Unterwegs brach der Mann ein bißchen von dem Kuchen ab, um zu versuchen, wie er schmecke, und brachte ihn dann dem Jungen in die Schule. Als der am Abend nach Hause kam, fragte ihn seine Mutter nach dem Kuchen, ob er ihn bekommen habe, ob er noch ganz gewesen oder etwas davon abgebrochen wäre. Er antwortete, daß ein ganz kleines Stück abgebrochen war.
Da dachte die Mutter: der Mann wird ihn nicht in die Stadt bringen, sondern ihn irgendwo totschlagen, und sagte zu ihrem Sohn, er solle den Mann wegjagen und einen anderen annehmen. Darauf nahm er einen Zigeuner an. Am anderen Tage buk die Mutter wieder einen Kuchen und schickte den Zigeuner, ihn zu ihrem Sohne in die Schule zu tragen. Der Zigeuner rührte den Kuchen nicht an, sondern brachte ihn hin und übergab ihn. Als nun am Abend die Mutter erfuhr, daß der Kuchen unberührt geblieben war, befahl sie ihrem Sohne, sich reisefertig zu machen. Während er damit beschäftigt war, schrieb sie ein Zeugnis für ihn, daß er wirklich des Zaren Sohn sei, gab es ihm und schickte ihn auf die Reise. Unterwegs kamen sie an einen Ort, wo es kein Wasser gab; sie waren aber beide durstig und suchten eifrig nach Wasser; endlich fanden sie einen Brunnen, aber ohne Schöpfeimer, und hatten nichts, womit sie das Wasser heraufziehen konnten. Da trieb der Prinz den Zigeuner sehr an, er solle in den Brunnen steigen und Wasser heraufholen. Der wollte aber nicht, sondern schrie ihn an: „Wenn du durstig bist, steig selber hinein und trink.“ Da der Prinz nun sehr durstig war, zwängte er sich in den Brunnen hinein, trank sich satt und wollte wieder heraussteigen. Aber der Zigeuner versperrte ihm die Öffnung, wollte ihn nicht herauslassen, sondern hatte die Absicht ihn hineinzustoßen, damit er umkomme. Der Prinz bat ihn, er möge ihn herauslassen, der aber wollte nicht, sondern sagte: „Gib mir das Zeugnis, dann lasse ich dich heraus.“ Der Prinz, dem sein Leben lieb war, gab es ihm, aber der Zigeuner ließ ihn doch nicht heraus, sondern wollte ihn umbringen. „Jawohl,“ rief er, „ich soll dich herauslassen, daß du mich dann anzeigst.“ Da der Prinz kein anderes Mittel hatte, ihn zu überzeugen, daß er es niemand verraten werde, schwur er ihm bei seinem Leben, daß er ihn nicht anzeigen werde, und so ließ der Zigeuner ihn heraus, und er wurde dessen Diener; der Zigeuner aber trat als Prinz auf. So reisten sie weiter und kamen bei dem Zaren an.
Der Zigeuner gab das Zeugnis ab, und der Zar nahm ihn als Sohn auf, der Prinz aber blieb dessen Diener. Aber der Zigeuner hatte doch Angst, der Prinz könnte sich ausweisen, und dachte nach, wie er ihn beiseite schaffen könnte. Er erfuhr, daß in einem anderen Lande ein Zar sei, der eine Tochter habe, und daß man jeden töte, der da komme, um sie zu werben. Da faßte er den Plan, den Prinzen zu diesem Zaren als Brautwerber zu schicken, um ihn so zu verderben.
Als der Prinz mit einigen Leuten aufgebrochen war und seines Weges zog, trafen sie auf einen Zug Ameisen. Als der Prinz sie sah, befahl er seinen Leuten, stehen zu bleiben, bis die Ameisen vorüber wären. Die blieben also zur Seite stehen, die Ameisen zogen vorüber, und zuletzt kam eine große Ameise; die sagte zu ihm: „Du hast mir Gutes getan; was wünschest du dir Gutes von mir?“ Darauf antwortete er: „Du bist eine Ameise, was kannst du mir Gutes tun?“ Da riß die Ameise sich ein Flügelchen ab, gab das dem Prinzen und sagte: „Ich weiß, wohin du gehst, und ich werde dir einmal nötig sein. Du brauchst nur diesen Flügel am Feuer anzuwärmen, und ich komme.“ Er nahm den Flügel und steckte ihn zu sich. Dann zogen sie weiter und kamen an einen Ort, wo Kinder junge Adler aufgriffen; die kaufte er ihnen für Geld ab und ließ sie am Leben. Da kam die Adlermutter zu dem Prinzen und sagte: „Du hast mir Gutes getan, was wünschest du von mir?“ Er antwortete: „Du bist ein Vogel, was kannst du mir Gutes tun?“ Darauf riß der Adler sich eine Feder aus, gab ihm die und sagte: „Ich weiß, wohin du gehst, ich werde dir einmal nötig sein. Wärme die Feder am Feuer an, und ich komme.“ Da nahm der Prinz die Feder, sie zogen weiter und kamen an einen Ort, wo Kinder junge Störche aufgriffen; auch diese kaufte er los und ließ sie fliegen, daß sie am Leben blieben. Der Storch kam dazu, und auch der fragte ihn: „Was kann ich dir Gutes tun?“, riß sich eine Feder aus, gab sie ihm und sagte: „Ich werde dir nötig sein“; und wies ihn an, die Feder am Feuer zu wärmen, dann werde er zu ihm kommen. Da nahm der Prinz die Feder und steckte sie ein. Auf der Weiterreise kamen sie an ein Wasser, wo Fischer einen Fisch gefangen hatten. Auch den kaufte er los und ließ ihn ins Wasser, so daß er am Leben blieb. Der Fisch aber sagte zu ihm: „Was wünschest du dir Gutes von mir?“ Der Prinz antwortete: „Du bist ein Fisch, was kannst du mir Gutes tun?“ Da riß der Fisch sich eine Schuppe ab, gab sie ihm und sagte dazu: „Ich weiß, wohin du gehst, und werde dir einmal nötig sein; wärme dann die Schuppe am Feuer, und ich komme.“
