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Vom Prinzen, der dem Drakos gelobt wurde

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Es war einmal ein König, der bekam keine Kinder, und war darüber so betrübt, daß er einstmals ausrief: »ich wollte, ich hätte ein Kind, und möchte es auch der Drakos fressen.« Und siehe da, auf diese Rede hin wurde der Leib der Königin gesegnet und sie kam mit einem Knaben nieder. Als aber dieser Knabe herangewachsen war, da trat der Drakos vor den König und sprach:
»gieb mir nun den Knaben, den du mir gelobt hast«; und dieser antwortete: »du sollst ihn haben.« Darauf ließ der König seinen Sohn kommen und erzählte ihm die Sache, indem er sprach: »liebes Kind, so und so steht es mit dir, ich habe dich dem Drakos gelobt, und nun ist er gekommen, um dich zu holen.« »Wenn dem so ist«, antwortete der Sohn, »so will ich nicht warten, bis er wiederkommt, sondern hingehn und ihn aufsuchen und sehn, wer von beiden den andern tot schlägt.«
Darauf nahm der Prinz ein Messer und zog fort, um den Drakos aufzusuchen. Als er eine Weile gewandert war, kam er an ein Gebirge, und als er das erstiegen hatte, und auf die Ebene herabblickte, die jenseits lag, sah er dort einen schwarzen Punkt, der sich bewegte. Da sagte er bei sich: »das wird der Drakos sein, ich will hin, und ihn entweder tot schlagen, oder von ihm gefressen werden.« Er ging also mutig auf jenen schwarzen Punkt los; statt des Drakos fand er aber einen Löwen, einen Adler und eine Ameise, welche alle drei mit einander ein Aas gefunden hatten und nun nicht über dessen Teilung einig werden konnten. Als der Prinz sah, daß das nicht der Drakos war, da wollte er umkehren; sie riefen ihn aber herbei und sagten: »sei so gut und teile dieses Fleisch unter uns.« Da teilte er es in drei Teile, einen großen, einen kleinern und einen ganz kleinen, und gab den großen dem Löwen, den kleinern dem Adler und den ganz kleinen der Ameise. Diese Teilung gefiel den drei Tieren und sie dankten daher dem Prinzen, als er Abschied von ihnen nahm; aber keines dachte daran, ihm für seine gerechte Teilung ein Gegengeschenk zu machen. Als er schon weit weg war, da fiel es der Ameise ein, und sie sprach daher: »hört, Gesellen, wollen wir denn dem, der uns so gut abgeteilt hat, zum Dank dafür nichts verehren?« »Du hast Recht«, erwiederten die beiden andern; sie riefen ihn also zurück, und der Löwe sprach zu ihm: »du hast uns den Gefallen erwiesen und unter uns abgeteilt; wir wollen dir nun auch etwas Gutes dafür erweisen. Von mir aus gewähre ich dir, daß, wenn du zweimal: ‚Löwe, Löwe!‘ rufst, du so stark werden sollst, als ich selber bin.« Der Adler aber sprach: »und ich gewähre dir, daß, wenn du zweimal: ‚Adler, Adler!‘ rufst, du zum Adler werden und wohin du willst, fliegen kannst, und wenn du sagst: ‚Mensch, Mensch!‘ wieder zum Menschen wirst.« Endlich sagte die Ameise: »Ich gewähre dir, daß, wenn du zweimal: ‚Ameise, Ameise!‘ rufst, du zur Ameise wirst, und wohin du willst, kriechen kannst, und wenn du wieder: ‚Mensch, Mensch!‘ rufst, du wieder zum Menschen wirst.«
Da bedankte sich der Prinz bei den Tieren und wollte wieder nach Hause zurückkehren. Unterwegs kam er durch einen Wald, in dem die Schäferei eines Königs lag, und von dieser bis zu dessen Schloß war eine Stunde Wegs. In dieser Schäferei melkte man die Schafe, aber man konnte die Milch dem König nicht heiß ins Schloß bringen, um daraus Käse zu machen. Dieser hatte daher in seinem Reiche ausrufen lassen, daß, wer im Stande sei, die Milch aus der Schäferei heiß ins Schloß zu liefern, den wolle er zu seinem Schwiegersohne machen. Als der Prinz in die Nähe der Hürde kam, stürzten sich alle Hunde auf ihn, um ihn zu zerreißen, er aber sagte: »Adler, Adler!« und flog mitten in die Schäferei. Als ihn die Hirten sahen, wunderten sie sich und fragten ihn: »he, wie bist du hereingekommen, ohne daß dich die Hunde zerrissen haben?« Er aber sagte ihnen nicht die Wahrheit, sondern antwortete: »ich habe auf meinem Wege keinen Hunden begegnet.« Als sie die Milch gemolken hatten und darüber sprachen, wie Schade es sei, daß sie keiner von ihnen dem Könige heiß bringen könne, sagte der Prinz: »gebt sie mir, ich will sie schon heiß hinbringen.« Da spotteten die Hirten über ihn: »was! wir sind hier so viel gute Springer und können das nicht zu Wege bringen, und du solltest es im Stande sein?« Er aber sprach: »wenn ihr mir die Milch nicht gebt, so werde ich es dem König sagen, und der wird euch dafür strafen.« Als sie das hörten, fürchteten sie sich und gaben ihm die Milch. Er ging also mit der Milch aus der Schäferei, und sie schützten ihn vor den Hunden. Als er so weit war, daß sie ihn nicht mehr sehen konnten, da rief er: »Adler, Adler!« verwandelte sich in einen Adler, nahm die Milcheimer in seine Krallen und flog geraden Wegs zum Schlosse des Königs. Dort klopfte er an das Tor, da ihm dies aber nicht schnell genug aufgemacht wurde, so rief er: »Ameise, Ameise!« verwandelte sich in eine Ameise, schlüpfte durch das Schlüsselloch und erschien vor dem König. Dieser wunderte sich, wie er hereingekommen sei; als er aber dann die Milch untersuchte und sie noch warm fand, da sagte er bei sich: »den werde ich zu meinem Schwiegersohne machen«, und nachdem er ihn näher kennen gelernt hatte, gefiel er ihm so, daß er ihn wirklich mit seiner Tochter verlobte.
