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Frauen eines Dorfes gingen einmal in den Wald um wilde Färberröthe zu suchen, und wie sie so den Wald durchstrichen, da geschah es, daß Eine von ihnen sich verirrend plötzlich vor eine Höhle kam, aus der augenblicklich ein Bär hervortrat, der sie packte und hineinschleppte. Nachdem sie nun längere Zeit mit dem Bären gelebt hatte, ward sie guter Hoffnung und gebar einen Sohn. Als das Kind ein wenig aufgewachsen war, gelang es dem Weibe zu entfliehen und nach seinem Dorfe zurückzukehren; der Bär aber trug fortan Sorge für die Erhaltung des Kindes, brachte ihm Nahrung und pflegte sein wie früher die Mutter.
Als der Knabe ein Jüngling ward, sehnte er sich die Höhle zu verlassen und in die Welt zu gehen. Der Bär aber bemühte sich ihn davon abzubringen, indem er zu ihm sprach: »Du bist noch jung und schwach und in der Welt draußen giebt es böse Geschöpfe, die sich Menschen nennen und dich umbringen werden.« Und so beschwichtigte er ein wenig die Sehnsucht des Jünglings, daß dieser noch in der Höhle blieb. Nach einiger Zeit jedoch überkam ihn wieder die Sehnsucht in die Welt zu gehen, und als es ihm der Bär auf keine Weise mehr aus dem Sinne zu schlagen vermochte, führte er ihn vor die Höhle hinaus unter eine Buche, indem er zu ihm sprach: »Wenn du diese Buche aus der Erde zu reißen im Stande bist, will ich dich in die Welt ziehen lassen, wo nicht, so mußt du noch bei mir bleiben.« Der Jüngling faßte den Baum, zog hin, zog her, aber vergeblich, er vermochte ihn nicht zu entwurzeln und kehrte daher mit dem Vater in die Höhle zurück. – Als nun wieder einige Zeit verstrichen war, und es den Knaben abermals drängte in die Welt zu ziehen, da führte ihn der Bär nochmals vor die Höhle, und hieß ihn es mit der Buche von neuem versuchen. Diesmal packte er kräftig und riß den Baum aus der Erde. Da sagte ihm der Bär, streife alle Zweige davon ab, nimm den Stamm als Keule auf die Achsel und ziehe fort in die Welt. Der Knabe befolgte den Rath des Vaters, und wie er so durch die Welt zog, gelangte er auf eine Ebene, wo mit vielen hundert Pflügen herrschaftliche Aecker gepflügt wurden. Als er den Ackersleuten nahe war, fragte er, ob sie ihm wohl etwas zu essen geben könnten. Sie erwiderten, er möge sich nur ein wenig gedulden, man werde ihnen bald das Mittagmahl bringen, und wo so viele essen, da könne er wohl auch satt werden. Während sie noch so sprachen, wurden schon die Wagen, Pferde, Maulthiere und Esel sichtbar, die sämmtlich mit dem Mittagessen belastet sich heranbewegten. Als nun aber das Essen aufgetischt wurde, da sprach Bärensohn: »Das werde ich Alles allein verzehren.« Die Ackersleute darüber höchlich verwundert, meinten, es sei wohl kaum möglich, daß Einer das aufesse, was für so viel hundert Menschen bereitet worden sei! Bärensohn aber blieb dabei und wettete mit ihnen, wenn er nicht Alles aufesse, wolle er ihnen seine Keule, bleibe aber von all dem Essen nichts übrig, dann müßten sie ihm alles Eisen geben, was an ihren Pflügen sei. Hierauf ward das Mahl aufgetischt, Bärensohn griff zu, aß Alles rein auf, und wäre nur noch mehr da gewesen! Da sammelten die Ackersleute Alles was von Eisen an ihren Pflügen war auf einen Haufen, Bärensohn aber drehte einige Birken