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Kein Deut Wahrheit

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Es waren einst drei Brüder, steinreiche Leute: Zwei waren nackt wie junge Falken, und der dritte hatte kein Hemd auf dem Leibe und keine Mütze auf dem Kopf. Alle drei waren treffsichere Jäger ohne Gewehr. Eines Morgens gingen sie auf die Jagd und erlegten drei Hasen: Sie verfehlten zwei und ließen den dritten entwischen. Im Wald fanden sie eine Hütte, darin war keine Menschenseele, deshalb baten sie die Großmutter: „Gib uns drei Töpfe, die Hasen zu braten.“ Sie gab ihnen drei Töpfe: zwei zerschlagene und einen ohne Boden. Die Brüder schlachteten die Hasen und stellten sie zum Braten auf, hatten aber kein Feuer. Da sahen sie in einem Eichenwipfel ein Licht leuchten. „Was mag das sein?“ fragte der älteste Bruder, kletterte am Stamm hinauf, stellte fest, daß ein Bär im Wipfel Feuer gemacht hatte und einen Ochsen am Spieß briet, und bat ihn um Feuer. Doch der Bär packte ihn und sprach: „Ei, du kommst mir grad recht, dich will ich zum Mittag fressen und den Ochsen zum Abend.“ Und als die anderen beiden Brüder ebenfalls hinaufgeklettert kamen, begrüßte er sie mit den gleichen Worten. Da brachen alle drei Brüder in lautes Wehgeschrei aus und flehten ihn an, sie doch am Leben zu lassen. „Gut“, sagte er schließlich, „falls ihr imstande seid, mir eine Geschichte zu erzählen, an der kein Deut Wahrheit ist, will ich euch das Leben schenken.“
Der älteste Bruder begann, der zweite fuhr fort und der dritte ergänzte: „Solch eine Geschichte kann ich dir wohl erzählen. Hör zu. Fünfzehn Jahre vor meinem Vater erblickte ich das Licht der Welt. Als nun mein Vater geboren war, ging ich zum Popen und bat ihn, Vater zu taufen. Doch das lehnte der Pope ab, denn er brauchte dazu die Genehmigung Gottes, wie er sagte, und die müßte ich ihm zuvor einholen. Aber wie sollte ich das anstellen? Niedergeschlagen machte ich mich auf den Heimweg, dermaßen von Hunger und Durst gequält, daß ich mich kaum auf den Beinen halten konnte. Eine Frau, die mir entgegenkam, erkannte, wie ich litt, und schenkte mir aus ihrer Schürze eine Handvoll Bohnen. Ich verzehrte sie bis auf drei, die ich als Notvorrat in die Tasche steckte. Die Sonnenglut machte mich müde, und ich legte mich unter eine Eiche, wo ich fest einschlief. Im Schlaf wälzte ich mich auf die andere Seite, dabei fielen die drei Bohnen zu Boden, schlugen Wurzel, trieben aus, und als ich erwachte, reichten sie schon bis zum Himmel. Erfreut kletterte ich an den Stengeln in die Höhe, von Zweig zu Zweig, von Hülse zu Hülse, von Blatt zu Blatt, bis ich im Himmel anlangte. Dort sah ich Gott am Tisch sitzen und Brot mit Käse essen, und mir bot er nichts davon an. Als ich ihm aber von meiner Not berichtete, nahm er stracks Feder und Papier und schrieb dem Popen einen Befehl, meinen Vater sofort zu taufen. Ich nahm den Befehl und bedankte mich, doch als ich auf die Erde zurückklettern wollte, waren die Bohnenstengel inzwischen von den Ziegen abgeknabbert worden. Was nun?
Ich ging zu Gott zurück, bat ihn noch einmal um Hilfe, und er schenkte mir auch drei Hände voll Kleie mit den Worten: >Laß die Kleie zur Erde rieseln und klettre daran hinunter.< Ich gehorchte, aber die Kleie langte nicht. Was nun? Zu meinem Glück hatte ich ein Knäuel Hanf im Gürtel stecken. Das wickelte ich ab und kletterte daran wieder ein Stückchen in die Tiefe. Weil es jedoch immer noch nicht langte, riß ich kurzentschlossen den Hanf über mir ab und band ihn unter mir wieder an, riß ab, band an, riß ab, band an. Dennoch vermochte ich auch dadurch noch nicht die Erde zu erreichen. Da schnitt ich mir die Haare ab, knotete sie aneinander und kletterte daran weiter. Aber auch sie waren noch zu kurz, und ich hing hilflos zwischen Himmel und Erde. Da riß mir die Geduld, ich faßte mir ein Herz, sprang in die gähnende Tiefe, fiel – bums – in eine Hecke und blieb bis zum Halse darin stecken. „Hilfe, Hilfe!“ schrie ich, doch vergebens. Da befreite ich mich selber, lief nach Hause und holte einen großen Holzhammer, um die Hecke zu zerhauen. Das machte mir viel Mühe, denn es herrschte eine große Hitze, und deshalb war alles steifgefroren. Weil mich der Durst quälte, ging ich zum Brunnen, aber in der starken Hitze war das Wasser natürlich ebenfalls gefroren. Ich hielt Ausschau nach einem Stein, um das Eis einzuschlagen, fand aber keinen. Auch diesmal wußte ich mir zu helfen, nahm ein Messer, schnitt mir den Kopf ab, schlug mit ihm die Eisdecke auf, trank mich satt und ging weiter.
Über kurz oder lang erblickte ich einen Mann, der saß auf der Eiche und drosch Hirse aus; das Stroh fiel zu Boden, und die Hirse blieb im Baumwipfel hängen.>Was machst du da, Herzensfreund, wieso fällt dein Stroh zu Boden, während die Körner oben hängenbleiben?< — >Darüber wunderst du dich?<, rief der Drescher,>doch darüber, daß du keinen Kopf hast, wunderst du dich nicht.< Ich schlug mir gegen die Stirn – in der Tat, wo war mein Kopf geblichen? Da fiel mir ein, daß ich ihn neben dem gefrorenen Brunnen vergessen hatte, lief zu ihm hin und stülpte ihn mir wieder auf. Als ich aber wieder zu Hause war, merkte ich, daß er verkehrt herum saß, mit der Nase nach hinten.“ Der Bär hielt sich vor Lachen die Seiten. „Geht heim!“ sagte er. „Ich werde euch kein Haar krümmen.“

Quelle:
(Märchen aus Jugoslawien)

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