Die muss er aufsuchen!
Er brauchte nicht lange herumzulaufen; sie erwarteten ihn schon alle auf einem Haufen. Er ging mit ihnen geradewegs zur Öffnung.
Dort rief er hinauf; seine Brüder waren noch dort, liessen auch gleich den Strick herunter. Zuerst zogen sie die älteste herauf, dann die mittelste; doch als sie diese hinaufgezogen hatten, gerieten sie aneinander; beide wollten die schönere für sich haben. Aber nun erst, als sie die jüngste heraufgezogen hatten, da war erst ein Streiten!
Kam der Strick auch zum viertenmale herunter, doch nun dachte Morgendämmerung: »na, jetzt werde ich meine Brüder erproben!«, band sich nicht den Strick um den Leib, sondern hängte einen grossen Stein daran. Abend und Mitternacht zogen ihn auch ein gutes Stück, doch als sie ihn schon halb hinaufgezogen hatten, liessen sie ihn zurückfallen.
Der Stein plumpste drunten tüchtig auf, hätte Morgendämmerung schier totgeschlagen.
Morgendämmerung schüttelte den Kopf, sagte aber nichts, dachte nur bei sich, dass die Menschen – Schufte sind. Gut, dass er nicht hinaufgestiegen war, denn sie hätten ihn umgebracht.
Was sollte er jetzt aber tun? Wohin sich wenden? Er ging, wanderte, fand ein kleines Haus. Darin wohnten ein blinder Mann und seine Frau, die auch blind war. Ein vierundzwanzigköpfiger Drache hatte ihnen die Augen genommen, weil sie die Schafe über die Grenze getrieben hatten.
Morgendämmerung ging ins Haus hinein. Die beiden Blinden assen just. Er war auch hungrig, er nahm vor jenen alles Fleisch weg und ass es. Der blinde Mann fragt seine Frau:
»Hast du denn all dies Fleisch gegessen? Denn ich finde ja auf dem Teller garnichts.«
Die Frau sagte, sie habe es wahrhaftig nicht gegessen.
Da sagt der Mann:
»Bist du ein guter oder böser Geist? Sprich, künde dich, der du hier bist!«
»Ein guter Geist!« sagte Morgendämmerung. Und er erzählte sein Schicksal von Anfang bis zu Ende, wer er sei, wie er hierhergekommen und so weiter. Drauf erzählten jene ihm auch ihren Kummer. Und sie wurden gute Freunde.
Was sollte Morgendämmerung auch tun? Faulenzen mochte er nicht, er trat bei ihnen als Schäfer ein. Doch sie schärften ihm ein, nicht über die Grenze zu treiben, denn der vierundzwanzigköpfige Drache würde ihn töten.
Morgendämmerung versprach das auch, doch als es so weit war, da trieb er wirklich die Herde hinüber. Er stiess auch mit dem Drachen zusammen. Doch was war ihm das? Er schnitzelte ihm dreiundzwanzig Köpfe herunter, wie wenn sie aus Butter gewesen wären. Just wollte er den vierundzwanzigsten abschneiden, als der Drache zu bitten anhub.
»Ach, schlage mir nicht diesen Kopf ab! Lass mich! Ich gebe dir die Augen der Blinden zurück.«
»Wo sind sie denn?«
»Im Wipfel eines Baumes, in einem Scherben.«
»So bring sie herunter, Hund!« schrie Morgendämmerung.
Ging der Drache, brachte auch ganz ausser sich die Augen.
Als Morgendämmerung die in die Tasche gesteckt hatte, schlug er mit kühnem Schwung dem Drachen auch noch das eine Haupt ab, das er noch hatte. Dann liess er die Herde umkehren, ging heimwärts zu den Alten.
»Gott zum Gruss, guten Tag!«
»Grüss Gott! Was gibt’s Neues?«
»Ich habe eure Augen heimgebracht und den Drachen getötet.«
Da freuten sich die beiden Alten. Morgendämmerung setzte jedem von ihnen gleich dessen eigene Augen ein; doch als er der Frau ihre einsetzen wollte, sprang die Katze mit einem von dannen; er musste ihr nachlaufen, doch sie hatte es schon aufgefressen.
