Es war einmal eine Füchsin, die hatte nichts zu essen, und stellte sich daher, als ob sie auf die Pilgerschaft gehen wollte. Auf dem Wege begegnete sie einem Hahn. Der fragte sie: »Wo gehst du hin, Frau Marja?«
»Auf die Pilgerschaft und wieder zurück«, erwiderte diese.
»Da will ich mit dir gehen.«
»So komm‘ und setz‘ dich auf meinen Rücken!« Und so ging’s weiter.
Über eine Weile traf sie auf ein paar Tauben; und als diese die Füchsin ansichtig wurden, flatterten sie auf. Diese aber rief: »bleibt ruhig, bleibt ruhig Kinder, ich habe das aufgegeben und geh jetzt auf die Pilgerschaft.«
»Da will ich mit dir gehen!« sagte der Täuber.
»So komm‘, da wo der Hahn ist, hast auch du Platz.«
Drauf ging es wieder ein Stück weiter, da traf sie auf ein paar Enten. Als diese die Füchsin sahen, flatterten sie auf. Sie aber rief: »Bleibt ruhig, Kinder, die alten Streiche hab‘ ich gelassen, und bin jetzt auf der Pilgerfahrt.«
»Da will ich auch mitgehn!« sagte der Enterich.
»So komm‘ und steig auf meinen Rücken; da wo die andern sind, kannst auch du sitzen!«
Nachdem sie so ein gut Stück Weg gemacht hatten, kamen sie zu einer Höhle. Da sprach die Füchsin: »Da drin wollen wir uns einander Beichte hören; denn wir müssen über Flüsse und Meere hinüber, und Gott weiß, ob wir so glücklich sind, bei der Gnadenstätte anzukommen! Also komm du her, Meister Hahn, damit ich dich zuerst verhöre.«
»Was habe ich getan, Frau Marja?«
»Was du getan hast?« fragte die Füchsin. »Weißt du nicht, daß du schon um Mitternacht zu krähen anfängst und die Leute aus dem besten Schlaf aufweckst, daß du dann rasch nachher noch einmal krähst und die Caravanen irre in der Zeit machst, so daß sie zu früh aufbrechen und den Räubern in die Hände fallen. Das sind schwere Sünden, die verlangen schwere Bußen.« Da packte sie den Hahn bei dem Kragen und fraß ihn auf.
Nachdem sie fertig war, trat sie vor die Höhle und rief: »jetzt komm du, kleiner Täuber, damit ich dich beichte.«
»Was hab‘ ich denn Böses getan, Frau Marja?«
»Was du Böses getan hast?« erwiderte die Füchsin. »Wenn die Leute ihre Saaten aussäen, um Frucht davon zu erndten, gehst du da nicht hin und scharrst sie aus, und frissest sie? Das ist eine schwere Sünde, die fordert schwere Buße!«
Drauf fraß sie auch den Täuber. Und als sie damit fertig war, trat sie vor die Höhle und rief: »Nun komm du herein, Herr Enterich, damit ich dich beichte.«
»Was hab‘ ich denn Böses getan, Frau Marja.«
»Was du Böses getan hast? Hast du nicht dem König die Krone gestohlen und trägst sie auf deinem Kopfe?«
»Nein, Frau Marja, das ist nicht wahr. Warte ein bischen, ich will Zeugen holen.«
»Gut, so geh‘.« –
Da ging der Enterich und setzte sich auf einen Holzbirnbaum; unter dem kam ein Jäger vorbei und zielte nach dem Enterich mit der Flinte, um ihn zu schießen.
»Schieße mich nicht«, rief dieser, »was hast du an mir? Komm lieber mit, ich will dir einen Ort zeigen, wo eine Füchsin versteckt ist.«
Der Jäger war es zufrieden, und sie gingen zusammen hin. Als sie nun zu der Tür der Höhle gekommen waren, da rief der Enterich: »Komm heraus, Frau Marja, ich hab‘ die Zeugen gebracht.«
»Sind’s denn so viele? und wollen sie nicht hereinkommen?«
»Das geht nicht! Also komm du nur heraus!«
Der Jäger aber zielte nach der Tür der Höhle, und wie nun die Füchsin heraussah, drückte er ab und schoß sie tot, aber bevor sie verendete, rief sie zum Enterich: »Schwarze Unglückstage über dich und die Zeugen, die du mir gebracht hast!«
[Griechenland: Johann Georg von Hahn: Griechische und Albanesische Märchen]