Es war einmal ein König, der hatte drei Töchter, und wurde eines Tages aufgeboten, um in den Krieg zu ziehen. Da er aber schon alt und schwächlich war, so betrübte ihn das sehr, und er saß Tage lang, um darüber nachzusinnen, was er tun solle.
Da kam seine älteste Tochter zu ihm und fragte: »Was hast du, Herr, daß du so traurig bist?«
»Das geht dich nichts an, packe dich deiner Wege!«
»Nein, lieber Vater, ich muß es wissen, und gehe nicht eher von der Stelle, als bis du mir es sagst.«
»Was soll ich dir sagen, mein armes Mädchen? Man hat mich zum Kriege aufgeboten, und ich bin zu alt, um mitzuziehn.«
»O weh! Ich glaubte, du zerbrächst dir den Kopf, wie du mich endlich unter die Haube bringen könntest«, rief das Mädchen trotzig, und verließ den Vater.
Drauf kam die Zweite und sprach: »Was ist dir, Väterchen, daß du so traurig bist?«
»Das geht dich nichts an, packe dich deiner Wege!«
»Nein, nein! du mußt es mir sagen, ich will es wissen!«
»Ich sage dir’s nicht, denn sonst antwortest du mir, wie die Andere.«
»Nein, das tue ich gewiß nicht!«
»Nun, so höre, mein Kind! Man bietet mich auf zum Kriege, und ich bin zu alt dazu und kann nicht mitgehn.«
»O Unheil! ich glaubte, du zerbrächst dir den Kopf, wie du mich unter die Haube bringen könntest!« rief das Mädchen und ging seiner Wege.
Drauf kam die Jüngste und fragte: »Was ist dir, Vater, daß du so traurig bist?«
»Das geht dich nichts an, packe dich deiner Wege! Denn sonst antwortest du mir, wie die zwei Andern.«
»Nein, nein! das tu‘ ich gewiß nicht; sage es mir, ich beschwöre dich!«
»Also, mein Töchterchen, du willst wissen, warum ich so traurig bin? Man hat mich zum Kriege aufgeboten, und ich bin alt geworden und kann nicht mitziehn.«
»Und das kümmert dich so sehr? Weißt du was? Laß mir schöne Mannskleider machen, und gieb mir ein gutes Pferd, und ich will statt deiner in den Krieg ziehn.«
»Ach, geh doch, du bist ein Mädchen und willst in den Krieg ziehen?«
»Das laß dich nicht kümmern! Ich will nicht blos hingehn, sondern auch siegen.«
»Nun denn, in Gottes Namen!« sagte der König, ließ ihr Mannskleider machen und gab ihr ein gutes Pferd. Das Mädchen zog in den Krieg und überwand die Feinde.
Bei diesem Feldzug war auch ein Prinz aus einem andern Königreiche. Und als sie zusammen nach Hause zogen, kehrten sie in dem Schlosse dieses Prinzen ein, und da kam es ihm vor, als ob sein Gast kein Mann wäre. Er ging also zu seiner Mutter und sprach: »Ich glaube, das ist ein Mädchen, Mutter.« Die wunderte sich sehr über diese Rede und sagte: »Wie kann ein Mädchen in den Krieg ziehn?« Er aber blieb bei seiner Meinung, und um in’s Klare zu kommen, riet ihm die Mutter: »Führe sie in den Wald und schlafe mit ihr zusammen auf dem Grase, und wenn du beim Aufstehn siehst, daß der Platz, wo du gelegen, frischer ist, dann ist es ein Mädchen. Ist das aber nicht der Fall, dann ist es ein Mann.«
Da gingen sie zusammen in den Wald und schliefen auf dem Grase. Als aber der Prinz eingeschlafen war, da schlich sich das Mädchen weg und schlief an einer andern Stelle, und kehrte erst kurz vor Tagesanbruch an seinen ersten Platz zurück. Als sie aufgestanden waren, untersuchte der Prinz die Plätze und sah, daß der, wo die Prinzessin gelegen, grüner war als der seinige. Und bei der Rückkehr gestand er seiner Mutter, daß sein Platz am dürrsten gewesen ist. Da erwiederte diese: »Hab ich dir’s nicht gesagt, daß es ein Mann sei?« Er aber blieb bei seiner Meinung.