zusammen, band damit das Eisen in ein großes Bündel, steckte es an das Ende seiner Keule, schwang diese auf die Achsel und ging damit geraden Wegs zu einem Schmiede, dem er sagte, er möge ihm aus all dem Eisen einen Kolben für seine Keule schmieden. Der Schmied übernahm die Arbeit, da ihm aber des Eisens viel zu viel schien, so verbarg er davon beinahe die Hälfte und machte aus dem Uebrigen einen leichten, schlecht gearbeiteten Kolben. Dem Bärensohne kam der Kolben auf den ersten Blick im Vergleich mit dem vielen Eisen, das er hergegeben, zu klein vor, und abgesehen davon, nicht so tüchtig gearbeitet, wie er hätte sein sollen. Als er ihn daher prüfend an seine Keule steckte, schleuderte er ihn mächtig gegen die Wolken, und ließ sich schnell bückend, um sich zu überzeugen ob er wohl etwas tauge, ihn auf seine Schultern niederfallen. Da barst der Kolben, dem Schmiede zum Verderben, denn nun holte Bärensohn ergrimmt mit seiner Keule aus und schlug ihn todt. Hierauf ging er in die Schmiede, suchte und fand daselbst das zurück behaltene Eisen, welches er sammt den Bruchstücken des geborstenen Kolbens zu einem anderen Schmiede trug und diesen für seine Keule einen Kolben schmieden hieß. »Ich rathe dir aber keinen Scherz zu treiben, und redlich alles Eisen, was ich dir bringe, darauf zu verwenden, wenn du nicht willst, daß es dir so ergehe wie Jenem, der mir den ersten Kolben schmiedete.« Der Schmied, welcher schon vernommen hatte, wie es dem Andern ergangen war, rief alle seine Gesellen herbei, sammelte das Eisen, schweißte es zusammen und verfertigte daraus einen Kolben, so gut wie man ihn nur irgend haben kann. Als der Bärensohn den Kolben auf die Keule steckte, schleuderte er ihn abermals gegen die Wolken, und ließ ihn auf seine Schultern niederfallen, aber diesmal zersprang der Kolben nicht, sondern prallte unversehrt zurück in die Höhe. Da sprach er: »Nun ist der Kolben gut,« nahm ihn auf die Achsel und setzte seinen Weg fort. Und wie er so dahin wanderte, traf er auf dem Felde einen Mann, der zwei Ochsen vor einen Pflug gespannt hatte und pflügte; und als er ganz nahe zu ihm herangekommen war, fragte er diesen, ob er nicht Etwas für ihn zu essen habe. Und der Mann antwortete ihm: »Meine Tochter wird mir gleich das Mittagbrod bringen, und da will ich mit dir theilen was Gott gegeben hat.« Da hub Bärensohn zu erzählen an, wie er Alles aufgegessen habe, was für viele hundert Ackersleute bestimmt gewesen war, »was wird bei einem einzelnen Mahle für mich, was für dich sein?« Während er so sprach, kam das Mädchen und brachte Essen getragen; und wie es noch damit beschäftigt war es aufzutischen, wollte der Bärensohn schon mit beiden Händen zugreifen, der Mann aber wehrte ihm, indem er sprach: »Nichts da! erst bekreuze dich, so wie ich.« – Bärensohn, hungrig wie er war und weil er nicht anders konnte, bekreuzte sich; dann erst fingen sie zu essen an, aßen sich beide satt, und von dem Essen blieb noch übrig. Nun erst betrachtete Bärensohn das Mädchen, welches das Mahl gebracht hatte, kräftig, gesund und schön war, es gefiel ihm gar wohl und er sprach zu dem Vater: »Willst du mir deine Tochter zum Weibe geben?« »Gerne,« antwortete der Mann, »würde ich sie Dir geben, hätt‘ ich sie nicht schon dem Brko versprochen.