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Von dem weiberscheuen Prinzen

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Anfang des Märchens: guten Abend, Eure Herrlichkeiten!
Es war einmal ein König, der hatte einen einzigen Sohn, und als derselbe herangewachsen war, wollte er ihn verheiraten. Aber der Sohn wollte nichts vom Heiraten wissen, und je mehr ihn der König bat, ihm und dem Reiche einen Erben zu schenken, desto größer wurde sein Widerwille vor dem Ehestande. Da beschloß der König endlich ihn auf Reisen zu schicken, damit er etwa in der Fremde irgend ein Mädchen finde, das ihm gefiele, und sich in sie verliebe. Er ließ ihm daher ein schönes Schiff bauen, und auf diesem besuchte der Prinz viele Länder und Reiche, und wo er hinkam, erwies man ihm als Königssohn große Ehren, und führte ihm nach der Bitte seines Vaters alle schönen Königstöchter auf. Der Prinz aber fand an keiner Gefallen, und sobald man ihm irgendwo vom Heiraten sprach, da machte er sich heimlich aus dem Staube.
Als er eines Tages mit seinem Schiffe auf dem Meere war, erhob sich ein großer Sturm und warf das Schiff mit solcher Heftigkeit auf eine Klippe, daß es in Stücke ging und die ganze Mannschaft sammt dem Prinzen in das Meer geschleudert wurde. Der Zufall wollte aber, daß ein alter Fischer in jener Gegend grade seine Netze ausstellte und bei dieser Arbeit von weitem einen Körper auf dem Meere schwimmen sah. Da ruderte er mit seinem Boote hin, um den Menschen zu retten, und als er ihn herausgezogen hatte, brachte er ihn in seine Hütte, machte Feuer an, um ihn wieder zu erwärmen, und nachdem er sich lange vergebens bemüht hatte, fing der Prinz an, wieder Lebenszeichen von sich zu geben. Da flößte er ihm ein bischen warmen Wein ein, und nun fing der Prinz an, seine Diener bei Namen zu rufen und ihnen Befehle zu erteilen, aber der alte Fischer suchte ihn nach und nach mit dem Unglück bekannt zu machen, und als dem Prinzen die Erinnerung an den Sturm und den Schiffbruch allmälig zurückkehrte, da fing er an, seine Genossen zu beweinen. Der Alte ließ ihn eine Weile gewähren, endlich aber suchte er ihn zu trösten und sprach: »Weinen und Klagen hilft zu nichts, aber wenn du willst, kannst du bei mir bleiben und mir fischen helfen, und dann wollen wir mit einander leben wie Vater und Sohn. Wenn dir das aber nicht gefällt, so will ich dich mit meinem Boote in die nächste Stadt bringen, vielleicht findest du dort einen von deinen Genossen.«
Darauf dankte ihm der Prinz für seine Gastfreundschaft und bat ihn, ihm seine Kleider zu geben und dafür die seinigen anzunehmen, denn er wolle unerkannt in die Stadt gehen, und was auch immer sein Schicksal sein möge, so werde er ihn niemals vergessen. Als der Prinz nun mit den Fischerkleidern in die Stadt kam, war sein Erstes, sich von dem Gelde, was ihm der Fischer mitgegeben, eine Ochsenblase zu kaufen, und sie um den Kopf zu binden, um sein wunderschönes seidenes Kopfhaar darunter zu verstecken, und sich das Ansehen eines Grindkopfes zu geben. Nachdem er lange vergebens nach seinen Genossen geforscht hatte, ging er zu dem Stallmeister des Königs und verdingte sich bei ihm zur niederen Stallarbeit nur für die Kost. Die Stallknechte aber waren böse Menschen und behandelten ihn sehr schlecht, doch er ertrug alles, was sie ihm antaten, mit großer Geduld, ohne jemals eine Klage laut werden zu lassen.
Seine Hauptarbeit bestand darin, aus dem Garten des Königs Wasser zu holen und es in den Stall zu tragen, und wenn er glaubte, daß er dort allein war, dann zog er eine Flöte hervor, die er sich gekauft hatte, und spielte darauf so schön, daß selbst die Nachtigallen seinem Spiele lauschten.
Eines Tages aber hörte die Königstochter seine süßen Weisen aus der Ferne, und stieg zum Brunnen, um zu sehen, wer dort so schön spiele.