Grade um diese Zeit hatte sich aber gegen den König einer seiner Statthalter empört, und als er das hörte, sprach er zum Prinzen: »nun, Schwiegersohn, hast du Lust, statt meiner gegen diesen Empörer ins Feld zu ziehen?« und der antwortete, daß er es sehr gern tun wolle. Da versammelte der König ein großes Heer. Der Prinz aber sagte ihm: »ich brauche nur ein kleines, aber auserlesenes Gefolge«, und nachdem er sich dieses ausgesucht, zog er damit gegen den Empörer. Als er nun mit dem feindlichen Heere zusammenstieß, da rief er: »Löwe, Löwe!« und ward so stark wie ein Löwe, vernichtete den Feind, nahm den Empörer gefangen und brachte ihn vor den König.
Darauf stellte der König die Hochzeit des Prinzen mit seiner Tochter an, und sie wurde mit größter Pracht gefeiert. Bald darauf ging jedoch der Prinz eines Tages an die Quelle, um Wasser zu trinken, und wie er sich darüber bückte, da kam daraus der Drakos hervor und verschluckte ihn.
Als das der König erfuhr, tat es ihm sehr leid, sowohl seinetwegen, weil er einen so wackeren Schwiegersohn verloren hatte, als auch seiner Tochter wegen, weil sie ihren Mann so sehr liebte, daß sie schwerlich einen andern Mann heiraten dürfte. Daher beschloß er, sie zu täuschen. Er verbot, ihr den Tod ihres Mannes zu melden, und schickte in aller Eile durch die ganze Welt, um Einen zu finden, der jenem gliche. Als man einen solchen gefunden hatte, da brachte ihn der König selbst zu seiner Tochter und sprach: »siehe, da ist dein Mann unverhofft wiedergekommen.« Seine Tochter aber merkte sogleich, daß das nicht ihr rechter Mann sei, und sagte: »nein, der ist es nicht.« »Ei was«, rief der König, »ich werde doch meinen Schwiegersohn wohl kennen, der ist es und kein anderer.« Seine Tochter aber sprach: »nun, wenn er es wirklich ist, so soll er mit mir in die Nebenkammer kommen, damit ich ihn etwas frage.« Darauf ging sie dorthin voraus; jener wollte ihr folgen, bevor er aber in die Kammer konnte, machte sie ihm die Türe vor der Nase zu, und rief von innen: »Wenn du wirklich mein Mann bist, so komme herein.« Denn ihr Mann hatte ihr alle seine Gaben anvertraut. Als nun der Fremde erklärte, daß er das nicht könne, da kam sie wieder heraus und sprach zu ihrem Vater: »siehst du, daß das mein Mann nicht ist, aber nun mußt du mir auch sagen, was aus ihm geworden ist.« Als nun der König sah, daß er sie nicht hintergehen könne, da sagte er ihr: »liebe Tochter, mit deinem Manne ist es so und so ergangen.« Sie aber sprach: »ich will ihn wieder aus dem Brunnen holen, aber du mußt mir über der Quelle ein Schloß bauen und es mit lauter Äpfeln füllen lassen.« Um seine Tochter zu trösten, tat ihr der König den Willen und ließ über der Quelle ein Schloß bauen und es mit Äpfeln füllen, und als es fertig war, zog die Prinzessin hinein.
Am ersten Tage nun hing sie zehn Äpfel über die Quelle, in der der Drakos war, und als der sie roch, da schnupperte er und sprach: »was für Äpfel sind das?« und die Prinzessin antwortete: »was für ein Mann ist das, den du da unten bei dir hast? Wenn du ihn ein bischen herausstecken willst, so daß ich seinen Kopf sehen kann, so gebe ich dir die Äpfel zu essen.« Da hob der Drakos den Mann in die Höhe, daß er mit dem Kopfe zum Brunnen heraussah, und sie gab ihm darauf die Äpfel. Am andern Tage hing sie noch mehr Äpfel auf, und als der Drakos wieder nach ihnen schnupperte, da sprach die Prinzessin: »wenn du ihn bis zu den Weichen zum Brunnen heraussteckst, so bekommst du alle diese Äpfel.« Da hob er den Mann in die Höhe, daß er bis zu den Weichen aus dem Brunnen sah, und bekam dafür die Äpfel. Am dritten Tage hing sie noch viel mehr Äpfel über den Brunnen, und als die der Drakos erblickte, schnupperte er noch viel stärker. Darauf sprach die Prinzessin: »wenn du ihn so hoch hebst, daß ich ihn ganz sehen kann, so gebe ich dir die Äpfel.« Da nahm der Drakos den Prinzen auf den Arm und hob ihn ganz aus dem Brunnen heraus; der aber rief: »Ameise, Ameise!« und fiel als Ameise von den Armen des Drakos auf den Boden. Dann sprach er: »Adler, Adler!« und flog mit der Prinzessin in sein Reich und hatte von nun an Ruhe vor dem Drakos.

[Griechenland: Johann Georg von Hahn: Griechische und Albanesische Märchen]

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