Morgendämmerung half sich so aus, dass er der Katze das eine Auge ausstach; das setzte er der Frau ein. Doch die Arme! sie wurde katzenartig, jagte die ganze Nacht nur Mäuse. Doch gaben sie ihm gleichwohl zum Dank, zur ewigen Erinnerung ein Demantgewand.
Ja gewiss! doch Morgendämmerung fiel etwas ein. Er wurde sehr traurig. Es fiel ihm ein, dass seine Brüder jetzt Gott weiss was machen würden, vielleicht gar Hochzeit halten; er beschloss, nicht hier zu bleiben. Er sagte auch den Dienst auf und wanderte, zog in die Welt hinaus.
Unterwegs fand er ein Greifennest, in dem waren die Jungen des Vogel Greif. Just eben hub ein grosses Hagelwetter an; die kleinen Vögel dauerten ihn; er breitete seinen Mantel über sie.
Als das Unwetter vorüber war, kam der Vogel Greif heim, sah, dass all seine Jungen am Leben waren. Er fragte sie, wer sie errettet; sie erzählten, ein Mann habe seinen Mantel über sie gebreitet; dort sitzt er unter dem Baum.
Der Vogel Greif flog gleich zu Morgendämmerung.
»Du bist der, der meine Jungen vor dem Hagel geschützt?«
»Ja.«
»Und womit kann ich dir danken? Denn wisse, bisher erschlägt sie jedes Jahr der Hagel; ich konnte sie niemals grossziehen!«
»Nun, ich begehre nichts anderes, nur, dass du mich von hinnen trägst an die freie Luft!«
»Wohlan, wenn nur das dein Begehr ist!«
Da sprach der Vogel Greif zu Morgendämmerung:
»Hier ist ein gebratener Ochse und ein Fass Wein. Packe das auf meinen Rücken! Wenn ich meinen Kopf zurückwende, gib mir ein Stück Fleisch und einen guten Schluck Wein!«
Morgenröte packte ihm den gebratenen Ochsen und auch das Fass Wein auf den Rücken, setzte sich selbst ihm auch auf den Rücken, und dann flogen sie, flogen aufwärts. Fast waren sie schon droben, als das Ochsenfleisch und auch der Wein alle waren. Was sollte er ihm jetzt geben? Denn der Vogel Greif sperrte den Schnabel nach Futter auf. Kurz entschlössen schnitt er sich die eine Wade ab, steckte die ihm in den Schnabel.
Als der Vogel sie verschlungen hatte, waren sie auch schon droben. Da stieg Morgendämmerung von seinem Rücken herunter, dankte ihm für seine Güte und wollte heimgehen.
Doch der Greif hielt ihn an. Er fragte:
»Du, was war das, was du mir zu allerletzt gegeben hast?«
»Nun, mein Bein!«
»Ei, ei! Wenn ich gewusst hätte, dass Menschenfleisch so gut ist, hätte ich dich aufgefressen. Doch jetzt tue ich dir nichts mehr, geh mit Gott!«
Morgendämmerung langte bald drauf zu Hause an. Zu Hause – das heisst beim König – war gerade Hochzeit.
Er kleidete sich als Bettler an, in ein lumpiges Kleid und ging in die Küche. Niemand erkannte ihn, war er doch im Bettlerkleid, und seit wann hatten sie ihn schon nicht gesehen!
Plötzlich, wie sie sich da drinnen unterhalten, hebt er an:
»Meine Herren, ist’s erlaubt, ein Wort zu reden?«
Sie erlaubten es: »Was wird so ein zerlumpter Bettler reden können!«
Und er sprach:
»Was verdient der Bruder, der seinen Bruder ins Verderben bringt?«
Spricht drauf Abend:
»Der verdient, dass man ihn an einen Rossschweif bindet und bis zum Ende der Stadt schleift.«
»Und was verdient der, der die Königstöchter errettete?«
Drauf erwiderte Mitternacht:
»Nun, die eine Königstochter!«
Da bat Morgendämmerung um einen Becher Wein, leerte ihn halb, tat den einen Ring hinein, sandte ihn hin zur ältesten Königstochter. Als sie den Ring erblickte, brach sie in Weinen aus.
Er bat um einen zweiten Becher Wein; auch da hinein tat er den Ring und schickte ihn hin zur mittelsten. Auch sie brach in Weinen aus.
