Es war einmal eine arme Frau, die hatte drei Töchter und ernährte sie von Kräutern, die sie sammelte. Eines Tages war sie wieder beim Kräutersuchen und fühlte sich so erschöpft, daß sie sich niedersetzte und aus tiefer Brust: »ach!« stöhnte. In demselben Augenblicke stand ein Mohr vor ihr und fragte sie: »was willst du von mir?« »Ich will gar nichts von dir«, antwortete die Alte, »und ich sagte weiter nichts als: ach! weil ich mich so ermüdet fühlte.« Darauf fragte sie der Mohr: »hast du Kinder?« »Ja wohl,« antwortete die Alte, »ich habe drei Mädchen, und weiß nicht, wie ich sie ernähren soll.« Da machte der Mohr mit ihr aus, daß sie ihm ihre älteste Tochter bringen solle, die er zu sich nehmen wolle, und als sie ihm die Alte brachte, gab er ihr eine Handvoll Goldstücke, nahm das Mädchen mit sich, bis er an eine Felsentüre kam, die machte er auf und ließ das Mädchen hinein gehen.
Am Abend gab der Mohr seiner Braut einen Menschenkopf zum Essen und verschwand dann. Das Mädchen aber warf den Kopf unter das Dach und legte sich hungrig schlafen. Am andern Morgen kam der Mohr wieder und fragte das Mädchen: »hast du den Kopf gegessen?« und als das Mädchen das bejahte, rief er: »he Kopf! wo bist du?« und jener antwortete: »hier unter dem Dache, Herr!« Da sprach der Mohr zu dem Mädchen: »geh zu deiner Mutter und sage ihr, sie solle mir ihre zweite Tochter bringen.«
Darauf brachte ihm die Alte ihre zweite Tochter, und dieser gab der Mohr am Abend einen Menschenfuß als Nachtessen und verschwand. Das Mädchen konnte sich jedoch nicht entschließen, davon zu essen, sie warf also den Fuß hinter die Ölkrüge und legte sich hungrig schlafen. Am andern Morgen erschien der Mohr wieder, und fragte das Mädchen: »hast du den Fuß verzehrt?« und als sie das bejahte, rief er: »he Fuß! wo bist du?« und dieser antwortete: »hinter den Ölkrügen, Herr!« Da jagte er auch diese fort und ließ sich die jüngste Tochter bringen, und der gab er am Abend eine Menschenhand zum Nachtessen und verschwand. Die Jüngste war aber klüger als ihre Schwestern, denn sie band sich die Hand auf den Leib und zog ihre Röcke darüber. Als nun der Mohr am andern Morgen wiederkam, und rief: »he Hand! wo bist du?« da antwortete diese: »im Leibe der Braut!« und der Mohr sprach: »du bist die rechte«, und behielt sie bei sich, und sie hatte ein gutes Leben bei ihm. Jeden Abend gab er ihr einen Trank, von dem schlief sie sogleich ein, und dann legte er sich zu ihr. Nach geraumer Zeit machten sich ihre Schwestern auf, um sie zu besuchen, und fragten sie, wie sie mit dem Mohren lebe, und sie antwortete: »ganz gut, aber jeden Abend giebt er mir einen Trank, von dem ich sogleich einschlafe, und daher weiß ich nicht, was in der Nacht vorgeht, und ob er ein Mohr bleibt, oder seine Gestalt wechselt.« Da sagten ihr die Schwestern: »weißt du was? binde dir einen Schwamm auf die Brust und statt den Trank zu trinken, laß ihn in den Schwamm laufen.«
Die junge Frau machte es, wie ihr die Schwestern geraten hatten; sie ließ den Schlaftrunk in den Schwamm laufen und stellte sich, als ob sie schliefe; und wie sie dann die Augen öffnete, erblickte sie einen schönen Jüngling neben sich, der sie liebkoste. Da wartete sie, bis er eingeschlafen war, und fing dann auch an ihn zu umarmen und zu liebkosen. Während sie ihn so hätschelte, bemerkte sie auf seiner Brust ein goldenes Schloß mit einem goldenen Schlüsselchen. Da öffnete sie es mit dem Schlüsselchen und erblickte darin eine schöne Landschaft mit einem Flusse, an dem die Weiber wuschen; zu denen kam ein Schwein und wollte ein Stück Wäsche rauben, und als sie das sah, rief sie: »he Frau! das Schwein will dir deine Wäsche rauben.