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Das Mädchen und der Vampir

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Es war einmal eine Frau, die war sehr arm; nicht weit von da gab es einen Vampir. Der zog sich eines Abends in der Dunkelheit schöne Kleider an, nahm die Gestalt eines jungen Burschen an, ging in das Haus der Frau und sagte: „Guten Abend, Mutter, ich komme zu dir als Freier; ich will deine Tochter heiraten, wenn es dir recht ist, sie mir zu geben. Ich weiß, du bist arm, deswegen will ich auch keine Mitgift, ja, ich will dir noch helfen, auch die beiden jüngeren Töchter zu verheiraten.“ – „Aber wie sollte es mir nicht recht sein?“ antwortete die Frau, „nimm sie! Ich kann sie wahrhaftig ja nicht einmal satt machen.“ Da nahm der Vampir das Mädchen und ging mit ihr fort. Ihr Weg ging auf den Friedhof. Dort hob der Vampir eine Platte auf; da war ein Gang nach unten. Das Mädchen erschrak und fragte: „Wohin, mein Lieber, geht es da?“ – „Da geht es in mein Haus“, antwortete der Vampir. Nachdem sie ein Stück gegangen war, kamen sie in die Höhle des Vampirs; dort sah das Mädchen Menschenfleisch an Haken hängen. Da sagte der Vampir: „Du, schneide ein Stück Fleisch ab und setze es zum Kochen an“, und ging fort. Dem Mädchen sträubten sich die Haare, aber was konnte sie machen, wen zu Hilfe rufen? Sie mußte also Fleisch abschneiden und ansetzen. Am Abend kam der Vampir zurück, und sie setzten sich zum Abendessen. Er verschlang zwei, drei Stücke auf einmal, das arme Mädchen aber nahm nur ein bißchen trocknes Brot und warf das Fleisch unter den Tisch. „Du, warum ißt du kein Fleisch?“ fragte er sie. – „Ich bin noch nicht gewöhnt, Menschenfleisch zu essen.“ – Da nahm der Vampir seine Flöte, fing an zu blasen und rief dem Mädchen zu: „Frisches zartes Fleisch an die Haken! heda! tanze!“ Als sie nicht wollte, zog er sein Messer, schlachtete sie, schnitt sie in Stücke und hängte die Stücke an die Haken. Am anderen Abend verkleidete sich der Vampir als Kaufmann und ging wieder zu der Frau: „Mutter! Deine Tochter ist krank geworden und möchte gern ihre Schwester, die nächste, sehen; deswegen komme ich, ob du sie mir mitgeben willst, denn sonst ist wirklich keiner da, sie zu pflegen.“ Die Frau willigte ein; der Vampir nahm das Mädchen mit, brachte es auf demselben Wege in sein Haus und verfuhr mit ihr wie mit der Schwester. Nach wenigen Tagen kam er wieder zu der Frau: „Mutter, das Unglück verfolgt mich; deine beiden Töchter sind jetzt krank und möchten gern die jüngste sehen; wenn du Mitleid mit ihnen hast, laß die mit mir gehen.“ – „Ach, mein Sohn, wenn es so steht, so will ich auch gehen und nach ihnen sehen.“ – „I nein, Mutter, du bist alt und kannst einen so weiten Weg nicht machen. Ja, wenn es zu reiten ginge, würde ich dich aufsitzen lassen, und du könntest kommen, aber der wüste Weg ist nicht für ein Reittier.“ – So mußte denn die Frau ihre Jüngste mitgehen lassen, aber unter der Bedingung, daß sie möglichst bald zurückkehre. Der Vampir brachte nun das Mädchen durch den Gang in seine Höhle. Als die Arme drinnen war und sah, daß ihre Schwestern ermordet waren und in Stücken an den Haken hingen, fiel sie in Ohnmacht. Als sie wieder zu sich gekommen war, sagte der Vampir auch zu ihr: „Du, schneide ein Stück Fleisch ab und setze es zum Kochen an“; damit ging er hinaus. Als er fort war, fiel das Mädchen auf die Knie und betete zu Gott, sie aus den Händen des Vampirs zu befreien. Gott erhörte sie auch wirklich. Als sie aufgestanden war und hierhin und dahin in alle Ecken guckte, bemerkte sie etwas wie einen Schrank, ging darauf zu, öffnete ihn und fand dort einen vollständigen Gang nach unten. – Der Vampir hatte nämlich fünf, sechs solche unterirdische Gänge, und jeder von ihnen kam an einer anderen Stelle heraus. – In den Gang ließ das Mädchen sich hinab und tastete sich in der Dunkelheit weiter. Am Abend, sobald es dunkel geworden war, kam sie heraus, in einen dichten Wald, und irrte umher, da sie nicht wußte, wohin sie sich wenden sollte. Endlich fiel sie wieder auf die Knie und betete zu Gott: „Lieber Gott, gib mir einen Koffer, der sich mit einem Haare öffnen und schließen läßt, sonst mache mich zu einem Stein oder einem Baum, nur daß ich nicht noch einmal in die Hände des Vampirs falle.“ Gott hatte Erbarmen mit ihr und erhörte sie; er gab ihr den Koffer. Das Mädchen stieg hinein und verschloß ihn mit einem ihrer Haare. Wenn sie hungrig war, ging sie heraus, pflückte sich Obst, das damals reichlich vorhanden war, da es Sommerzeit war, und schloß dann den Koffer wieder zu. So vergingen zwei und ein halber Monat. Der Vampir aber, als er am Abend nach Hause kam, sie suchte und nicht fand, stieg schnell in einen seiner Gänge und lief ihr eilig nach, traf aber nicht den Gang, den das Mädchen hinausgegangen war. Soviel er auch lief und auf und ab herumstreifte, konnte er sie doch nicht finden und kehrte voll Zorn nach Hause zurück.