« Worauf ihm Bärensohn entgegnete: »Ei was kümmert mich Brko, dem will ich es mit meinem Kolben geben.« Doch der Mann sprach: »Ja Brko ist auch ein Kämpe, das sollst du gleich sehen.« Mit einem Male ward aus den Bergen her ein Geräusch und Getöse hörbar und in der Richtung von wo es sich vernehmen ließ, bewegte sich die Hälfte eines Schnurrbartes hervor, auf der drei Hundert und fünf und sechzig Vogelnester zu sehen waren; in einer Weile erschien auch die andre Hälfte, und der gewaltige Brko stand da. Er schritt zu ihnen heran, streckte sich nach seiner ganzen Länge auf den Bauch hin, und legte sein Haupt in den Schooß des Mädchens, indem er sprach, es möge ihn ein wenig krauen, und das Mädchen fing in der That ihn zu krauen an. Da erhebt sich leise der Bärensohn und versetzt dem Schnurrbart mit seiner Keule einen Schlag über den Kopf; doch Brko deutet bloß mit dem Finger nach der Stelle und spricht zu dem Mädchen: »Hier beißt es mich;« da holt Bärensohn mit seiner Keule aus und schlägt ihn damit auf eine andere Stelle; doch Brko deutet abermals nur mit den Worten dahin: »Sieh! hier juckt mich wieder etwas.« Als ihn aber Bärensohn das dritte Mal schlägt, da fährt er ergrimmt mit der Hand nach der geschlagenen Stelle, und ruft aus: »Bist Du etwa blind? Hier beißt mich ja etwas!« Da spricht das Mädchen: »Ach, dich beißt gar nichts, sondern sieh der Mann da schlägt dich.« Wie dies Brko vernimmt, da schüttelt er sich und springt vom Boden auf, aber schon hatte Bärensohn seine Keule weggeworfen, eiligen Fußes über das Feld fliehend, und Brko hinter ihm her. Der Bärensohn als der behendere, gewann zwar bald den Vorsprung, aber Brko folgte ihm auf dem Fuße nach und wollte durchaus nicht von der Verfolgung abstehen. Und immer weiter rennend gelangte Bärensohn an einen Fluß, bei welchem Männer in einer Tenne Waizen ausdraschen, und diesen rief er zu: »Brüder! helfet mir um Gottes Willen! Der Schnurrbart verfolgt mich! Was werde ich beginnen? Wie über diesen Fluß kommen?« Da reichte ihm einer von den Männern eine Schaufel hin und sprach: »Setze dich auf meine Schaufel, so will ich dich hinüber schleudern.« Flugs setzt sich Bärensohn auf die Schaufel, der Mann schwingt sie, schleudert ihn auf die andre Seite des Flusses und er eilt weiter. Bald darauf kommt auch Brko dahergerannt und frägt die Männer: »Ist nicht hier ein Mann von solch und solchem Aussehen vorbeigekommen?« Und sie bejahen es. »Aber wie ist er denn über den Fluß gekommen?« frägt Brko weiter. »Er hat ihn übersprungen,« antworten ihm die Männer. Da nimmt sich Brko einen Anlauf und hopp! ist er mit gewaltigem Sprunge am jenseitigen Ufer und setzt dem Bärensohn nach. Dieser aber, als er immer weiter fliehend einen Berg hinan gerannt war, fühlte sich mit einem Male ermüdet, und oben angelangt, traf er auf frisch gepflügtem Acker einen Mann, der eine Tasche um den Hals gehangen trug, aus der er abwechselnd eine Hand voll Samen säte, eine Hand voll aber in den Mund steckte und aß. Diesem Manne rief er zu: »Bruder, hilf mir um Gottes Willen! Was soll ich beginnen? Brko verfolgt mich und ist mir schon auf der Ferse! Ach verbirg mich irgendwo!« Und der Mann entgegnet: »Bei Gott, Bruder, mit dem Schnurrbart ist nicht viel Scherz zu machen; und wenn du nicht hier in meine Tasche unter den Samen kriechen willst, so wüßt‘ ich nicht, wo ich dich sonst verstecken sollte.« Mit diesen Worten schob er ihn in seine Tasche; und als in einer Weile Brko nachkam und nach Bärensohn frug, da sagte ihm der Mann, er ist schon lange lange da vorüber gegangen, und muß nun schon Gott weiß wie weit sein. Da gab der Schnurrbart jede weitere Verfolgung auf und ging zurück.