Er forderte auch einen dritten Becher, darin schickte er den Ring zur jüngsten. Die brach nicht in Weinen aus, sondern stand auf und sprach:
»Du hast uns errettet, komm, küsse mich!«
Da machten alle grosse Augen. Jetzt legte Morgendämmerung das Bettlergewand ab; darunter hatte er das Demantkleid, das ihm der blinde Mann gegeben hatte. Sie erkannten ihn und freuten sich sehr.
Doch Abend und Mitternacht hatten Angst, was jetzt mit ihnen werden würde. Doch Morgendämmerung tat ihnen nichts zu leide; er verzieh ihnen.
Anderntags begann seine Hochzeit mit der jüngsten Königstochter; sieben Tage dauerte das Fest, die Glückseligkeit, und wenn sie nicht gestorben sind, dauert es vielleicht noch bis zum heutigen Tage.
Die Frau klagte auf Weg und Steg jedem, den sie nur traf, ihr Leid, wie schrecklich unglücklich sie sei, dass ihr Gott keine Kinder gibt. Wie sie so klagte, gab ihr eine alte Frau den Rat, wenn sie den Kehricht aus dem Hause trüge, sollte sie nachschauen, wie viele Bohnen sie darin fände, sollte sie verschlucken, dann würde sie ebenso viele Kinder bekommen.
Die Frau befolgte das auch.
Anderntags in der Frühe trug sie den Kehricht hinaus; im letzten Korb fand sie drei Bohnen. Sie schluckte sie auch auf der Stelle hinunter.
Die alte Frau bekam Recht, denn die Frau wurde guter Hoffnung und bekam zu ihrer Zeit drei Kinder.
Der eine wurde abends geboren, den nannten sie Abend, der zweite zur Mitternacht, dem gaben sie den Namen Mitternacht, der dritte in der Morgendämmerung, und der bekam den Namen Morgendämmerung.
Wie sich die Familie nun vergrössert hatte, da wurde alles gleich anders. Gerad, dass sie knapp von ihrem Verdienst leben konnten. Ihr Vater wartete jetzt auf nichts anderes, als dass sie nur schon erwachsen wären und verdienen könnten.
Doch er brauchte nicht lange drauf zu warten. Die Knaben wuchsen heran; auf einmal waren sie auch erwachsen. Ihr Vater fand auch, dass sie recht stark waren. Er sprach zu ihnen:
»Nun, meine Kinder, jetzt seid ihr gross, ihr könnt euch selbst euer Brot verdienen, sucht euch einen Dienst!«
Die Burschen rüsteten sich, ihre Mutter bereitete ihnen was, das steckten sie in den Ranzen, und damit machten sie sich auf den Weg.
Sie gingen, wanderten durch siebenmal sieben Königreiche; wenn sie müde wurden, sprachen sie sich Mut zu, pfiffen, sangen. Sie hatten keine Sorgen.
Einstmals langten sie an einem Königshof an. Sie erzählten, wer sie seien, wohin des Wegs und warum sie gekommen seien, und dass sie einen Dienst suchten.
Der König hielt sie fest. Er hatte einen Brunnen, den niemand reinigen konnte. Er sagte ihnen:
»Na, wenn ihr meinen Brunnen reinigt, gebe ich euch meine drei Töchter.«
Sie übernahmen es. Am dritten Tag war der Brunnen auch rein, rann so schönes, klares Wasser darinnen, dass sie garnicht genug daraus trinken konnten.
Doch die Burschen heischten nun auch den Lohn, die drei Töchter. Da sprach der König:
»Wohlan, ich halte mein Wort! Doch drei Drachen bewachen die drei Mädchen, erst müsst ihr sie von diesen befreien.«
Das gab den drei Brüdern einen argen Stoss. Doch sie meinten jetzt, wie es auch kommen möge, sie müssten jetzt jene Mädchen befreien, bei wem sie auch seien.
Sie machten sich auf. Nach langem Wandern gelangten sie in einen Wald.
»Nun, also hier wollen wir übernachten!«
Doch da sie schon hungrig waren, trugen sie Abend das Kochen auf; sie gingen fort, die Öffnung zu suchen, wo man unter die Erde hinabsteigen könnte.
