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Die gute Schwester

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Es waren einmal ein König und sein Weib, die Königin, und sie hatten eine Tochter. Eines Tages bekam die Königin auch ein Knäblein. In der dritten Nacht nach der Geburt kamen die Moeren, um dem Kleinen sein Los zuzutheilen; und seine Schwester, die in seiner Nähe schlief, wachte auf und hörte, was sie redeten. Die eine von ihnen sprach: ‚Er soll, wenn er drei Jahre alt ist, ins Feuer fallen und verbrennen.‘ Die zweite sprach: ‚Nein! Wenn er sieben Jahre alt ist, soll er von einem Felsen stürzen.‘ Die dritte endlich sprach: ‚Nein! Er soll nicht verbrennen noch von einem Felsen stürzen, sondern, wenn er zweiundzwanzig Jahre alt ist und sich verheirathet hat, soll am ersten Abend, da er mit seiner jungen Frau schlafen geht, eine Schlange oben vom Dachstuhl herunterkommen und ihn beissen.‘ Die Schwester merkte sich alles genau, was die Moeren gesagt hatten; sie liess ihren kleinen Bruder nie allein und hatte immer Acht auf ihn. Obgleich sie schon erwachsen war und in dem Alter stand, wo die Mädchen heirathen, so wollte sie doch seit jenem Tage, wo sie die Moeren so Schlimmes hatte verkünden hören, weder andere Kleider anlegen noch an Festlichkeiten Theil nehmen, obwohl sie doch eine Prinzessin war, noch wollte sie heirathen; sondern sie schlich einher, wie eine Unglückliche, und weinte immer. Ihr Vater und ihre Mutter blickten mit grosser Betrübniss auf sie und fragten sie, warum sie so traurig sei Allein weder ihren Eltern noch irgend einem andern wollte sie’s gestehen; sie blickte nur immer auf ihren Bruder und weinte. Als dieser nun drei Jahre alt war, näherte er sich eines Tages dem Feuer, das er schüren und mit den Flammen spielen wollte. Schon war er nahe daran hineinzufallen und sich zu verbrennen, da riss ihn die Schwester noch hinweg, und so entrann das Kind dem bösen Schicksal, welches die erste der Moeren ihm vorausbestimmt hatte. Es wuchs nun heran und wurde sehr wild; und eines Tages, da es mit den andern Kindern spielte, war es eben daran, von einem Felsen hinab in die Tiefe zu stürzen, da sprang seine Schwester, die ihm überall hin folgte, rasch herbei, fasste ihren Bruder beim Hemd und zog ihn zurück. Und so entrann er auch dem andern bösen Schicksal, welches die zweite der Moeren ihm vorherbestimmt hatte. Er wurde allmählich gross und wurde ein sehr schöner Jüngling. Und als er das zweiundzwanzigste Jahr erreicht hatte, verheirathete er sich und nahm ein sehr schönes Mädchen, und das war auch eines Königs Tochter. Am ersten Abend nun, als das junge Paar sich niederlegen wollte, stürzte sich eine furchtbare Schlange, wie ein Balken so stark und noch stärker, vom Dachstuhl wüthend auf den Prinzen herab und drohte ihn zu verschlingen. Aber da war wieder seine Schwester zur Stelle mit dem Schwerte ihres Vaters, und in dem Augenblicke, da die Schlange auf ihren Bruder losfuhr, zückte sie das Schwert und schlug sie todt. Und somit entrann jener auch dem von der dritten der Moeren ihm bestimmten Schicksal. Nun, da die drei Gefahren überstanden waren, von denen die bösen Moeren gesprochen hatten, erklärte die Tochter ihrem Vater und ihrer Mutter, aus welchem Grunde sie keine andren Kleider hatte anlegen, nicht an Festlichkeiten Theil nehmen und nicht heirathen wollen, so viele und so gute Männer auch ihre Eltern ihr vorgeschlagen, und warum sie ihrem Bruder überall hin nachgegangen sei. Jetzt entschloss auch sie sich zum Heirathen und bekam einen guten Mann. Und ihr Vater und ihre Mutter gaben ihr was sie nur wünschte, zum Danke für ihren Edelsinn und für die Liebe, die sie ihrem Bruder bewiesen. Und der Bruder schenkte ihr noch mehr. Und so blieb das Königreich nicht ohne Erben, und die Tochter machte noch eine sehr gute Partie, wie ihr edles Herz es verdiente. – So handeln die guten Schwestern!

[Griechenland: Bernhard Schmidt: Griechische Märchen, Sagen und Volkslieder – Ebendaher]

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