2.3
(3)
Es war einmal ein Sultan Ediri und ein Sultan Ndozi, jeder hatte sein eigenes Land. Im Lande des Sultans Ediri gab es keinen Regen, das ganze Jahr hindurch schien die Sonne. Der Sultan Ediri hatte Kinder und der Sultan Ndozi gleichfalls.
Es gab auch einen Fischer dort, der aufs Meer hinaus zum Fischen fuhr. Wenn er von dort zurückkehrte, begab er sich zu einer ganz alten Frau, die zwar nicht seine richtige Mutter war, welche ihn geboren hatte, aber die ihm das Essen kochte und die er, da er keine Mutter mehr hatte, wie seine Mutter ansah. Wenn er also aufs Meer zum Fischen fuhr, und das war seine tägliche Arbeit, kehrte er immer bei ihr im Hause ein.
Jener alten Frau sagte nun der Sultan Ndozi: »Jedesmal, wenn Du geträumt hast, komme und erzähle es mir.« Die Alte sagte: »Gut«; und sie träumte für gewöhnlich jeden Tag und ging hin und berichtete es dem Sultan: »Heute habe ich das und das geträumt.« Und wenn der junge Fischer schlief und geträumt hatte, erzählte er es der Alten und diese hinterbrachte auch seine Träume dem Sultan. Das war so jeden Tag ihre Beschäftigung.
Eines Tages träumte nun der junge Fischer, dass der Mond im Osten und die Sonne im Westen aufgegangen sei. Er erzählte es dem alten Mütterchen und diese wollte es dem Sultan berichten, nämlich dass sie heute geträumt habe, der Mond sei im Westen und die Sonne im Osten untergegangen. Aber der junge Mann sagte ihr: »Mutter, geh nicht hin es dem Sultan zu sagen, denn diese Worte sind sehr schlimm; wir werden beide sterben; er wird uns einsperren und schlagen lassen.«
Seine Mutter hörte jedoch nicht auf seine Worte, sondern ging hin und berichtete es dem Sultan. Als dieser solche Worte vernahm, liess er sie ergreifen und fesseln, um sie hinrichten zu lassen. Da sagte sie: »Ich bin es nicht, der dies geträumt hat.« Der Sultan fragte: »Wer hat das geträumt?« Sie sagte: »Mein Sohn.« Dann wurde sie freigelassen, und Soldaten gingen mit ihr, um ihren Sohn zu ergreifen, der diesen Traum gehabt hatte. Und sie gingen hin, ergriffen ihn und führten ihn vor den Sultan. Dieser sagte jedoch: »Ich will ihn gar nicht sehen, steckt ihn in einen Sack, näht denselben zu und werft ihn ins Meer.«
Sie thaten ihn in einen Sack und trugen ihn an einem andern Hause des Sultans vorbei, in welchem ein Kind desselben wohnte. Dies Kind war seine Tochter. Und sie fragte: »Was tragt Ihr da?« Sie sagten: »Es ist ein armer junger Mann; Dein Vater hat uns befohlen, ihn wegzubringen und ihn ins Meer zu werfen.« »Bringt ihn doch zuerst zu mir sagte sie, damit ich ihn mir anschaue.« Alsdann liess sie einen Haken herab, an welchem der Sack befestigt und dann in die Höhe gezogen wurde. Die Soldaten blieben unten und warteten, bis sie wieder hervortrat. Als sie kam, sprach sie zu ihnen: »Den jungen Mann behalte ich hier, nehmt Steine, füllet den Sack damit und werft ihn ins Meer.« Sie thaten, wie ihnen geheissen, und warfen den Sack ins Meer. Alsdann kehrten sie zurück und sagten dem Sultan: »Wir haben ihn ins Meer geworfen.« »Es ist gut so«, sagte der Sultan.
Der junge Mann blieb nun bei der Sultanstochter, die ihn bei sich aufgenommen hatte. Eines Tages sprach er zu ihr: »Ich fühle mich so gänzlich ohne Arbeit!« »Was für Arbeit wünschest Du denn?« »Ich angele gern im Meere nach Fischen«, sagte er. »Wirst Du denn fischen, wenn ich Dir eine Angel kaufe?« fragte sie? Er willigte ein und sie kaufte ihm eine Angel und ein Boot und gab ihm beides und er ging zum Strande fischen.
