Es war einmal eine Königin unten bei Theben, die saß am Wege auf einem Felsen und gab allen, die dort vorbei kamen, die drei Rätsel auf. Sie verkündete, dass sie denjenigen, der das Rätsel zu lösen vermochte, ja, dass sie bereit sei, denselben zum Manne zu nehmen; wer sie aber nicht erraten könne, den werde sie fressen. Viele zogen vorbei, aber keiner vermochte die Rätsel zu lösen.
Da hörte ein junger Prinz von dieser Königin, und weil dieselbe, wie es hieß von hoher Schönheit war, so beschloss er an dem Felsen, auf dem sie saß, vorüber zugehen, indem er hoffte, ihre Hand gewinnen zu können. Sein Vater versuchte ihn zurückzuhalten, allein der Sohn hörte nicht auf ihn und machte sich zu jener Königin auf den Weg. Als diese den Ankömmling erblickte, sprach sie zu ihm: »Ach du armer! Du bist ein so schöner Jüngling und willst dich ins Verderben stürzen? Kehre zurück zu deinem Vater! Schon so viele sind hier vorbeigekommen, aber keiner ist im Stande gewesen, die Rätsel zu lösen. Wirst du sie erraten können?«
Da entgegnete der Jüngling: »Lass dich das nicht kümmern! Ich hoffe sie zu erraten.« Da sagte sie ihm das erste Rätsel. Dieses lautete: »Welches ist das Ding, das, was es erzeugt verzehrt? Es erzeugt Kinder und verzehrt sie wieder. Da antwortete jener: »Ei, Frau Königin, das ist ja sehr leicht zu erraten. Das ist das Meer: dieses verzehrt seine eigenen Kinder, denn aus dem Meere entstehen die Flüsse, und ins Meer fallen sie zurück.«
Da sprach die Königin: »So ist’s. Nun will ich dir das zweite Rätsel vorlegen.« Dasselbe lautete: »Welches ist das Ding, das weiß und schwarz aussieht und nimmer altert?« »Ei«, sagte der Jüngling, »auch das ist nicht schwer. Das ist die Zeit. Diese sieht weiß und schwarz aus, denn sie ist nichts anderes als Tag und Nacht; diese altert auch nie, denn seit die Welt steht, ist sie und wird sein bis an der Welt Ende.«
»Richtig«, sagte die Königin. »Aber jetzt will ich dir das dritte Rätsel vorlegen, das wirst du nicht zu lösen vermögen.« »Wir wollen sehen«, antwortete der Prinz, »sag mir’s nur.« Nun sagte sie ihm das dritte Rätsel, das also lautete: »Welches ist das Ding, das anfangs auf vier Beinen geht, dann auf zweien und zuletzt auf dreien?« Da sagte jener: »Das ist das leichteste von allen. Das ist der Mensch. Wenn dieser klein ist und zu laufen anfängt, kriecht er auf allen vieren; wird er größer, so geht er auf seinen zwei Beinen, und wenn er ins Alter kommt und sich ohne Stütze nicht mehr aufrecht halten kann, so nimmt er einen Stab zur Hilfe und geht nun also auf drei Beinen einher.«
(Griechisches Märchen )