Der Mann aber, welcher zu säen fortfuhr und des Bärensohnes in seiner Tasche vergessen hatte, packte ihn plötzlich mit einer Hand voll Getreide und schob ihn damit in seinen Mund. Erschrocken und in Angst zermalmt zu werden, läuft Bärensohn im Munde des Mannes hin und her, bis er zu seinem Glücke einen hohlen Zahn entdeckt, in den er eilends hineinschlüpft und sich darin ganz stille verhält. Als der Sämann am Abend nach Hause kömmt, ruft er seinen Schwiegertöchtern: »Kinder! gebt mir meine Zahnstocher, mich drückt etwas in meinem verdorbenen Zahn.« Da bringen die Schwiegertöchter zwei große eiserne Bratspieße herbei, welche sie, nachdem der Sämann den Mund geöffnet hatte, zu beiden Seiten in die Höhlung des Zahnes stemmten, bis Bärensohn heraussprang. Nun erst erinnerte sich der Sämann seiner, und sprach zu ihm: »Dich hab‘ ich schlecht verborgen! Wie wenig fehlte, so hätt‘ ich dich verschluckt.« – Hierauf aßen sie miteinander zu Abend, und nachdem sie sich schon über Mancherlei besprochen hatten, da frug denn auch Bärensohn seinen Wirth, was ihm wohl mit jenem Zahne geschehen, daß er mitten unter den Uebrigen gesunden so ganz verdorben sei. Da hub der Wirth ihm Folgendes zu erzählen an: »Einst gingen unser Zehn mit dreißig Pferden nach Ragusa um Salz. Unterwegs trafen wir eine Dirne, welche die Schaafe hütete und uns frug, wo wir hingingen?« wir sagten ihr nach Ragusa um Salz, da sprach sie: »Was wollt ihr euch plagen und so weit gehen? Ich habe hier in meiner Handtasche noch etwas Salz, das mir von dem übrig geblieben ist, welches ich meinen Schafen zu lecken gab, und das, denke ich, wird euch allen genug sein.« Nachdem wir mit ihr über den Preis einig geworden, nahm sie ihre Tasche vom Arme, und wir stiegen von unseren Pferden nahmen die Säcke, und nun ging es an ein Messen und Füllen bis die Säcke aller dreißig Pferde gefüllt waren. Es war dies im Herbst und das Wetter ziemlich schön; eines Tages aber, als schon die Sonne sank und wir uns eben auf dem Gipfel des Tschemerno befanden, umwölkte es sich mit einem Male, dichter Schnee fiel und ein rauher Nordwind drohte uns zu verwehen. Zu unserem noch größeren Unglücke ward es mit einem Male stockfinster und trostlos irrten wir hin und her, bis zuletzt Einer von uns glücklicher Weise eine Höhle entdeckte und ausrief: »Hier her Brüder, hier ist es trocken.« Da gingen wir denn Einer nach dem Andern alle Zehn mit unseren dreißig Pferden hinein, entlasteten diese daselbst, zündeten Feuer an, kurz, machten es uns bequem und übernachteten wie in einem Hause. Als aber der Morgen anbrach, da hättest du was sehen können! wir befanden uns alle in einem Menschenschädel, der zwischen Weinbergen da lag. Während wir uns noch darob verwunderten und unsere Pferde belasteten, da kam unseliger Weise der Wächter jener Weinberge dahergeschritten, ergriff den Schädel, in dem wir uns noch alle befanden, legte diesen in seine Schleuder und sie ein paar Male mächtig über seinem Haupte schwingend, schleuderte er ihn weit über die Weinberge hinaus, um eine Schaar Staare damit zu verscheuchen, und als der Schädel auf einen Berg niederfiel, da beschädigte ich mir diesen Zahn. – Und euch zu Ehren diese Lüge.