Als er vom Fischen zurückkam, nahm er die Fische aus, warf die Eingeweide weg und reihte die Fische aneinander. Da flogen Vögel herbei und sangen: »Gieb mir von den Eingeweiden, gieb mir von dem Abfall oder aber von den Fischen.« Es kamen viele Vögel herbei und als sie das sangen, war auch ihre Mutter dabei und sie sagte ihnen: »Höret zu, Kinder, es kommt etwas vom Sultan Ediri und wird dem Sultan Ndozi überbracht, man soll nun erkennen, welches die Spitze und welches die Wurzel ist.« Da sprachen die allerkleinsten: »Ist das denn eine so schwierige Arbeit, dass sie ein Mensch nicht vollbringen kann? Wenn das Ding gebracht wird, wird es ins Wasser gesteckt, der Teil, der untergeht, ist die Wurzel, und der oben schwimmt, die Spitze.«
Der junge Mann ging nun nach Hause und berichtete dies der Sultanstochter, die ihn gerettet hatte, und sprach zu ihr: »Deinem Vater wird etwas zugesandt werden, dessen Wurzel und Spitze er erkennen soll; wenn er dieses Etwas nimmt und ins Wasser steckt, so wird die Spitze oben schwimmen und die Wurzel untergehen.«
Bald darauf erhielt jener Sultan einen Brief von dem Sultan Ediri, und dieses Etwas wurde ihm gleichfalls zugestellt. Er las den Brief und merkte, dass er Wurzel und Spitze dieses Etwas ausfindig machen sollte, jedoch verstand er es nicht. Da kam seine Tochter herbei und sagte: »Vater, lass einen grossen eisernen Topf herbeibringen, fülle ihn reichlich mit Wasser an und thue dies hinein; was Du oben schwimmen siehst, ist die Spitze, und was untergeht, ist die Wurzel.« Er that Wasser hinein und erkannte sofort Spitze und Wurzel. An die Wurzel machte er ein Zeichen und stellte es dem Eigentümer, dem Sultan Ediri, wieder zu und liess ihm sagen: »Deine Sache sende ich Dir wieder zurück, ich habe die Spitze und die Wurzel erkannt; dort, wo sich das rote Merkmal befindet, ist die Wurzel, und wo das schwarze ist, ist die Spitze.« Als dem Sultan Ediri dies so überbracht wurde, schaute er es an und sagte: »Das ist ein wirklicher Sultan, dieser Ndozi.«
Der junge Mann ging jeden Tag zum Fischfang und immer kehrten die Vögel wieder und sangen; »Gieb uns Fisch oder von den Abfällen.« Ihre Mutter sagte jedoch: »Was wollt Ihr denn, was wird er denn selbst zu essen haben?« Und weiter sprach sie: »Es werden drei Ziegen vom Sultan Ediri zum Sultan Ndozi gebracht werden, damit er die Kinder und die Mutter erkenne.« Die kleinen Vögel antworteten ihrer Mutter: »O Mutter, das ist leicht.« Es wurden nun drei kleine Graslasten für die drei Ziegen als Futter zusammengebunden und letztere dem Sultan Ndozi zugeschickt, zugleich mit einem Briefe, diese Ziegen zu erkennen.