Eines Tages war der Sohn des Zaren auf die Jagd gegangen und geriet dabei auch in den Wald, wo das Mädchen war. Sie war gerade auf einen Baum geklettert und pflückte sich Obst; als sie nun Leute sah, ließ sie sich eilig hinab, stieg in den Koffer und schloß sich ein. Der Prinz hatte sie aber bemerkt und befahl seinen Soldaten sie zu suchen. Die liefen hierhin und dahin, aber da war nichts. Da dachte der Prinz, es möchte eine Samovila sein, die ihn verlocken wollte, und befahl seinen Leuten stehen zu bleiben. Beim Suchen waren sie aber plötzlich auf den Koffer des Mädchens gestoßen. Der Prinz wunderte sich, wie der Koffer an einen solchen Ort gelangen konnte; es kam ihm aber nicht in den Sinn, daß das Mädchen darin sein könnte, das sie suchten. Er befahl nun gleich, daß sie den Koffer aufmachen sollten – er vermutete nämlich, es sei Geld darin. Die Soldaten strengten sich an, den Deckel aufzuheben, aber soviel sie sich auch bemühten, der Deckel wich nicht um ein Haar. Sogar, als sie mit Hebebäumen arbeiteten, half es nichts. Endlich, als der Prinz sah, daß der Koffer nicht zu öffnen war, befahl er, ihn aufzuheben und in sein Schloß zu bringen. Dort ließ er den Koffer in sein Schlafzimmer bringen, wo er zum Schmuck stehen sollte. Am Abend brachte man dem Prinzen das Abendessen und stellte es in das Zimmer, während er noch draußen war. Als er dann kam und sich zum Essen setzte, bemerkte er, daß von allen Speisen etwas abgegessen war, rief seine Diener und fragte, wer von ihnen die Speisen berührt habe. Die armen Diener schwuren bei Himmel und Erde, daß sie von nichts wüßten und nichts gesehen hätten. Der Prinz wunderte sich, wer sich in seinem Zimmer zu schaffen machen könnte. Sonderbar, am nächsten Morgen war ebenso vom Frühstück weggegessen. Da schalt der Prinz noch mehr; aber einer der Diener, der ihm das Frühstück gebracht hatte, versteckte sich jetzt hinter der Tür und lauerte: da sieht er den Koffer sich öffnen und ein Mädchen herauskommen, schön wie die Sonne, die Haare ganz goldig; sie trat an den Tisch, nahm ein wenig von jeder Speise und schloß sich wieder in den Koffer ein. Als nun der Prinz zum Essen kam, fand er wieder, daß von den Speisen etwas fehlte, und schalt noch viel mehr. Da trat aber der Diener, der gelauert hatte, hervor und sagte: „Erhabener Prinz, ich habe gesehen, wer die Speisen anrührt; aus dem Koffer, den du im Zimmer hast, kommt ein Mädchen heraus, schön wie die Sonne, mit goldenen Haaren; die kostet ein wenig von allen Speisen und schließt sich dann wieder ein.“ Am Abend stellte sich nun der Prinz selber hin, um aufzupassen und so aus dem Hinterhalt das Mädchen zu überraschen, ehe sie den Koffer erreichen könnte. Wirklich kam das Mädchen wieder heraus, trat an den Tisch und fing an, von den Speisen zu kosten. Der Prinz trat ganz leise hinter sie, und als sie sich umwandte und in den Koffer steigen wollte, schnitt er ihr den Weg ab und umfing sie; sie wollte mit Gewalt seinen Händen entschlüpfen, er ließ sie aber nicht los und brachte sie in ein andres Zimmer. Am andern Tage rüstete er die Hochzeit und vermählte sich mit ihr; damit sie sich aber nicht wieder in dem Koffer verberge, schloß er ihn in einem besonderen Zimmer ein und ließ niemand dahinein. Doch das Schicksal blieb dem armen Mädchen nicht lange günstig. Einer von den Großen des Zaren, der gern seine eigene Tochter mit dem Prinzen verloben wollte, bestach die Dienerinnen, einige Negerinnen, die Prinzessin umzubringen. Eines Morgens, als der Prinz nicht zu Hause war, rissen sie die Prinzessin aus ihrem Schlafzimmer, banden sie und warfen sie weit von der Stadt in die Brennesseln. Zum Glück kam bald darauf eine alte Frau dahin, um sich Nesselgemüse zu sammeln; sie bemerkte das Mädchen, faßte Erbarmen mit ihr und nahm sie mit sich nach Hause. Der Prinz aber suchte überall seine Frau, und als er sie nicht fand, wurde er krank, von Tag zu Tag immer kränker. Um nun wieder Appetit zu bekommen, ließ er durch einen Herold ausrufen: Wer etwas besonders Gutes hätte, solle es dem Prinzen als Krankenspeise bringen. Davon hörte auch das Mädchen und sagte zu der Alten: „Komm, Mutter, du mußt dem Prinzen eine Krankenspeise bringen.