Als der Knabe ein Jüngling ward, sehnte er sich die Höhle zu verlassen und in die Welt zu gehen. Der Bär aber bemühte sich ihn davon abzubringen, indem er zu ihm sprach: »Du bist noch jung und schwach und in der Welt draußen giebt es böse Geschöpfe, die sich Menschen nennen und dich umbringen werden.« Und so beschwichtigte er ein wenig die Sehnsucht des Jünglings, daß dieser noch in der Höhle blieb. Nach einiger Zeit jedoch überkam ihn wieder die Sehnsucht in die Welt zu gehen, und als es ihm der Bär auf keine Weise mehr aus dem Sinne zu schlagen vermochte, führte er ihn vor die Höhle hinaus unter eine Buche, indem er zu ihm sprach: »Wenn du diese Buche aus der Erde zu reißen im Stande bist, will ich dich in die Welt ziehen lassen, wo nicht, so mußt du noch bei mir bleiben.« Der Jüngling faßte den Baum, zog hin, zog her, aber vergeblich, er vermochte ihn nicht zu entwurzeln und kehrte daher mit dem Vater in die Höhle zurück. – Als nun wieder einige Zeit verstrichen war, und es den Knaben abermals drängte in die Welt zu ziehen, da führte ihn der Bär nochmals vor die Höhle, und hieß ihn es mit der Buche von neuem versuchen. Diesmal packte er kräftig und riß den Baum aus der Erde. Da sagte ihm der Bär, streife alle Zweige davon ab, nimm den Stamm als Keule auf die Achsel und ziehe fort in die Welt. Der Knabe befolgte den Rath des Vaters, und wie er so durch die Welt zog, gelangte er auf eine Ebene, wo mit vielen hundert Pflügen herrschaftliche Aecker gepflügt wurden. Als er den Ackersleuten nahe war, fragte er, ob sie ihm wohl etwas zu essen geben könnten. Sie erwiderten, er möge sich nur ein wenig gedulden, man werde ihnen bald das Mittagmahl bringen, und wo so viele essen, da könne er wohl auch satt werden. Während sie noch so sprachen, wurden schon die Wagen, Pferde, Maulthiere und Esel sichtbar, die sämmtlich mit dem Mittagessen belastet sich heranbewegten. Als nun aber das Essen aufgetischt wurde, da sprach Bärensohn: »Das werde ich Alles allein verzehren.« Die Ackersleute darüber höchlich verwundert, meinten, es sei wohl kaum möglich, daß Einer das aufesse, was für so viel hundert Menschen bereitet worden sei! Bärensohn aber blieb dabei und wettete mit ihnen, wenn er nicht Alles aufesse, wolle er ihnen seine Keule, bleibe aber von all dem Essen nichts übrig, dann müßten sie ihm alles Eisen geben, was an ihren Pflügen sei. Hierauf ward das Mahl aufgetischt, Bärensohn griff zu, aß Alles rein auf, und wäre nur noch mehr da gewesen! Da sammelten die Ackersleute Alles was von Eisen an ihren Pflügen war auf einen Haufen, Bärensohn aber drehte einige Birken zusammen, band damit das Eisen in ein großes Bündel, steckte es an das Ende seiner Keule, schwang diese auf die Achsel und ging damit geraden Wegs zu einem Schmiede, dem er sagte, er möge ihm aus all dem Eisen einen Kolben für seine Keule schmieden. Der Schmied übernahm die Arbeit, da ihm aber des Eisens viel zu viel schien, so verbarg er davon beinahe die Hälfte