Der junge Fischer begab sich nun zur Sultanstochter und sagte ihr: »Wenn Deinem Vater Ziegen zugeschickt werden, damit er unterscheide, welches die Mutter und welches ihre Jungen seien, so sage ihm, er solle sie getrennt anbinden. Am Morgen, wenn sie losgebunden werden, sind es die Kinder, welche schnell zu ihrer Mutter eilen werden.« Der Sultan that so, wie ihm gesagt worden und erkannte die jungen Ziegen und ihre Mutter. Letzterer schnitt er ein Ohr ab und liess sagen: »Dies ist die Mutter.« Als Sultan Ediri das sah, sagte er: »Der übertrifft mich ja.«
Das nächste Mal schickte er drei Leute. Der junge Mann war wieder fischen gegangen und die Vögel riefen ihm zu: »Gieb uns Fisch oder ein wenig von den Abfällen.« Und er gab ihnen, und ihre Mutter sagte: »Es werden drei Leute kommen und man soll erkennen, welcher der Sklave, welcher der Freie und welcher der Freigelassene ist!« Die kleinen Vögelchen erwiderten: »Wir würden ihnen Essen kochen und in der Vorhalle decken und eine kleine Oellampe zu drei Pesa hinstellen und sie dann auffordern näherzutreten, sich zu setzen und zu essen; ein Kind, das vorbeigeht, löscht dann zufällig die Lampe aus. Wenn Du nun einen siehst, der im Dunkeln weitergegessen hat, der ist der Sklave; und der, welcher den Bissen Reis ratlos in der Hand hält, ist der Freigelassene; der mit leerer Hand dasitzt und im Dunkeln kein Essen angreifen wird, ist der Freie.«
Der junge Fischer ging schnell nach Hause und sagte der Sultanstochter: »Es kommen drei Leute zu Deinem Vater, er soll nun erkennen, wer der Sklave, wer der Freigelassene und wer der Freie ist.« Er hatte es kaum gesagt, als sie auch schon erschienen. Der Sultan war in seinem Innern schon ganz selbstbewusst; jeden Tag wurde ihm etwas übersandt, um es zu erkennen, und Gott hatte ihm seine Tochter gegeben, die alles verstand. So pflegte er zu sagen: »Ich kenne diese Deutungen nicht, aber mein Kind giebt mir die Erklärungen.«
Es wurde nun schnell jemand zu seiner Tochter geschickt: »Es sind wieder Leute angekommen und zwar drei Leute und man verlangt, dass ich unterscheide, wer Sklave, wer Freigelassener und wer Freier ist.« Und sie liess ihm sagen: »Vater, lass ihnen Essen bereiten und drinnen decken; wenn sie beim Essen sind, lass ein Kind vorbeigehen und aus Schelmerei die Lampe auslöschen.« Es wurde nun drinnen gedeckt, das Essen zubereitet und sie gingen hinein, um zu essen. Ein Kind löschte aus Versehen die Lampe aus und sie sahen, wie der eine ratlos dasass mit dem Reis in der Hand, der andere weiter ass und der dritte nichts ass; er wartete auf das Licht. Der Sultan griff schnell zu und sagte: »Dieser ist der Freie«, und machte ein Zeichen an ihm, »und dieser ist der Freigelassene und dieser der Sklave«; jedem gab er sein besonderes Merkmal. Sie kehrten nun zurück zum Sultan Ediri und sagten ihm: »Wir sind erkannt worden!« Der Sultan sprach: »Wie ist das möglich? er hat mich übertroffen. Aber jetzt werde ich etwas anderes von ihm verlangen, er soll mir Regen verschaffen.«
