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Hasenlist

1.5
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In einem Wald hauste ein fürchterlicher Löwe, der unaufhörlich die anderen Tiere verfolgte und mordete. Da schlossen sie sich zusammen und beschlossen, den Löwen als König anzuerkennen und ihm täglich ein Tier zu opfern, wenn er mit dem Ausrotten aller Bewohner aufhören würde.

Eines Tages fiel die Wahl auf einen alten Hasen, er sollte dem Löwen als Nahrung dienen. Aber der Hase war ein gewieftes Bürschchen und mit alle Wassern gewaschen. „Der König will mich umbringen“, dachte er, „also muss ich ihm nicht länger gehorchen. Ich lasse mich nicht wie ein einfältiges Lamm geduldig abschlachten.“

Der Hase zockelte gemächlich zum König und näherte sich ihm im Schneckentempo. Der hungrige Löwe wurde zornig und brüllte: „Du ungehobelter Flegel, du wagst es, deinen König warten zu lassen?“

„Verzeiht, mein edler König“, stotterte der gerissene alte Hase mit ersterbender Stimme, „die Angst sitzt mir noch in den Knochen und hat mich völlig gelähmt. Stellt Euch vor, welchen Schrecken ich erlitten habe, als ich auf dem Weg zu Euch einen anderen Löwen traf. Zunächst freute ich mich, denn ich glaubte, Ihr wäret es. Aber welch Entsetzen packte mich, als ich erkennen musste, dass es ein fremder Löwe war. Mein König, er sah Euch so ähnlich, als wäre es Euer Bruder. Nur schien er mir, Ihr verzeiht meine Aufrichtigkeit, ein wenig stärker zu sein als Ihr.

Er ergriff mich grob bei meinen Ohren und wollte mich verschlingen! Denkt Euch nur, ausgerechnet mich, den alle Tiere für unseren heiß geliebten König auserwählt hatten.

Geistesgegenwärtig verteidigte ich Euer Vorrecht auf mich und erzählte ihm, dass mich die Pflicht zu Euch ruft. Darauf ließ er mich unsanft fallen und hieß mich schwören, sobald ich Euch benachrichtigt hätte, postwendend zu ihm
zurückzukommen.“

Dem König hatten sich bei den Worten des Hasen vor Grimm die Haare aufgestellt. Er raste: „Wo ist dieser verwegene Lümmel, der die Frechheit besitzt, in mein Reich einzudringen und meinen Untertanen zu befehlen Langohr, auf der Stelle führst du mich zu ihm!“

Der durchtriebene Hase sträubte sich mächtig. Aber der Löwe fuhr ihn an: „Wirst du wohl folgen! Du hast keinen Grund, dich zu fürchten.“

Der findige Hase führte den Löwen einen weiten Weg und dachte dabei: „Die Zeit wird für mich arbeiten; je weiter der Weg, um so größer der Hunger des Königs; je größer der Hunger, desto stärker sein Zorn; je stärker sein Zorn, um so sicherer gelingt mir mein Streich.“

Endlich lockte der Schlaukopf den Löwen zu einem Brunnen, blieb davor stehen und flüsterte ihm mit zittriger Stimme zu: „Dort unten haust der Fremde.“

Der König blickte wutschnaubend in die Tiefe. Als er dort unten einen Uwen sah, stürzte er sich kampfwütig hinunter und ertrank.

Er hatte sein eigenes Spiegelbild für einen Rivalen gehalten.

Quelle:
(Hitopadesha)

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