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Die Geschichte vom Lachs

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Vor langer, langer Zeit, als die Erde noch jung war, geschah es einst, dass Coyote, Stinktier und die fünf Wölfe den Lachs töteten, dessen Frau gefangen fortschleppten und den Lachsmann verspeisten. Unbemerkt von den Räubern hatte die Lachsfrau eines ihrer zahllosen Eier verloren.
Als der Weltenschöpfer sah, was dort auf Erden geschah, schickte er einen großen Regen, der so lange anhielt, bis das winzige Ei durch die Fluten zurück in den Fluss geschwemmt war. Dort schwamm es mit der Strömung und wurde bald zu einem mächtigen Lachs.
Sobald der junge Lachs erwachsen war und sich stark genug fühlte, begab er sich auf die Suche nach seinen Eltern, denn irgendwo mussten diese doch geblieben sein. Daher stieg er aus dem großen Flusse, nahm menschliche Gestalt an und folgte dem Pfade, der vom Ufer fort ins Land führte.
Nach einer Weile traf er das Waldhuhn, das sich vor seinem Anblick sehr fürchtete. „Hab keine Sorge“, redete er die Frau an, „ich suche nur meine Eltern. Ich bin der Lachs vom großen Flusse dort.“ Die Frau, die das Waldhuhn war, warnte ihn und sprach: „Dort hinter der Anhöhe wohnen Coyote und Stinktier, die vor Zeiten deinen Vater verspeist und deine Mutter gefangen haben.“ Als der junge Lachs dies hörte, machte er sich sogleich auf den Weg, um diese beiden Räuber aufzusuchen. Waldhuhn, die furchtsame Frau, die ihm noch immer erschrocken nachsah, rief ihm zu: „Sei vorsichtig, denn im nächsten Dorf wohnen die fünf Wölfe, die ebenfalls bei dem Überfall auf deinen Vater beteiligt waren. Mit ihnen binde lieber nicht an, denn sie sind wilde Gesellen.“
Nach einiger Zeit kam der Lachs an eine Erdhütte, in der Coyote und Stinktier wohnten. Die beiden Räuber fühlten sich sehr sicher, denn sie sagten sich: „Kein Lachs kann so weit ins Land kommen, denn Fische gehören nun einmal ins Wasser.“ Als sie daher den jungen Mann kommen sahen, waren sie sehr erstaunt, und Coyote flüsterte: „Mir schwant nichts Gutes, doch lass mich nur machen. Irgendwie werden wir uns schon aus der Patsche helfen.“ Kaum hatte der junge Lachs seinen Namen genannt, als Coyote und gleich darauf auch Stinktier in Tränen ausbrachen. Sie konnten sich nicht genug tun in ihrer Trauer und versicherten immer wieder: „Sieh uns an, seit dein Vater starb, haben wir stets weinen müssen! Stinktier hier hat vor lauter Betrübnis kaum aus den Augen sehen können, während ich meinen Appetit völlig eingebüßt habe. Oh, dein armer Vater! Welch braver Mann, welch großer Krieger! Wirklich ein Jammer, dass er hat sterben müssen!“
Der Lachs wusste wohl, was er von den beiden zu halten hatte, und glaubte kein Wort. Er durchschaute den Schwindel und erwiderte: „Nun, wenn ihr beide so betrübt seid über eure böse Tat, so habt ihr sicher nichts dagegen, wenn ich mir die Waffen meines Vaters zurückhole, die ihr ihm abgenommen habt, als ihr ihn umbrachtet.“ Coyote tat sehr erstaunt, wagte aber nichts zu entgegnen, sondern nahm einen Bogen vom Pfeiler und reichte ihn dem Besucher. Der drehte die Waffe nur einmal in den Händen, da zerbrach der Bogen. „Dies ist nicht die Waffe meines Vaters!“ rief er aufgebracht. „Gebt mir meines Vaters Bogen!“ Aber auch zwei weitere Versuche bewiesen, dass die angebotenen Waffen nicht echt waren, denn beide Male zerbrachen sie unter den Händen des jungen Mannes. Als der vierte Bogen ebenfalls zerbrach, wurde Lachs böse, warf dem Coyoten die Stücke an den Kopf und rief: „Wenn ihr glaubt, mich betrügen zu können, so wird es euch schlecht ergehen!“ Nun endlich erhielt er den geforderten Bogen, der diesmal nicht in seinen Händen zerbrach. Triumphierend rief er: „Ihr habt meinen Vater getötet, denn von euch habe ich seinen Bogen wiedergewonnen!“ Danach ergriff er das Stinktier und warf es mit gewaltiger Kraft zwischen die Berge. „Dort soll deine Heimat sein, dort, zwischen den Bergen, wo kaum je die Sonne scheint und kein anderes Wesen wohnen will. Niemals sollst du wieder an den Fluss kommen und andere Leute belästigen.“ Den Coyoten ergriff er ebenfalls, schleppte ihn hinunter an den Fluss und sprach: „Von nun an sollst du am Ufer wohnen, dich von toten Fischen ernähren und nur das fressen dürfen, was sonst niemand haben will.“ So bestrafte er zwei der Übeltäter, die seinen Vater ermordet hatten.