Jener junge Mann ging eines Tages zum Strande Fische fangen. Da kamen die Vögel wieder und sagten: »Gieb uns Fische zu essen oder die Eingeweide!« Ihre Mutter sagte: »Lasst ihn doch in Ruhe, was wollt Ihr denn, was soll er denn essen?« »Es kommt übrigens eine Botschaft dort vom Sultan Ediri an den Sultan Ndozi, er will Regen haben.« Die kleinen Vögelchen sagten: »Wenn man eine Eidechse nimmt, ihr den Schwanz abschneidet und zu Asche verbrennt und dieselbe vom Winde davontragen lässt, wird es sofort regnen.«
Der Brief kam an, in welchem um Regen gebeten wurde, und er wurde dem Sultan Ndozi überreicht, worauf dieser sagte: »Jetzt hat er mich gefasst! Wie soll ich wissen, wie man Regen herbeizaubern kann? Das kennt nur Gott allein!« Und er ging selbst aus und begab sich zu seiner Tochter und sprach zu ihr: »Es ist ein Brief vom Sultan Ediri gekommen, in welchem er Regen verlangt« Darauf sagte sie ihm: »Nimm eine Eidechse, schneide ihr den Schwanz ab, röste denselben zu Asche und lass diese vom Winde davontragen, dann wird der Regen sofort kommen. Wenn Du die Sonne wieder willst, nimm den Kopf einer Eidechse, röste ihn und mache dasselbe, sofort scheint die Sonne wieder.«
Darauf ging der Sultan Ndozi aus und begab sich zum Sultan Ediri und sagte ihm: »Ich bin hierhergekommen, was wolltest Du von mir?« »Ich möchte Regen haben«, erwiderte jener. »So warte bis sechs Uhr abends, dann wird es regnen.« Sultan Ndozi schnitt alsdann einer Eidechse den Schwanz ab, röstete ihn zu Asche und liess diese abends vom Winde forttreiben; plötzlich bewölkte sich der Himmel und es floss viel Regen nieder, so dass er die grossen Häuser füllte und die Lehmhütten fortschwemmte. Da erhob Sultan Ediri ein grosses Geschrei: »Sultan Ndozi, ich habe meine Worte bereut, ich will keinen Regen mehr, noch will ich sonst etwas von Dir haben, ich mache meine Häuser und meine Stadt Dir unterthan, nimm Du die Stadt an Dich.« »Du möchtest jetzt also die Sonne wieder haben«, sagte Sultan Ndozi; und er röstete den Kopf der Eidechse zu Asche, liess sie davonwehen – und die Sonne brach hervor. Sultan Ediri erklärte sich für geschlagen und Sultan Ndozi nahm von seiner Stadt Besitz.
Später sagte ihm seine Tochter: »Der, welcher Dich rettete, ist jener junge Mann, den Du wolltest ins Meer werfen lassen, ich behielt ihn jedoch und an seiner Stelle wurde ein Sack mit Steinen ins Meer geworfen; er ist es, der mir dies alles gesagt hat.« Der Sultan gab ihn darauf seiner Tochter zum Mann und machte ihn so zu seinem Schwiegersohne. Dies ist die Geschichte vom Sultan Ediri und vom Sultan Ndozi.
Es gab auch einen Fischer dort, der aufs Meer hinaus zum Fischen fuhr. Wenn er von dort zurückkehrte, begab er sich zu einer ganz alten Frau, die zwar nicht seine richtige Mutter war, welche ihn geboren hatte, aber die ihm das Essen kochte und die er, da er keine Mutter mehr hatte, wie seine Mutter ansah. Wenn er also aufs Meer zum Fischen fuhr, und das war seine tägliche Arbeit, kehrte er immer bei ihr im Hause ein.
Jener alten Frau sagte nun der Sultan Ndozi: »Jedesmal, wenn Du geträumt hast, komme und erzähle es mir.« Die Alte sagte: »Gut«; und sie träumte für gewöhnlich jeden Tag und ging hin und berichtete es dem Sultan: »Heute habe ich das und das geträumt.« Und wenn der junge Fischer schlief und geträumt hatte, erzählte er es der Alten und diese hinterbrachte auch seine Träume dem Sultan. Das war so jeden Tag ihre Beschäftigung.