Als sie näher kam, wunderte sie sich, daß das ein Grindkopf sei; dem Prinzen aber war über dem Spiele so warm geworden, daß er seine Blase abnahm, um sich abzukühlen, und da sah die Prinzessin, wie ihm die schönen seidenen Goldlocken über die Schultern herabfielen, und verliebte sich sofort in ihn. Damit er ihr aber nicht entwischen könne, lief sie rasch auf ihn zu. Als sie nun der Prinz vor sich sah, wäre er vor Schrecken beinahe gestorben; er kniete vor ihr nieder und bat sie mit süßer Stimme, ihn nicht aufzuhalten, damit er von den Stallknechten nicht mißhandelt würde. Die Prinzessin aber erkannte sogleich aus seinen Reden, daß er kein gemeiner Mensch sei, und sprach zu ihm: »fürchte dich nicht, ich habe hier zu befehlen, denn ich bin des Königs Tochter.« Als das der Prinz hörte, fürchtete er für sein Leben und rief weinend: »o Prinzessin! verzeihe mir nur diesmal, ich will gewiß nicht mehr hierherkommen.« Darauf beruhigte ihn diese und sprach: »sage mir, woher du bist, und ich werde dich von den bösen Menschen befreien, unter denen du jetzt lebst.« Da sprach der Prinz: »ich bin eines Fischers Sohn.« »Das ist nicht wahr«, versetzte die Prinzessin; aber er bestand darauf, daß er nicht lüge, und auf seine wiederholten Bitten gab ihm endlich die Prinzessin die Erlaubnis, wegzugehen, doch mußte er vorher versprechen, jeden Tag hierher zum Brunnen zu kommen.
Der Prinz kehrte ganz glücklich in den Stall zurück, als er aber dorthin kam erhielt er neununddreißig Hiebe dafür, daß er so lange ausgeblieben war. Am andern Tage wollte er daher heimlich zum Brunnen schleichen und Wasser holen, aber die Prinzessin war schon dort und lauerte ihm auf, und als sie hörte, wie es ihm gestern ergangen war, ließ sie den Stallmeister rufen, und sprach zu ihm: »du hast in dem Stalle einen Grindkopf, den schicke mir hierher, denn ich will ihn in meine Dienste nehmen.« Der Stallmeister verlor den Burschen sehr ungern, weil er so tüchtig und pünktlich in seiner Arbeit war; doch was konnte er tun? er mußte hingehen und ihn herbeiholen. Unterwegs aber sagte er zu ihm: »habe ich dir nicht gesagt, daß du dich vor der Königstochter nicht sehen lassen sollst, und nun muß ich dich auf den Richtplatz führen und spießen lassen.« Da verschwor sich der Prinz, daß er die Prinzessin gar nicht kenne, und klagte und weinte, und bat den Stallmeister, ihn leben zu lassen; dieser aber erwiderte: »das hilft dir alles nichts, du mußt gespießt werden.«
Nachdem ihn der Stallmeister der Prinzessin vorgestellt hatte, machte ihn diese zu ihrem Tafeldecker und Aufwärter. Wie er aber gewaschen war und neue Kleider angezogen hatte, da war sein Aussehen so schmuck, daß ihn die Prinzessin zum Kammerdiener machte, und er ihre Zimmer rein zu halten hatte. In einem derselben stand ein Klavier, und als er eines Tages glaubte, daß es Niemand hören werde, da fing er an und spielte darauf leise, leise, und summte ein Liedchen dazu. Die Prinzessin aber belauschte ihn, und als sie ihn so schön spielen und singen hörte, da wurde sie nur noch mehr in ihrem Glauben bestärkt, daß hinter ihrem Diener ein großes Geheimnis stecke. Dieser fuhr fort zu spielen und zu singen, und stellte so seine ganze Geschichte dar, und darüber wurde er endlich so betrübt, daß er in Weinen und Schluchzen ausbrach.
