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Nü Wa

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Nü Wa war die Schwester des Fu Hi. Sie half ihm bei der Ordnung der Ehe. Während nämlich früher Männer und Frauen sich nach Belieben verheiratet hatten, wurden von ihr die Namen der Stämme festgestellt. Leute aus demselben Geschlecht durften sich nun nicht mehr heiraten. Die Ehe ward geschlossen nach dem Befehl der Eltern. Ein Ehevermittler war nötig, und da man noch kein Geld hatte, wurden zwei Felle als Brautgeschenk festgesetzt. So ward Nü Wa als göttliche Ehestifterin bekannt, und die späteren Geschlechter verehren sie als Schutzherrin der Ehe, die über den Beziehungen der Geschlechter wacht. Nach dem Tode ihres Bruders folgte sie ihm auf dem Thron.
Es erhob sich aber ein Mensch, namens Gung Gung, wolligen Leibes und rot von Haaren, der hielt sich ob seiner Weisheit für einen Gott. Er besetzte das Land am Yangtsekiang und empörte sich gegen die göttliche Fürstin. Er nannte sich Geist des Wassers und gebrauchte Zauberformeln, um eine Sintflut zu erregen, die das Wasser aller Flüsse in ihren Betten staute und auf Erden großen Schaden tat.
Nü Wa befahl dem Herrn des Feuers, ihn zu unterwerfen. Gung Gung ward besiegt. Da stieß er in seinem Grimm mit seinem Kopfe gegen den Berg Unvollkommen und starb.
Dadurch zerbrach einer der Pfeiler des Himmels, und der Himmel neigte sich nach Nordwesten. Die Erde aber fiel in der Gegend der entstehenden Öffnung im Südosten in die Tiefe. Da schmelzte Nü Wa fünf farbige Steine, um den Himmel wieder auszubessern. Sie nahm die Beine einer Riesenschildkröte und stellte sie als die vier Pole des Himmels auf.
Die Sintflut aber leitete sie ab nach der Stelle, wo die Erde in die Tiefe gesunken war. Darum ist noch bis auf den heutigen Tag der Nordwestwind so kalt und fließen alle Ströme nach Südosten in das große Meer.
Sie ordnete auch die Musik. Dann starb sie, und es wurden ihr Tempel gebaut.
Einstmals kam der Tyrann Dschou-Sin vom Hause Yin am Neujahrstage in den Tempel der Göttin Nü Wa, um dort zu opfern. Es erhob sich aber ein Wind, und der Vorhang vor dem Götterbild wurde beiseite geweht. Da sah der Herrscher das goldene Antlitz der Göttin. Er ward entzündet von unheiliger Liebe zu ihr, schrieb ein Gedicht an die Wand und ging nach Hause.
Die Göttin Nü Wa aber ergrimmte sehr. Sie befahl dem neunschwänzigen Fuchs, sich in das schöne Mädchen Dagi zu verwandeln, um so den Herrscher zu bestricken und sein Reich zugrunde zu richten.
Zu jener Zeit hatte nämlich der Tyrann Dschou-Sin einen Befehl ergehen lassen an alle seine Vasallen, ihm schöne Mädchen darzubringen. Er hatte einen Günstling, der redete ihm vor, daß der Graf Su Hu eine Tochter habe, namens Dagi, die ihresgleichen an Schönheit nirgend finde. Der Herrscher befahl nun dem Su Hu, sie darzubringen. Der wußte keinen andern Rat, sondern machte sich auf, die Tochter in das Schloß zu begleiten. Auf halbem Wege nächtigten sie in einer Herberge. Da erregte der neunschwänzige Fuchs einen Zauberwind, in dem er Dagis Seele entführte. Dann nahm er Besitz von ihrem Leib, und obwohl er seinem Wesen nach ein lasterhafter Fuchs blieb, änderte sich das Angesicht des Mädchens nicht. Als der König Dschou-Sin sie erblickte, ward er hocherfreut, und sie erlangte außerordentliche Gunst. Er trank mit ihr zusammen Wein und ergötzte sich mit ihr, und die Regierung ward ihm Nebensache.