Als jene noch fort waren und Abend kochte, rief ein kleiner Mann von einem Baum herunter:
»Ich werde davon essen!«
Abend hingegen: »Iss nur, ich werd’s dir schon sagen, wovon!«
»Ich, he?«
»Ja du!«
»Na, das werden wir schon sehen!« sagte der kleine Mann.
Damit kam er vom Baum herunter, stiess Abend um, nahm den kleinen Kessel vom Feuer herunter, und stürzte ihn gerade auf Abends Bauch aus. Von da ass er das ganze Abendbrot auf.
Abend schmerzte der Bauch. Wie sollte er auch nicht! Das kochende Essen hatte ihn ganz verbrannt! Doch seinen Brüdern sagte er nichts.
Anderntags ging er mit Morgendämmerung, die Öffnung zu suchen; Mitternacht blieb daheim zum Kochen. Doch ihm ging es auch wie seinem Bruder Abend; der kleine Mann ass von seinem Bauch das Abendbrot.
Bei der Heimkehr zürnte Morgendämmerung schon gewaltig, dass es weder gestern noch heute was zu essen gab, er fiele schon fast um, so hungrig wäre er, warum kein Essen da wäre! Doch Mitternacht sagte nichts, er ächzte nur wie das Schaf in der Hölle. Ihn quälte nicht der Hunger, nur, dass ihn der kleine Mann verbrüht hatte.
Morgendämmerung war schon neugierig, was ihnen eigentlich zugestossen, warum sie nicht gekocht hatten. Am dritten Tage kam die Reihe an ihn, er blieb zu Hause.
Gegen Abend kocht er das Nachtmahl aufs beste, rührt tüchtig im Kessel, spricht zu ihm vom Baum herunter der kleine Mann:
»Ich werde davon essen!«
»Du wirst ’nen Quark essen!« sagt ihm Morgendämmerung.
»He, ich?«
»Ja gewiss, du!«
»Na, das werden wir schon sehen!«
Damit stieg der kleine Mann vom Baum, wollte gleich auf Morgendämmerung losgehen. Doch Morgendämmerung war auch nicht aus Schilf, dass man ihn hätte biegen können, wohin man wollte. Er packte den kleinen Mann und klemmte ihn an seinem Bart in einen Baum ein. Dann ging er zurück zum Kessel, rührte das Essen, dass es nicht anbrenne.
Nicht lange drauf kamen Abend und Mitternacht. Sie machten grosse Augen, als sie sahen, dass Morgendämmerung nichts geschehen war, dass das Essen kochte. Morgendämmerung sagte ihnen auch nichts, bis sie gegessen hatten. Dann sagte er ihnen:
»Kommt nur, ich zeige euch was!«
Jene wussten garnicht, was er zeigen wollte, als sie den langbärtigen, kleinen Mann erblickten, der mit dem Bart in einen Baum geklemmt war.
Der kleine Mann verlegte sich aufs bitten:
»Lasst mich jetzt frei, wenn ihr Gott fürchtet! Quält mich nicht länger!«
Morgendämmerung sagte ihm, er würde ihn freilassen, wenn er ihm das Loch zeigte, durch das man unter die Erde hinabsteigen könnte. Der kleine Mann versprach es.
Da schob Morgendämmerung nur mit seinen zwei Händen den Baumspalt auseinander, dass des kleinen Mannes Bart frei wurde.
Dann gingen sie alle zusammen, der kleine Mann führte sie zu dem Loch. Als sie dort angelangt waren, verschwand der kleine Mann.
Jetzt beratschlagten sie nun, wie sie jetzt hinuntersteigen sollten. Morgendämmerung nahm es auf sich, hinunter zu steigen. Sie drehten eine lange Wiede, an der liessen sie Morgendämmerung hinab. Doch ehe er hinunterstieg, sagte er ihnen noch, sie sollten sieben Jahre auf ihn warten; wenn er nach sieben Jahren noch nicht zurückgekommen sei, sollten sie ihn dort lassen. Wenn er rufe, dann sollten sie den Wiedenstrick herunterlassen, er würde die drei Mädchen zuerst hinaufschicken, dann zuallerletzt würde er kommen.