Darauf bat die Prinzessin ihren Vater um die Erlaubnis, von ihrem Kammerdiener Unterricht in der Musik nehmen zu dürfen. Der König aber wollte es gar nicht glauben, daß das ein so großer Musiker sei, bis ihn die Prinzessin in dem Musiksaale versteckte, und nachdem er ihn dort spielen gehört, hatte er daran ein solches Gefallen, daß er seiner Tochter ihre Bitte gewährte. Von da an nahm also die Prinzessin Klavierunterricht bei ihrem Kammerdiener, und der lehrte es ihr so gut, wie es der beste Klaviermeister nicht vermocht hätte. Von Zeit zu Zeit suchte sie ihm sein Geheimnis abzufragen; sobald dies aber der Jüngling merkte, fing er an zu weinen, und war dabei so schön, daß die Prinzessin Mitleid mit ihm hatte und ihn nur immer lieber gewann.
Aber auch der König hatte ihn lieb und nahm ihn daher oft auf seinen Spaziergängen mit. Als er einst mit ihm am Strande lustwandelte, erschienen die Botschafter von drei Königen, welche alle drei bei ihm um die Hand seiner Tochter für ihre Herren anhielten. Da wußte er nicht, wem er den Vorzug geben sollte, und sagte daher zu den Botschaftern, sie sollten ein wenig warten, denn er wolle seine Tochter beschicken und ihr die Wahl anheim stellen. Darauf schrieb er einen Brief an seine Tochter und schickte ihn mit dem Jüngling zur Prinzessin. Als diese den Brief gelesen hatte, nahm sie Feder und Papier und schrieb an ihren Vater: »wenn du mich verheiraten willst, so weiß ich keinen Bessern, als den Mann, der mir deinen Brief gebracht hat und dir diesen übergeben wird. Wenn dir der aber nicht genehm ist, so bleibe ich ledig und lebe mit dir zusammen.« Nachdem der König diesen Brief gelesen hatte, dauerte ihn seine Tochter, und er sagte daher zu den drei Botschaftern: »meine Tochter kann nicht heiraten, denn sie ist krank und dankt daher den drei Herren für die erwiesene Ehre.«
Als der König in sein Schloß zurückkehrte, und seine Tochter ihm entgegen kam, machte er ihr Vorwürfe und sprach: »was soll das heißen, was du mir da geschrieben hast? schämst du dich nicht, einen gemeinen Menschen zum Manne zu wollen, und Könige zu verschmähen?« Da kniete die Tochter vor ihm nieder und sprach: »warum hast du mich mit solcher Zärtlichkeit erzogen, und willst mich nun aus deinen Armen lassen? Ich will viel lieber bei dir bleiben, als fern von dir ein noch so glänzendes Leben führen.« Über diese Rede wurde der König zwar sehr gerührt, aber es dauerte lange, bis ihn die Prinzessin durch Tränen und Schmeicheleien dahin brachte, in ihre Vermählung mit dem verkappten Prinzen zu willigen. Als nun die Prinzessin demselben anzeigte, daß sie ihn heiraten wolle, und ihr Vater seine Einwilligung gegeben, da ließ er sich von ihr versprechen, daß sie alles, was er ihr erzählen würde, geheim halten wolle, und teilte ihr dann seine ganze Geschichte mit, und bat sie, noch eine kleine Weile zu warten, bis sich sein Schicksal von selber erfüllen werde. Darauf bat die Prinzessin den König, ihre Hochzeit drei Monate lang zu verschieben.
Eines Tages befand sich der König mit seinem künftigen Schwiegersohne in einem seiner Lusthäuser am Strande, als ein großes Schiff sichtbar wurde, das zum Zeichen seiner Trauer die Flagge auf dem halben Mast führte und sein Tau- und Rahenwerk in Unordnung hatte. Nachdem es Anker geworfen, kam der Capitain in Trauerkleidern heraus und fragte, ob hier Landes kein Schiff gescheitert sei, in dem sich der Königssohn des und des Königreiches befunden habe. Als man ihn nun vor den König brachte, und er dort denjenigen erblickte, welchen er suchte, kniete er vor ihm nieder und begrüßte ihn als seinen König; und wie das der König sah, wunderte er sich sehr und rief: »sage mir, Schwiegersohn, warum hast du mir dein Geheimnis nicht mitgeteilt?« Da entstand ein großer Jubel in der ganzen Stadt und in dem ganzen Lande, und wurde die Hochzeit mit der größten Pracht und Herrlichkeit gefeiert.