und machte aus dem Uebrigen einen leichten, schlecht gearbeiteten Kolben. Dem Bärensohne kam der Kolben auf den ersten Blick im Vergleich mit dem vielen Eisen, das er hergegeben, zu klein vor, und abgesehen davon, nicht so tüchtig gearbeitet, wie er hätte sein sollen. Als er ihn daher prüfend an seine Keule steckte, schleuderte er ihn mächtig gegen die Wolken, und ließ sich schnell bückend, um sich zu überzeugen ob er wohl etwas tauge, ihn auf seine Schultern niederfallen. Da barst der Kolben, dem Schmiede zum Verderben, denn nun holte Bärensohn ergrimmt mit seiner Keule aus und schlug ihn todt. Hierauf ging er in die Schmiede, suchte und fand daselbst das zurück behaltene Eisen, welches er sammt den Bruchstücken des geborstenen Kolbens zu einem anderen Schmiede trug und diesen für seine Keule einen Kolben schmieden hieß. »Ich rathe dir aber keinen Scherz zu treiben, und redlich alles Eisen, was ich dir bringe, darauf zu verwenden, wenn du nicht willst, daß es dir so ergehe wie Jenem, der mir den ersten Kolben schmiedete.« Der Schmied, welcher schon vernommen hatte, wie es dem Andern ergangen war, rief alle seine Gesellen herbei, sammelte das Eisen, schweißte es zusammen und verfertigte daraus einen Kolben, so gut wie man ihn nur irgend haben kann. Als der Bärensohn den Kolben auf die Keule steckte, schleuderte er ihn abermals gegen die Wolken, und ließ ihn auf seine Schultern niederfallen, aber diesmal zersprang der Kolben nicht, sondern prallte unversehrt zurück in die Höhe. Da sprach er: »Nun ist der Kolben gut,« nahm ihn auf die Achsel und setzte seinen Weg fort. Und wie er so dahin wanderte, traf er auf dem Felde einen Mann, der zwei Ochsen vor einen Pflug gespannt hatte und pflügte; und als er ganz nahe zu ihm herangekommen war, fragte er diesen, ob er nicht Etwas für ihn zu essen habe. Und der Mann antwortete ihm: »Meine Tochter wird mir gleich das Mittagbrod bringen, und da will ich mit dir theilen was Gott gegeben hat.« Da hub Bärensohn zu erzählen an, wie er Alles aufgegessen habe, was für viele hundert Ackersleute bestimmt gewesen war, »was wird bei einem einzelnen Mahle für mich, was für dich sein?« Während er so sprach, kam das Mädchen und brachte Essen getragen; und wie es noch damit beschäftigt war es aufzutischen, wollte der Bärensohn schon mit beiden Händen zugreifen, der Mann aber wehrte ihm, indem er sprach: »Nichts da! erst bekreuze dich, so wie ich.« – Bärensohn, hungrig wie er war und weil er nicht anders konnte, bekreuzte sich; dann erst fingen sie zu essen an, aßen sich beide satt, und von dem Essen blieb noch übrig. Nun erst betrachtete Bärensohn das Mädchen, welches das Mahl gebracht hatte, kräftig, gesund und schön war, es gefiel ihm gar wohl und er sprach zu dem Vater: »Willst du mir deine Tochter zum Weibe geben?« »Gerne,« antwortete der Mann, »würde ich sie Dir geben, hätt‘ ich sie nicht schon dem Brko versprochen.« Worauf ihm Bärensohn entgegnete: »Ei was kümmert mich Brko, dem will ich es mit meinem Kolben geben.« Doch der Mann sprach: »Ja Brko ist auch ein Kämpe, das sollst du gleich sehen.