Eines Tages träumte nun der junge Fischer, dass der Mond im Osten und die Sonne im Westen aufgegangen sei. Er erzählte es dem alten Mütterchen und diese wollte es dem Sultan berichten, nämlich dass sie heute geträumt habe, der Mond sei im Westen und die Sonne im Osten untergegangen. Aber der junge Mann sagte ihr: »Mutter, geh nicht hin es dem Sultan zu sagen, denn diese Worte sind sehr schlimm; wir werden beide sterben; er wird uns einsperren und schlagen lassen.«
Seine Mutter hörte jedoch nicht auf seine Worte, sondern ging hin und berichtete es dem Sultan. Als dieser solche Worte vernahm, liess er sie ergreifen und fesseln, um sie hinrichten zu lassen. Da sagte sie: »Ich bin es nicht, der dies geträumt hat.« Der Sultan fragte: »Wer hat das geträumt?« Sie sagte: »Mein Sohn.« Dann wurde sie freigelassen, und Soldaten gingen mit ihr, um ihren Sohn zu ergreifen, der diesen Traum gehabt hatte. Und sie gingen hin, ergriffen ihn und führten ihn vor den Sultan. Dieser sagte jedoch: »Ich will ihn gar nicht sehen, steckt ihn in einen Sack, näht denselben zu und werft ihn ins Meer.«
Sie thaten ihn in einen Sack und trugen ihn an einem andern Hause des Sultans vorbei, in welchem ein Kind desselben wohnte. Dies Kind war seine Tochter. Und sie fragte: »Was tragt Ihr da?« Sie sagten: »Es ist ein armer junger Mann; Dein Vater hat uns befohlen, ihn wegzubringen und ihn ins Meer zu werfen.« »Bringt ihn doch zuerst zu mir sagte sie, damit ich ihn mir anschaue.« Alsdann liess sie einen Haken herab, an welchem der Sack befestigt und dann in die Höhe gezogen wurde. Die Soldaten blieben unten und warteten, bis sie wieder hervortrat. Als sie kam, sprach sie zu ihnen: »Den jungen Mann behalte ich hier, nehmt Steine, füllet den Sack damit und werft ihn ins Meer.« Sie thaten, wie ihnen geheissen, und warfen den Sack ins Meer. Alsdann kehrten sie zurück und sagten dem Sultan: »Wir haben ihn ins Meer geworfen.« »Es ist gut so«, sagte der Sultan.
Der junge Mann blieb nun bei der Sultanstochter, die ihn bei sich aufgenommen hatte. Eines Tages sprach er zu ihr: »Ich fühle mich so gänzlich ohne Arbeit!« »Was für Arbeit wünschest Du denn?« »Ich angele gern im Meere nach Fischen«, sagte er. »Wirst Du denn fischen, wenn ich Dir eine Angel kaufe?« fragte sie? Er willigte ein und sie kaufte ihm eine Angel und ein Boot und gab ihm beides und er ging zum Strande fischen.
Als er vom Fischen zurückkam, nahm er die Fische aus, warf die Eingeweide weg und reihte die Fische aneinander. Da flogen Vögel herbei und sangen: »Gieb mir von den Eingeweiden, gieb mir von dem Abfall oder aber von den Fischen.« Es kamen viele Vögel herbei und als sie das sangen, war auch ihre Mutter dabei und sie sagte ihnen: »Höret zu, Kinder, es kommt etwas vom Sultan Ediri und wird dem Sultan Ndozi überbracht, man soll nun erkennen, welches die Spitze und welches die Wurzel ist.« Da sprachen die allerkleinsten: »Ist das denn eine so schwierige Arbeit, dass sie ein Mensch nicht vollbringen kann? Wenn das Ding gebracht wird, wird es ins Wasser gesteckt, der Teil, der untergeht, ist die Wurzel, und der oben schwimmt, die Spitze.«
Der junge Mann ging nun nach Hause und berichtete dies der Sultanstochter, die ihn gerettet hatte, und sprach zu ihr: »Deinem Vater wird etwas zugesandt werden, dessen Wurzel und Spitze er erkennen soll; wenn er dieses Etwas nimmt und ins Wasser steckt, so wird die Spitze oben schwimmen und die Wurzel untergehen.«