Darauf kehrte das Schiff mit der fröhlichen Nachricht von dem Leben des Prinzen und dessen Heirat nach Hause zurück, und als das sein Vater hörte, ließ er eine große Flotte ausrüsten, um ihn zu besuchen, und nahm die kostbarsten Geschenke mit für seine Schwiegertochter. Wie er nun seinen Sohn nach so langer Trennung wieder erblickte, da wurde er ohnmächtig, und es dauerte lange, bis er wieder zu sich gebracht wurde. An seiner Schwiegertochter aber hatte er großes Wohlgefallen und nannte sie Königin in zwei Reichen.
Nachdem er eine Weile bei den Neuvermählten verbracht hatte, kehrte er wiederum in sein Reich zurück; aber nach zwei Jahren wurde er krank und schrieb daher einen Brief an seinen Sohn, daß er schleunigst zu ihm kommen solle, damit er ihn vor seinem Tode noch einmal sehen und ihm sein Scepter übergeben könne. Sobald der Prinz diesen Brief gelesen hatte, traf er sogleich die nötigen Anstalten zur Reise; aber seine Frau hatte ihn so lieb, daß sie erklärte, sie könne sich nicht von ihm trennen, sondern wolle mit ihm reisen, obgleich sie in der Hoffnung und die Zeit ihrer Niederkunft nahe war, und alle Bemühungen ihres Vaters und ihres Mannes, um sie von diesem Gedanken abzubringen, waren vergeblich. Sie ging also mit ihrem Manne zur See, und am zehnten Tage nach ihrer Abfahrt bekam sie Kindeswehen und gebar ein Töchterchen; aber kaum war die Geburt vorüber, so befiel sie ein hitziges Fieber und davon blieb sie wie tot. Der Prinz war außer sich vor Schmerz, daß er seine geliebte Frau verloren habe, und sah und hörte nichts von dem, was um ihn vorging. Sein Gefolge aber ließ einen goldenen Sarg bereiten, legte die Königin hinein und warf ihn ins Meer, weil man in jenen Zeiten glaubte, daß ein Schiff nicht fahren könne, welches einen Toten an Bord habe. Aber sie hatten auch viel Geld und eine Schrift hineingelegt, in welcher geschrieben stand, wer sie wäre, und daß der, welcher den Sarg fände, die Königin begraben und dafür das Geld behalten solle, was in dem Sarge sei.
Nachdem der Sarg eine Zeitlang auf dem Meere geschwommen, trieb ihn der Wind an den Strand, und dort fand ihn ein berühmter Arzt, der jeden Morgen an der See zu lustwandeln pflegte. Er ließ ihn nach Hause bringen und fand darin die Leiche einer Frau; wie er sie aber näher untersuchte, schien es ihm, als ob sie nicht tot, sondern nur ohnmächtig sei. Er versuchte daher alle ihm bekannten Mittel und brachte die Prinzessin endlich wieder zum Leben, und als diese die Augen wieder öffnete, rief sie nach ihrem Manne. Aber der Arzt befahl ihr, sich ruhig zu verhalten und nicht zu reden, und stellte sie allmälig wieder her. Als sie vollkommen genesen war, gab er ihr den Zettel zu lesen, der im Sarge lag. Da war sie anfangs freilich sehr betrübt und jammerte nach ihrem Töchterchen und nach ihrem Manne, aber der Arzt ließ nicht ab ihr zuzureden und Trost zuzusprechen, bis sie sich endlich in ihr Schicksal ergab, und auf einer nahe gelegenen Anhöhe ein Kloster erbaute. Nachdem das fertig war, zog sie hinein, nahm noch andere Frauen auf, und verbrachte ihr Leben damit, daß sie für ihren Mann und für ihre Tochter betete.