« Mit einem Male ward aus den Bergen her ein Geräusch und Getöse hörbar und in der Richtung von wo es sich vernehmen ließ, bewegte sich die Hälfte eines Schnurrbartes hervor, auf der drei Hundert und fünf und sechzig Vogelnester zu sehen waren; in einer Weile erschien auch die andre Hälfte, und der gewaltige Brko stand da. Er schritt zu ihnen heran, streckte sich nach seiner ganzen Länge auf den Bauch hin, und legte sein Haupt in den Schooß des Mädchens, indem er sprach, es möge ihn ein wenig krauen, und das Mädchen fing in der That ihn zu krauen an. Da erhebt sich leise der Bärensohn und versetzt dem Schnurrbart mit seiner Keule einen Schlag über den Kopf; doch Brko deutet bloß mit dem Finger nach der Stelle und spricht zu dem Mädchen: »Hier beißt es mich;« da holt Bärensohn mit seiner Keule aus und schlägt ihn damit auf eine andere Stelle; doch Brko deutet abermals nur mit den Worten dahin: »Sieh! hier juckt mich wieder etwas.« Als ihn aber Bärensohn das dritte Mal schlägt, da fährt er ergrimmt mit der Hand nach der geschlagenen Stelle, und ruft aus: »Bist Du etwa blind? Hier beißt mich ja etwas!« Da spricht das Mädchen: »Ach, dich beißt gar nichts, sondern sieh der Mann da schlägt dich.« Wie dies Brko vernimmt, da schüttelt er sich und springt vom Boden auf, aber schon hatte Bärensohn seine Keule weggeworfen, eiligen Fußes über das Feld fliehend, und Brko hinter ihm her. Der Bärensohn als der behendere, gewann zwar bald den Vorsprung, aber Brko folgte ihm auf dem Fuße nach und wollte durchaus nicht von der Verfolgung abstehen. Und immer weiter rennend gelangte Bärensohn an einen Fluß, bei welchem Männer in einer Tenne Waizen ausdraschen, und diesen rief er zu: »Brüder! helfet mir um Gottes Willen! Der Schnurrbart verfolgt mich! Was werde ich beginnen? Wie über diesen Fluß kommen?« Da reichte ihm einer von den Männern eine Schaufel hin und sprach: »Setze dich auf meine Schaufel, so will ich dich hinüber schleudern.« Flugs setzt sich Bärensohn auf die Schaufel, der Mann schwingt sie, schleudert ihn auf die andre Seite des Flusses und er eilt weiter. Bald darauf kommt auch Brko dahergerannt und frägt die Männer: »Ist nicht hier ein Mann von solch und solchem Aussehen vorbeigekommen?« Und sie bejahen es. »Aber wie ist er denn über den Fluß gekommen?« frägt Brko weiter. »Er hat ihn übersprungen,« antworten ihm die Männer. Da nimmt sich Brko einen Anlauf und hopp! ist er mit gewaltigem Sprunge am jenseitigen Ufer und setzt dem Bärensohn nach. Dieser aber, als er immer weiter fliehend einen Berg hinan gerannt war, fühlte sich mit einem Male ermüdet, und oben angelangt, traf er auf frisch gepflügtem Acker einen Mann, der eine Tasche um den Hals gehangen trug, aus der er abwechselnd eine Hand voll Samen säte, eine Hand voll aber in den Mund steckte und aß. Diesem Manne rief er zu: »Bruder, hilf mir um Gottes Willen! Was soll ich beginnen? Brko verfolgt mich und ist mir schon auf der Ferse! Ach verbirg mich irgendwo!« Und der Mann entgegnet: »Bei Gott, Bruder, mit dem Schnurrbart ist nicht viel Scherz zu machen; und wenn du nicht hier in meine Tasche unter den Samen kriechen willst, so wüßt‘ ich nicht, wo ich dich sonst verstecken sollte.« Mit diesen Worten schob er ihn in seine Tasche; und als in einer Weile Brko nachkam und nach Bärensohn frug, da sagte ihm der Mann, er ist schon lange lange da vorüber gegangen, und muß nun schon Gott weiß wie weit sein. Da gab der Schnurrbart jede weitere Verfolgung auf und ging zurück.