Bald darauf erhielt jener Sultan einen Brief von dem Sultan Ediri, und dieses Etwas wurde ihm gleichfalls zugestellt. Er las den Brief und merkte, dass er Wurzel und Spitze dieses Etwas ausfindig machen sollte, jedoch verstand er es nicht. Da kam seine Tochter herbei und sagte: »Vater, lass einen grossen eisernen Topf herbeibringen, fülle ihn reichlich mit Wasser an und thue dies hinein; was Du oben schwimmen siehst, ist die Spitze, und was untergeht, ist die Wurzel.« Er that Wasser hinein und erkannte sofort Spitze und Wurzel. An die Wurzel machte er ein Zeichen und stellte es dem Eigentümer, dem Sultan Ediri, wieder zu und liess ihm sagen: »Deine Sache sende ich Dir wieder zurück, ich habe die Spitze und die Wurzel erkannt; dort, wo sich das rote Merkmal befindet, ist die Wurzel, und wo das schwarze ist, ist die Spitze.« Als dem Sultan Ediri dies so überbracht wurde, schaute er es an und sagte: »Das ist ein wirklicher Sultan, dieser Ndozi.«
Der junge Mann ging jeden Tag zum Fischfang und immer kehrten die Vögel wieder und sangen; »Gieb uns Fisch oder von den Abfällen.« Ihre Mutter sagte jedoch: »Was wollt Ihr denn, was wird er denn selbst zu essen haben?« Und weiter sprach sie: »Es werden drei Ziegen vom Sultan Ediri zum Sultan Ndozi gebracht werden, damit er die Kinder und die Mutter erkenne.« Die kleinen Vögel antworteten ihrer Mutter: »O Mutter, das ist leicht.« Es wurden nun drei kleine Graslasten für die drei Ziegen als Futter zusammengebunden und letztere dem Sultan Ndozi zugeschickt, zugleich mit einem Briefe, diese Ziegen zu erkennen.
Der junge Fischer begab sich nun zur Sultanstochter und sagte ihr: »Wenn Deinem Vater Ziegen zugeschickt werden, damit er unterscheide, welches die Mutter und welches ihre Jungen seien, so sage ihm, er solle sie getrennt anbinden. Am Morgen, wenn sie losgebunden werden, sind es die Kinder, welche schnell zu ihrer Mutter eilen werden.« Der Sultan that so, wie ihm gesagt worden und erkannte die jungen Ziegen und ihre Mutter. Letzterer schnitt er ein Ohr ab und liess sagen: »Dies ist die Mutter.« Als Sultan Ediri das sah, sagte er: »Der übertrifft mich ja.«
Das nächste Mal schickte er drei Leute. Der junge Mann war wieder fischen gegangen und die Vögel riefen ihm zu: »Gieb uns Fisch oder ein wenig von den Abfällen.« Und er gab ihnen, und ihre Mutter sagte: »Es werden drei Leute kommen und man soll erkennen, welcher der Sklave, welcher der Freie und welcher der Freigelassene ist!« Die kleinen Vögelchen erwiderten: »Wir würden ihnen Essen kochen und in der Vorhalle decken und eine kleine Oellampe zu drei Pesa hinstellen und sie dann auffordern näherzutreten, sich zu setzen und zu essen; ein Kind, das vorbeigeht, löscht dann zufällig die Lampe aus. Wenn Du nun einen siehst, der im Dunkeln weitergegessen hat, der ist der Sklave; und der, welcher den Bissen Reis ratlos in der Hand hält, ist der Freigelassene; der mit leerer Hand dasitzt und im Dunkeln kein Essen angreifen wird, ist der Freie.«
Der junge Fischer ging schnell nach Hause und sagte der Sultanstochter: »Es kommen drei Leute zu Deinem Vater, er soll nun erkennen, wer der Sklave, wer der Freigelassene und wer der Freie ist.« Er hatte es kaum gesagt, als sie auch schon erschienen. Der Sultan war in seinem Innern schon ganz selbstbewusst; jeden Tag wurde ihm etwas übersandt, um es zu erkennen, und Gott hatte ihm seine Tochter gegeben, die alles verstand. So pflegte er zu sagen: »Ich kenne diese Deutungen nicht, aber mein Kind giebt mir die Erklärungen.«