Das Schiff, auf welchem der Prinz fuhr, legte an verschiedenen Häfen seines Reiches an, und so kam er auch zu einem Statthalter seines Vaters, der ihm als ein treuer Mann bekannt war. Bei diesem ließ er daher sein Kind zurück und befahl ihm, es wie sein eigenes zu pflegen und es, wenn es heranwüchse, in der Musik und den Wissenschaften unterrichten zu lassen, ihm aber von Zeit zu Zeit über sein Befinden Bericht zu erstatten. Doch das Unglück wollte es, daß der Statthalter von seiner Frau nur eine Tochter hatte, die sehr häßlich war, und daß diese daher auf die Königstochter, deren Schönheit mit jedem Tage zunahm, immer eifersüchtiger wurde. Als daher das Mädchen zehn Jahre alt war, da befahl die Frau des Statthalters einem ihrer Diener, es mit in den Wald zu nehmen und dort umzubringen. Diesen aber dauerte das schöne unschuldige Kind, und er ging daher mit ihm eine lange Zeit im Walde herum, ohne zu wissen, was er tun solle, und so kam er endlich mit dem Mädchen an den Strand. Durch das viele Wandern war das Kind so erschöpft, daß es zu ihm sagte: »töte mich, wenn du willst, aber ich gehe nicht mehr weiter, denn ich kann nicht mehr.« Da sprach der Diener: »so setze dich und warte, bis ich mich entschlossen habe, was ich tun will.« Wie er aber so dastand und nachsann, sah er Seeräuber auf sich zukommen; da ließ er das Mädchen im Stiche und lief weg.
Die Seeräuber nahmen das Mädchen und verkauften es an eine Kupplerin. Diese behandelte es anfangs sehr gut und gab ihm schöne Kleider und gutes Essen, bis es sich wieder erholt hatte. Dann stellte sie eine Kiste neben das Mädchen und sagte ihr, daß sie da hinein das Geld werfen solle, was sie verdienen würde. Darauf benachrichtigte sie alle reichen jungen Leute der Stadt von der schönen Sclavin, welche sie gekauft habe. Als aber diese hinkamen, da gab ihnen das Mädchen so gute Worte, und wußte sie so zu rühren, daß sie weggingen, ohne es zu berühren. Die Kupplerin war darüber sehr böse, und fing an das Mädchen zu mißhandeln und rief: »ich habe dich gekauft, um Geld mit dir zu verdienen.« Da kniete das Mädchen vor sie hin und bat: »schlage mich nicht, sondern gieb mir eine Laute, ich will damit vor den Häusern singen und spielen, und was ich gewinne, das will ich dir alles heim bringen.« Sie ließ nicht eher mit Bitten ab, bis die Kupplerin ihr eine Laute kaufte; mit der zog sie nun in der Stadt herum, und spielte darauf und sang dazu, und das gefiel den Leuten so wohl, daß sie sie reich beschenkten und sie jeden Abend viel Geld nach Hause brachte. Doch die Kupplerin war damit niemals zufrieden, sondern sagte stets: »morgen mußt du mir noch mehr bringen.«
Der Prinz kam glücklich zu seinem Vater, und der empfing ihn mit großer Freude; als er aber das Unglück hörte, das seinen Sohn betroffen, und daß seine Schwiegertochter gestorben sei, die er so liebte, wurde er darüber so betrübt, daß er nicht lange mehr lebte, und nach seinem Tode bestieg der Sohn den Thron. Obgleich er aber nun König war und ihm alle Freuden der Welt zu Gebote standen, so blieb er doch stets düster und traurig, alle Festlichkeiten waren ihm ein Gräuel, und er war am liebsten allein. Da erhielt er eines Tages einen Brief von seinem Statthalter, worin ihm dieser schrieb, daß seine Tochter krank geworden und gestorben sei, und daß er ihr ein glänzendes Leichenbegängnis abgehalten habe. Als er den Brief gelesen hatte, wurde er ganz tiefsinnig, er sprach kein Wort mehr, und wollte auch Niemand mehr sehen; und alle Versuche seiner Diener, ihn aus diesem Zustande zu reißen, waren vergebens. Darüber kamen alle Regierungsangelegenheiten ins Stocken, und das Reich geriet in große Verwirrung. Endlich faßte sich der Kanzler ein Herz, und ging zu dem König und sprach: »Herr, du mußt dich endlich fassen und wieder König sein, denn so wie es ist, kann es nicht weiter gehen, sonst gerät das ganze Reich in Gefahr; das Volk verlangt seinen König zu sehen, und du mußt dich ihm zeigen.«
Als das der König hörte, tat er sich Gewalt an und befahl, daß man ein Schiff ausrüsten solle, weil er alle Teile seines Reiches bereisen wolle. Nachdem das Schiff bereit war, stieg er hinein, und fuhr damit von einem Orte zum andern, blieb aber dabei ebenso traurig und düster als vorher. So zog er nun geraume Zeit umher und kam endlich in eine Hafenstadt, und als seine Diener den Marktplatz besuchten, sahen sie dort ein hübsches zwölfjähriges Mädchen, das auf der Laute spielte und dazu sang, und sein Gesang gefiel ihnen so sehr, daß sie auf den Gedanken kamen, das Mädchen vor der Türe des Königs singen zu lassen, um ihn dadurch vielleicht zu zerstreuen, weil er die Musik so liebte.