Endlich kamen sie bei dem Zaren an, und der Prinz verneigte sich vor ihm und begrüßte ihn mit „Gott segne dich, Zar!“ Der Zar erwiderte den Gruß, und dann fuhr der Prinz fort: „Ich bin von dem und dem Zaren gesandt, bei dir um deine Tochter für seinen Sohn zu werben. Willst du sie uns geben?“ – „Wir haben sie ja zum Verheiraten,“ antwortete der Zar, „und warum sollten wir sie euch nicht geben?“ Am Abend aber, als es dunkel wurde, nahm der Zar je ein großes Maß Weizen, Roggen, Gerste, Mais, Hirse, Hafer, rührte alles durcheinander und sagte zu dem Prinzen: „Du bist wegen meiner Tochter gekommen, und wir wollen sie dir auch geben, aber wir haben die Sitte, daß wir dem Bewerber aufgeben, dies alles in derselben Nacht auseinander zu lesen, jede Art für sich; wenn du das machst, gebe ich dir meine Tochter, wenn nicht, töte ich dich.“ Der Prinz dachte erst, daß das niemals ein Mensch machen könne, dann aber kam ihm der Gedanke an den Ameisenflügel, er erwärmte ihn, sogleich kam die Ameise zu ihm, und er erzählte ihr, was der Zar befohlen hatte.
Da rief die Ameise alle Ameisen herbei, und sogleich lasen sie Korn für Korn, jede Art für sich, auseinander, alles, was durcheinandergerührt war. Als es Tag wurde, und der Zar sah, daß alles fertig war, dachte er sich etwas anderes aus. „Du sollst ein Kind suchen, das seit drei Jahren tot ist, und es wieder lebendig machen. Wenn du es fertig bringst, gebe ich dir das Mädchen; wenn nicht, töte ich dich.“ Der Prinz dachte erst, daß das kein Mensch machen könne; aber ihm fiel die Storchfeder ein; er erwärmte sie, und sogleich kam der Storch zu ihm. Dann erzählte er, was ihm alles der Zar befohlen hatte. Da flog der Storch fort, brachte ihm eine Flasche lebenweckendes Wasser und sagte: „Begieß es mit diesem Wasser, und es wird wieder lebendig.“ Darauf fragte der Prinz eine alte Frau: „Wo liegt hier ein Kind, das seit drei Jahren tot ist?“ Die Alte zeigte ihm den Ort, er grub die Gebeine aus, legte sie in die richtige Ordnung und begoß sie mit dem lebenweckendem Wasser, und das Kind wurde lebendig. Da konnte nun der Zar nichts weiter machen, sondern schickte ihn hin, das Mädchen zu holen; die lebte aber in einem Turm mitten im Meere, und der Zar gab ihm kein Schiff, um dahin zu kommen. Der Prinz dachte erst, kein Mensch könne ohne Schiff dahin kommen, dann aber fiel ihm die Adlerfeder ein; er wärmte sie am Feuer, und sogleich eilte der Adler herbei; dem erzählte er alles. Da nahm ihn der Adler auf den Rücken, flog auf und brachte ihn zu dem Mädchen in den Turm. Der sagte er, daß er ihretwegen gekommen sei; und sie willigte mit Freuden ein. Dann stiegen sie zu Schiff und fuhren ans Land, aber während der Fahrt hatte das Mädchen ihren Ring ins Wasser fallen lassen. Da sagte der Zar zu ihm: „Ehe der Ring nicht wiedergefunden ist, gebe ich das Mädchen nicht her.“ Der Prinz erinnerte sich nun an die Fischschuppe und wärmte sie an; sogleich erschien der Fisch, ging den Ring suchen und brachte ihn herbei. Als das geschehen war, konnte der Zar nichts mehr machen, und man bereitete alles für das Mädchen zur Abreise vor. Dann stiegen sie beide in eine Kutsche, der Prinz als ihr Begleiter. Als sie nahe bei der Stadt waren, wohin er sie geleiten sollte, schickte er einen Mann voraus, um anzuzeigen, daß man ihnen entgegenkommen solle. Da zog auch der Zigeuner, der sich für den Prinzen ausgab, mit seinen Freunden ihnen entgegen. Da er nun dem Prinzen nichts anderes antun konnte, ihn zu verderben, machte er es ihm zum Verbrechen, daß er bei dem Mädchen in der Kutsche saß, zog seinen Säbel, hieb ihn nieder, und der Prinz starb.
Während aber der Prinz und das Mädchen allein gewesen waren, hatte sie alles von ihm erfahren und erinnerte sich nun an das lebenweckende Wasser, zog das Fläschchen heraus und begoß ihn damit; und er wurde wieder lebendig. Da wurde es bekannt, daß der Zigeuner nicht des Zaren Sohn sei, sondern der andre der wirkliche Prinz. Als der Zar das vernahm, ließ er den Zigeuner hinrichten, seinen Sohn aber nahm er zu sich und verheiratete ihn mit dem Mädchen, das er hergebracht hatte.
Quelle:
(Balkanmärchen aus Bulgarien)