Die Brüder sagten: »gut, abgemacht!«
Morgendämmerung stieg hinunter unter die Erde.
Irgendwie langte er unten an, fand einen herrlichen, schönen Palast. Er ging hinein, sah dort die älteste Königstochter. Spricht das Mädchen zu ihm:
»Was suchst du hier, wohin selbst der Vogel nicht kommt? Fürchtest du nicht, dass man dich töten wird? Mein Herr ist der neunköpfige Drache!«
Sprach Morgendämmerung:
»Wovor sollte ich mich denn fürchten? Ich bin gekommen, dich zu befreien!«
»Mich? Nun, ich werde jetzt schon etwas ausfinden, dass dir nichts geschieht! Schau hier diesen Ring! Wenn du den an deinem Finger drehst, dann wirst du siebenmal stärker.«
Morgendämmerung steckte den Ring an; dann setzte er sich. Etwas dröhnte von weitem. Fragte Morgendämmerung:
»Was ist das? Donnert es vielleicht?«
»I wo! Mein Herr kommt heim, der neunköpfige Drache; sein Schreiten macht das.«
Als das Mädchen das vollendet hatte, plumpste draussen laut etwas nieder. Der Drache hatte seine Keule von hundert Meilen her nach Hause geschleudert. Sie brauchten nicht lange zu warten, da war der Drache selbst auch zu Hause. Er schnüffelte, wie wenn er etwas witterte.
»Wer ist hier, Frau? Ich wittere fremden Gestank.«
»Wer sollte das sein! Nun, dein Schwager!«
»Mein Schwager? … na gut! Bring geschwind ein Steinbrot, ein Holzmesser, dann koche Bleiklösschen!«
Die Königstochter schnitt flugs Brennholz und machte Feuer. Inzwischen assen jene, was vor ihnen stand: Steinbrot. Als die Klösschen fertig waren, machten sie sich ordentlich drüber her, hatten sie eins-zwei hinuntergeschlungen. Morgendämmerung hatte sich kaum den Mund abgewischt, da rief ihn der Drache zum ringen.
Morgendämmerung hatte nichts dawider; er ging. Sie schlugen einander nieder, mal bis zur Achselhöhle, mal bis zum Knie, bis dann Morgendämmerung ergrimmte; den Ring brauchte er garnicht zu drehen; er schlug den Drachen so nieder, dass er ihn bis zum Halse in die Erde zwängte. Dann zog er sein Schwert, hieb ihm alle neun Köpfe ab.
Die Königstochter kam sehr erhitzt zu ihm, gab ihm eine Gerte; wenn er mit der den Tisch schlüge, würde sich der ganze Palast in einen silbernen Apfel verwandeln.
So geschah es auch.
Morgendämmerung schlug den Tisch mit der Gerte, der Palast verwandelte sich in einen silbernen Apfel. Er nahm ihn auch gleich und steckte ihn in die Tasche.
Dann ging er weiter, in den zweiten Palast. Dort erblickte er die mittelste Königstochter.
»Gott zum Gruss, guten Tag!«
»Grüss Gott! Heda, was suchst du hier, wohin selbst der Vogel nicht kommt? Fürchtest du nicht zu sterben? Mein Herr ist der zwölfköpfige Drache!«
»Was gibt’s denn da zu fürchten?« sagte Morgendämmerung. »Ich bin ja gerade hergekommen, dich von ihm zu befreien.«
»Na, dann ist’s schon recht! Schau hier diesen Ring! Wenn du den an deinem Finger drehst, wirst du siebenmal stärker!«
Morgendämmerung steckte auch den an seinen Finger.
Nicht lange drauf erschallte des Drachen Schritt, die Erde dröhnte nur so davon. Als er auf hundert Meilen nahe war, schleuderte der auch seine Keule heim. Doch Morgendämmerung fürchtete sich nicht; er wusste jetzt schon, was der Ring hielt.
Plötzlich war der Drache zu Hause.
»Hör, Frau, wer ist hier? denn ich wittere Fremdengestank!«
»Wer hier ist? Nun, wer anders als dein Schwager!«
»Der Schwager! na gut! Bring flink ein Steinbrot, ein Holzmesser, koche Bleiklösschen!«
Sie assen, verzehrten auch die Klösschen. Dann rangen sie. Doch dem Morgendämmerung war es so gut wie nichts, den zwölfköpfigen Drachen zu bezwingen. Er sprang so mit ihm um, wie die Mutter es mit den Küken zu tun pflegte. Er schlug ihm alle zwölf Köpfe ab.