Es wurde nun schnell jemand zu seiner Tochter geschickt: »Es sind wieder Leute angekommen und zwar drei Leute und man verlangt, dass ich unterscheide, wer Sklave, wer Freigelassener und wer Freier ist.« Und sie liess ihm sagen: »Vater, lass ihnen Essen bereiten und drinnen decken; wenn sie beim Essen sind, lass ein Kind vorbeigehen und aus Schelmerei die Lampe auslöschen.« Es wurde nun drinnen gedeckt, das Essen zubereitet und sie gingen hinein, um zu essen. Ein Kind löschte aus Versehen die Lampe aus und sie sahen, wie der eine ratlos dasass mit dem Reis in der Hand, der andere weiter ass und der dritte nichts ass; er wartete auf das Licht. Der Sultan griff schnell zu und sagte: »Dieser ist der Freie«, und machte ein Zeichen an ihm, »und dieser ist der Freigelassene und dieser der Sklave«; jedem gab er sein besonderes Merkmal. Sie kehrten nun zurück zum Sultan Ediri und sagten ihm: »Wir sind erkannt worden!« Der Sultan sprach: »Wie ist das möglich? er hat mich übertroffen. Aber jetzt werde ich etwas anderes von ihm verlangen, er soll mir Regen verschaffen.«
Jener junge Mann ging eines Tages zum Strande Fische fangen. Da kamen die Vögel wieder und sagten: »Gieb uns Fische zu essen oder die Eingeweide!« Ihre Mutter sagte: »Lasst ihn doch in Ruhe, was wollt Ihr denn, was soll er denn essen?« »Es kommt übrigens eine Botschaft dort vom Sultan Ediri an den Sultan Ndozi, er will Regen haben.« Die kleinen Vögelchen sagten: »Wenn man eine Eidechse nimmt, ihr den Schwanz abschneidet und zu Asche verbrennt und dieselbe vom Winde davontragen lässt, wird es sofort regnen.«
Der Brief kam an, in welchem um Regen gebeten wurde, und er wurde dem Sultan Ndozi überreicht, worauf dieser sagte: »Jetzt hat er mich gefasst! Wie soll ich wissen, wie man Regen herbeizaubern kann? Das kennt nur Gott allein!« Und er ging selbst aus und begab sich zu seiner Tochter und sprach zu ihr: »Es ist ein Brief vom Sultan Ediri gekommen, in welchem er Regen verlangt« Darauf sagte sie ihm: »Nimm eine Eidechse, schneide ihr den Schwanz ab, röste denselben zu Asche und lass diese vom Winde davontragen, dann wird der Regen sofort kommen. Wenn Du die Sonne wieder willst, nimm den Kopf einer Eidechse, röste ihn und mache dasselbe, sofort scheint die Sonne wieder.«
Darauf ging der Sultan Ndozi aus und begab sich zum Sultan Ediri und sagte ihm: »Ich bin hierhergekommen, was wolltest Du von mir?« »Ich möchte Regen haben«, erwiderte jener. »So warte bis sechs Uhr abends, dann wird es regnen.« Sultan Ndozi schnitt alsdann einer Eidechse den Schwanz ab, röstete ihn zu Asche und liess diese abends vom Winde forttreiben; plötzlich bewölkte sich der Himmel und es floss viel Regen nieder, so dass er die grossen Häuser füllte und die Lehmhütten fortschwemmte. Da erhob Sultan Ediri ein grosses Geschrei: »Sultan Ndozi, ich habe meine Worte bereut, ich will keinen Regen mehr, noch will ich sonst etwas von Dir haben, ich mache meine Häuser und meine Stadt Dir unterthan, nimm Du die Stadt an Dich.« »Du möchtest jetzt also die Sonne wieder haben«, sagte Sultan Ndozi; und er röstete den Kopf der Eidechse zu Asche, liess sie davonwehen – und die Sonne brach hervor. Sultan Ediri erklärte sich für geschlagen und Sultan Ndozi nahm von seiner Stadt Besitz.
Später sagte ihm seine Tochter: »Der, welcher Dich rettete, ist jener junge Mann, den Du wolltest ins Meer werfen lassen, ich behielt ihn jedoch und an seiner Stelle wurde ein Sack mit Steinen ins Meer geworfen; er ist es, der mir dies alles gesagt hat.« Der Sultan gab ihn darauf seiner Tochter zum Mann und machte ihn so zu seinem Schwiegersohne. Dies ist die Geschichte vom Sultan Ediri und vom Sultan Ndozi.
[Afrika: Ostafrika. Märchen der Welt]