« Von diesem Rufe erwachte jener und sprach: »ach, was hast du angestellt? wer hat dir dies geraten? nun wirst du mich verlieren.« Da fing die junge Frau an zu klagen und zu jammern, jener aber blieb fest. – »Du bist bereits schwanger, und wenn du gewartet hättest, bis du geboren hast, so würdest du mich in meiner wahren Gestalt, als Filek-Zelebi, und nicht mehr als Mohr gesehen haben. Jetzt bleibt dir nur ein Weg, mich wieder zu gewinnen. Du mußt dir drei Paar eiserne Schuhe und drei goldene Äpfel machen lassen. Dann mußt du das eine Paar Eisenschuhe anziehen, und den einen Goldapfel in die Hand nehmen und jenen Berg hinaufsteigen, und wenn du oben bist, so mußt du den Apfel hinwerfen, der wird vor dir herrollen und dir den Weg zu der Türe meiner ältesten Schwester zeigen.« Nachdem er dies gesagt hatte, verschwand er vor ihren Augen.
Die Frau machte es, wie er ihr angegeben hatte, sie ließ sich die eisernen Schuhe und die goldenen Äpfel machen, und als diese fertig waren, zog sie ein Paar davon an und nahm einen Apfel in die Hand und stieg damit auf den Berg. Sie brauchte aber drei volle Monate, bis sie hinauf kam, und als sie oben war, da ließ sie den Apfel vor sich herrollen und kam so bis zur Türe der ältesten Schwester des Filek-Zelebi. Da klopfte sie an und blieb die Nacht über dort; am andern Morgen sah sie, wie sie im Hause goldene Zeuge webten. Da fragte sie die Hausfrau: »was bedeutet das? was wollt ihr aus dem Zeuge machen?« und diese antwortete: »die Frau meines Bruders Filek-Zelebi wird nächstens niederkommen und da brauchen wir Windeln.« Diese aber sagte nichts; darauf, sondern zog ihr zweites Paar Eisenschuhe an, und stieg drei Monate lang den zweiten Berg hinauf. Als sie oben war, warf sie den zweiten Apfel hin, und der brachte sie zu der Türe ihrer zweiten Schwägerin. Sie klopfte an und bat die Hausfrau, sie über Nacht zu beherbergen, und als sie diese zu bleiben einlud, sah sie, daß man im ganzen Hause an goldenen Kleidern nähte. Da fragte sie, was das zu bedeuten habe, und die Hausfrau antwortete: »die Frau des Filek-Zelebi, meines Bruders, wird nächstens niederkommen und dafür brauchen wir die Kleider.« Die Fremde aber sagte nichts darauf, sondern stieg am andern Morgen mit dem dritten Paar Schuhe den dritten Berg hinauf, und als sie nach drei Monaten oben war, ließ sie den dritten Apfel rollen, und der brachte sie zu der Türe ihrer jüngsten Schwägerin. Als sie eintrat, fand sie alles im Hause geschäftig, Decken und Weißzeug zurecht zu legen und einzupacken. Da fragte sie: »was geht vor?« und die Hausfrau antwortete ihr: »die Frau des Filek-Zelebi wird noch heute abend niederkommen und darauf richten wir uns ein.« Wie das die Fremde hörte, wurde sie von den Wehen ergriffen und sprach: »wartet ein bischen, bis ich geboren habe, und geht dann erst zu der andern.« Darauf kam sie mit einem Knaben nieder, der auf der Brust ein goldenes Schloß hatte; und als das die Hausfrau sah, rief sie: »das ist der Sohn meines Bruders und das ist seine Frau«, und kaum hatte sie das gesagt, so kam auch der Filek-Zelebi herzu, und nun stellten sie eine große Hochzeit an und lebten herrlich und in Freuden.
[Griechenland: Johann Georg von Hahn: Griechische und Albanesische Märchen]