Nun lief die Königstochter auf ihn zu, gab ihm eine Gerte, wenn er mit der den Tisch schlüge, würde sich der ganze Palast in einen goldenen Apfel verwandeln.
Morgendämmerung schlug damit den Tisch, im selben Augenblick wurde aus dem Palast ein goldener Apfel. Er steckte ihn gleich in den Ranzen.
Doch jetzt kam nun das Schwerste. Morgendämmerung ging auch in den dritten Palast; dort fand er die jüngste Königstochter. Die sagte ihm auch, der achtzehnköpfige Drache, der ihr Herr sei, werde ihm den Garaus machen. Doch Morgendämmerung sagte ihr, er wollte sie ja gerade von dem erretten. Da gab ihm auch diese Königstochter einen Ring, der hatte die Kraft, dass, wer immer ihn am Finger drehte, der wurde siebenmal stärker.
Unterdessen kam schon der Drache; seine Keule war vorher niedergefallen. Sie hatte so viel Erde aufgerissen wie ein Hausgrund. Als er zu Hause anlangte, mochte er über etwas wütend sein, denn er schrie die Frau sehr garstig an:
»He, Frau! Wer ist im Hause? Ich wittere Fremdengestank!«
»Nun, dein Schwager!«
»Was für ein Schwager von mir!? – Na, bring ein Steinbrot, ein Holzmesser, koche Bleiklösschen!«
Brachte auch das Mädchen solch ein Steinbrot wie ein runder Heuschober, und solch ein Holzmesser wie ein grosses Brett. Bald kam auch der dampfende Kloss. Sie sackten so gut ein, dass ihr Bauch ganz viereckig wurde.
Als sie damit fertig waren, rief der Drache Morgendämmerung zum Ringkampf, auf dass sie nach dem Essen auch ein bischen verdauten.
Sie rangen mit einander, doch anfangs kam keiner dem andern zuvor. Bald war Morgendämmerung bis zu den Knieen im Boden, bald der Drache, bald Morgendämmerung bis zum Halse, bald der Drache.
Bald sah Morgendämmerung, dass sie so nur spielten; er nahm einen Anlauf und schlug wirklich dem Drachen den Kopf ab. Schon hatte er siebenzehn abgeschlagen, just einer blieb nur noch. Doch den konnte er nicht mehr abschlagen.
Der Drache brüllte laut, forderte von seiner Gemahlin einen Becher Wasser. Die Frau brachte ihn auch; doch sie reichte ihn so, dass Morgendämmerung ihn erwischte, und er trank ihn auch aus. Nun drehte Morgendämmerung den Ring an seinem Finger; plötzlich wurde er so stark, dass er dem Drachen auch noch diesen einen Kopf abschlug.
Mit der Gerte, die ihm die Prinzessin gab, schlug er den Tisch, verwandelte sich der ganze Palast in einen Demantapfel. Den steckte er auch zu den übrigen.
Na, und jetzt die Mädchen! Die muss er aufsuchen!
Er brauchte nicht lange herumzulaufen; sie erwarteten ihn schon alle auf einem Haufen. Er ging mit ihnen geradewegs zur Öffnung.
Dort rief er hinauf; seine Brüder waren noch dort, liessen auch gleich den Strick herunter. Zuerst zogen sie die älteste herauf, dann die mittelste; doch als sie diese hinaufgezogen hatten, gerieten sie aneinander; beide wollten die schönere für sich haben. Aber nun erst, als sie die jüngste heraufgezogen hatten, da war erst ein Streiten!
Kam der Strick auch zum viertenmale herunter, doch nun dachte Morgendämmerung: »na, jetzt werde ich meine Brüder erproben!«, band sich nicht den Strick um den Leib, sondern hängte einen grossen Stein daran. Abend und Mitternacht zogen ihn auch ein gutes Stück, doch als sie ihn schon halb hinaufgezogen hatten, liessen sie ihn zurückfallen.