Wieder zog der Lachs hinaus, um seine Mutter zu finden, diesmal wollte er zu den fünf Wölfen. Bei dem Coyoten war seine Mutter nicht, daher mussten die Wölfe sie versteckst halten. Nach langer Wanderung kam er an eine Hütte, lauschte eine Weile, um festzustellen, wer wohl darin wohnen mochte, und hörte plötzlich eine Frau weinen. Rasch trat er ein, während die erschrockene Frau ihn sogleich als ihren Sohn erkannte. „Deinen Vater haben die fünf Wölfe erschlagen, “ rief sie, „mich halten sie gefangen, obgleich sie mich ihre Frau nennen. Auch dir werden sie ein Leid antun, wenn du nicht sogleich entfliehst. Dies ist nämlich ihr Haus, gleich müssen sie eintreten. Eile daher, so schnell du kannst, zurück zum Flusse.“ Der junge Lachs aber tat nichts dergleichen, sondern setzte sich dicht ans Feuer, sprach kein Wort und verwandelte sich plötzlich in einen alten Mann.
Kurz darauf erschienen die Wölfe, die alle Brüder waren, besahen sich den seltsamen Gast und entschieden, dass er harmlos sein müsse, denn von einem alten Manne hatten sie wohl kaum etwas zu befürchten. „Ich weiß nicht, aber es kommt mir so vor, als ob es hier nach Lachs riecht“ bemerkte einer von ihnen. Doch die Frau erwiderte: „Da magst du recht geraten haben, denn jener alte Mann ist mein Vater, und da ihr mich zu eurer Frau gemacht habt, ist er euer Schwiegervater. Lasst ihn in Ruhe, denn er ist müde.“ Die Brüder besahen sich den Alten misstrauisch, und der Alteste sprach: „Bei uns muss jeder sehen, wie er durchkommt. Wenn der alte Mann bei uns bleiben will, muss er arbeiten. Er soll für uns Pfeile machen, denn Pfeile kann man immer brauchen.“ Der alte Mann, der in Wirklichkeit der junge Lachs war, war einverstanden und antwortete: „Ich will für jeden von euch Pfeile machen. Die besten Pfeile, die ich zu machen verstehe, will ich für euch machen, denn für euch ist das Beste gerade gut genug.“ Dabei beschloss der Lachs, für jeden der Wölfe einen Pfeil zu machen, mit denen er dann die Brüder erschießen wollte, um seinen Vater zu rächen.
Am Morgen, als die Wölfe die Hütte verlassen hatten, verwandelte sich der Lachs wieder in einen jungen Krieger. Darauf nahm er die fünf Pfeile zur Hand, die er als alter Mann während der Nacht geschnitzt hatte, und verließ seine Mutter, um die fünf Wölfe umzubringen. Überall suchte er nach ihnen, aber keine Spur war von den Wölfen zu finden. Da ließ der Lachs seine Zauberkräfte spielen, und sogleich versiegten Bäche und Flüsse; die Seen und Tümpel trockneten aus, und nur an einer einzigen Stelle gab es eine Quelle, die weiterhin sprudeln durfte. Dort versteckte sich der Lachs zwischen ein paar Bäumen, nahm den Bogen seines Vaters zur Hand und wartete. Bald mussten die Wölfe ja kommen, weil sie sicherlich inzwischen durstig geworden waren. Und richtig, da kam bereits der erste Wolf angeschnürt. Als sich der Wolf über die Quelle beugte, ließ der Lachs das Wasser versiegen und schoss den ersten Pfeil ab. Tot fiel der Wolf zur Erde nieder, ohne dass er den Schützen auch nur gesehen hatte. Rasch räumte der Lachs die Beute aus dem Wege und versteckte sich von neuem. Auf diese Weise erlegte er vier der Brüder. Doch der vierte Wolf sah im Sterben seinen Feind, und mit seinem letzten Gedanken warnte er seinen Bruder. Daher entkam der letzte Wolf in den Wald. So gibt es noch heute Wölfe, die alle von jenem Bruder abstammen. An der Wasserstelle ließ sich dieser allerdings nicht mehr sehen. Sobald ein Wolf heute eine menschliche Gestalt erblickt, läuft er davon, denn noch immer sitzt ihnen der Schreck im Nacken, den ihnen der Lachs eingepflanzt hatte, als er fast die gesamte Wolfssippe ausrottete.