Der Mann aber, welcher zu säen fortfuhr und des Bärensohnes in seiner Tasche vergessen hatte, packte ihn plötzlich mit einer Hand voll Getreide und schob ihn damit in seinen Mund. Erschrocken und in Angst zermalmt zu werden, läuft Bärensohn im Munde des Mannes hin und her, bis er zu seinem Glücke einen hohlen Zahn entdeckt, in den er eilends hineinschlüpft und sich darin ganz stille verhält. Als der Sämann am Abend nach Hause kömmt, ruft er seinen Schwiegertöchtern: »Kinder! gebt mir meine Zahnstocher, mich drückt etwas in meinem verdorbenen Zahn.« Da bringen die Schwiegertöchter zwei große eiserne Bratspieße herbei, welche sie, nachdem der Sämann den Mund geöffnet hatte, zu beiden Seiten in die Höhlung des Zahnes stemmten, bis Bärensohn heraussprang. Nun erst erinnerte sich der Sämann seiner, und sprach zu ihm: »Dich hab‘ ich schlecht verborgen! Wie wenig fehlte, so hätt‘ ich dich verschluckt.« – Hierauf aßen sie miteinander zu Abend, und nachdem sie sich schon über Mancherlei besprochen hatten, da frug denn auch Bärensohn seinen Wirth, was ihm wohl mit jenem Zahne geschehen, daß er mitten unter den Uebrigen gesunden so ganz verdorben sei. Da hub der Wirth ihm Folgendes zu erzählen an: »Einst gingen unser Zehn mit dreißig Pferden nach Ragusa um Salz. Unterwegs trafen wir eine Dirne, welche die Schaafe hütete und uns frug, wo wir hingingen?« wir sagten ihr nach Ragusa um Salz, da sprach sie: »Was wollt ihr euch plagen und so weit gehen? Ich habe hier in meiner Handtasche noch etwas Salz, das mir von dem übrig geblieben ist, welches ich meinen Schafen zu lecken gab, und das, denke ich, wird euch allen genug sein.« Nachdem wir mit ihr über den Preis einig geworden, nahm sie ihre Tasche vom Arme, und wir stiegen von unseren Pferden nahmen die Säcke, und nun ging es an ein Messen und Füllen bis die Säcke aller dreißig Pferde gefüllt waren. Es war dies im Herbst und das Wetter ziemlich schön; eines Tages aber, als schon die Sonne sank und wir uns eben auf dem Gipfel des Tschemerno befanden, umwölkte es sich mit einem Male, dichter Schnee fiel und ein rauher Nordwind drohte uns zu verwehen. Zu unserem noch größeren Unglücke ward es mit einem Male stockfinster und trostlos irrten wir hin und her, bis zuletzt Einer von uns glücklicher Weise eine Höhle entdeckte und ausrief: »Hier her Brüder, hier ist es trocken.« Da gingen wir denn Einer nach dem Andern alle Zehn mit unseren dreißig Pferden hinein, entlasteten diese daselbst, zündeten Feuer an, kurz, machten es uns bequem und übernachteten wie in einem Hause. Als aber der Morgen anbrach, da hättest du was sehen können! wir befanden uns alle in einem Menschenschädel, der zwischen Weinbergen da lag. Während wir uns noch darob verwunderten und unsere Pferde belasteten, da kam unseliger Weise der Wächter jener Weinberge dahergeschritten, ergriff den Schädel, in dem wir uns noch alle befanden, legte diesen in seine Schleuder und sie ein paar Male mächtig über seinem Haupte schwingend, schleuderte er ihn weit über die Weinberge hinaus, um eine Schaar Staare damit zu verscheuchen, und als der Schädel auf einen Berg niederfiel, da beschädigte ich mir diesen Zahn. – Und euch zu Ehren diese Lüge.
[Serbien: Vuk Stephanovic Karadzic: Volksmärchen der Serben]