Als nun das Mädchen Abschied nahm, um in sein Reich zurückzukehren, und aus der Stadt herausgeritten war, da rief es: »Ein Mädchen im Kriege! Als Mädchen bin ich in den Krieg gezogen zur Schande des Esels von König!«
Als das der Prinz hörte, sagte er zu seiner Mutter: »Siehst du, Mutter, daß ich Recht hatte und daß es ein Mädchen war! Aber ich will hinziehen in ihr Reich, und sie zur Frau nehmen.«
Der Prinz zog also alte Kleider an, kaufte sich eine Anzahl Spindeln, Kunkeln und Halsbänder, ging nach der Stadt der Prinzessin, und bot seine Waaren dort feil, indem er schrie: »Spindeln, Kunkeln, Halsbänder für den goldnen Zahn!« Denn er wußte, daß die Prinzessin einen Zahn verloren und dafür einen goldnen eingesetzt hatte.
Als das die Mägde der Prinzessin hörten, sprachen sie zu ihr: »Hörst du nicht, Herrin, was dieser Lump ruft?«
»Laßt ihn schreien!« antwortete diese.
»Wollen wir denn nichts von ihm kaufen?«
»Kauft, was ihr wollt.«
Als sie nun den Krämer heraufgerufen, fragte ihn die Prinzessin: »Wie viel Thaler er für ein Halsband verlange?« Der aber antwortete: »Ich verlange kein Geld, sondern ein Maaß voll Erbsen.« Als das die Mägde hörten, lachten sie laut. Die Prinzessin aber befahl, ihm die Erbsen zu geben. Und wie er sie nun in seinen Sack schütten wollte, ließ er sie auf die Erde fallen, und setzte sich dann hin, um sie Stück für Stück aufzulesen, bis es Nacht wurde. Da sprachen die Mägde: »Warum hast du uns nicht um ein anderes Maaß Erbsen gebeten, statt hier zu sitzen und die aufzulesen?«
»Nein, das geht nicht«, sagte dieser, »denn das ist mein erster Handel. Statt dessen aber bitte ich Euch, mir ein Kämmerchen zu zeigen, wo ich die Nacht schlafen kann.« Die Mägde gingen zur Prinzessin, und erhielten von ihr die Erlaubnis dazu. Da legte sich der Prinz auf die Lauer und entdeckte so den Ort, wo die Schlüssel lagen, mit denen die Prinzessin eingesperrt wurde. Und in der Nacht nahm er die Schlüssel, öffnete das Schlafgemach, warf ein Schlafkraut auf die Prinzessin, das er deshalb bei sich führte, nahm sie auf die Schultern und trug sie in seine Heimat.
Als die Prinzessin aufwachte, fand sie sich an einem fremden Orte und sprach drei Jahre lang gar nicht. Da verlor die Mutter des Prinzen endlich die Geduld, und sagte zu ihm: »Du bist wirklich ein Narr, daß du einen so weiten Weg gemacht und so viel ausgestanden hast, um dir eine stumme Frau zu holen! Werde doch endlich klug, und laß sie sitzen und nimm eine Andere.« Sie stellten also eine große Hochzeit an, und als es zur Trauung des neuen Brautpaars ging, und alle Gäste Kerzen erhielten, gaben sie der Stummen auch eine, und wie die Feier zu Ende war, da warf sie die Kerze nicht weg gleich den Andern, sondern behielt sie in der Hand, und alle Welt sagte zu ihr: »du verbrennst deine Hand, Stumme.« Sie aber tat, als hörte sie es nicht. Da kam der Bräutigam selbst und sagte zu ihr: »Stumme, du verbrennst dir die Hand!« Sie aber tat, als hörte sie’s nicht. Drauf sprach der Bräutigam: »laßt auch die Braut ihr zureden.« Und die Braut sprach: »Stumme, du verbrennst dir die Hand!« Da rief diese plötzlich: »Stumm sollst du selbst werden, und dahin gehen, wo du hergekommen bist! Ich habe zum Prinzen ein Wort gesprochen, und bin deswegen drei Jahre stumm gewesen, und du, Braut, hast noch die Krone auf, und schiltst mich eine Stumme?« Als der Prinz hörte, daß die Stumme wieder sprach, da verstieß er die neue Braut und nahm die alte und lebte mit ihr glücklich und in Freuden.
[Griechenland: Johann Georg von Hahn: Griechische und Albanesische Märchen]