Der Stein plumpste drunten tüchtig auf, hätte Morgendämmerung schier totgeschlagen.
Morgendämmerung schüttelte den Kopf, sagte aber nichts, dachte nur bei sich, dass die Menschen – Schufte sind. Gut, dass er nicht hinaufgestiegen war, denn sie hätten ihn umgebracht.
Was sollte er jetzt aber tun? Wohin sich wenden? Er ging, wanderte, fand ein kleines Haus. Darin wohnten ein blinder Mann und seine Frau, die auch blind war. Ein vierundzwanzigköpfiger Drache hatte ihnen die Augen genommen, weil sie die Schafe über die Grenze getrieben hatten.
Morgendämmerung ging ins Haus hinein. Die beiden Blinden assen just. Er war auch hungrig, er nahm vor jenen alles Fleisch weg und ass es. Der blinde Mann fragt seine Frau:
»Hast du denn all dies Fleisch gegessen? Denn ich finde ja auf dem Teller garnichts.«
Die Frau sagte, sie habe es wahrhaftig nicht gegessen.
Da sagt der Mann:
»Bist du ein guter oder böser Geist? Sprich, künde dich, der du hier bist!«
»Ein guter Geist!« sagte Morgendämmerung. Und er erzählte sein Schicksal von Anfang bis zu Ende, wer er sei, wie er hierhergekommen und so weiter. Drauf erzählten jene ihm auch ihren Kummer. Und sie wurden gute Freunde.
Was sollte Morgendämmerung auch tun? Faulenzen mochte er nicht, er trat bei ihnen als Schäfer ein. Doch sie schärften ihm ein, nicht über die Grenze zu treiben, denn der vierundzwanzigköpfige Drache würde ihn töten.
Morgendämmerung versprach das auch, doch als es so weit war, da trieb er wirklich die Herde hinüber. Er stiess auch mit dem Drachen zusammen. Doch was war ihm das? Er schnitzelte ihm dreiundzwanzig Köpfe herunter, wie wenn sie aus Butter gewesen wären. Just wollte er den vierundzwanzigsten abschneiden, als der Drache zu bitten anhub.
»Ach, schlage mir nicht diesen Kopf ab! Lass mich! Ich gebe dir die Augen der Blinden zurück.«
»Wo sind sie denn?«
»Im Wipfel eines Baumes, in einem Scherben.«
»So bring sie herunter, Hund!« schrie Morgendämmerung.
Ging der Drache, brachte auch ganz ausser sich die Augen.
Als Morgendämmerung die in die Tasche gesteckt hatte, schlug er mit kühnem Schwung dem Drachen auch noch das eine Haupt ab, das er noch hatte. Dann liess er die Herde umkehren, ging heimwärts zu den Alten.
»Gott zum Gruss, guten Tag!«
»Grüss Gott! Was gibt’s Neues?«
»Ich habe eure Augen heimgebracht und den Drachen getötet.«
Da freuten sich die beiden Alten. Morgendämmerung setzte jedem von ihnen gleich dessen eigene Augen ein; doch als er der Frau ihre einsetzen wollte, sprang die Katze mit einem von dannen; er musste ihr nachlaufen, doch sie hatte es schon aufgefressen.
Morgendämmerung half sich so aus, dass er der Katze das eine Auge ausstach; das setzte er der Frau ein. Doch die Arme! sie wurde katzenartig, jagte die ganze Nacht nur Mäuse. Doch gaben sie ihm gleichwohl zum Dank, zur ewigen Erinnerung ein Demantgewand.
Ja gewiss! doch Morgendämmerung fiel etwas ein. Er wurde sehr traurig. Es fiel ihm ein, dass seine Brüder jetzt Gott weiss was machen würden, vielleicht gar Hochzeit halten; er beschloss, nicht hier zu bleiben. Er sagte auch den Dienst auf und wanderte, zog in die Welt hinaus.
Unterwegs fand er ein Greifennest, in dem waren die Jungen des Vogel Greif. Just eben hub ein grosses Hagelwetter an; die kleinen Vögel dauerten ihn; er breitete seinen Mantel über sie.
Als das Unwetter vorüber war, kam der Vogel Greif heim, sah, dass all seine Jungen am Leben waren. Er fragte sie, wer sie errettet; sie erzählten, ein Mann habe seinen Mantel über sie gebreitet; dort sitzt er unter dem Baum.