“ – „Ach, Töchterchen, was können wir ihm bringen?“ – „Geh nur und suche Gemüsekräuter zusammen, wir wollen sie kochen und du sollst es hintragen. Wer weiß, vielleicht schmeckt es dem Prinzen.“ – Die Alte brachte das Kraut, sie kochten es und legten es auf einen Teller. Das Mädchen aber riß sich heimlich ein Haar aus und tat es in die Speise. Als die Alte damit an das Palasttor kam, wollten die Torwächter sie nicht hineinlassen, der Prinz hatte sie aber vom Fenster aus gesehen und befahl sie einzulassen. Die Alte ging hinauf und übergab ihm den Teller mit dem Gemüse. Der Prinz stocherte mit der Gabel darin herum und zog das goldene Haar heraus, kostete einige Bissen und sagte: „Ach, Alte, dein Gemüse ist gut; bring mir noch einmal davon.“ Die Alte ging wieder nach Hause und erzählte es dem Mädchen. Die antwortete: „Siehst du, das Gemüse hat ihm geschmeckt; geh nur wieder und sammle neues, wir bereiten es zu, und du bringst es ihm nochmals.“ Alles geschah so, und das Mädchen hatte wieder ein Haar hineingetan. Als der Prinz wieder ein Haar darin fand, sagte er zu der Alten: „Jetzt bin ich wieder gesund, und am Sonntag möchte ich gern zu dir zu Gast kommen.“ – „Ach, erhabener Prinz, was ist mein Haus für einen Mann wie du?“ – „Nun, Frau, ich will nicht, daß du dir Kosten machst; ich setze mich auf eine Binsenmatte und esse Brot und Salz.“ Da konnte die Frau nicht anders als ihm seinen Willen tun und sagte: „Befiehl, mein Sohn; wenn es dir beliebt, mein Haus steht dir offen.“ Sie ging nun nach Hause und sagte zu dem Mädchen: „Was nun, meine Tochter, wo soll ich dich verbergen? Der Prinz will am Sonntag zu uns zu Gast kommen.“ – „Das ist weiter nichts, Mutter, du versteckst mich in den Backtrog, legst eine Decke darauf und sagst ihm, daß du Teig angerührt hast und ihn stehen läßt, daß er aufgeht; er merkt dann nichts.“ Der Sonntag kam, und der Prinz kam zu der Alten zu Gast, saß eine Zeitlang da und sagte dann: „Was hast du da in dem Backtrog, Alte?“ – Sie antwortete: „Ich habe Teig angerührt, mein Sohn, und habe ihn hingestellt, daß er aufgeht.“ Nach einiger Zeit fragte der Prinz die Alte wieder: „Ist denn dein Teig noch nicht aufgegangen, daß du einen Kuchen backen kannst?“ – „Nein, noch nicht, mein Sohn, mein Sauerteig ist nicht sehr gut.“ Der Prinz blieb noch etwas sitzen, dann stand er auf und sagte: „Alte, ich will einmal den Backtrog aufdecken und zusehen, was mit deinem Teig ist, daß er so lange braucht, um aufzugehen.“ Damit faßte er die Decke am Rande an und wollte sie aufheben. Die Alte rief: „Laß, mein Sohn, tu es nicht.“ Er hörte aber nicht darauf und hob die Decke auf; darin lag das Mädchen. Als er sie sah, rief er: „Aha! da bist du“, faßte sie an der Hand, hob sie auf und umarmte sie; darauf fragte er sie, wie sie denn in das Haus der Alten geraten sei, und sie erzählte ihm von Anfang bis zu Ende, was mit ihr geschehen war. Da nahm der Prinz seine Braut und ging mit ihr und der Alten nach Hause, die Dienerinnen aber ließ er hinrichten.

Quelle:
(Balkanmärchen aus Bulgarien)

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