Zurück zur Hütte der Wölfe ging der Lachs, um seiner Mutter die Kunde vom Tode der Wölfe zu bringen. Auf der Wanderung zurück zum großen Fluss bemerkte der junge Lachs, dass die Frau, die seine Mutter war, ein Kind im Leibe trug. Als sie aber fünf kleinen Wolfskindern das Leben schenkte, zündete der Lachs ein großes Feuer an und warf die jungen Wölfe in die Flammen. Am Ufer des Flusses verwandelte sich die Mutter in eine Trauertaube, denn das war ihre wirkliche Gestalt. Noch heute kann man ihren traurigen Ruf vernehmen, wenn die Lachse den Fluss hinaufziehen und das Wasser des großen Flusses aufschäumt von der Gewalt der mächtigen Leiber, die sich vorwärtsdrängen, um an die Laichplätze zu kommen. Die Frau blieb am Ufer zurück, während der junge Lachs in seinem Kanu den Fluss hinunter reiste.
Niemand weiß, wie lange der Lachs so den Fluss hinunterschwamm, denn es gab damals noch keine Zeit. Als er dicht am Ufer entlang trieb, hörte er mit einem Male zwei Stimmen, die sich zu streiten schienen. .Du kannst aber nicht gerecht verteilen!“ zeterte die eine Stimme. „Denn jede Seite sollte doch wohl eine Backe haben. Auch nehme ich an, dass wir auf jede Seite ein Auge geben sollten. Und gar die Ohren! Du kannst doch nicht einfach beide behalten wollen!“ Die zweite Stimme antwortete krächzend: „Warum denn nicht? Du hast doch auch sogleich die Nase für dich in Anspruch genommen, als es ans Verteilen gehen sollte. Überhaupt, was soll der Streit, vorerst haben wir die Beute ja noch nicht!“ Der Lachs wunderte sich über solche Unterhaltung und fragte die beiden Raben, denen die Stimmen gehörten, worüber sie denn so uneins seien. Doch keiner der beiden Vögel wollte mit der Sprache heraus. Schließlich aber erfuhr der Lachs, dass die beiden den Körper einer Frau verteilten, doch waren sie neidische Burschen, die keinem etwas gönnten. Da sprach der Lachs: „Geht und bringt die Frau zu mir, denn ich bin euer Häuptling. Wisst ihr nicht, dass der Lachs eingesetzt ist über alles Getier, bis seine Herrschaft abgelöst wird von den Menschen, die eines Tages an den großen Fluss kommen werden? Die Frau, die ihr gefunden habt, ist meine Mutter, die Trauertaube. Aus Gram über den Tod ihres Gatten vermag sie kaum noch zu leben. Sagt mir daher, wann ihr die Frau gefunden habt.“ Da sprachen die beiden Raben: „Wenn dieser Mond beendet ist, sind es ein Mond und ein halber, dass wir die ganz abgemagerte Frau zwischen den Klippen am Flusse sahen. Inzwischen dürfte sie gestorben sein, denn sie sah damals bereits erbärmlich aus und vermochte sich kaum auf den Beinen zu halten.“ Als die beiden Raben jedoch mit der Frau beim Lachs ankamen, begoss dieser die Erschöpfte fünfmal mit Fischöl. Und siehe da, mit einem Male war sie so jung wie am Tage ihrer Hochzeit. Von ihr stammen alle Lachse der Welt, die noch heute den großen Fluss hinaufschwimmen, um im Lande ihrer Ahnen zu sterben. Zu den Raben aber sprach der junge Lachs: „Fortan sollt ihr als weise gelten, und wenn die Menschen später zwei Raben streiten hören, dann werden sie sagen: „Sicherlich haben die beiden Vögel etwas gefunden, das sich nicht teilen lässt. Hört nur, wie sie schreien!“

Quelle:
(Wishram)

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