Der Vogel Greif flog gleich zu Morgendämmerung.
»Du bist der, der meine Jungen vor dem Hagel geschützt?«
»Ja.«
»Und womit kann ich dir danken? Denn wisse, bisher erschlägt sie jedes Jahr der Hagel; ich konnte sie niemals grossziehen!«
»Nun, ich begehre nichts anderes, nur, dass du mich von hinnen trägst an die freie Luft!«
»Wohlan, wenn nur das dein Begehr ist!«
Da sprach der Vogel Greif zu Morgendämmerung:
»Hier ist ein gebratener Ochse und ein Fass Wein. Packe das auf meinen Rücken! Wenn ich meinen Kopf zurückwende, gib mir ein Stück Fleisch und einen guten Schluck Wein!«
Morgenröte packte ihm den gebratenen Ochsen und auch das Fass Wein auf den Rücken, setzte sich selbst ihm auch auf den Rücken, und dann flogen sie, flogen aufwärts. Fast waren sie schon droben, als das Ochsenfleisch und auch der Wein alle waren. Was sollte er ihm jetzt geben? Denn der Vogel Greif sperrte den Schnabel nach Futter auf. Kurz entschlössen schnitt er sich die eine Wade ab, steckte die ihm in den Schnabel.
Als der Vogel sie verschlungen hatte, waren sie auch schon droben. Da stieg Morgendämmerung von seinem Rücken herunter, dankte ihm für seine Güte und wollte heimgehen.
Doch der Greif hielt ihn an. Er fragte:
»Du, was war das, was du mir zu allerletzt gegeben hast?«
»Nun, mein Bein!«
»Ei, ei! Wenn ich gewusst hätte, dass Menschenfleisch so gut ist, hätte ich dich aufgefressen. Doch jetzt tue ich dir nichts mehr, geh mit Gott!«
Morgendämmerung langte bald drauf zu Hause an. Zu Hause – das heisst beim König – war gerade Hochzeit.
Er kleidete sich als Bettler an, in ein lumpiges Kleid und ging in die Küche. Niemand erkannte ihn, war er doch im Bettlerkleid, und seit wann hatten sie ihn schon nicht gesehen!
Plötzlich, wie sie sich da drinnen unterhalten, hebt er an:
»Meine Herren, ist’s erlaubt, ein Wort zu reden?«
Sie erlaubten es: »Was wird so ein zerlumpter Bettler reden können!«
Und er sprach:
»Was verdient der Bruder, der seinen Bruder ins Verderben bringt?«
Spricht drauf Abend:
»Der verdient, dass man ihn an einen Rossschweif bindet und bis zum Ende der Stadt schleift.«
»Und was verdient der, der die Königstöchter errettete?«
Drauf erwiderte Mitternacht:
»Nun, die eine Königstochter!«
Da bat Morgendämmerung um einen Becher Wein, leerte ihn halb, tat den einen Ring hinein, sandte ihn hin zur ältesten Königstochter. Als sie den Ring erblickte, brach sie in Weinen aus.
Er bat um einen zweiten Becher Wein; auch da hinein tat er den Ring und schickte ihn hin zur mittelsten. Auch sie brach in Weinen aus.
Er forderte auch einen dritten Becher, darin schickte er den Ring zur jüngsten. Die brach nicht in Weinen aus, sondern stand auf und sprach:
»Du hast uns errettet, komm, küsse mich!«
Da machten alle grosse Augen. Jetzt legte Morgendämmerung das Bettlergewand ab; darunter hatte er das Demantkleid, das ihm der blinde Mann gegeben hatte. Sie erkannten ihn und freuten sich sehr.
Doch Abend und Mitternacht hatten Angst, was jetzt mit ihnen werden würde. Doch Morgendämmerung tat ihnen nichts zu leide; er verzieh ihnen.
Anderntags begann seine Hochzeit mit der jüngsten Königstochter; sieben Tage dauerte das Fest, die Glückseligkeit, und wenn sie nicht gestorben sind, dauert es vielleicht noch bis zum heutigen Tage.
[Ungarn: Elisabet Róna-Sklarek: Ungarische Volksmärchen]