Die treuen Diener, die zu widersprechen wagten, wurden auf grausame Weise zu Tode gemartert. Man ließ sie glühende Öfen umarmen oder auf dünnen Stangen, die mit Fett bestrichen waren, über Gräben mit lohendem Feuer wandeln. Keine Grenzen kannte nun der Wüstling mehr in seiner Verschwendung. Er baute einen Turm, der bis an die Sterne reichte, ließ Seen graben und mit Wein füllen und in den Wäldern Fleisch aufhängen. Jünglinge und Mädchen mußten hier nackt einander haschen vor den Augen des Königs und seiner Gemahlin.
Einst saßen sie auf dem Turm und sahen, wie ein alter und ein junger Mann einen Fluß durchwateten. Der junge machte ängstlich Schritt vor Schritt und zitterte vor Frost, während der alte, ohne Kälte zu fühlen, beherzt voranschritt. Der König wunderte sich, aber seine Gattin sprach: »Das geht auf ganz natürliche Weise zu. Der alte ist zu einer Zeit geboren, da seine Eltern noch jung waren, darum hat er festes Mark in den Knochen und friert nicht. Der junge aber, der seinen Eltern in hohem Alter geboren wurde, hat nicht genügend Lebenskraft mitbekommen, darum sind seine Knochen hohl, und er fröstelt.« Man rief die beiden her, und es verhielt sich so mit ihrer Geburt, wie Dagi gesagt hatte. Damit noch nicht genug, ließ sie ihnen aber auch die Beine aufschlagen, um nach dem Mark in ihren Knochen zu sehen. – So trieb sie tausend Grausamkeiten.
Als einst ein Oheim des Königs, Bigan, der wegen seiner Weisheit allgemein geachtet war, ihm Vorwürfe machte, sagte Dagi: »Ich habe gehört, daß Heilige und Weise sieben Öffnungen in ihrem Herzen haben. Reißt ihm das Herz heraus und lasset sehen, ob er ein Heiliger ist!«
So entfremdete sich der Tyrann seine eigenen Verwandten. Der weise Bigan aber ward später als Gott des Reichtums eingesetzt.
Einer der treuesten Diener des Herrschers war Huang Fe-Hu. Er hatte an Weisheit und Mut nicht seinesgleichen und hatte sich im Krieg schon viele Verdienste erworben. Der redete dem Herrscher zu, daß er nicht auf Dagi hören solle, da er sich sonst selber zugrunde richte. Darum nährte Dagi einen Haß gegen ihn in ihrem Herzen. Am Neujahrstag war es Sitte, daß alle Diener des Herrschers mit ihren Frauen sich einfanden, um ihre Glückwünsche darzubringen. Huang Fe-Hus Frau war besonders schön. Nun schmiedete Dagi einen Plan. Sie führte sie auf die Spitze des Sternenturms, um dort dem König vorgestellt zu werden. Im stillen aber erregte sie des Königs Begierde nach der Frau. Allein die Frau hielt allen Verführungen stand und brach schließlich in Tränen aus. Da wurde der Tyrann böse und schleppte sie an ihren Haaren bis an den Rand des Turmes und warf sie von oben hinunter, also daß sie zerschellte. Als Huang Fe-Hu das hörte, da ward er sehr zornig, bestieg seinen fünffarbigen Götterstier, der in einem Tage tausend Meilen weit laufen konnte, und verließ empört die Stadt. Er schloß sich dem Könige Wu, der gegen den Tyrannen kämpfte, an. Er erlag aber der Macht eines Zauberers, dessen Frau es verstand, der Sonne ihre Strahlen auszuziehen und Zaubernadeln daraus zu machen. Sieben mal sieben solcher Nadeln hatte sie im Besitz und schoß sie den Feinden ihres Mannes in die Augen. Waren sie dann blind, so schlug sie ihr Mann tot. Auf diese Weise ging auch Huang Fe-Hu zugrunde.
Als der König Wu den Tyrannen Dschou-Sin getötet und das Reich errrungen hatte, wurde Huang Fe-Hu zum Gott des Großen Berges ernannt, der über Gut und Böse, Lohn und Strafe, Tod und Leben der Menschen zu bestimmen hat und über den zehn Höllenfürsten steht.

[Asien: China. Märchen der Welt]

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