Einst lebten in alten Tagen zwei arme Leute. Die hatten viele Kinder, und zwei der Söhne mußten im Dorf betteln. Deshalb kannten sie alle Wege und Pfade.
Einmal wollten sie im Wald hinter dem Moor Vögel fangen. Deshalb nahmen sie den Weg übers Moor. Doch der Pfad war undeutlich, und als es dunkel wurde, verloren sie ihn.
Als sie begriffen, daß sie sich verlaufen hatten, bauten sich eine Tannenhütte und machten ein Feuer, denn sie hatten die kleine Axt mitgenommen. Und dann rissen sie Heide und Moos aus, und bereiteten sich daraus ein Lager.
Eine Weile nachdem sie sich gelegt hatten, hörten sie jemanden laut schnaufen. Die Jungen spitzten die Ohren und lauschten gut ob es ein Tier oder ein Waldtroll war, den sie da hörten.
Doch da schnaufte es noch lauter und sagte:
„Hier riecht es nach Menschenblut!“
Dann hörten sie einen Schritt, so daß die Erde unter ihnen bebte, und da wußten sie, daß die Trolle unterwegs waren.
„Gott helfe uns, was sollen wir jetzt tun?“ fragte der jüngste Bub seinen Bruder.
„Oh, du bleibst da unter der Kiefer stehen, wo du jetzt stehst, und machst dich bereit, davonzulaufen, wenn du sie kommen siehst, und ich nehme die kleine Axt“, sagte der andere.
Zugleich sahen sie die Trolle dahertrotten, und die waren so groß und mächtig, daß ihre Köpfe auf einer Höhe mit den Baumkronen waren.
Doch sie hatten nur ein Auge, alle drei zusammen, und sie wechselten sich beim Gebrauch desselben ab; sie hatten ein Loch in der Stirn, wo sie es reinlegten; er, der voranging, mußte es haben, und die anderen gingen hinterher und hielten sich an ihm fest.
„Lauf“, sagte der älteste Bub, „doch lauf nicht zu weit, bevor du siehtst, wie es geht; da sie das Auge so hoch tragen, sehen sie mich nicht, wenn ich von hinten komme.“
Ja, der Bruder rannte, und die Trolle hinterher. Inzwischen kam der ältere Bruder von hinten und hackte dem hintersten Troll ins Fußgelenk, daß dieser einen schrecklichen Schrei ausstieß, und der erste wurde so erschreckt, daß er zusammenfuhr und das Auge fallen ließ.
Der kleinere Bruder hob es schnell auf. Es war größer als wenn man zwei Kartoffelschüsseln aufeinanderlegte, und klar war es, so klar, daß es wie leuchtender Tag wurde, als er hindurchsah, obwohl es finsere Nacht war.
Als die Trolle merkten, daß er ihnen das Auge weggenommen und einen von ihnen verwundet hatte, begannen sie zu schimpfen und mit allem Bösen zu drohen, das es nur gab, wenn er ihnen nicht sofort ihr Auge wiedergeben würde.
„Ich habe keine Angst vor Troll und Betrug“, sagte der Junge. „Nun habe ich allein drei Augen, und ihr habt gar keins, und zusätzlich müssen zwei von euch den dritten tragen.“
„Bekommen wir nicht auf der Stelle unser Auge zurück, sollst du zu Stock und Stein werden!“ kreischten die Trolle.
Doch der Junge sagte, er fürchte sich weder vor Angeberei noch vor Trolltum (eine Art Hexerei); und ließen sie ihn nicht in Ruhe, zu würde er auf sie alle einhacken, so daß sie wie Kriech- und Krabbeltiere am Boden kreuchen müßten.
Als das die Trolle hörten, bekamen sie Angst und gaben gute Worte. Sie baten so eindringlich und versprachen ihm Gold und Silber und alles, was er haben wolle, wenn er ihnen nur das Auge wiedergeben wolle. Ja, meinte der Junge, das sei gut und schön, doch wolle er zuerst das Gold und Silber haben. Einer der Trolle solle heimgehen und so viel Gold und Silber holen, wie in seine und seines Bruders Taschen passe, so lange würde er es behalten.
Die Trolle gebärdeten sich wild und sagten, daß keiner von ihnen gehen könne, so lange sie ihr Auge nicht dabeihätten; doch so schrie einer von ihnen nach dem Weib, denn sie hatten zusammen ein Weib. Und nach einer Weile antwortete es von Norden her. Da sagten ihr die Trolle, daß sie mit zwei Eimern voller Gold und Silber kommen solle. Und es dauerte nicht lange, bis sie kam. Und da sie sah, was geschehen war, begann auch sie, mit Trolltum zu drohen. Doch die Trolle bekamen Angst und baten sie, sich vor der kleinen Wespe vorzusehen, denn sie könne nicht sicher sein, daß er nicht auch ihr Auge auch stehle. Da warf sie die Eimer mit dem Gold und Silber und die Bögen zu ihnen hin und zog im Streit mit den Trollen heim.
Seit dem hat keiner mehr davon gehört, daß die Trolle umhergingen und nach Menschenblut geschnüffelt hätten.
Quelle: Isländisches Märchen