Als der König das schöne Spiel und den schönen Gesang des Mädchens hörte, wurde er aufmerksam, und nach einer Weile öffnete er die Türe, um zu sehen, wer so schön spiele.
Da erblickte er ein schönes Mädchen, das mit seiner verstorbenen Tochter von gleichem Alter war. Er rief sie ins Zimmer und ließ sie dort weiter singen, und da sang sie ihre ganze Geschichte, so weit sie sich deren erinnerte, in einem Liede. In dem König aber stieg über dem Liede eine Ahnung auf; er ließ sich dasselbe also noch einmal ohne Musik hersagen, und fragte dann das Mädchen, ob das nicht seine eigene Geschichte sei, und als es ja sagte, ließ er sogleich die Kupplerin kommen und fragte sie nach dem Mädchen, und die erzählte ihm, daß sie es von Seeräubern gekauft habe. Da bot ihr der König den Kaufpreis, den sie dafür gegeben hatte. Die Alte aber erwiderte, daß sie das Mädchen nicht für sein ganzes Königreich hergebe. Der König bot ihr darauf das doppelte und vierfache, und erklärte ihr endlich, daß sie das Mädchen nicht mehr erhalten könne. Da stürzte sich die Alte auf dasselbe und wollte es erwürgen, der König aber ließ sie ins Gefängnis werfen. Darauf umarmte er das Mädchen und sagte ihm, daß es seine Tochter sei.
Von da fuhr er nun mit seiner Tochter nach einer andern Stadt, und sah dort auf einer Anhöhe ein neues Kloster stehen, das er noch nicht kannte, und als er sich danach erkundigte, erfuhr er, daß es eine schöne fremde Frau aus eigenen Mitteln erbaut habe. Da ging er hin, und während er an der Tür klopfte, sah er über derselben in einer Nische den goldenen Sarg stehen und erkannte sogleich, daß dies der Sarg seiner Frau sei. Als ihn darauf die Pförtnerin nach seinem Begehren fragte, bat er um Erlaubnis, das Kloster zu betrachten. Da zog sich die Äbtissin mit ihren Frauen in ein Versteck zurück und befahl ihn einzulassen, und während er im Kloster herumging und sich dasselbe ansah, erkannte ihn die Äbtissin trotz seines düsteren Aussehens und fiel darüber in Ohnmacht, und ihre Frauen hatten viele Mühe, sie wieder zu sich zu bringen. Als der König das Kloster besehen hatte, ließ er die Äbtissin um Erlaubnis bitten, ihr aufwarten zu dürfen, und sowie er sie erblickte, erkannte er sie sogleich, nahm sie in seine Arme und herzte und küßte sie.
Darauf fuhren sie zusammen nach dem Sitze jenes Statthalters, und als der König ihm sagte, daß er ihn zur Grabstätte seiner Tochter führen solle, stürzte er ihm zu Füßen und gestand ihm alles, indem er alle Schuld auf seine böse Frau wälzte. Da bat auch die Königin um Gnade für ihn, und ihr zu Liebe beschränkte sich der König darauf, ihn außer Landes zu verbannen.
Von da fuhren sie nach dem Reiche des Vaters der Königin, und als dieser hörte, daß seine Tochter komme, freute er sich sehr, denn von allem, was vorgefallen war, hatte er nichts erfahren. Nun ließ der Königssohn auch den Fischer kommen, der ihm das Leben gerettet hatte, und wollte sich vor ihm wie der Sohn vor dem Vater verbeugen, aber der Fischer fiel ihm zu Füßen und weinte vor Freuden ihn wieder zu sehen, und der Königssohn behielt ihn bei sich in hohen Ehren, so lange er lebte. Aber auch ihn wollte der alte König nicht mehr von sich lassen; er blieb also mit Frau und Kind bei ihm, und als der Alte starb, folgte er ihm in der Herrschaft nach und machte aus den beiden Reichen eins.

[Griechenland: Johann Georg von Hahn: Griechische und Albanesische Märchen]

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